"Juller"-Premiere in Leipzig: "Darin steckt etwas Heroisches"

Der bekannte Schauspieler Philipp Oehme, Jürgen Zielinski, Deutschlands bedeutendster Regisseur im Kinder- und Jugendtheater, und der Dramaturg Jörg Menke-Peitzmeyer, der gerade den Deutschen Jugendtheaterpreis gewann, haben sich zusammengetan und bringen "Juller" auf die Bühne. Am Samstagabend wurde das Stück im Theater der Jungen Welt Leipzig uraufgeführt. "Juller" stellt das Leben und Sterben des deutschen Nationalspielers Julius Hirsch dar. Im Herbst geht das von der DFB-Kulturstiftung geförderte Stück durch zehn Städte der Fußball-Bundesliga auf Tournee. Den Anfang macht Dortmund am 11. Oktober.

"Wir wollen eine Geschichte erzählen und dabei durchaus unterhaltsam sein", sagt Philipp Oehme, der in 156 Folgen der ARD-Vorabendserie "Verbotene Liebe" den Thore Hellström gab, und auch schon bei Kinoproduktionen etwa von Christian Petzold und Dominik Graf große Parts spielte. Nun also die Rolle des Julius Hirsch. Der 35 Jahre alte Oehme sagt: "Man soll der Geschichte ohne jede Vorkenntnisse folgen können. Und gleichzeitig gibt es diese Metaebene, über die sich das Stück so langsam von hinten übers Mark einschleicht."

"27 Bilder, da wirst du wahnsinnig"

In gespielter Aufgebrachtheit schimpft Jürgen Zielinski über die Szenendichte: "27 Bilder, da wirst du wahnsinnig." Auch inhaltlich habe "Juller" ihm als Regisseur und dem Ensemble viel abverlangt. "Die erste Szene spielt auf der Engländerwiese 1910, und wir enden 1946, als die Familie eine letzte Suchmeldung aufgibt. Es war ein riesiger Spagat, der mir anfangs gehörigen Respekt eingejagt hat."

Julius Hirsch, als Sohn einer jüdischen Familie am 7. April 1892 geboren, gilt als einer der besten Fußballer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zweimal wird er Deutscher Meister, mit dem Karlsruher FV und der Spvgg. Fürth, in sieben Länderspielen für Deutschland zwischen 1911 und 1913 schießt er vier Tore. Am 10. April 1933 erfährt er aus der Zeitung, dass die süddeutschen Vereine beschlossen haben, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Hirsch ist Patriot, war Frontsoldat im 1. Weltkrieg, trägt das Eiserne Kreuz. "Bewegten Herzens", wie er selbst sagt, schreibt er in einem Brief an seinen Verein: "Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch Herzblut vergossene deutsche Juden gibt…".

Dieser Aspekt habe ihn gepackt, sagt heute sein Darsteller Philipp Oehme: "Dass einer weiterhin ans Gute glaubt und nicht emigriert wie etwa Gottfried Fuchs, sondern als Jude in Deutschland bleibt. Er glaubt eben fest daran, dass das für ihn als Deutscher und Jude richtig ist und die Dinge schon gut ausgehen werden. Darin steckt auch etwas Heroisches." Am 1. März 1943 wird der deutsche Nationalspieler und Olympiateilnehmer nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Sein letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte: "Meine Lieben. Bin gut gelandet, es geht gut. Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse euer Juller." In Auschwitz verliert sich seine Spur. Das Amtsgericht Karlsruhe verfügt 1950 den 8. Mai 1945 als Todesdatum.

Regisseur Zielinski: "Wir schaffen emotionale Dichte"

In Leipzig also, der Gründungsstadt des DFB, wird "Juller" aufgeführt. Das Theater der Jungen Welt ist mit seinen 700 Vorstellungen pro Spielzeit der meistspielende Kulturbetrieb der am schnellsten wachsenden Großstadt Deutschlands. Für das Jugendstück "Crystal - Variationen über Rausch" wurde das Theater 2016 mit dem Preis des Sächsischen Theatertreffens ausgezeichnet.

Jürgen Zielinski sagt: "Wenn schon der Regisseur, der ein kalter Hund sein muss, bei einer Probe den Tränen nahe ist, dann zeigt das, welche emotionale Dichte wir schaffen." In eingeschobenen Himmelsgesprächen der Fußballer und einstigen Sturmkameraden Julius Hirsch, Fritz Förderer und Gottfried Fuchs werden Bezüge zum Fußball der Gegenwart geschaffen. Und auch wenn Zielinski betont, dass "wir ohne die Mittel der Schulmedizin auskommen", dürften gerade auch jüngere Zuschauer durch "Juller" den Schrecken besser verstehen, der sich damals über den Fußball und das ganze Land ausbreitete.

Die nächste Aufführungen

Freitag, 5. Mai (ab 19.30 Uhr)
Dienstag, 23. Mai (ab 11 Uhr)
Dienstag, 23. Mai (ab 19.30 Uhr)

Ort ist jeweils der Große Saal im Theater der Jungen Welt in Leipzig, Lindenauer Markt 21

Karten-Telefon: 0341 - 486 60 16

[th]

Der bekannte Schauspieler Philipp Oehme, Jürgen Zielinski, Deutschlands bedeutendster Regisseur im Kinder- und Jugendtheater, und der Dramaturg Jörg Menke-Peitzmeyer, der gerade den Deutschen Jugendtheaterpreis gewann, haben sich zusammengetan und bringen "Juller" auf die Bühne. Am Samstagabend wurde das Stück im Theater der Jungen Welt Leipzig uraufgeführt. "Juller" stellt das Leben und Sterben des deutschen Nationalspielers Julius Hirsch dar. Im Herbst geht das von der DFB-Kulturstiftung geförderte Stück durch zehn Städte der Fußball-Bundesliga auf Tournee. Den Anfang macht Dortmund am 11. Oktober.

"Wir wollen eine Geschichte erzählen und dabei durchaus unterhaltsam sein", sagt Philipp Oehme, der in 156 Folgen der ARD-Vorabendserie "Verbotene Liebe" den Thore Hellström gab, und auch schon bei Kinoproduktionen etwa von Christian Petzold und Dominik Graf große Parts spielte. Nun also die Rolle des Julius Hirsch. Der 35 Jahre alte Oehme sagt: "Man soll der Geschichte ohne jede Vorkenntnisse folgen können. Und gleichzeitig gibt es diese Metaebene, über die sich das Stück so langsam von hinten übers Mark einschleicht."

"27 Bilder, da wirst du wahnsinnig"

In gespielter Aufgebrachtheit schimpft Jürgen Zielinski über die Szenendichte: "27 Bilder, da wirst du wahnsinnig." Auch inhaltlich habe "Juller" ihm als Regisseur und dem Ensemble viel abverlangt. "Die erste Szene spielt auf der Engländerwiese 1910, und wir enden 1946, als die Familie eine letzte Suchmeldung aufgibt. Es war ein riesiger Spagat, der mir anfangs gehörigen Respekt eingejagt hat."

Julius Hirsch, als Sohn einer jüdischen Familie am 7. April 1892 geboren, gilt als einer der besten Fußballer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zweimal wird er Deutscher Meister, mit dem Karlsruher FV und der Spvgg. Fürth, in sieben Länderspielen für Deutschland zwischen 1911 und 1913 schießt er vier Tore. Am 10. April 1933 erfährt er aus der Zeitung, dass die süddeutschen Vereine beschlossen haben, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Hirsch ist Patriot, war Frontsoldat im 1. Weltkrieg, trägt das Eiserne Kreuz. "Bewegten Herzens", wie er selbst sagt, schreibt er in einem Brief an seinen Verein: "Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch Herzblut vergossene deutsche Juden gibt…".

Dieser Aspekt habe ihn gepackt, sagt heute sein Darsteller Philipp Oehme: "Dass einer weiterhin ans Gute glaubt und nicht emigriert wie etwa Gottfried Fuchs, sondern als Jude in Deutschland bleibt. Er glaubt eben fest daran, dass das für ihn als Deutscher und Jude richtig ist und die Dinge schon gut ausgehen werden. Darin steckt auch etwas Heroisches." Am 1. März 1943 wird der deutsche Nationalspieler und Olympiateilnehmer nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Sein letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte: "Meine Lieben. Bin gut gelandet, es geht gut. Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse euer Juller." In Auschwitz verliert sich seine Spur. Das Amtsgericht Karlsruhe verfügt 1950 den 8. Mai 1945 als Todesdatum.

Regisseur Zielinski: "Wir schaffen emotionale Dichte"

In Leipzig also, der Gründungsstadt des DFB, wird "Juller" aufgeführt. Das Theater der Jungen Welt ist mit seinen 700 Vorstellungen pro Spielzeit der meistspielende Kulturbetrieb der am schnellsten wachsenden Großstadt Deutschlands. Für das Jugendstück "Crystal - Variationen über Rausch" wurde das Theater 2016 mit dem Preis des Sächsischen Theatertreffens ausgezeichnet.

Jürgen Zielinski sagt: "Wenn schon der Regisseur, der ein kalter Hund sein muss, bei einer Probe den Tränen nahe ist, dann zeigt das, welche emotionale Dichte wir schaffen." In eingeschobenen Himmelsgesprächen der Fußballer und einstigen Sturmkameraden Julius Hirsch, Fritz Förderer und Gottfried Fuchs werden Bezüge zum Fußball der Gegenwart geschaffen. Und auch wenn Zielinski betont, dass "wir ohne die Mittel der Schulmedizin auskommen", dürften gerade auch jüngere Zuschauer durch "Juller" den Schrecken besser verstehen, der sich damals über den Fußball und das ganze Land ausbreitete.

Die nächste Aufführungen

Freitag, 5. Mai (ab 19.30 Uhr)
Dienstag, 23. Mai (ab 11 Uhr)
Dienstag, 23. Mai (ab 19.30 Uhr)

Ort ist jeweils der Große Saal im Theater der Jungen Welt in Leipzig, Lindenauer Markt 21

Karten-Telefon: 0341 - 486 60 16

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