Finalschiedsrichter Tobias Stieler: "Das ultimative Spiel"

Das Antizipationsvermögen eines Schiedsrichters ist regelmäßig gefragt. In jungen Jahren den eigenen Einsatz im großen DFB-Pokalfinale vorherzusagen, ist allerdings sicher ungewöhnlich – das galt nicht für Tobias Stieler. Im DFB.de-Interview spricht der Schiedsrichter des 76. DFB-Pokalendspiels zwischen RB Leipzig und Bayern München mit Redakteur Arthur Ril über seine außergewöhnliche Pokalfinal-Prophezeiung und sein Trainingspensum vor dem "ultimativem Spiel" seiner Karriere.

DFB.de: Ihre bisherigen 19 Spielleitungen im DFB-Pokal – unter anderem mit Achtel-, Viertel- und Halbfinaleinsätzen – werden nun durch die Ansetzung für das Finale 2019 gekrönt. Wie überraschend kam diese Nominierung für Sie, Herr Stieler?

Tobias Stieler: Die Nachricht kam natürlich unerwartet, aber dafür war es umso schöner, als ich von der Finalansetzung erfahren habe. Generell habe ich keine großen Erwartungen, dann kann ich auch nicht enttäuscht werden. Das heißt nicht, dass es nicht mein Wunsch war, dieses Ziel irgendwann zu erreichen – ganz im Gegenteil. Ich habe pure Freude empfunden. Die Nominierung war ein ganz besonderer Glücksmoment für mich.

DFB.de: Wissen Sie noch, wann dieser Wunschgedanke bei Ihnen zum ersten Mal aufkam?

Stieler: Mit der Schiedsrichtergruppe aus Offenbach, der ich nach wie vor angehöre, sind wir damals regelmäßig zum Finale nach Berlin gefahren. Und dabei kam dann der Wunsch auf, auch mal unten auf dem Platz in der Mitte stehen zu dürfen. Mein heutiger Assistent Matthias Jöllenbeck war auch dabei. Als wir dann im Olympiastadion auf der Tribüne saßen, habe ich zu ihm gesagt: "Matthias, da stehen wir auch einmal." Er hat einfach nur gelacht.

DFB.de: Und für wie realistisch haben Sie Ihre Aussage selbst gehalten? Waren Sie wirklich davon überzeugt?

Stieler: Das war 2012. Ich bin tatsächlich ein großer Realist. Ich habe es mir zwar schon als Ziel gesteckt; aber die Chance, einmal das DFB-Pokalfinale leiten zu dürfen, habe ich für sehr gering gehalten.

DFB.de: Und wie hat Matthias Jöllenbeck reagiert, als Sie jetzt über Ihre gemeinsame Finalansetzung gesprochen haben?

Stieler: Ich habe ihn mit dem Satz "Ich habe dir gesagt, da stehen wir einmal. Und jetzt ist es soweit" am Telefon begrüßt. Er hat sich wahnsinnig gefreut und war im nächsten Moment sprachlos.

DFB.de: Was ist Ihnen außerdem von den Finalreisen nach Berlin in Erinnerung geblieben?

Stieler: Die ganze Stadt war immer voller Fußballfans. Egal, wo man hingelaufen ist, überall hat der Fußball regiert und das Stadtbild bestimmt. Es wurde gesungen, gefeiert, gelacht und getanzt. Eine überragende Atmosphäre, wo man auch hinschaute.

DFB.de: Sie haben bereits mehr als 100 Bundesliga-Begegnungen geleitet. Was macht diese Ansetzung aus sportlichen Gesichtspunkten so besonders für Sie?

Stieler: Es ist ein absolutes Highlight – mehr geht in Deutschland nicht. Wenn es richtig gut läuft, bekommt man diese Spielleitung als Schiedsrichter einmal im Leben. Mich erwartet dieses ultimative Spiel nun am 25. Mai.

DFB.de: Erfordert ein "ultimatives Spiel" auch besondere Vorbereitungen im Vorfeld?

Stieler: Klar, seitdem ich von der Ansetzung erfahren habe, wurde alles auf den 25. Mai, 20 Uhr, ausgerichtet. Ich habe mich schnell mit meinem Personal Trainer ausgetauscht und wir haben mein Training mit Blick auf die Intensität und meine Ernährung entsprechend angepasst. Natürlich hat auch eine intensive Vorbereitung auf die Mannschaften stattgefunden. Pro Tag habe ich sicher zwei bis drei Stunden investiert.

DFB.de: Das hört sich nach einem strammen Programm an.

Stieler: Die Mannschaften haben ein ganzes Jahr darauf hingearbeitet, um in diesem Finale zu stehen, wir Schiedsrichter sogar noch ein bisschen länger. Nicht nur ganz Deutschland schaut auf dieses Endspiel, auch europa- beziehungsweise weltweit ist das Interesse sehr groß. Und wir Schiedsrichter werden ohnehin gerne in den Fokus gerückt. Bei diesem Spiel sind wahrscheinlich noch mehr Blicke auf uns gerichtet.

DFB.de: Nach der Finalnominierung haben Sie sich nicht nur bei Ihrem aktuellen Gespann bedankt, sondern insbesondere auch bei Ihren ehemaligen Assistenten Patrick Ittrich und Sascha Thielert. Was hat die beiden besonders ausgezeichnet?

Stieler: Die beiden haben mir beigebracht, wie man pfeift. (lächelt) 2012 bin ich in die Bundesliga aufgestiegen, eine Spielzeit später habe ich Patrick und Sascha als festes Team zugeteilt bekommen. Ich erinnere mich noch gut an ein Spiel zwischen Hoffenheim und Freiburg, in dem es mit einem Strafstoß, Roten Karten und einem Trainerverweis ein wenig turbulent zur Sache ging. Auf der Rückfahrt im Zug haben sich mir beide gegenüber gesetzt und mir eine halbe Stunde erklärt, wie es geht und wie es nicht geht. Und danach lief’s. Die beiden haben also einen großen Anteil daran, dass ich nun im Finale stehen darf. Ohne meine aktuellen und ehemaligen Assistenten an der Linie hätte ich es nicht geschafft.

DFB.de: Werden Sie Ittrich und Thielert also vor dem Pokalfinale noch um Rat fragen?

Stieler: Nein, besser nicht. (lacht) Aber ich habe beide zum Finale ins Olympiastadion eingeladen.

DFB.de: Und was ist mit der Schiedsrichtergruppe aus Offenbach? Wird sie vor Ort sein und Sie unterstützen?

Stieler: Ja, die Kollegen werden auch in diesem Jahr zum Pokalfinale nach Berlin reisen. Durch die Reisegruppe aus Offenbach steht zumindest fest, dass es einen kleinen Zuschauerteil im Stadion geben wird, der ausschließlich uns Schiedsrichtern, dem 19. Team der Bundesliga, die Daumen drücken wird. Das ist ein schönes Gefühl.

DFB.de: Mit welchem Ziel beziehungsweise Wunsch treten Sie als Schiedsrichter das Pokalfinale an?

Stieler: Wir gehen mit dem Ziel ins Finale, dort richtige Entscheidungen zu treffen. Wenn nach dem Schlusspfiff dann niemand über uns spricht, sind wir wunschlos glücklich.

[ar]

Das Antizipationsvermögen eines Schiedsrichters ist regelmäßig gefragt. In jungen Jahren den eigenen Einsatz im großen DFB-Pokalfinale vorherzusagen, ist allerdings sicher ungewöhnlich – das galt nicht für Tobias Stieler. Im DFB.de-Interview spricht der Schiedsrichter des 76. DFB-Pokalendspiels zwischen RB Leipzig und Bayern München mit Redakteur Arthur Ril über seine außergewöhnliche Pokalfinal-Prophezeiung und sein Trainingspensum vor dem "ultimativem Spiel" seiner Karriere.

DFB.de: Ihre bisherigen 19 Spielleitungen im DFB-Pokal – unter anderem mit Achtel-, Viertel- und Halbfinaleinsätzen – werden nun durch die Ansetzung für das Finale 2019 gekrönt. Wie überraschend kam diese Nominierung für Sie, Herr Stieler?

Tobias Stieler: Die Nachricht kam natürlich unerwartet, aber dafür war es umso schöner, als ich von der Finalansetzung erfahren habe. Generell habe ich keine großen Erwartungen, dann kann ich auch nicht enttäuscht werden. Das heißt nicht, dass es nicht mein Wunsch war, dieses Ziel irgendwann zu erreichen – ganz im Gegenteil. Ich habe pure Freude empfunden. Die Nominierung war ein ganz besonderer Glücksmoment für mich.

DFB.de: Wissen Sie noch, wann dieser Wunschgedanke bei Ihnen zum ersten Mal aufkam?

Stieler: Mit der Schiedsrichtergruppe aus Offenbach, der ich nach wie vor angehöre, sind wir damals regelmäßig zum Finale nach Berlin gefahren. Und dabei kam dann der Wunsch auf, auch mal unten auf dem Platz in der Mitte stehen zu dürfen. Mein heutiger Assistent Matthias Jöllenbeck war auch dabei. Als wir dann im Olympiastadion auf der Tribüne saßen, habe ich zu ihm gesagt: "Matthias, da stehen wir auch einmal." Er hat einfach nur gelacht.

DFB.de: Und für wie realistisch haben Sie Ihre Aussage selbst gehalten? Waren Sie wirklich davon überzeugt?

Stieler: Das war 2012. Ich bin tatsächlich ein großer Realist. Ich habe es mir zwar schon als Ziel gesteckt; aber die Chance, einmal das DFB-Pokalfinale leiten zu dürfen, habe ich für sehr gering gehalten.

DFB.de: Und wie hat Matthias Jöllenbeck reagiert, als Sie jetzt über Ihre gemeinsame Finalansetzung gesprochen haben?

Stieler: Ich habe ihn mit dem Satz "Ich habe dir gesagt, da stehen wir einmal. Und jetzt ist es soweit" am Telefon begrüßt. Er hat sich wahnsinnig gefreut und war im nächsten Moment sprachlos.

DFB.de: Was ist Ihnen außerdem von den Finalreisen nach Berlin in Erinnerung geblieben?

Stieler: Die ganze Stadt war immer voller Fußballfans. Egal, wo man hingelaufen ist, überall hat der Fußball regiert und das Stadtbild bestimmt. Es wurde gesungen, gefeiert, gelacht und getanzt. Eine überragende Atmosphäre, wo man auch hinschaute.

DFB.de: Sie haben bereits mehr als 100 Bundesliga-Begegnungen geleitet. Was macht diese Ansetzung aus sportlichen Gesichtspunkten so besonders für Sie?

Stieler: Es ist ein absolutes Highlight – mehr geht in Deutschland nicht. Wenn es richtig gut läuft, bekommt man diese Spielleitung als Schiedsrichter einmal im Leben. Mich erwartet dieses ultimative Spiel nun am 25. Mai.

DFB.de: Erfordert ein "ultimatives Spiel" auch besondere Vorbereitungen im Vorfeld?

Stieler: Klar, seitdem ich von der Ansetzung erfahren habe, wurde alles auf den 25. Mai, 20 Uhr, ausgerichtet. Ich habe mich schnell mit meinem Personal Trainer ausgetauscht und wir haben mein Training mit Blick auf die Intensität und meine Ernährung entsprechend angepasst. Natürlich hat auch eine intensive Vorbereitung auf die Mannschaften stattgefunden. Pro Tag habe ich sicher zwei bis drei Stunden investiert.

DFB.de: Das hört sich nach einem strammen Programm an.

Stieler: Die Mannschaften haben ein ganzes Jahr darauf hingearbeitet, um in diesem Finale zu stehen, wir Schiedsrichter sogar noch ein bisschen länger. Nicht nur ganz Deutschland schaut auf dieses Endspiel, auch europa- beziehungsweise weltweit ist das Interesse sehr groß. Und wir Schiedsrichter werden ohnehin gerne in den Fokus gerückt. Bei diesem Spiel sind wahrscheinlich noch mehr Blicke auf uns gerichtet.

DFB.de: Nach der Finalnominierung haben Sie sich nicht nur bei Ihrem aktuellen Gespann bedankt, sondern insbesondere auch bei Ihren ehemaligen Assistenten Patrick Ittrich und Sascha Thielert. Was hat die beiden besonders ausgezeichnet?

Stieler: Die beiden haben mir beigebracht, wie man pfeift. (lächelt) 2012 bin ich in die Bundesliga aufgestiegen, eine Spielzeit später habe ich Patrick und Sascha als festes Team zugeteilt bekommen. Ich erinnere mich noch gut an ein Spiel zwischen Hoffenheim und Freiburg, in dem es mit einem Strafstoß, Roten Karten und einem Trainerverweis ein wenig turbulent zur Sache ging. Auf der Rückfahrt im Zug haben sich mir beide gegenüber gesetzt und mir eine halbe Stunde erklärt, wie es geht und wie es nicht geht. Und danach lief’s. Die beiden haben also einen großen Anteil daran, dass ich nun im Finale stehen darf. Ohne meine aktuellen und ehemaligen Assistenten an der Linie hätte ich es nicht geschafft.

DFB.de: Werden Sie Ittrich und Thielert also vor dem Pokalfinale noch um Rat fragen?

Stieler: Nein, besser nicht. (lacht) Aber ich habe beide zum Finale ins Olympiastadion eingeladen.

DFB.de: Und was ist mit der Schiedsrichtergruppe aus Offenbach? Wird sie vor Ort sein und Sie unterstützen?

Stieler: Ja, die Kollegen werden auch in diesem Jahr zum Pokalfinale nach Berlin reisen. Durch die Reisegruppe aus Offenbach steht zumindest fest, dass es einen kleinen Zuschauerteil im Stadion geben wird, der ausschließlich uns Schiedsrichtern, dem 19. Team der Bundesliga, die Daumen drücken wird. Das ist ein schönes Gefühl.

DFB.de: Mit welchem Ziel beziehungsweise Wunsch treten Sie als Schiedsrichter das Pokalfinale an?

Stieler: Wir gehen mit dem Ziel ins Finale, dort richtige Entscheidungen zu treffen. Wenn nach dem Schlusspfiff dann niemand über uns spricht, sind wir wunschlos glücklich.

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