Eilts zur EM 1996: "Wir waren eine Einheit"

Drei EM-Siege, drei Generationen: Vor der EURO 2016 in Frankreich lässt DFB.de wichtige Protagonisten der Titelgewinne 1972, 1980 und 1996 zu Wort kommen. Im ersten Teil erinnerte sich Jupp Heynckes an den ersten Triumph 1972, im zweiten Finalheld Horst Hrubesch an die Europameisterschaft 1980 und im dritten Torwart Andreas Köpke an den letzten EM-Erfolg vor 20 Jahren. Diesmal spricht Dieter Eilts über sein großes Turnier, ebenfalls die EM 1996 in England.

Er war einer der ältesten Shootingstars, die die deutsche Nationalmannschaft je hatte. Mit 31 Jahren spielte Dieter Eilts sein erstes Großturnier - und war einer der großen Gewinner der Europameisterschaft 1996. Mit seinen Tacklings machte der Bremer seinen Gegnern das Leben schwer - und galt fortan als der Inbegriff des "Staubsaugers" im defensiven Mittelfeld. Gemeinsam mit seinen Mannschaftskameraden Andreas Köpke und Matthias Sammer wurde er in die Mannschaft des Turniers gewählt. Im DFB.de-Interview spricht Dieter Eilts mit Mitarbeiter Oliver Jensen über die die EM in England.

DFB.de: Herr Eilts, mit welchem Gefühl sind Sie 1996 zur Europameisterschaft nach England gereist?

Dieter Eilts: Die Vorfreude war natürlich groß. Obwohl ich bereits zu den etwas älteren Spielern gehörte, war das mein erstes Großturnier. Wir sind alle mit einem positiven Gefühl nach England gereist und wollten so erfolgreich spielen wie möglich. Das Minimalziel war das Überstehen der Gruppenphase.

DFB.de: Was hat die Mannschaft von damals ausgemacht?

Eilts: Wir hatten eine gute Mischung mit einigen älteren Spielern, die ihre Erfahrung an die jungen Mitspieler weitergegeben haben, und jungen Spielern, die frischen Wind hineingebracht haben. Die Mannschaft, das Trainer- und Funktionsteam waren eine Einheit. Entscheidend war, dass wir als Team auf die verschiedenen Rückschläge reagiert haben.

DFB.de: Welche Rückschläge meinen Sie?

Eilts: Wir mussten mit einigen Verletzungsausfällen leben. Jürgen Klinsmann war im ersten Spiel noch nicht fit. Dann zog sich Jürgen Kohler gleich im ersten Spiel eine Verletzung zu. Fredi Bobic hatte zwischendurch auch Probleme. Stefan Reuter war für das Finale gesperrt. Wir hatten so viele Verletzte, dass Jens Todt sogar noch nachnominiert wurde.

DFB.de: Wer waren damals die Ecksäulen der Mannschaft?

Eilts: Vor allem Jürgen Klinsmann und Jürgen Kohler - auch wenn sich Kohler schon im ersten Spiel schwer verletzte. Auch Stefan Kuntz hat eine wichtige Rolle eingenommen. Es gab mehrere Spieler, die die Mannschaft geführt haben.

DFB.de: Die Gruppenphase hätte kaum besser beginnen können: 2:0 gegen Tschechien, 3:0 gegen Russland. Wie wichtig ist so ein guter Turnierstart?

Eilts: Sehr wichtig. Man bekommt dadurch eine gewisse Lockerheit und verkrampft nicht, wenn es in einem späteren Spiel eng wird. Man ist dazu in der Lage, sich dann auf die eigenen Stärken zu besinnen.

DFB.de: Es folgte das letzte Gruppenspiel gegen Italien. Der Einzug ins Viertelfinale war Ihrer Mannschaft sicher, sofern Sie nicht mit vier Toren Differenz verlieren und gleichzeitig Tschechien gegen Russland gewinnt. Wie sind Sie das Spiel angegangen?

Eilts: Wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen und Gruppenerster werden. Letztendlich haben wir 0:0 gespielt und in unserer Gruppe den ersten Platz belegt.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie ans Viertelfinale gegen Kroatien, das mit 2:1 gewonnen wurde?

Eilts: Das war ein hart umkämpftes Spiel, eine ganz enge Angelegenheit. Wir gingen durch einen Elfmeter von Jürgen Klinsmann in Führung, mussten in der zweiten Halbzeit den Ausgleich hinnehmen, bevor Matthias Sammer den Siegtreffer erzielte. Wir hatten das nötige Quäntchen Glück. Und das ist sehr wichtig: Um einen Titel zu gewinnen, braucht man auch das Glück, dass vielleicht beim Gegner der Pass einmal nicht ganz ankommt oder dass der Pass auf den eigenen Stürmer einfach perfekt kommt.

DFB.de: Es folgte das Halbfinale gegen den Gastgeber England. Die englischen Boulevardmedien haben vor dem Spiel Stimmung gemacht. Paul Gascoigne etwa wurde mit einem Stahlhelm auf die Titelseiten gebracht, als würde ein Krieg bevorstehen. Wie viel haben Sie davon mitbekommen?

Eilts: Ich habe mich damit nicht groß beschäftigt. Man kann ohnehin nicht beeinflussen, was die Medien schreiben. Daher sollte ein Fußballer das nicht zu sehr an sich heranlassen - auch wenn man natürlich alles mitbekommt.

DFB.de: Ist es ein Fluch oder ein Segen, ein Halbfinale gegen den Gastgeber bestreiten zu müssen?

Eilts: Wir haben uns total darauf gefreut. Im Stadion herrschte eine ganz besondere Stimmung - es war gigantisch. Für mich war es vom Empfinden her das größte Spiel meiner Karriere. Trotz der Brisanz war die Stimmung total positiv und friedsam. Im Wembley-Stadion zu spielen, ist nicht zuletzt wegen der Tradition etwas Besonderes.

DFB.de: Deutschland lag bereits nach drei Minuten durch ein Tor von Alan Shearer zurück...

Eilts: Wir waren trotzdem davon überzeugt, dass wir das Spiel erfolgreich gestalten werden. Auch wenn England noch einige weitere Chancen hatte - zweimal ist zum Beispiel Gascoigne am langen Pfosten knapp vorbeigerutscht. Wie gesagt: Man braucht das Quäntchen Glück.

DFB.de: A propos Gascoigne: es heißt, Sie hätten ihn mit den Worten "Moin, Moin, Gascoigne" begrüßt. Wahrheit oder Märchen?

Eilts: Märchen. Das gehört ins Reich der Fabeln.

DFB.de: England wurde letztendlich im Elfmeterschießen bezwungen. An welcher Stelle wären Sie eigentlich als Schütze dran gewesen?

Eilts: Ich glaube als Allerletzter. Jedenfalls hätte ich mich so lange zurückgehalten. Die Anspannung war bei mir trotzdem genauso groß wie bei den Schützen.

DFB.de: Im Finale ging es gegen die Tschechische Republik, die Sie bereits in der Vorrunde bezwungen hatten. War das ein psychologischer Vorteil?

Eilts: Nicht unbedingt. Tschechien hatte sich von Spiel zu Spiel gesteigert und ein hervorragendes Turnier gespielt. Letztendlich hatten wir mit dem Golden Goal (das 2:1 von Oliver Bierhoff in der 95. Minute; Anm. d. Red.) das glücklichere Ende auf unserer Seite.

DFB.de: Nur Sie hatten im Finale Pech.

Eilts: Ja, ich habe mir leider das Innenband gerissen.

DFB.de: Ist es besonders bitter, wenn so etwas im Finale geschieht? Sie mussten zur Halbzeit raus, Ihr Bremer Kollege Marco Bode kam ins Spiel.

Eilts: Noch bitterer ist es, wenn man sich wie Jürgen Kohler gleich im ersten Spiel verletzt.

DFB.de: Wie wurde der EM-Titel gefeiert?

Eilts: Relativ ruhig. Am Abend gab es ein gemeinsames Essen, am nächsten Tag den Empfang in Frankfurt. Danach bin ich zurück nach Bremen geflogen und habe mich sofort in die Reha begeben. Ich musste ja wieder fit werden für die nächste Bundesligasaison.

DFB.de: Es war bis jetzt der letzte EM-Triumph für Deutschland. Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass die Nationalmannschaft nun bei der EURO 2016 in Frankreich den vierten Titel gewinnt?

Eilts: Die Mannschaft hat als Weltmeister natürlich gute Chancen. Allerdings gibt es nicht den absoluten Topfavoriten. Belgien kann eine gute Rolle spielen. Frankreich zählt als Gastgeber ohnehin zum Favoritenkreis. Die Spanier sind aufgrund der Erfolge in der Europa League und Champions League auch stark einzuschätzen.

DFB.de: Eine persönliche Frage zum Abschluss: Sie waren DFB-Trainer - was machen Sie inzwischen?

Eilts: Ich bin Leiter der Fußballschule von Werder Bremen und bereite gerade die nächsten Camps vor. Wir wollen einfach Kindern die Freude am Fußball vermitteln und ihnen ein tolles Erlebnis bieten - natürlich mit der Hoffnung, dass aus den Teilnehmern kleine Werder-Fans werden.

[oj]

Drei EM-Siege, drei Generationen: Vor der EURO 2016 in Frankreich lässt DFB.de wichtige Protagonisten der Titelgewinne 1972, 1980 und 1996 zu Wort kommen. Im ersten Teil erinnerte sich Jupp Heynckes an den ersten Triumph 1972, im zweiten Finalheld Horst Hrubesch an die Europameisterschaft 1980 und im dritten Torwart Andreas Köpke an den letzten EM-Erfolg vor 20 Jahren. Diesmal spricht Dieter Eilts über sein großes Turnier, ebenfalls die EM 1996 in England.

Er war einer der ältesten Shootingstars, die die deutsche Nationalmannschaft je hatte. Mit 31 Jahren spielte Dieter Eilts sein erstes Großturnier - und war einer der großen Gewinner der Europameisterschaft 1996. Mit seinen Tacklings machte der Bremer seinen Gegnern das Leben schwer - und galt fortan als der Inbegriff des "Staubsaugers" im defensiven Mittelfeld. Gemeinsam mit seinen Mannschaftskameraden Andreas Köpke und Matthias Sammer wurde er in die Mannschaft des Turniers gewählt. Im DFB.de-Interview spricht Dieter Eilts mit Mitarbeiter Oliver Jensen über die die EM in England.

DFB.de: Herr Eilts, mit welchem Gefühl sind Sie 1996 zur Europameisterschaft nach England gereist?

Dieter Eilts: Die Vorfreude war natürlich groß. Obwohl ich bereits zu den etwas älteren Spielern gehörte, war das mein erstes Großturnier. Wir sind alle mit einem positiven Gefühl nach England gereist und wollten so erfolgreich spielen wie möglich. Das Minimalziel war das Überstehen der Gruppenphase.

DFB.de: Was hat die Mannschaft von damals ausgemacht?

Eilts: Wir hatten eine gute Mischung mit einigen älteren Spielern, die ihre Erfahrung an die jungen Mitspieler weitergegeben haben, und jungen Spielern, die frischen Wind hineingebracht haben. Die Mannschaft, das Trainer- und Funktionsteam waren eine Einheit. Entscheidend war, dass wir als Team auf die verschiedenen Rückschläge reagiert haben.

DFB.de: Welche Rückschläge meinen Sie?

Eilts: Wir mussten mit einigen Verletzungsausfällen leben. Jürgen Klinsmann war im ersten Spiel noch nicht fit. Dann zog sich Jürgen Kohler gleich im ersten Spiel eine Verletzung zu. Fredi Bobic hatte zwischendurch auch Probleme. Stefan Reuter war für das Finale gesperrt. Wir hatten so viele Verletzte, dass Jens Todt sogar noch nachnominiert wurde.

DFB.de: Wer waren damals die Ecksäulen der Mannschaft?

Eilts: Vor allem Jürgen Klinsmann und Jürgen Kohler - auch wenn sich Kohler schon im ersten Spiel schwer verletzte. Auch Stefan Kuntz hat eine wichtige Rolle eingenommen. Es gab mehrere Spieler, die die Mannschaft geführt haben.

DFB.de: Die Gruppenphase hätte kaum besser beginnen können: 2:0 gegen Tschechien, 3:0 gegen Russland. Wie wichtig ist so ein guter Turnierstart?

Eilts: Sehr wichtig. Man bekommt dadurch eine gewisse Lockerheit und verkrampft nicht, wenn es in einem späteren Spiel eng wird. Man ist dazu in der Lage, sich dann auf die eigenen Stärken zu besinnen.

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DFB.de: Es folgte das letzte Gruppenspiel gegen Italien. Der Einzug ins Viertelfinale war Ihrer Mannschaft sicher, sofern Sie nicht mit vier Toren Differenz verlieren und gleichzeitig Tschechien gegen Russland gewinnt. Wie sind Sie das Spiel angegangen?

Eilts: Wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen und Gruppenerster werden. Letztendlich haben wir 0:0 gespielt und in unserer Gruppe den ersten Platz belegt.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie ans Viertelfinale gegen Kroatien, das mit 2:1 gewonnen wurde?

Eilts: Das war ein hart umkämpftes Spiel, eine ganz enge Angelegenheit. Wir gingen durch einen Elfmeter von Jürgen Klinsmann in Führung, mussten in der zweiten Halbzeit den Ausgleich hinnehmen, bevor Matthias Sammer den Siegtreffer erzielte. Wir hatten das nötige Quäntchen Glück. Und das ist sehr wichtig: Um einen Titel zu gewinnen, braucht man auch das Glück, dass vielleicht beim Gegner der Pass einmal nicht ganz ankommt oder dass der Pass auf den eigenen Stürmer einfach perfekt kommt.

DFB.de: Es folgte das Halbfinale gegen den Gastgeber England. Die englischen Boulevardmedien haben vor dem Spiel Stimmung gemacht. Paul Gascoigne etwa wurde mit einem Stahlhelm auf die Titelseiten gebracht, als würde ein Krieg bevorstehen. Wie viel haben Sie davon mitbekommen?

Eilts: Ich habe mich damit nicht groß beschäftigt. Man kann ohnehin nicht beeinflussen, was die Medien schreiben. Daher sollte ein Fußballer das nicht zu sehr an sich heranlassen - auch wenn man natürlich alles mitbekommt.

DFB.de: Ist es ein Fluch oder ein Segen, ein Halbfinale gegen den Gastgeber bestreiten zu müssen?

Eilts: Wir haben uns total darauf gefreut. Im Stadion herrschte eine ganz besondere Stimmung - es war gigantisch. Für mich war es vom Empfinden her das größte Spiel meiner Karriere. Trotz der Brisanz war die Stimmung total positiv und friedsam. Im Wembley-Stadion zu spielen, ist nicht zuletzt wegen der Tradition etwas Besonderes.

DFB.de: Deutschland lag bereits nach drei Minuten durch ein Tor von Alan Shearer zurück...

Eilts: Wir waren trotzdem davon überzeugt, dass wir das Spiel erfolgreich gestalten werden. Auch wenn England noch einige weitere Chancen hatte - zweimal ist zum Beispiel Gascoigne am langen Pfosten knapp vorbeigerutscht. Wie gesagt: Man braucht das Quäntchen Glück.

DFB.de: A propos Gascoigne: es heißt, Sie hätten ihn mit den Worten "Moin, Moin, Gascoigne" begrüßt. Wahrheit oder Märchen?

Eilts: Märchen. Das gehört ins Reich der Fabeln.

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DFB.de: England wurde letztendlich im Elfmeterschießen bezwungen. An welcher Stelle wären Sie eigentlich als Schütze dran gewesen?

Eilts: Ich glaube als Allerletzter. Jedenfalls hätte ich mich so lange zurückgehalten. Die Anspannung war bei mir trotzdem genauso groß wie bei den Schützen.

DFB.de: Im Finale ging es gegen die Tschechische Republik, die Sie bereits in der Vorrunde bezwungen hatten. War das ein psychologischer Vorteil?

Eilts: Nicht unbedingt. Tschechien hatte sich von Spiel zu Spiel gesteigert und ein hervorragendes Turnier gespielt. Letztendlich hatten wir mit dem Golden Goal (das 2:1 von Oliver Bierhoff in der 95. Minute; Anm. d. Red.) das glücklichere Ende auf unserer Seite.

DFB.de: Nur Sie hatten im Finale Pech.

Eilts: Ja, ich habe mir leider das Innenband gerissen.

DFB.de: Ist es besonders bitter, wenn so etwas im Finale geschieht? Sie mussten zur Halbzeit raus, Ihr Bremer Kollege Marco Bode kam ins Spiel.

Eilts: Noch bitterer ist es, wenn man sich wie Jürgen Kohler gleich im ersten Spiel verletzt.

DFB.de: Wie wurde der EM-Titel gefeiert?

Eilts: Relativ ruhig. Am Abend gab es ein gemeinsames Essen, am nächsten Tag den Empfang in Frankfurt. Danach bin ich zurück nach Bremen geflogen und habe mich sofort in die Reha begeben. Ich musste ja wieder fit werden für die nächste Bundesligasaison.

DFB.de: Es war bis jetzt der letzte EM-Triumph für Deutschland. Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass die Nationalmannschaft nun bei der EURO 2016 in Frankreich den vierten Titel gewinnt?

Eilts: Die Mannschaft hat als Weltmeister natürlich gute Chancen. Allerdings gibt es nicht den absoluten Topfavoriten. Belgien kann eine gute Rolle spielen. Frankreich zählt als Gastgeber ohnehin zum Favoritenkreis. Die Spanier sind aufgrund der Erfolge in der Europa League und Champions League auch stark einzuschätzen.

DFB.de: Eine persönliche Frage zum Abschluss: Sie waren DFB-Trainer - was machen Sie inzwischen?

Eilts: Ich bin Leiter der Fußballschule von Werder Bremen und bereite gerade die nächsten Camps vor. Wir wollen einfach Kindern die Freude am Fußball vermitteln und ihnen ein tolles Erlebnis bieten - natürlich mit der Hoffnung, dass aus den Teilnehmern kleine Werder-Fans werden.