Der erste Patzer der Breslau-Elf

Eine solche Serie hatten die deutschen Fans noch nie erlebt, eine solche Mannschaft hatten sie noch nie gesehen. Vor 80 Jahren war die sogenannte "Breslau-Elf" in aller Munde. Am 6. Februar 1938 jedoch riss die bis dahin längste Siegesserie der DFB-Auswahl - gegen die Schweiz.

Nach dem dritten Platz bei der Weltmeisterschaft 1934 zählte Deutschland im Fußball erstmals zu den Favoriten. Die Zeit der vielen Niederlagen schien beendet. 1935 wurden 13 von 17 Spielen gewonnen, so dass man hoffnungsfroh ins Olympische Jahr 1936 ging. Das Turnier in Berlin endete für die Fußballer bekanntlich mit einem Fiasko und unerwartet früh. Schon nach zwei Spielen war man ausgeschieden, das 0:2 gegen Norwegen kostete Reichstrainer Otto Nerz Renommee und Einfluss. Er wurde zum "Referenten" der Nationalmannschaft, Trainer Sepp Herberger wurde ihm zur Seite gestellt, war ihm aber formal untergeordnet und machte quasi das Tagesgeschäft. Herberger war für Training, Taktik und Nominierungen zuständig, nur die Aufstellung musste er sich immer von Nerz genehmigen lassen.

Aus heutiger Sicht herrschte 1936/1937 ein schwer durchschaubares Kompetenzgerangel, dem auch Herberger nur mit Fatalismus gegenüberstand. "Was ist denn eigentlich an der Nachricht, die mich zu ihrem Nachfolger macht?" schrieb er Nerz Ende 1936. "Ich finde die Situation geradezu komisch: Die ganze Welt weiß davon, von überall her bekomme ich Glückwünsche, nur ich habe keine Ahnung, was eigentlich los ist."

Breslau 1937: Begeisterndes 8:0 gegen Dänemark

Es ist umso erstaunlicher, dass ausgerechnet in diese Phase die bis dahin beste Zeit einer deutschen Nationalmannschaft fiel. Sie ist noch heute bekannt unter dem Namen der "Breslau-Elf", benannt nach dem Spielort, in dem alles begann: Am 16. Mai 1937 zerlegte sie Dänemark 8:0 und begeisterte die Zuschauer. Schon zuvor hatte die Nationalmannschaft vier Spiele gewonnen, der Tag von Breslau war also der fünfte Sieg in einer imposanten Serie von letztlich zehn Spielen. In Breslau aber fand Herberger eine Formation, mit der er zur WM nach Frankreich fahren wollte.

Die Namen kannte damals jedes Kind: Jakob - Janes, Münzenberg - Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger - Lehner, Gellesch, Siffling, Szepan, Urban. Sie harmonierten derart gut, dass auch vereinzelte Wechsel sie nicht aus der Spur brachten. Der spätere Bundestrainer Helmut Schön vom Dresdner SC stieß dazu, den Kern bildeten aber die Westdeutschen um die Schalker Doublesieger Fritz Szepan, Rudolf Gellesch und Adolf Urban sowie Düsseldorfs Verteidiger Paul Janes, Rekordnationalspieler bis weit nach dem Krieg.

Mit jedem Sieg wuchs die Zuversicht: 3:1 gegen Lettland, 2:0 in Finnland, 4:1 in der WM-Qualifikation gegen Estland, 3:0 gegen Norwegen und 5:0 gegen die Schweden (WM-Qualifikation). Gegen Norwegen spielte die Breslau-Elf komplett, gegen Schweden "störte" nur Debütant Schön, dem gleich zwei Tore gelangen. Mit der sensationellen Bilanz von zehn Siegen und einem Remis (2:2 gegen die Niederlande im Januar) ging das Jahr 1937 äußerst vielversprechend zu Ende.

WM-Jahr 1938: Müngersdorfer Stadion mit 78.000 vollbesetzt

Im WM-Jahr sollte es natürlich so weitergehen, der erste Gegner Schweiz erschien keine allzu hohe Hürde. Er kam am 6. Februar zum Testspiel ins Müngersdorfer Stadion zu Köln, das mit 74.000 erwartungsfrohen Zuschauern vollbesetzt war. In der Aufstellung befanden sich zur allgemeinen Überraschung aber nur acht "Breslauer". Obwohl doch das Reichssportblatt als Replik auf einen Artikel im Sport Zürich, in dem von einem Meinungsstreit im deutschen Lager und möglichen Experimenten die Rede gewesen war, ihren Lesern noch versichert hatte: "So hoch wir auch den Wert der Weltmeisterschaft einschätzen, den guten Ruf des deutschen Fußballsports, der gewiß nicht leicht erworben wurde, werden unsere führenden Männer nicht leichtfertig vorher aufs Spiel setzen. (...) Daher können wir heute schon sagen, daß wir gegen die Schweizer Nationalmannschaft nicht eine starke, sondern die stärkste zur Verfügung stehende Elf aufstellen werden."

Nach dem Spiel hofften wohl alle Zuschauer, dass Herberger doch noch eine stärkere Mannschaft würde aufstellen können. Torwart Jakob, Mittelläufer Goldbrunner und Außenläufer Kitzinger pausierten, und Linksaußen Urban spielte zurückgezogen in der Halbposition. Mit Jürissen (5. Länderspiel) im Tor, Mittelläufer Sold (5.) und Linksaußen Striebinger (3.) hatte Herberger drei im DFB-Team noch unerfahrenen Spielern eine Chance gegeben, weil er eben doch schon für die WM sondierte. Es wäre zu einfach, dem Trio die Schuld an dem schwachen Spiel zu geben, die Wenigsten fanden an diesem Tag zu ihrer Form. Außerdem demonstrierte die Schweiz, dass ihr Erfolg gegen Weltmeister Italien (2:2) kein Zufall gewesen war.



Eine solche Serie hatten die deutschen Fans noch nie erlebt, eine solche Mannschaft hatten sie noch nie gesehen. Vor 80 Jahren war die sogenannte "Breslau-Elf" in aller Munde. Am 6. Februar 1938 jedoch riss die bis dahin längste Siegesserie der DFB-Auswahl - gegen die Schweiz.

Nach dem dritten Platz bei der Weltmeisterschaft 1934 zählte Deutschland im Fußball erstmals zu den Favoriten. Die Zeit der vielen Niederlagen schien beendet. 1935 wurden 13 von 17 Spielen gewonnen, so dass man hoffnungsfroh ins Olympische Jahr 1936 ging. Das Turnier in Berlin endete für die Fußballer bekanntlich mit einem Fiasko und unerwartet früh. Schon nach zwei Spielen war man ausgeschieden, das 0:2 gegen Norwegen kostete Reichstrainer Otto Nerz Renommee und Einfluss. Er wurde zum "Referenten" der Nationalmannschaft, Trainer Sepp Herberger wurde ihm zur Seite gestellt, war ihm aber formal untergeordnet und machte quasi das Tagesgeschäft. Herberger war für Training, Taktik und Nominierungen zuständig, nur die Aufstellung musste er sich immer von Nerz genehmigen lassen.

Aus heutiger Sicht herrschte 1936/1937 ein schwer durchschaubares Kompetenzgerangel, dem auch Herberger nur mit Fatalismus gegenüberstand. "Was ist denn eigentlich an der Nachricht, die mich zu ihrem Nachfolger macht?" schrieb er Nerz Ende 1936. "Ich finde die Situation geradezu komisch: Die ganze Welt weiß davon, von überall her bekomme ich Glückwünsche, nur ich habe keine Ahnung, was eigentlich los ist."

Breslau 1937: Begeisterndes 8:0 gegen Dänemark

Es ist umso erstaunlicher, dass ausgerechnet in diese Phase die bis dahin beste Zeit einer deutschen Nationalmannschaft fiel. Sie ist noch heute bekannt unter dem Namen der "Breslau-Elf", benannt nach dem Spielort, in dem alles begann: Am 16. Mai 1937 zerlegte sie Dänemark 8:0 und begeisterte die Zuschauer. Schon zuvor hatte die Nationalmannschaft vier Spiele gewonnen, der Tag von Breslau war also der fünfte Sieg in einer imposanten Serie von letztlich zehn Spielen. In Breslau aber fand Herberger eine Formation, mit der er zur WM nach Frankreich fahren wollte.

Die Namen kannte damals jedes Kind: Jakob - Janes, Münzenberg - Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger - Lehner, Gellesch, Siffling, Szepan, Urban. Sie harmonierten derart gut, dass auch vereinzelte Wechsel sie nicht aus der Spur brachten. Der spätere Bundestrainer Helmut Schön vom Dresdner SC stieß dazu, den Kern bildeten aber die Westdeutschen um die Schalker Doublesieger Fritz Szepan, Rudolf Gellesch und Adolf Urban sowie Düsseldorfs Verteidiger Paul Janes, Rekordnationalspieler bis weit nach dem Krieg.

Mit jedem Sieg wuchs die Zuversicht: 3:1 gegen Lettland, 2:0 in Finnland, 4:1 in der WM-Qualifikation gegen Estland, 3:0 gegen Norwegen und 5:0 gegen die Schweden (WM-Qualifikation). Gegen Norwegen spielte die Breslau-Elf komplett, gegen Schweden "störte" nur Debütant Schön, dem gleich zwei Tore gelangen. Mit der sensationellen Bilanz von zehn Siegen und einem Remis (2:2 gegen die Niederlande im Januar) ging das Jahr 1937 äußerst vielversprechend zu Ende.

WM-Jahr 1938: Müngersdorfer Stadion mit 78.000 vollbesetzt

Im WM-Jahr sollte es natürlich so weitergehen, der erste Gegner Schweiz erschien keine allzu hohe Hürde. Er kam am 6. Februar zum Testspiel ins Müngersdorfer Stadion zu Köln, das mit 74.000 erwartungsfrohen Zuschauern vollbesetzt war. In der Aufstellung befanden sich zur allgemeinen Überraschung aber nur acht "Breslauer". Obwohl doch das Reichssportblatt als Replik auf einen Artikel im Sport Zürich, in dem von einem Meinungsstreit im deutschen Lager und möglichen Experimenten die Rede gewesen war, ihren Lesern noch versichert hatte: "So hoch wir auch den Wert der Weltmeisterschaft einschätzen, den guten Ruf des deutschen Fußballsports, der gewiß nicht leicht erworben wurde, werden unsere führenden Männer nicht leichtfertig vorher aufs Spiel setzen. (...) Daher können wir heute schon sagen, daß wir gegen die Schweizer Nationalmannschaft nicht eine starke, sondern die stärkste zur Verfügung stehende Elf aufstellen werden."

Nach dem Spiel hofften wohl alle Zuschauer, dass Herberger doch noch eine stärkere Mannschaft würde aufstellen können. Torwart Jakob, Mittelläufer Goldbrunner und Außenläufer Kitzinger pausierten, und Linksaußen Urban spielte zurückgezogen in der Halbposition. Mit Jürissen (5. Länderspiel) im Tor, Mittelläufer Sold (5.) und Linksaußen Striebinger (3.) hatte Herberger drei im DFB-Team noch unerfahrenen Spielern eine Chance gegeben, weil er eben doch schon für die WM sondierte. Es wäre zu einfach, dem Trio die Schuld an dem schwachen Spiel zu geben, die Wenigsten fanden an diesem Tag zu ihrer Form. Außerdem demonstrierte die Schweiz, dass ihr Erfolg gegen Weltmeister Italien (2:2) kein Zufall gewesen war.

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Die Zuschauer wollten Siege sehen - und nichts anderes

Die Deutschen starteten nervös, "vor allem im Sturm liefen die Kombinationen keineswegs so sicher wie bei den letzten großen Triumphen. Die Umstellungen machten sich doch heftiger bemerkbar als man glaubte". Gästetorwart Huber verlebte eine geruhsame erste Halbzeit, sein Gegenüber Jürissen patzte dagegen gewaltig bei der ersten größeren Bewährungsprobe. In der 38. Minute ließ der Jakob-Vertreter den Ball fallen und der Schweizer Linksaußen Georges Aeby drückte ein - mit 0:1 ging es in die Kabinen. Und mit Pfiffen. Es war der Preis des Erfolgs vom rauschhaften Jahr 1937. Die Zuschauer wollten von der deutschen Mannschaft Siege sehen - und nichts anderes. Fritz Szepan, der einen gebrauchten Tag erwischt hatte, wurde besonders heftig ausgepfiffen, was den Zeitungsreporter empörte: "Hier hat sich das Fußballvolk arg vergessen. Auch wenn der Fritz große Fehler machte - haben denn diese Schreier übersehen, welche großen Verdienste gerade Fritz Szepan um den deutschen Fußball hat?"

Zum Glück gab es auch positive Bekundungen, das Anrennen der Deutschen wurde durch die Massen im letzten Drittel des Spiels honoriert. "Die Gefahr der Niederlage alarmierte die 75.000, und sie unterstützten die Mannschaft durch leidenschaftliches Anfeuern." Zur allgemeinen Erleichterung glückte ausgerechnet Sündenbock Szepan mit einem satten Rechtsschuss von der Strafraumgrenze der Ausgleich (74.) zum 1:1-Endstand. Wirklich zufrieden stellte das Resultat niemanden, die schöne Siegesserie war gerissen.

Die ungewohnten Pfiffe waren noch länger Thema. In der nächsten Ausgabe schrieb das Reichssportblatt, nun mit neun Tagen Abstand und durchdrungen vom Geist der braunen Zeit, gebieterisch: "Auf keinen Fall aber wird eine deutsche Nationalmannschaft von ihren eigenen Landsleuten ausgepfiffen!" Das hemme die Aktiven nur und bewirke das Gegenteil einer guten Leistung.

Breslau-Elf von der hohen Politik gesprengt

Reporter Fritz Hoeffs erinnerte sich an seine Schulzeit, in der er einen Aufsatz zum Thema "Das Unglück selber taugt nicht viel. Doch hat's drei gute Kinder: Kraft, Erfahrung, Mitgefühl." Die richtigen Lehren aus der verpatzten WM-Generalprobe zu ziehen, das war die allgemeine Hoffnung. Aber fortan ging es bergab, in den nächsten vier Spielen bis zur WM gab es nur noch einen, zudem kläglichen, Sieg über Luxemburg (2:1) und gegen England eine Lehrstunde in Berlin (3:6).

Da Herberger gezwungen war, auch die ab März zum Reich gehörenden besten Spieler Österreichs zu berücksichtigen, wurde die Breslau-Elf von der hohen Politik gesprengt. Sie scheiterte bei der WM 1938 in Frankreich schon in der ersten Runde an dem Gegner, gegen den ihre Serie heute vor 80 Jahren beendet wurde - die Schweiz.

Es war die bis dato zweitlängste Siegesserie der DFB-Historie, und es dauerte 32 Jahre, ehe sie übertroffen wurde. Die Mannschaft, die sich unter Bundestrainer Jupp Derwall 1980 anschickte, Europameister zu werden, machte sogar das Dutzend voll.

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