Brandt: "Hier steckt große Mentalität drin"

In den sieben Minuten ohne Nachspielzeit, die er in den beiden WM-Spielen auf dem Platz stand, hämmerte er den Ball zweimal an den Pfosten. Die Zeitungen attestieren ihm "Tempo, Dynamik, Quirligkeit" und nennen ihn "Löws letzte Patrone". Julian Brandt spricht im DFB.de-Interview über das Südkorea-Spiel am Mittwoch (ab 16 Uhr, live im ZDF und bei Sky) seinen früheren Mitspieler Heung-Min Son, angebliche Grüppchenbildung und das Leben im Hier und Jetzt.

DFB.de: Herr Brandt, wissen Sie, was ich im Spiel gegen die Schweden gedacht habe - und wahrscheinlich haben so auch viele andere gedacht -, als Ihr Ball an den Innenpfosten schlug und von dort zurück ins Feld sprang?

Julian Brandt: Nein.

DFB.de: Ich dachte, das war's. Heute soll es nicht sein. Wir spielen Unentschieden und scheiden wahrscheinlich aus.

Brandt: Ja, manche hatten vielleicht wirklich den Eindruck, dass der Schuss sinnbildlich dafür steht, dass wir so vieles richtig machen und am Ende irgendwie nicht dafür belohnt werden. Wir haben durch eigene Fehler das 0:1 kassiert. In der zweiten Halbzeit waren wir dann super im Spiel. Wir hatten zwar unsere Möglichkeiten, nur der Ball wollte nicht reingehen. Die Schweden mussten nicht viel machen, sie lagen zuerst in Führung, und selbst ein Unentschieden wäre ja absolut okay für sie gewesen. Jetzt rennt uns langsam die Zeit weg - dieses Gefühl hatten wir durchaus auch auf dem Platz. Doch die Nationalmannschaft hat es immer schon ausgezeichnet, dass man bis ganz zum Schluss dran glaubt. Das wurde diesmal belohnt.

DFB.de: Wo standen Sie beim Freistoß in der 94. Minute?

Brandt: Frontal vor dem Tor, vielleicht vier Meter von der Torlinie entfernt. Ich konnte genau sehen, wie der Ball einschlägt. Dann sind die Emotionen übergekocht.

DFB.de: Dachten Sie vorher, dass Toni Kroos selbst schießen wird?

Brandt: So wie Marco Reus sich aufstellte, konnte man sehen, dass es darauf hinausläuft, dass Toni den Ball anstoßen und Marco ihn anhalten wird. Da dachte ich mir schon, dass er wahrscheinlich schießen oder es zumindest versuchen will. Er hat den Ball sauber in den Winkel geschossen.

DFB.de: Besteht jetzt die Gefahr, dass man zu viel Kraft, auch emotional, gegen die Schweden gelassen hat und die Mannschaft deshalb schwächer ins Südkorea-Spiel geht?

Brandt: So ein Spiel kann ja auch Kräfte freisetzen. Wir sind mit einer Niederlage ins Turnier gestartet, hatten nicht gut gespielt. Jetzt wissen wir, was Sache ist. Dass ein paar Prozent weniger nicht ausreichen, um gegen die Mannschaften hier zu gewinnen. Der Sieg hat uns seelisch gutgetan, gerade weil am Ende jeder das Gefühl hatte: Das haben wir uns heute erarbeitet. Gegen Südkorea werden wir alle wissen, was auf dem Spiel steht und was unser gemeinsames Ziel ist. Ich bin mir sicher, dass wir uns auch am Mittwoch wieder pushen werden.

DFB.de: Südkorea ist ein völlig anderer Gegner als Schweden. Wie muss man gegen sie spielen?

Brandt: Unsere Spielweise jedenfalls sollten wir nicht groß ändern. Wir müssen weitermachen, wie wir auch gegen die Schweden über weite Strecken gespielt haben. Mit vielen kurzen Pässen, schnell und mit Druck nach vorne. Wir wollen versuchen, den Gegner im eigenen letzten Drittel einzuschnüren. Und dann wäre es halt gut, wenn wir auch mal das 1:0 machen.

DFB.de: Heung-Min Son kennen Sie aus der gemeinsamen Zeit bei Leverkusen. Was zeichnet ihn aus?

Brandt: Spielerisch war er fantastisch und ist es seitdem ja mindestens genauso für seinen neuen Klub, die Tottenham Hotspurs. Er ist beidfüßig, sehr schnell und sehr torgefährlich, das darf man nie vergessen. Er ist zwar ein Außenspieler, aber er hat auch bei uns in Leverkusen viele Tore geschossen, viele Vorlagen gegeben. Charakterlich ein einwandfreier Mensch, in Leverkusen war ich sehr gut mit ihm befreundet. Wenn ein Spieler den Verein wechselt, bricht der Kontakt etwas ab, das ist doch ganz normal. Heung-Min ist jemand, den ich als Spieler und Mensch sehr schätze. Im Sommer vor zwei Jahren habe ich bei den Olympischen Spielen gegen ihn gespielt. Jetzt sehe ich ihn wieder, darauf freue ich mich.

DFB.de: Haben Sie sich jetzt schon mal per Whatsapp ausgetauscht?

Brandt: Manchmal ist es besser, sich persönlich zu treffen. Nach dem Spiel quatsche ich gerne mit ihm. Bis dahin aber liegt der ganze Fokus darauf, dass wir das Spiel gewinnen müssen.

DFB.de: Um ganz sicher zu sein, sollte man das Spiel mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Was für Ihren Einsatz sprechen könnte, schließlich haben Sie in den wenigen Minuten auf dem Platz ordentlich gewirbelt. Wie sehen Sie aktuell ihre Position in der Mannschaft?

Brandt: Gut, ich hatte jetzt zwei Kurzeinsätze, die durchaus turbulent waren, für mich persönlich, für die Mannschaft allgemein. Das Positive ist, dass jeder Pfostenschuss fünf Zentimeter besser platziert war. Der nächste sollte dann endgültig drin sein. Meine Position ist genauso wie vor Beginn des Turniers. Ich versuche, mein Bestes zu geben. Wenn ich für fünf oder zehn Minuten eingesetzt werde, nehme ich das so an. Wenn ich auf den Platz komme, will ich der Mannschaft einen neuen Impuls geben, und ich hoffe, das sieht man auch. Bei allem Ehrgeiz, den man natürlich hat, ordne ich mich der Mannschaft und unseren Zielen unter.

DFB.de: Wie ist aktuell der Zusammenhalt in der Mannschaft? Immerhin ist man seit Beginn des Trainingslagers jetzt schon einen Monat unterwegs, trainiert zusammen, lebt zusammen.

Brandt: Ich finde das Klima relativ angenehm. Der Zusammenhalt ist durch das Schweden-Spiel noch mal gewachsen. Die Mannschaft kennt sich ja seit mehreren Jahren. Das hier eine große Mentalität drinsteckt, ist ja klar. Wir hatten in den ersten beiden Spielen Schwierigkeiten, unser Spiel umzusetzen. Aber wir wissen als komplettes Team, dass wir in der Lage sind, uns immer wieder aus einer schwierigen Situation zu befreien und eine Mannschaft zu sein, die am Ende sehr schwer zu schlagen ist. Das Klima, die Mentalität, das Miteinander, das ist alles intakt bei uns.

DFB.de: Mit wem verbringen Sie die meiste Freizeit?

Brandt: Mit vielen eigentlich. Ich verbringe viel Zeit mit Timo, mit Platte, mit Gore, aber auch mit den anderen. Wir machen recht viel miteinander, auch außerhalb des Platzes. Wir haben ja einen Gemeinschaftsraum hier, "das Wohnzimmer" heißt der, da frühstücken wir zusammen und schauen uns zusammen die WM-Spiele an.

DFB.de: Gibt es eine Grüppchenbildung, eine Kluft zwischen den Confed-Cup-Siegern und den Weltmeistern? Manche Beobachter von außen wollten die erkannt haben.

Brandt: Finde ich nicht. Wir reden alle miteinander. Alles hier ist vermischt, und das ist jetzt schon seit Wochen so. Natürlich kann ich mit einigen besser als mit anderen. Ist doch normal, dass man nicht der beste Buddy mit jedem ist. Aber so ein gruppenbezogenes Verhalten, das kann ich überhaupt nicht erkennen.

DFB.de: Wo haben Sie Mario Götzes Tor 2014 gesehen?

Brandt: Zu Hause, mit meiner Mutter. War natürlich Wahnsinn. Die ganze Stadt hat gebebt.

DFB.de: Hatten Sie schon irgendwann mal die Fantasie, es ist der 15. Juli, Luschniki-Stadion, und Sie werden eingewechselt?

Brandt: (schaut sehr kritisch zurück) Ich muss sagen, ich bin sehr schlecht darin, weiter voraus zu denken. Privat kann ich irgendwo eine Woche vorausdenken. Alles was danach kommt, da bin ich echt der falsche Ansprechpartner. Das wichtigste Spiel überhaupt findet am Mittwoch statt, und der Gegner heißt Südkorea. Oft klingt das sehr langweilig, weil viele Spieler das so sagen. Aber da ist schon was dran. Wenn du dich nur um Moskau und den 15. Juli kümmerst, ist die Wahrscheinlichkeit gigantisch groß, dass du jedenfalls dort nicht spielen wirst.

[th]

In den sieben Minuten ohne Nachspielzeit, die er in den beiden WM-Spielen auf dem Platz stand, hämmerte er den Ball zweimal an den Pfosten. Die Zeitungen attestieren ihm "Tempo, Dynamik, Quirligkeit" und nennen ihn "Löws letzte Patrone". Julian Brandt spricht im DFB.de-Interview über das Südkorea-Spiel am Mittwoch (ab 16 Uhr, live im ZDF und bei Sky) seinen früheren Mitspieler Heung-Min Son, angebliche Grüppchenbildung und das Leben im Hier und Jetzt.

DFB.de: Herr Brandt, wissen Sie, was ich im Spiel gegen die Schweden gedacht habe - und wahrscheinlich haben so auch viele andere gedacht -, als Ihr Ball an den Innenpfosten schlug und von dort zurück ins Feld sprang?

Julian Brandt: Nein.

DFB.de: Ich dachte, das war's. Heute soll es nicht sein. Wir spielen Unentschieden und scheiden wahrscheinlich aus.

Brandt: Ja, manche hatten vielleicht wirklich den Eindruck, dass der Schuss sinnbildlich dafür steht, dass wir so vieles richtig machen und am Ende irgendwie nicht dafür belohnt werden. Wir haben durch eigene Fehler das 0:1 kassiert. In der zweiten Halbzeit waren wir dann super im Spiel. Wir hatten zwar unsere Möglichkeiten, nur der Ball wollte nicht reingehen. Die Schweden mussten nicht viel machen, sie lagen zuerst in Führung, und selbst ein Unentschieden wäre ja absolut okay für sie gewesen. Jetzt rennt uns langsam die Zeit weg - dieses Gefühl hatten wir durchaus auch auf dem Platz. Doch die Nationalmannschaft hat es immer schon ausgezeichnet, dass man bis ganz zum Schluss dran glaubt. Das wurde diesmal belohnt.

DFB.de: Wo standen Sie beim Freistoß in der 94. Minute?

Brandt: Frontal vor dem Tor, vielleicht vier Meter von der Torlinie entfernt. Ich konnte genau sehen, wie der Ball einschlägt. Dann sind die Emotionen übergekocht.

DFB.de: Dachten Sie vorher, dass Toni Kroos selbst schießen wird?

Brandt: So wie Marco Reus sich aufstellte, konnte man sehen, dass es darauf hinausläuft, dass Toni den Ball anstoßen und Marco ihn anhalten wird. Da dachte ich mir schon, dass er wahrscheinlich schießen oder es zumindest versuchen will. Er hat den Ball sauber in den Winkel geschossen.

DFB.de: Besteht jetzt die Gefahr, dass man zu viel Kraft, auch emotional, gegen die Schweden gelassen hat und die Mannschaft deshalb schwächer ins Südkorea-Spiel geht?

Brandt: So ein Spiel kann ja auch Kräfte freisetzen. Wir sind mit einer Niederlage ins Turnier gestartet, hatten nicht gut gespielt. Jetzt wissen wir, was Sache ist. Dass ein paar Prozent weniger nicht ausreichen, um gegen die Mannschaften hier zu gewinnen. Der Sieg hat uns seelisch gutgetan, gerade weil am Ende jeder das Gefühl hatte: Das haben wir uns heute erarbeitet. Gegen Südkorea werden wir alle wissen, was auf dem Spiel steht und was unser gemeinsames Ziel ist. Ich bin mir sicher, dass wir uns auch am Mittwoch wieder pushen werden.

DFB.de: Südkorea ist ein völlig anderer Gegner als Schweden. Wie muss man gegen sie spielen?

Brandt: Unsere Spielweise jedenfalls sollten wir nicht groß ändern. Wir müssen weitermachen, wie wir auch gegen die Schweden über weite Strecken gespielt haben. Mit vielen kurzen Pässen, schnell und mit Druck nach vorne. Wir wollen versuchen, den Gegner im eigenen letzten Drittel einzuschnüren. Und dann wäre es halt gut, wenn wir auch mal das 1:0 machen.

DFB.de: Heung-Min Son kennen Sie aus der gemeinsamen Zeit bei Leverkusen. Was zeichnet ihn aus?

Brandt: Spielerisch war er fantastisch und ist es seitdem ja mindestens genauso für seinen neuen Klub, die Tottenham Hotspurs. Er ist beidfüßig, sehr schnell und sehr torgefährlich, das darf man nie vergessen. Er ist zwar ein Außenspieler, aber er hat auch bei uns in Leverkusen viele Tore geschossen, viele Vorlagen gegeben. Charakterlich ein einwandfreier Mensch, in Leverkusen war ich sehr gut mit ihm befreundet. Wenn ein Spieler den Verein wechselt, bricht der Kontakt etwas ab, das ist doch ganz normal. Heung-Min ist jemand, den ich als Spieler und Mensch sehr schätze. Im Sommer vor zwei Jahren habe ich bei den Olympischen Spielen gegen ihn gespielt. Jetzt sehe ich ihn wieder, darauf freue ich mich.

DFB.de: Haben Sie sich jetzt schon mal per Whatsapp ausgetauscht?

Brandt: Manchmal ist es besser, sich persönlich zu treffen. Nach dem Spiel quatsche ich gerne mit ihm. Bis dahin aber liegt der ganze Fokus darauf, dass wir das Spiel gewinnen müssen.

DFB.de: Um ganz sicher zu sein, sollte man das Spiel mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Was für Ihren Einsatz sprechen könnte, schließlich haben Sie in den wenigen Minuten auf dem Platz ordentlich gewirbelt. Wie sehen Sie aktuell ihre Position in der Mannschaft?

Brandt: Gut, ich hatte jetzt zwei Kurzeinsätze, die durchaus turbulent waren, für mich persönlich, für die Mannschaft allgemein. Das Positive ist, dass jeder Pfostenschuss fünf Zentimeter besser platziert war. Der nächste sollte dann endgültig drin sein. Meine Position ist genauso wie vor Beginn des Turniers. Ich versuche, mein Bestes zu geben. Wenn ich für fünf oder zehn Minuten eingesetzt werde, nehme ich das so an. Wenn ich auf den Platz komme, will ich der Mannschaft einen neuen Impuls geben, und ich hoffe, das sieht man auch. Bei allem Ehrgeiz, den man natürlich hat, ordne ich mich der Mannschaft und unseren Zielen unter.

DFB.de: Wie ist aktuell der Zusammenhalt in der Mannschaft? Immerhin ist man seit Beginn des Trainingslagers jetzt schon einen Monat unterwegs, trainiert zusammen, lebt zusammen.

Brandt: Ich finde das Klima relativ angenehm. Der Zusammenhalt ist durch das Schweden-Spiel noch mal gewachsen. Die Mannschaft kennt sich ja seit mehreren Jahren. Das hier eine große Mentalität drinsteckt, ist ja klar. Wir hatten in den ersten beiden Spielen Schwierigkeiten, unser Spiel umzusetzen. Aber wir wissen als komplettes Team, dass wir in der Lage sind, uns immer wieder aus einer schwierigen Situation zu befreien und eine Mannschaft zu sein, die am Ende sehr schwer zu schlagen ist. Das Klima, die Mentalität, das Miteinander, das ist alles intakt bei uns.

DFB.de: Mit wem verbringen Sie die meiste Freizeit?

Brandt: Mit vielen eigentlich. Ich verbringe viel Zeit mit Timo, mit Platte, mit Gore, aber auch mit den anderen. Wir machen recht viel miteinander, auch außerhalb des Platzes. Wir haben ja einen Gemeinschaftsraum hier, "das Wohnzimmer" heißt der, da frühstücken wir zusammen und schauen uns zusammen die WM-Spiele an.

DFB.de: Gibt es eine Grüppchenbildung, eine Kluft zwischen den Confed-Cup-Siegern und den Weltmeistern? Manche Beobachter von außen wollten die erkannt haben.

Brandt: Finde ich nicht. Wir reden alle miteinander. Alles hier ist vermischt, und das ist jetzt schon seit Wochen so. Natürlich kann ich mit einigen besser als mit anderen. Ist doch normal, dass man nicht der beste Buddy mit jedem ist. Aber so ein gruppenbezogenes Verhalten, das kann ich überhaupt nicht erkennen.

DFB.de: Wo haben Sie Mario Götzes Tor 2014 gesehen?

Brandt: Zu Hause, mit meiner Mutter. War natürlich Wahnsinn. Die ganze Stadt hat gebebt.

DFB.de: Hatten Sie schon irgendwann mal die Fantasie, es ist der 15. Juli, Luschniki-Stadion, und Sie werden eingewechselt?

Brandt: (schaut sehr kritisch zurück) Ich muss sagen, ich bin sehr schlecht darin, weiter voraus zu denken. Privat kann ich irgendwo eine Woche vorausdenken. Alles was danach kommt, da bin ich echt der falsche Ansprechpartner. Das wichtigste Spiel überhaupt findet am Mittwoch statt, und der Gegner heißt Südkorea. Oft klingt das sehr langweilig, weil viele Spieler das so sagen. Aber da ist schon was dran. Wenn du dich nur um Moskau und den 15. Juli kümmerst, ist die Wahrscheinlichkeit gigantisch groß, dass du jedenfalls dort nicht spielen wirst.

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