Brandt: "Brauche diese neue Drucksituation"

Der Faktor Zeit spielt im Fußball eine immer größere Rolle. Jeder weiß, dass die Karrieredauer eines Profi-Kickers begrenzt ist. Das war schon immer so. Doch heutzutage kann es für vielversprechende Talente oft nicht schnell genug gehen, die Karriereleiter zu erklimmen. Der Impuls ist durchaus verständlich: Wer dieses Tempo-Spiel nicht mitmacht, der fällt schnell runter vom rasant rotierenden Karussell, das permanent von der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit angetrieben wird. Das nächste Talent steht schließlich schon bereit.

Deshalb schien es auf den ersten Blick erstaunlich, dass Julian Brandt erst jetzt, im Sommer 2019 und im Alter von 23 Jahren, den berühmten "nächsten Schritt" wagte und von Bayer Leverkusen zu Borussia Dortmund wechselte. Zu jenem Bundesliga-Klub also, der neben dem FC Bayern die größte internationale Strahlkraft besitzt, der permanent unter dem Brennglas liegt und bei dem der Druck ein ganz anderer ist als im eher beschaulichen Leverkusen. Heraus aus der Komfortzone – auch wenn Brandt diesen Begriff nicht mag – hinein ins Abenteuer. Und das im Jahr vor der Europameisterschaft. Es ist fraglos ein Risiko. Doch es ist eines, das Brandt bewusst einging. "Der Schritt war nicht nur richtig", sagt er, "er war auch wichtig für meine Weiterentwicklung."

Alles mit Bedacht

Spricht man mit Brandt, so lernt man einen reflektierten jungen Mann kennen, der genau weiß, was er kann und was er will. Der offensive Mittelfeldspieler ist kein Träumer, vielmehr wägt er Argumente gegeneinander ab, um dann rationale Entscheidungen zu treffen. Gemeinsam mit seiner Familie treibt er seine Karriere behutsam und mit Bedacht voran. So war es auch in diesem Sommer, als für ihn wieder einmal die Frage anstand: Verlasse ich Leverkusen – oder bleibe ich noch ein weiteres Jahr? 2017, im Jahr vor der WM, hatte er diese Frage für sich eindeutig beantwortet: Er blieb in Leverkusen, schaffte so den Sprung ins Aufgebot für Russland. "Damals", erinnert er sich, "hatte ich noch nicht das Gefühl, dass die Zeit reif für einen Wechsel war." 2019 dagegen schon: "Ich bin jetzt zwei Jahre älter, habe mehr Erfahrungen gesammelt und in den zurückliegenden beiden Jahren noch mehr Verantwortung bei Bayer übernommen. Ich brauche diese neue Drucksituation. Sie wird mir guttun für meine Entwicklung."

Dass die längst noch nicht abgeschlossen ist, zeigt ein Blick auf seine Stellung in der Nationalmannschaft. 27 Länderspiele hat Brandt zwar bereits absolviert, Stammspieler allerdings ist er noch nicht. Bei der WM wurde er in allen drei Gruppenspielen eingewechselt. Seit dem Umbruch, eingeleitet von Bundestrainer Joachim Löw nach dem 0:3 gegen die Niederlande im Oktober 2018, stand er zweimal in der Startelf der stark verjüngten DFB-Auswahl, vier weitere Male wurde er eingewechselt. Noch nicht genug eigentlich für das Talent, das in Brandt schlummert und das er in der Rückrunde 2019 in Leverkusen erstaunlich konstant abrief.

Beeindruckend in Köln

"Ich sehe bei ihm großes Potenzial", sagt Löw über seinen Schützling. Aber auch: "In der Offensive kann er jeder Mannschaft guttun. Aber defensiv und im Umschalten nach hinten muss er noch Verbesserungen erzielen." Brandt selbst widerspricht dieser Einschätzung nicht. Und er ist bereit zu lernen. In Köln etwa musste er in der Schlussphase als Nebenmann von Axel Witsel auf der Doppelsechs des BVB agieren und damit auf einer Position, die taktisch durchaus anspruchsvoll ist und ein Gespür für defensive Räume erfordert. Brandt, der dem schwarz-gelben Spiel durch seine Einwechslung erst den richtigen Kick gegeben hatte, löste die Aufgabe sehr gut und gab mit seiner Offensiv- wie Defensivleistung die entscheidenden Impulse für den 3:1-Erfolg des BVB.

Nach einer guten Vorbereitung hatte er sich an den Adduktoren verletzt und dann sowohl den Supercup gegen den FC Bayern als auch die erste DFB-Pokalrunde verpasst. Anschließend brauchte er etwas, um in Tritt zu kommen und durfte sich durchaus angesprochen fühlen, als Lizenzspielerleiter Sebastian Kehl nach einem eher müden Test in Münster bilanzierte: "Heute war es wichtig, dass sich der eine oder andere zeigt. Um sich aufzudrängen, um einen Eindruck zu hinterlassen, muss aber mehr kommen." Eine Forderung, die er etwa in Köln beeindruckend umsetzte.

Beeindrucken, das möchte Brandt bald auch in der Nationalmannschaft. Die Ausgangslage dazu bewertet er positiv. Insbesondere, weil der neue, direktere Stil der DFB-Auswahl exakt jener ist, der seine Stärken zum Vorschein bringt: "Ich profitiere von der Dynamik und dem schnelleren Spiel in die Spitze, für das wir aktuell stehen", sagt Brandt, der das Tempo liebt – sofern es nicht um die eigene Karriere geht. Hier gilt: Bedacht vor Geschwindigkeit. Und damit fährt er bislang außerordentlich gut.

[md]

Der Faktor Zeit spielt im Fußball eine immer größere Rolle. Jeder weiß, dass die Karrieredauer eines Profi-Kickers begrenzt ist. Das war schon immer so. Doch heutzutage kann es für vielversprechende Talente oft nicht schnell genug gehen, die Karriereleiter zu erklimmen. Der Impuls ist durchaus verständlich: Wer dieses Tempo-Spiel nicht mitmacht, der fällt schnell runter vom rasant rotierenden Karussell, das permanent von der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit angetrieben wird. Das nächste Talent steht schließlich schon bereit.

Deshalb schien es auf den ersten Blick erstaunlich, dass Julian Brandt erst jetzt, im Sommer 2019 und im Alter von 23 Jahren, den berühmten "nächsten Schritt" wagte und von Bayer Leverkusen zu Borussia Dortmund wechselte. Zu jenem Bundesliga-Klub also, der neben dem FC Bayern die größte internationale Strahlkraft besitzt, der permanent unter dem Brennglas liegt und bei dem der Druck ein ganz anderer ist als im eher beschaulichen Leverkusen. Heraus aus der Komfortzone – auch wenn Brandt diesen Begriff nicht mag – hinein ins Abenteuer. Und das im Jahr vor der Europameisterschaft. Es ist fraglos ein Risiko. Doch es ist eines, das Brandt bewusst einging. "Der Schritt war nicht nur richtig", sagt er, "er war auch wichtig für meine Weiterentwicklung."

Alles mit Bedacht

Spricht man mit Brandt, so lernt man einen reflektierten jungen Mann kennen, der genau weiß, was er kann und was er will. Der offensive Mittelfeldspieler ist kein Träumer, vielmehr wägt er Argumente gegeneinander ab, um dann rationale Entscheidungen zu treffen. Gemeinsam mit seiner Familie treibt er seine Karriere behutsam und mit Bedacht voran. So war es auch in diesem Sommer, als für ihn wieder einmal die Frage anstand: Verlasse ich Leverkusen – oder bleibe ich noch ein weiteres Jahr? 2017, im Jahr vor der WM, hatte er diese Frage für sich eindeutig beantwortet: Er blieb in Leverkusen, schaffte so den Sprung ins Aufgebot für Russland. "Damals", erinnert er sich, "hatte ich noch nicht das Gefühl, dass die Zeit reif für einen Wechsel war." 2019 dagegen schon: "Ich bin jetzt zwei Jahre älter, habe mehr Erfahrungen gesammelt und in den zurückliegenden beiden Jahren noch mehr Verantwortung bei Bayer übernommen. Ich brauche diese neue Drucksituation. Sie wird mir guttun für meine Entwicklung."

Dass die längst noch nicht abgeschlossen ist, zeigt ein Blick auf seine Stellung in der Nationalmannschaft. 27 Länderspiele hat Brandt zwar bereits absolviert, Stammspieler allerdings ist er noch nicht. Bei der WM wurde er in allen drei Gruppenspielen eingewechselt. Seit dem Umbruch, eingeleitet von Bundestrainer Joachim Löw nach dem 0:3 gegen die Niederlande im Oktober 2018, stand er zweimal in der Startelf der stark verjüngten DFB-Auswahl, vier weitere Male wurde er eingewechselt. Noch nicht genug eigentlich für das Talent, das in Brandt schlummert und das er in der Rückrunde 2019 in Leverkusen erstaunlich konstant abrief.

Beeindruckend in Köln

"Ich sehe bei ihm großes Potenzial", sagt Löw über seinen Schützling. Aber auch: "In der Offensive kann er jeder Mannschaft guttun. Aber defensiv und im Umschalten nach hinten muss er noch Verbesserungen erzielen." Brandt selbst widerspricht dieser Einschätzung nicht. Und er ist bereit zu lernen. In Köln etwa musste er in der Schlussphase als Nebenmann von Axel Witsel auf der Doppelsechs des BVB agieren und damit auf einer Position, die taktisch durchaus anspruchsvoll ist und ein Gespür für defensive Räume erfordert. Brandt, der dem schwarz-gelben Spiel durch seine Einwechslung erst den richtigen Kick gegeben hatte, löste die Aufgabe sehr gut und gab mit seiner Offensiv- wie Defensivleistung die entscheidenden Impulse für den 3:1-Erfolg des BVB.

Nach einer guten Vorbereitung hatte er sich an den Adduktoren verletzt und dann sowohl den Supercup gegen den FC Bayern als auch die erste DFB-Pokalrunde verpasst. Anschließend brauchte er etwas, um in Tritt zu kommen und durfte sich durchaus angesprochen fühlen, als Lizenzspielerleiter Sebastian Kehl nach einem eher müden Test in Münster bilanzierte: "Heute war es wichtig, dass sich der eine oder andere zeigt. Um sich aufzudrängen, um einen Eindruck zu hinterlassen, muss aber mehr kommen." Eine Forderung, die er etwa in Köln beeindruckend umsetzte.

Beeindrucken, das möchte Brandt bald auch in der Nationalmannschaft. Die Ausgangslage dazu bewertet er positiv. Insbesondere, weil der neue, direktere Stil der DFB-Auswahl exakt jener ist, der seine Stärken zum Vorschein bringt: "Ich profitiere von der Dynamik und dem schnelleren Spiel in die Spitze, für das wir aktuell stehen", sagt Brandt, der das Tempo liebt – sofern es nicht um die eigene Karriere geht. Hier gilt: Bedacht vor Geschwindigkeit. Und damit fährt er bislang außerordentlich gut.

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