Autonama: "Fußball wird nicht für den Präsidenten gespielt"

Das Fußballturnier am heutigen Freitag findet von 12 bis etwa 18 Uhr auf dem großen Platz der Sportanlage Berlin-Jungfernheide statt. Ein Selbstläufer für die Autonama wird das nicht, die ukrainische und polnische Autorenmannschaft haben verbissen trainiert, um den Europameister der kickenden Schriftsteller zu besiegen. Dabei versteht man sich schon jetzt prächtig. Befragt, wer denn in Kiew im Endspiel stehen werde, sagte ein polnischer Autor: "Ins EM-Endspiel kommen Polen, die Ukraine und Deutschland."

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Die Stimme der Ukraine – wer wollte, konnte sie hören, am Donnerstagabend in Berlin. Es wollten viele. Nach wochenlangem Mediengewitter und wichtigen Diskussionen über Menschenrechte und Boykott-Optionen bot ein Abend im Ballhaus Ost am Prenzlauer Berg Gelegenheit zu hören, was einige ukrainische Schriftsteller über die politische Bedeutung der nun bald beginnenden Fußball-Europameisterschaft denken und sagen.

Es wurde voll, trotz starkem Konkurrenzprogramm, dem zeitgleichen Relegationsspiel der Hertha. Über der Bühne stand "Im Osten geht die Sonne auf", geladen hatte die DFB-Kulturstiftung, und ab kurz nach 20 Uhr lasen und diskutierten Autoren aus der Ukraine, Polen und Deutschland.

"EM ist in erster Linie eine Fußballfeier"

Zum Beispiel Serhij Zhadan. "Fußball wird nicht für den Präsidenten gespielt, sondern für die Leute, die den Fußball lieben", sagte er in Berlin. Sein Debütroman "Depeche Mode", eine ukrainische "Roadnovel", hatte 2007 auch in Deutschland Leser gefunden. Zhadan ist Fußballfan aus Leidenschaft, er zählt sich zur "Generation, die ihre Lebensweisheit von Maradonas Spiel gelernt hat". Mit seiner Familie lebt der 37-Jährige in Charkiw, er ist Anhänger von Metallist, und natürlich wird er im Stadion sein, wenn die deutsche Mannschaft am 13. Juni im zweiten Gruppenspiel auf die Niederlande trifft. Er freut sich darauf und sagt: "Die EM ist in erster Linie eine Fußballfeier, erst dann ist sie auch ein Ereignis, das unsere ökonomischen und politischen Probleme verdeutlicht." In einem seiner Texte heißt es: "Der Fußball trägt den Sieg über die Politik davon, nur die Stadien vereinen die Ukraine. Der Fußball ersetzt die nationale Idee."

Die Lesung am Prenzlauer Berg war nur der Anstoß für eine literarische und fußballerische Begegnung. Die deutsche Autorennationalmannschaft, 2005 vom Schriftsteller Thomas Brussig ("Helden wie wir") gegründet, geht gemeinsam mit Autorenteams aus Polen und der Ukraine auf Lese- und Fußballreise. Ein literarisches Drei-Länder-Turnier: Heute spielen die Autorenteams in Berlin gegeneinander, am Samstag geht es weiter, erst nach Krakow und dann nach Lwiw. Bis zum 17. Mai dreht sich alles um Literatur und Fußball und etwas auch um Politik.

"Es kostet sehr wenig, sich für die Menschenrechte in der Ukraine einzusetzen", kritisierte der deutsche Schriftsteller Moritz Rinke eine "unfassbare Doppelmoral". Anschließend las er aus seinem vor rund einer Woche erschienenen "Also sprach Metzelder zu Mertesacker", einer Sammlung urkomischer Kurzgeschichten und Dramoletten - lauter Liebeserklärungen an den Fußball. Beifall der Betroffenen gab es schon reichlich. "Wenn Rinke so spielt, wie er schreibt, würde ich ihn beim nächsten Spiel einwechseln", schwärmt Thomas Schaaf und auch Philipp Lahm applaudiert: "Man schreibt ja viel über Fußball, aber so etwas habe ich noch nie gelesen."

Rinke liest "Liebesbriefe" der Kanzlerin an Schweinsteiger vor

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In Berlin also las Rinke einen Liebesbrief der Bundeskanzlerin an Bastian Schweinsteiger vor. Ohnehin bietet "Also sprach Metzelder..." tiefe Einblicke. Rinke hat zugehört beim Gespräch zwischen Beate und Otto Rehhagel, just in jenem Moment als der DFB nach dem Völler-Nachfolger suchte. Als Poolwärter im Schlosshotel Grunewald reichte Rinke Kahn und Asamoah das Handtuch. Er entführte den DFB-Pokal heimlich in die Berliner Nacht. Und – wie gesagt - der Kanzlerin hat er beim Liebesbriefe schreiben über die Schulter geschaut. Auf die Turnierreise kann der erfolgreichste Torschütze in der Geschichte der Autonama leider nicht mitfahren, eine böse Knieverletzung zwingt ihn zum Pausieren. Wie er sich die zugezogen hat? "Na, das war ein Fallrückzieher, ich war so hoch in der Luft." Klar.

Das Fußballturnier am heutigen Freitag findet von 12 bis etwa 18 Uhr auf dem großen Platz der Sportanlage Berlin-Jungfernheide statt. Ein Selbstläufer für die Autonama wird das nicht, die ukrainische und polnische Autorenmannschaft haben verbissen trainiert, um den Europameister der kickenden Schriftsteller zu besiegen. Dabei versteht man sich schon jetzt prächtig. Befragt, wer denn in Kiew im Endspiel stehen werde, sagte ein polnischer Autor: "Ins EM-Endspiel kommen Polen, die Ukraine und Deutschland."