Adler auf Abruf: Bernd Franke wird 70

Sie nannten ihn den "Adler" und bis heute hat er nichts dagegen, wie seine E-Mail-Adresse verrät. Der Adler fängt seine Beute im Flug, das Bild ist wie geschaffen für Torhüter. Bernd Franke war einer der besten, nahm an einer WM und an Olympia teil. Heute wird der ehemalige Torwart von Eintracht Braunschweig, für die er in 14 Jahren 345 Bundesligaspiele bestritt, runde 70 Jahre alt. Zur Feier im saarländischen Urexweiler erwartet er rund 60 Gäste: Familie, Freunde, Verwandte, Mitglieder seines Tennisklubs. Obwohl er nicht mehr Tennis, sondern nur noch Golf spielt und regelmäßig Fitnesstraining macht. Seit 18 Jahren hat Franke eine künstliche Hüfte, aber sonst, versichert er, "geht’s mir gut. Fast jeden Tag mache ich Sport. Ich fühle mich nicht wie 70, sondern wie 68 oder 69."

Seinen Humor hat er sich bewahrt, auch als er berichtet: "Mein Kampfgewicht habe ich auch noch. Bloß hat sich der Anteil von Fett und Muskeln etwas verändert". Zum Nachteil der Muskeln... Aber er muss ja nicht mehr durch die Strafräume fliegen. Was weiß man heute noch über den Adler von Braunschweig? Die Jugend wird mit den Schultern zucken und wer nur in den Siegerlisten nach ihm sucht, der wird ihn nicht finden. Weder mit der Düsseldorfer Fortuna, seiner ersten Profistation, noch mit der Eintracht hat er Titel gewonnen und andere Vereine gab es nicht. Er spielte noch in einer Zeit, in der mancher Spieler seine ganze Karriere bei einem Verein verbrachte.

Immerhin war er an drei Aufstiegen beteiligt, 1971 mit der Fortuna, 1973 und 1981 mit der Eintracht. Aber er hält einen merkwürdigen Rekord, den er vermutlich lieber nicht halten würde: Kein Deutscher hat mehr Turniere verpasst, weil immer irgendwas dazwischen kam. Und so wurde aus dem Adler ein Pechvogel. "Mit der Bezeichnung kann ich leben. Ich gehörte zehn Jahre zum Stamm der Nationalmannschaft und hätte an drei Weltmeisterschaften teilnehmen können - normalerweise." Doch es wurde nur eine – 1982 in Spanien, als er schon 34 war.

K.o. vor EM

Erstmals schlug das Pech aber vor der EM 1972 in Belgien zu. Es war ein Mini-Turnier mit nur zwei Spielen, deshalb brauchte Bundestrainer Schön nur zwei Torhüter, wollte aber zur Sicherheit einen Dritten auf Abruf nominieren. Dafür war Franke vorgesehen, der es in seiner ersten Bundesligasaison schon zum B-Nationalspieler gebracht hatte. Dann musste er mit der Eintracht im letzten Spiel vor der EM nach Mönchengladbach. Fünf Minuten vor Schluss traf ihn Günter Netzers Schuss in der Magengrube und als er sich wieder aufrappelte, donnerte Klaus-Dieter Sieloff den Nachschuss voll auf seinen Kopf. Er fand sich mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus wieder und der kicker titelte: "Franke erschossen". Schön musste auf ihn verzichten und berief den Frankfurter Dr. Peter Kunter als Nummer drei, die letztlich auch nicht gebraucht wurde. Aber es war ein Omen.

Dann kam die WM 1974 im eigenen Land. Franke hatte seine ersten beiden Länderspiele hinter sich gebracht, seit März 1973 (3:0 gegen die CSSR) gehörte er zu den Konkurrenten Sepp Maiers. Aber während der mit Bayern 1974 Meister und Europapokalsieger wurde, spielte Franke in der Regionalliga Nord gegen Itzehoe und Barmbek-Uhlenhorst, denn 1973 war die Eintracht überraschend abgestiegen. Damals dachte Franke an einen Vereinswechsel, seine Ablösesumme betrug 450.000 DM und Ajax Amsterdam, der HSV und Kaiserslautern zeigten Interesse. Er sprach mit Helmut Schön, weil er sich um seine WM-Chancen sorgte und "der hat mir gesagt: 'wenn Du Deine Leistung bringst, bist Du auch als Regionalligaspieler dabei.'" Doch was beide wohl nicht bedachten: Damals gab es eine Aufstiegsrunde, in die Eintracht einzog – und die lief noch, als die Nationalspieler längst in Malente einzogen. "Damals konnte man noch keine Spieler nachnominieren. Hätte ich mich verletzt, hätte Deutschland nur mit zwei Torhüter ins Turnier gehen können." Und so erhielt der Schalker Norbert Nigbur sein WM-Ticket.



Sie nannten ihn den "Adler" und bis heute hat er nichts dagegen, wie seine E-Mail-Adresse verrät. Der Adler fängt seine Beute im Flug, das Bild ist wie geschaffen für Torhüter. Bernd Franke war einer der besten, nahm an einer WM und an Olympia teil. Heute wird der ehemalige Torwart von Eintracht Braunschweig, für die er in 14 Jahren 345 Bundesligaspiele bestritt, runde 70 Jahre alt. Zur Feier im saarländischen Urexweiler erwartet er rund 60 Gäste: Familie, Freunde, Verwandte, Mitglieder seines Tennisklubs. Obwohl er nicht mehr Tennis, sondern nur noch Golf spielt und regelmäßig Fitnesstraining macht. Seit 18 Jahren hat Franke eine künstliche Hüfte, aber sonst, versichert er, "geht’s mir gut. Fast jeden Tag mache ich Sport. Ich fühle mich nicht wie 70, sondern wie 68 oder 69."

Seinen Humor hat er sich bewahrt, auch als er berichtet: "Mein Kampfgewicht habe ich auch noch. Bloß hat sich der Anteil von Fett und Muskeln etwas verändert". Zum Nachteil der Muskeln... Aber er muss ja nicht mehr durch die Strafräume fliegen. Was weiß man heute noch über den Adler von Braunschweig? Die Jugend wird mit den Schultern zucken und wer nur in den Siegerlisten nach ihm sucht, der wird ihn nicht finden. Weder mit der Düsseldorfer Fortuna, seiner ersten Profistation, noch mit der Eintracht hat er Titel gewonnen und andere Vereine gab es nicht. Er spielte noch in einer Zeit, in der mancher Spieler seine ganze Karriere bei einem Verein verbrachte.

Immerhin war er an drei Aufstiegen beteiligt, 1971 mit der Fortuna, 1973 und 1981 mit der Eintracht. Aber er hält einen merkwürdigen Rekord, den er vermutlich lieber nicht halten würde: Kein Deutscher hat mehr Turniere verpasst, weil immer irgendwas dazwischen kam. Und so wurde aus dem Adler ein Pechvogel. "Mit der Bezeichnung kann ich leben. Ich gehörte zehn Jahre zum Stamm der Nationalmannschaft und hätte an drei Weltmeisterschaften teilnehmen können - normalerweise." Doch es wurde nur eine – 1982 in Spanien, als er schon 34 war.

K.o. vor EM

Erstmals schlug das Pech aber vor der EM 1972 in Belgien zu. Es war ein Mini-Turnier mit nur zwei Spielen, deshalb brauchte Bundestrainer Schön nur zwei Torhüter, wollte aber zur Sicherheit einen Dritten auf Abruf nominieren. Dafür war Franke vorgesehen, der es in seiner ersten Bundesligasaison schon zum B-Nationalspieler gebracht hatte. Dann musste er mit der Eintracht im letzten Spiel vor der EM nach Mönchengladbach. Fünf Minuten vor Schluss traf ihn Günter Netzers Schuss in der Magengrube und als er sich wieder aufrappelte, donnerte Klaus-Dieter Sieloff den Nachschuss voll auf seinen Kopf. Er fand sich mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus wieder und der kicker titelte: "Franke erschossen". Schön musste auf ihn verzichten und berief den Frankfurter Dr. Peter Kunter als Nummer drei, die letztlich auch nicht gebraucht wurde. Aber es war ein Omen.

Dann kam die WM 1974 im eigenen Land. Franke hatte seine ersten beiden Länderspiele hinter sich gebracht, seit März 1973 (3:0 gegen die CSSR) gehörte er zu den Konkurrenten Sepp Maiers. Aber während der mit Bayern 1974 Meister und Europapokalsieger wurde, spielte Franke in der Regionalliga Nord gegen Itzehoe und Barmbek-Uhlenhorst, denn 1973 war die Eintracht überraschend abgestiegen. Damals dachte Franke an einen Vereinswechsel, seine Ablösesumme betrug 450.000 DM und Ajax Amsterdam, der HSV und Kaiserslautern zeigten Interesse. Er sprach mit Helmut Schön, weil er sich um seine WM-Chancen sorgte und "der hat mir gesagt: 'wenn Du Deine Leistung bringst, bist Du auch als Regionalligaspieler dabei.'" Doch was beide wohl nicht bedachten: Damals gab es eine Aufstiegsrunde, in die Eintracht einzog – und die lief noch, als die Nationalspieler längst in Malente einzogen. "Damals konnte man noch keine Spieler nachnominieren. Hätte ich mich verletzt, hätte Deutschland nur mit zwei Torhüter ins Turnier gehen können." Und so erhielt der Schalker Norbert Nigbur sein WM-Ticket.

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Braunschweiger statt Frankfurter Eintracht

Franke wurde mit vereinzelten Einsätzen in der B-Nationalmannschaft, die es schon lange nicht mehr gibt, bei Laune gehalten. Aber Sepp Maiers Thron wankte nicht und es vergingen vier Jahre zwischen Frankes zweitem und drittem Länderspiel. "Es ist hypothetisch zu sagen, ob ich mit einem anderen Verein zu mehr Länderspielen gekommen wäre", sagt Franke heute. 1976 wollte ihn die andere Eintracht der Liga – die Frankfurter. Doch letztlich scheiterte es an einem Zimmer. "Der Vertrag war schon gemacht. Doch ich wollte gerne in Frankfurt eine Drei-Zimmer-Wohnung, weil meine Frau schwanger war mit unserem Sohn. Zwei Zimmer waren uns da zu wenig. Während die Frankfurter noch eine passende Wohnung suchten, gab deren Präsident in der Zeitung schon den Wechsel bekannt. Da haben es die Braunschweiger erst erfahren und boten mir das gleiche Gehalt. Ich hatte ja nichts unterschrieben und dann konnte ich auch in Braunschweig bleiben."

Unter Trainer Branko Zebec spielte die Eintracht sogar um die Meisterschaft mit und Frankes Kurswert stieg wieder. Zur Südamerika-Reise 1977 nahm ihn Schön wieder mit, er spielte gegen den kommenden WM-Gastgeber Argentinien und machte seine Sache gut. Franke war wieder dabei und kam 1977 zu zwei weiteren Einsätzen. Sein Argentinien-Ticket hatte er schon in der Tasche und noch heute glaubt Franke: "Ich hätte dort gespielt. Sepp Maier war ein phantastischer Torwart, aber er hatte damals nicht sein bestes Jahr." Ob Schön Maier wirklich hätte fallen gelassen, sei einmal dahin gestellt. Ab dem 17. Mai 1978 gab es ohnehin keine Torwartdiskussion mehr. Im letzten Testspiel, zwei Tage vor dem Abflug, verletzte sich Franke drei Minuten vor seiner geplanten Auswechslung im Kick gegen eine Hessen-Auswahl in Darmstadt. Zweitliga-Spieler Heinz-Rudi Weiler vom FSV Frankfurt sprang ihm nach einer Ecke von hinten an, Franke sah ihn nicht kommen, "ich hab nur gefühlt dass von links was kommt. Ich hätte nur hochspringen müssen." Doch er blieb stehen. Die Folge: Sprungkapselverrenkung, Bänderrisse und ein Wadenbeinbruch. Und das vier Wochen nach einer Meniskus-OP, die er so gut überstanden hatte. "Bernd Franke fühlt sich wieder ganz fit", schrieb der kicker noch in einem nicht mehr aktualisiertem Artikel jener Ausgabe, auf deren Titel schon groß stand: "Für Bernd Franke ist die WM schon vorbei: Beinbruch!" Noch heute ist er dem DFB dankbar dafür, dass man sich professionell um seine medizinische Betreuung kümmerte und ihm auch die volle WM-Prämie bezahlte.

Es gab übrigens zwei Opfer an diesem Tag. Der 22-jährige Weiler ging unter Tränen in die Kabine, bat um seine Auswechslung und rief Franke schon am nächsten Morgen um 7.30 Uhr in der Klinik an. Drei Tage später besuchte er ihn in Saarlouis am Krankenbett und traf auf einen gefassten Franke, der ihm sofort verzieh. "Es hat halt so sein müssen, das wird von oben herab gelenkt. Vielleicht ist mit meiner Verletzung etwas Schlimmeres verhindert worden", sagte er damals. Was man angesichts des WM-Verlaufs fast so sehen kann. Den Mut verlor er nicht. "Sein Ziel: WM 1982", titelte der kicker. Und dieses Ziel erreichte er. Für die EM 1980 war er kein Thema, zu viele Tore kassierte er mit Eintracht, die wieder mal abstieg. 1980/1981 verbrachte er eine Saison in der 2. Liga. Über vier Jahre bestritt er kein A-Länderspiel, ehe er nach dem Wiederaufstieg am 17. Februar 1982 unter Jupp Derwall gegen Portugal zurückkehrte.

Zwölfmal für Olympia-Auswahl

1973 – 1977 – 1982 – eine Länderspiele-Karriere mit großen Intervallen. Wobei Franke zwar nur sieben Spiele bestritt – die übrigens alle gewonnen wurden – aber 31-mal im Kader stand. Und beinahe hätte es sogar noch mit dem WM-Debüt geklappt. Heute erzählt er die kaum bekannte Geschichte von Sevilla. Nach Toni Schumachers Foul gegen Patrick Battiston im Halbfinale gegen die Franzosen legte sich der hitzköpfige Toni noch mit den Zuschauern an und da gab Derwall den Befehl: "Mach Dich warm, Bernd!" Derwall überlegte ernstlich, Schumacher auszuwechseln, hätte sich damit aber frühzeitig einer Option beraubt. Er ließ es und so konnte er später noch Hrubesch und Rummenigge bringen, die mit ihren Toren bekanntlich die Wende im Drama von Sevilla brachten. Auch das WM-Finale erlebte Franke auf der Bank. Danach stand er noch zweimal im Kader der A-Mannschaft. Gegen Belgien sollte er spielen, verletzte sich aber im Abschlusstraining an der Schulter. So ging der Adler wie er kam – als Pechvogel.

Dann aber eröffnete sich ein anderer Weg, noch zu Turniereinsätzen zu kommen. Franke wurde in die Olympiaauswahl versetzt, die es 1984 nach Los Angeles schaffte. Dort durfte er endlich spielen, in allen vier Partien. Eine Medaille gewannen sie nicht, aber wer kommt schon auf zwölf Einsätze in der Olympiaauswahl? Nur wenige – und keiner von ihnen ist Torhüter. Grund zu hadern hat Franke jedenfalls nicht. Eher sieht er vieles von dem, was sich heute im Profifußball abspielt, kritisch. Er regt sich auf, wie lange Einwechselspieler brauchen, sich umzuziehen und – vor allem – über das Söldnertum, das im krassen Gegensatz zu seinem Verständnis von Vereinstreue und Loyalität steht. Noch immer sieht er sich Eintracht-Spiele vor Ort an und hält Kontakt zu den Mitspielern der Eintracht und immer noch kriegt er – mit einem Tag Verspätung – die Braunschweiger Zeitung. Zumindest deren Leser dürften wissen, wer der Adler im Kasten der Eintracht war.

Bernd Frankes Karriere in Zahlen:

345 Bundesligaspiele
42 Zweitligaspiele
7 A-Länderspiele
6 B-Länderspiele
12 Olympiaauswahlspiele
15 Europacupspiele/15 Tore

Erfolge:

Vize-Weltmeister 1982
3 Bundesliga-Aufstiege

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