Abschied eines Fingerfertigen

Sylvia Katzenmeier hatte sich apart herausgeputzt mit ihrem schwarzen Seidenrock und dem lindgrünen Oberteil. Und auch ihr Mann war im dunklen Anzug mit eleganter Fliege piekfein ausstaffiert für den Anlass, den er im Rückblick als „den erhebendsten Moment meines Berufslebens“ bezeichnet.

Auf der alljährlichen Gala zu Saisonbeginn in Monte Carlo war Adolf Katzenmeier mit dem „Magnificent Seven Award“ der UEFA ausgezeichnet worden. Mit diesem Preis der „Glorreichen Sieben“ ehrt die Europäische Fußball-Union alljährlich sieben Menschen, die sich abseits des Rampenlichts hinter den Kulissen um den Fußball verdient gemacht haben. „Für Sie, Herr Katzenmeier, freut mich diese Auszeichnung ganz besonders“, sagte Lennart Johansson, der damalige UEFA-Präsident, als er dem Physiotherapeuten der deutschen Nationalmannschaft den Preis in die Hand drückte.

Vor acht Jahren war das, im August 2000. Und während in den folgenden Minuten Superstars wie Oliver Kahn als bester Torwart oder Raúl als überragender Stürmer ausgezeichnet wurden, betrachteten viele die Ehrung für den dienstältesten Mitarbeiter im Betreuerstab der DFB-Auswahl zugleich als Preis für dessen Lebenswerk. Das freilich war zu jenem Zeitpunkt für den damals 65-Jährigen längst noch nicht vollendet. Und ganz zu Ende ist es immer noch nicht, wenn an diesem Mittwoch in Berlin unter den herausragenden Bestandteil seines Berufslebens der Schlussstrich gezogen wird. Beim Länderspiel gegen England wird Adolf Katzenmeier nach 45 Jahren in DFB-Diensten als Masseur der deutschen Nationalmannschaft verabschiedet.

So glamourös das Ambiente beim persönlichen Gipfelpunkt seiner Karriere damals vor acht Jahren an der Cote d´Azur gewesen war, so emotional und wuchtig und ihn selbst sicherlich überwältigend wird am 19. November der Rahmen im mit knapp 75.000 Zuschauern ausverkauften Berliner Olympiastadion bei der Verabschiedung für den schmächtigen Mann mit der besonderen Fingerfertigkeit sein.

Vor dem Anpfiff des Klassikers gegen England wird DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach den verdienstvollen "Adi" aus dem Kreis der besten deutschen Fußballspieler mit einem wertvollen Geschenk entlassen, ehe nach dem Abpfiff das interne Lebewohl mit der Mannschaft ansteht. "Adi, erzähl´ mal", werden die Nationalspieler den nunmehr 74-Jährigen einmal mehr auffordern, seine schönsten Episoden und Anekdoten aus 34 Jahren bei der A-Nationalmannschaft zum Besten zu geben.

Dann wird Adolf Katzenmeier sicher das erzählen, was er schon so oft geschildert hat.

Adi Katzenmeier: Wandelndes Lexikon und Lebensretter

Wie er damals, 1963, von Sepp Herberger zum DFB geholt wurde und danach die Junioren-Teams, die Amateur- und Olympia-Auswahl, die seinerzeit noch existente B-Nationalmannschaft und aushilfsweise auch das A-Team betreut und dabei einen ersten und bis heute nicht abgebrochenen Kontakt zu fast allen großen Spielern des deutschen Fußballs bekommen hat. Und er wird bestimmt daran erinnern, dass es Franz Beckenbauer gewesen war, der unmittelbar vor der WM 1974 den Dringlichkeitsantrag gestellt hatte, dass Katzenmeier als zweiter Masseur neben Erich Deuser der Mannschaft zur Verfügung gestellt werden müsse.



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Sylvia Katzenmeier hatte sich apart herausgeputzt mit ihrem schwarzen Seidenrock und dem lindgrünen Oberteil. Und auch ihr Mann war im dunklen Anzug mit eleganter Fliege piekfein ausstaffiert für den Anlass, den er im Rückblick als „den erhebendsten Moment meines Berufslebens“ bezeichnet.

Auf der alljährlichen Gala zu Saisonbeginn in Monte Carlo war Adolf Katzenmeier mit dem „Magnificent Seven Award“ der UEFA ausgezeichnet worden. Mit diesem Preis der „Glorreichen Sieben“ ehrt die Europäische Fußball-Union alljährlich sieben Menschen, die sich abseits des Rampenlichts hinter den Kulissen um den Fußball verdient gemacht haben. „Für Sie, Herr Katzenmeier, freut mich diese Auszeichnung ganz besonders“, sagte Lennart Johansson, der damalige UEFA-Präsident, als er dem Physiotherapeuten der deutschen Nationalmannschaft den Preis in die Hand drückte.

Vor acht Jahren war das, im August 2000. Und während in den folgenden Minuten Superstars wie Oliver Kahn als bester Torwart oder Raúl als überragender Stürmer ausgezeichnet wurden, betrachteten viele die Ehrung für den dienstältesten Mitarbeiter im Betreuerstab der DFB-Auswahl zugleich als Preis für dessen Lebenswerk. Das freilich war zu jenem Zeitpunkt für den damals 65-Jährigen längst noch nicht vollendet. Und ganz zu Ende ist es immer noch nicht, wenn an diesem Mittwoch in Berlin unter den herausragenden Bestandteil seines Berufslebens der Schlussstrich gezogen wird. Beim Länderspiel gegen England wird Adolf Katzenmeier nach 45 Jahren in DFB-Diensten als Masseur der deutschen Nationalmannschaft verabschiedet.

So glamourös das Ambiente beim persönlichen Gipfelpunkt seiner Karriere damals vor acht Jahren an der Cote d´Azur gewesen war, so emotional und wuchtig und ihn selbst sicherlich überwältigend wird am 19. November der Rahmen im mit knapp 75.000 Zuschauern ausverkauften Berliner Olympiastadion bei der Verabschiedung für den schmächtigen Mann mit der besonderen Fingerfertigkeit sein.

Vor dem Anpfiff des Klassikers gegen England wird DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach den verdienstvollen "Adi" aus dem Kreis der besten deutschen Fußballspieler mit einem wertvollen Geschenk entlassen, ehe nach dem Abpfiff das interne Lebewohl mit der Mannschaft ansteht. "Adi, erzähl´ mal", werden die Nationalspieler den nunmehr 74-Jährigen einmal mehr auffordern, seine schönsten Episoden und Anekdoten aus 34 Jahren bei der A-Nationalmannschaft zum Besten zu geben.

Dann wird Adolf Katzenmeier sicher das erzählen, was er schon so oft geschildert hat.

Adi Katzenmeier: Wandelndes Lexikon und Lebensretter

Wie er damals, 1963, von Sepp Herberger zum DFB geholt wurde und danach die Junioren-Teams, die Amateur- und Olympia-Auswahl, die seinerzeit noch existente B-Nationalmannschaft und aushilfsweise auch das A-Team betreut und dabei einen ersten und bis heute nicht abgebrochenen Kontakt zu fast allen großen Spielern des deutschen Fußballs bekommen hat. Und er wird bestimmt daran erinnern, dass es Franz Beckenbauer gewesen war, der unmittelbar vor der WM 1974 den Dringlichkeitsantrag gestellt hatte, dass Katzenmeier als zweiter Masseur neben Erich Deuser der Mannschaft zur Verfügung gestellt werden müsse.

Adolf Katzenmeier ist so etwas wie das wandelnde Lexikon der deutschen Nationalmannschaft. Darin steht die Geschichte von seinem schwierigsten Fall, als er Guido Buchwald bei der EURO 1992 das Leben rettete, nachdem dieser bei einem heftigen Zusammenprall mit einem schottischen Gegenspieler "wie ein Wackelpudding zu Boden gestürzt war und dabei seine Zunge verschluckt hatte".

Erwähnt sind die sieben Weltmeisterschaften und acht EM-Endrunden, an denen er teilgenommen hat, und beschrieben wird, wie er Beckenbauer und Vogts, Völler und Klinsmann erst als Spieler und danach als Bundestrainer oder Teamchef erlebt hat. Und aufgezeichnet ist, wie der gebürtige Frankfurter mit 20 Jahren nach einer ersten beruflichen Tätigkeit als kaufmännischer Ange stellter – inspiriert von seinem Vater, einem Heilpraktiker und Masseur – sich ausbilden ließ zum "staatlich geprüften Masseur und Fußpfleger" und wie er seine eigene Praxis erst in der Nähe der Pferderennbahn im Frankfurter Stadtteil Niederrad und von 1997 an in der DFB-Zentrale neben dem Waldstadion aufgebaut hat.

"Die Spieler hatten ein unendliches Vertrauen zu mir"

Adi könnte viele interessante Erlebnisse unterhaltsam ausbreiten. Doch das, was er verbal hin und wieder von sich gibt, ist nicht das, was seine Zuhörer eigentlich erfahren wollen. Jetzt, da er gewissermaßen entpflichtet ist von seiner Arbeit mit der Nationalmannschaft, könnte er doch endlich Einblick gewähren in den Fundus seiner ganz besonderen Kenntnisse und Einsichten. Schließlich war doch in den vergangenen vier Jahrzehnten keiner so lange und so intensiv den Stars so nahe wie er, hatte er, wenn man so will, von Präsidenten über die Trainer, andere Führungskräfte bis hin zu den Spielern aller Generationen den gesamten DFB "im Griff".

Wie oft folgte ihrer Beschädigung die Berührung seiner Finger! Sie kamen, begaben sich in seine Hände und wenn sie aufstanden und gingen, fühlten sie sich besser. Unzähligen Spielern hat er dabei geholfen, wieder auf die Beine und in Schuss zu kommen. Er griff ein in das Innenleben der Stars und Superstars, knetete ihre Muskulatur, mobilisierte blockierte Gelenke, löste ihre Verspannungen – und streichelte dabei auch ihre Seelen.

Vier Jahrzehnte lang arbeitete Adolf Katzenmeier gewissermaßen im Allerheiligsten der Nationalmannschaft, wo auf dem Massagetisch selbst die Größten der Branche unter seinen "heilenden Händen" ihre selbst auferlegte und mit oft merkwürdigen Ritualen und Regularien einhergehende Distanz aufgaben und sich ganz persönlich mit unverstellter Nähe offenbarten. "Die Spieler haben sich während der oft langen und intensiven Behandlungen ohne Scheu in totaler Offenheit mit mir oder über Handy mit ihren Partnerinnen und anderen Personen unterhalten, weil sie ein unendliches Vertrauen zu mir hatten und noch haben."

Während Adolf Katzenmeier den Profis in vier Jahrzehnten also mit all seiner Kraft gab, was er kann, und die Aufmerksamkeit für ihre Probleme als Präsent dazu, ist er selbst ein Profi mit einem außergewöhnlichen Tastsinn für aus dem Gleichgewicht geratene Seelen geworden. Ein feingliedriger Profi und feinfühliger Intimus im Umgang mit Vertrautheit, dem freilich keine Geheimnisse zu entlocken sind. Adi ist verschwiegen, wie es sich für einen Beicht vater gehört.

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Die intensive Beziehung zu seinen Fingern geht bei dem Mann, der in seiner Praxis stets im kurzärmeligen Trikot der Nationalmannschaft arbeitet, mit großer Präzision einher. So ist es kein Wunder, dass Adolf Katzenmeier seit Jahrzehnten auch in seiner Freizeit erstaunliche Finger fertigkeit offenbart: als passionierter Klavierspieler sei es auf dem nicht mehr ganz intakten Instrument in seinem Keller, sei es auf dem Nachfolgemodell, das ihm seine Frau und sein 32 Jahre alter Sohn Marcell vergangenes Jahr zum Geburtstag schenkten, oder sei es im jeweiligen Mannschaftshotel, falls sich die Gelegenheit ergibt.

Seine Hände, daran lässt Katzenmeier keinen Zweifel, sind sein Kapital. "Ich habe sie zwar nie versichern lassen, und jetzt ist dies wohl auch nicht mehr nötig mit 74 Jahren. Doch wann immer ich mal hingefallen bin, habe ich immer darauf geachtet, mich auf den Rücken abzudrehen, um nicht die Hände in Gefahr zu bringen", sagt er.

Diesen Händen gönnt er auch nach dem Abschied von der Nationalmannschaft keine Ruhe. "Solange der liebe Gott mir meine Kraft erhält, arbeite ich in meiner Praxis weiter. Die Hände sind ein Instrument, mit dem helfen muss, wer helfen kann“, lautet sein Lebensmotto.