7:2 gegen die Türkei: Mit einem Paukenschlag ins Viertelfinale

"Dieser Fritz Walter, ein toller Bursche"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger: "Verstehen die Kritiker jetzt, warum ich einem Großteil der Akteure die zusätzliche Belastung gegen die ungarischen Ball-Rastellis nicht zuzumuten wagte? Wenn eine andere, stärkere Stürmerreihe gegen uns angegriffen hätte, wären leicht weitere Gegentore möglich gewesen."

"Der verhältnismäßig hohe Sieg über die Türken war wieder allein dem Angriff zu verdanken... Die türkische Mannschaft schlug sich mit Elan und letzter Kraft, doch war sie dem schnellen und verwirrenden Spiel des deutschen Angriffs auf die Dauer nicht gewachsen." (FAZ)

"Sie bestätigten damit, daß Herbergers Taktik, gegen Ungarn nur mit zweiter Garnitur anzutreten, berechtigt war." (Die Welt)

"Es schien, als wollte die Elf von Zürich den '3:8-Untergang von Basel' mit allen (erlaubten) Mitteln ausbügeln. Es wurde ein triumphaler Sieg der Kameradschaft." (Sport Magazin)

"Der mitreißende Schwung des deutschen Stürmerspiels im zweiten Türkengang verdeckte bedrohliche Schwächen in unserem Abwehrspiel." (Kicker)

"Eine große Schmach für die Türkei. Mit 7:2 erteilten die Deutschen uns eine Fußball-Lehrstunde. Deutschland war im gesamten Spiel die bessere Mannschaft und hat verdient gewonnen." (Hürriyet/Türkei)

"Durch falsche Taktik und fehlerhafte Vorbereitung sind wir in eine Katastrophe geraten. Unsere Mannschaft, die den größten Teil des Spiels mit nur zehn Mann bestritt, wurde von der deutschen Elf vom Platz gefegt." (Turkiye Sport)

"Dieser Fritz Walter, ein toller Bursch. Seine Wiege könnte in Wien stehen." (Heribert Meisel, Radioreporter des ORF)

"Großartig gemacht, Jungs. Weiter so!" (Hans Albers, Film-Schauspieler)

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Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wiederaufleben lassen.

23. Juni in Zürich - Entscheidungsspiel: Deutschland - Türkei 7:2

Vor dem Spiel:

Der Briefträger hatte viel zu schleppen in den Tagen zwischen dem zweiten und dritten Spiel. Fanpost der etwas anderen Art flatterte körbeweise im Teamquartier im schweizerischen Spiez ein, Bundestrainer Sepp Herberger erhielt zahllose Rücktrittsaufforderungen und manche geschmacklose Post. Ein Herr aus Säckingen schrieb: "Wenn der Trainer einer Nationalmannschaft nicht weiß, was er in solchen Fällen dem Sportpublikum vorzusetzen hat, dann soll er sich besser einen Strick kaufen und sich am nächsten Baum aufhängen, aber möglichst so, dass der Strick nicht zerreißt, damit man diesen hinterher noch verwerten kann."

Herberger hat alle Zuschriften gesammelt und in seinen Leitz-Ordnern unter der Rubrik "Meine Mitarbeiter" abgelegt. Am Trainingsplatz ließen sich dagegen keine deutschen Anhänger blicken, die Vorbereitung konnte ungestört vorangehen. Kapitän Fritz Walter staunte: "Der Besucherstrom vom vergangenen Wochenende ist wie mit dem Messer abgeschnitten. Kein Mensch kümmert sich um uns."

Das Entscheidungsspiel gegen die Türken fand entgegen den einhelligen Meldungen in den Zeitungen am Mittwoch und nicht schon am Dienstag statt - es gab 1954 keinen bis ins letzte ausgeklügelten WM-Spielplan, wie sich noch mehrmals zeigen würde. Nur Herbergers Plan stand, wie erwähnt, schon seit Wochen. Die Geschonten kehrten zurück: Toni Turek, Fritz Laband, Karl Mai, Max Morlock, Berni Klodt, Ottmar Walter und Hans Schäfer. Für Heinz Kwiatkowski, Paul Mebus, Alfred Pfaff und Richard Herrmann war die WM schon vorbei, für Werner Kohlmeyer, Helmut Rahn und Werner Liebrich aber sollte es ein Wiedersehen geben. Kohlmeyer hätte gespielt, war aber am Zeh angeschlagen, so dass Hans Bauer in der Abwehr verblieb. Ansonsten spielte die Elf aus dem ersten Türken-Spiel.

Vor dem Spiel las Herberger der Mannschaft in der Kabine aus einigen Briefen vor und stärkte das Solidaritätsgefühl. Die Mannschaft spielte auch für ihren "Chef". Hans Schäfer versprach mit heiligem Ernst: "Herr Herberger, die putzen wir." Bei den Türken ging es locker zu. Sie empfingen den 14-jährigen Italiener, der das Glückslos gezogen hatte, das sie nach dem dritten Entscheidungsspiel gegen Spanien zur WM gebracht hatte, im Quartier. Einen Kicker-Reporter ließen sie sogar mittrainieren, wenn er auch ins Tor musste. Sie sagten ihm: "Unsere Siegesaussichten sind nicht so groß, aber wir sind schneller als die Deutschen." Trainer Sandro Puppo tauschte drei Spieler aus, opferte überraschend auch Torwart Turgay Seren, auch Torschütze Suat Mamat fehlte.

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Dreimal Morlock, zweimal Schäfer, Walter und Walter

Das Spiel:

Diesmal ist das Fernsehen wieder nicht dabei. Dafür wird das komplette Spiel im Radio übertragen, Rudi Michel kommentiert im SWR. Drückende Schwüle liegt über dem Hardtwald-Stadion, das mit 17.000 Zuschauern nur mäßig gefüllt ist. Erstmals in seiner WM-Historie spielt Deutschland im grünen Ausweichdress, verzichtet sogar auf Rat Fritz Walters auf das Los. Schließlich hat man im ersten Spiel Weiß tragen dürfen. Eine sportliche Geste, die den Fauxpas der Deutschen bei der Seitenwahl erträglicher macht. Am Mittelkreis steht Kapitän Walter im Gegensatz zu seinem türkischen Kollegen Lefter Küçükandonyadis mit leeren Händen da, denn "wir haben gedacht, daß sich der Wimpeltausch bei einem Wiederholungsspiel erübrigt." Schließlich gibt es ja auch keine Nationalhymnen...

Erstmals bei dieser WM geht Deutschland in Führung, Ottmar Walter trifft mit rechts und fliegt anschließend selbst ins Netz. Der Treffer zählt trotzdem nur einmal. Die Vorlage ist von Linksaußen Schäfer gekommen, nun geschieht es umgekehrt und Schäfer stellt schon nach zwölf Minuten auf 2:0. Schäfer ist nun kaum zu halten, feuert aus allen Lagen und trifft den Pfosten. "Beglückt spüren wir, dass eigentlich nicht viel schief gehen kann", schreibt Fritz Walter in seinen WM-Memoiren. Prompt werden die Deutschen leichtsinnig. Ein türkisches Abseitstor ist der erste Warnschuss, der zweite sitzt: Mustafa Ertan köpft zum 2:1 ein.

Es wirft sie nicht zurück, Max Morlock stellt nach einer Kombination mit den Walter-Brüdern den alten Abstand wieder her. Noch wehren sich die Türken nach Kräften, als Turek einen Ball unterläuft, rettet Laband per Kopf auf der Linie. Dann wagt Eckel ein Solo, spielt zwei Gegner aus und knallt an den Pfosten. Zur Halbzeit steht es mehr als verdient 3:1. Die Entscheidung fällt nach 55 Minuten, aber nicht durch ein Tor. Der türkische Mittelläufer Zeybek Cetin, schon mit einer Kniebandage aufgelaufen, humpelt nach einem Zusammenprall mit Bauer vom Feld und kommt nicht wieder.

"Einige von uns sehen Tränen in seinen Augen, als er das Spielfeld verlässt", vermeldet Chronist Walter, der nach einer Stunde den Ball an der Eckfahne erkämpft und Morlock das 4:1 auflegt. Der Nürnberger rutscht mit dem Ball über die Linie. Dann legt Bruder Ottmar dem deutschen Kapitän seinen ersten WM-Treffer auf, er trifft von der Strafraumgrenze. Alle feiern ihn, sogar Toni Turek kommt angerannt und fällt ihm um den Hals. Fritz Walter: "Die tun ja so, als hätte eine blinde Henne auch mal ein Korn gefunden."

Herberger ärgert sich über Tureks Jubelausflug und sagt nach dem Spiel: "Ihre Freude in Ehren, aber in Zukunft bleiben Sie da, wo Sie hingehören." Es schleichen sich nun einige Härten ein, die frustrierten Türken sorgen für Blessuren bei Schäfer, Morlock und Fritz Walter. Die Deutschen geben die beste Antwort darauf - eine sportliche. Morlock schießt sein drittes Tor, Schäfer sein zweites, beide legt der schon 33 Jahre alte Fritz ihnen auf. Lefter Küçükandonyadis überlistet Toni Turek mit einem verdeckten Schuss, dann ist der Torfilm abgedreht. 7:2!

Deutschland gelangt über den Umweg eines dritten Spiels ins Viertelfinale, Herbergers Schlachtplan ist aufgegangen. Hinterher wird er zugeben: "Die zwei Stunden vor dem zweiten Spiel gegen die Türkei waren für mich die schwersten in meinem Trainerleben. Obwohl überzeugt, richtig gehandelt zu haben, konnte doch etwas schiefgehen." Es geht gut, und so genehmigt der Chef bei einem Zwischenstopp auf der Rückfahrt allen ein Bierchen. Nachts um eins fährt der DFB-Bus wieder in Spiez vor, wo noch eine kalte Platte auf die hungrigen Sieger wartet. Ihren Torhunger hatten sie da schon längst gestillt.

Aufstellung: Turek – Laband, Bauer – Eckel, Posipal, Mai – Morlock, Fritz Walter – Klodt, Ottmar Walter, Schäfer.

Tore: 1:0 Ottmar Walter (5.), 2:0 Schäfer (12.), 2:1 Ertan (21.), 3:1, 4:1 Morlock (30., 61.), 5:1 Fritz Walter (62.), 6:1 Morlock (77.), 7:1 Schäfer (79.), 7:2 Küçükandonyadis (83.).

Zuschauer: 16.484 in Zürich.

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"Dieser Fritz Walter, ein toller Bursche"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger: "Verstehen die Kritiker jetzt, warum ich einem Großteil der Akteure die zusätzliche Belastung gegen die ungarischen Ball-Rastellis nicht zuzumuten wagte? Wenn eine andere, stärkere Stürmerreihe gegen uns angegriffen hätte, wären leicht weitere Gegentore möglich gewesen."

"Der verhältnismäßig hohe Sieg über die Türken war wieder allein dem Angriff zu verdanken... Die türkische Mannschaft schlug sich mit Elan und letzter Kraft, doch war sie dem schnellen und verwirrenden Spiel des deutschen Angriffs auf die Dauer nicht gewachsen." (FAZ)

"Sie bestätigten damit, daß Herbergers Taktik, gegen Ungarn nur mit zweiter Garnitur anzutreten, berechtigt war." (Die Welt)

"Es schien, als wollte die Elf von Zürich den '3:8-Untergang von Basel' mit allen (erlaubten) Mitteln ausbügeln. Es wurde ein triumphaler Sieg der Kameradschaft." (Sport Magazin)

"Der mitreißende Schwung des deutschen Stürmerspiels im zweiten Türkengang verdeckte bedrohliche Schwächen in unserem Abwehrspiel." (Kicker)

"Eine große Schmach für die Türkei. Mit 7:2 erteilten die Deutschen uns eine Fußball-Lehrstunde. Deutschland war im gesamten Spiel die bessere Mannschaft und hat verdient gewonnen." (Hürriyet/Türkei)

"Durch falsche Taktik und fehlerhafte Vorbereitung sind wir in eine Katastrophe geraten. Unsere Mannschaft, die den größten Teil des Spiels mit nur zehn Mann bestritt, wurde von der deutschen Elf vom Platz gefegt." (Turkiye Sport)

"Dieser Fritz Walter, ein toller Bursch. Seine Wiege könnte in Wien stehen." (Heribert Meisel, Radioreporter des ORF)

"Großartig gemacht, Jungs. Weiter so!" (Hans Albers, Film-Schauspieler)

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