6:1 gegen Österreich: Walter-Festspiele im Halbfinale 1954

"Entfesselter Fritz Walter sprengt die Austria-Elf"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger "Ich glaube nicht, daß schon einmal eine deutsche Mannschaft so gespielt hat und so begeistert im Ausland gefeiert wurde."

Ottmar Walter: "Ich glaube, jetzt sind doch alle Zweckunkenrufer und böswilligen Kritikaster geheiklt."

Edi Frühwirth (Trainer Österreichs): "Eine Elf, die Jugoslawien und Österreich geschlagen hat, steht über jeder Debatte."

Peco Bauwens (DFB-Präsident): "Dieser 30. Juni ist der stolzeste Tag in der ruhmreichen 54jährigen Geschichte des Deutschen Fußballbundes. Egal, wie jetzt das Endspiel ausgeht, die bisherigen Erfolge allein berechtigen schon zu Freude und Stolz. Der deutsche Fußballbund wird das seiner Elf nie vergessen."

Ernst Ocwirk (Kapitän Österreichs): "Wir hätten halt das erste Tor schießen müssen, dann wären wir gleich viel ruhiger gewesen. Mit der Führung gewann die deutsche Mannschaft an Sicherheit, während bei uns das gerade Gegenteil eintrat."

Gerhard Hanappi (Östereich): "Wir haben schrecklich versagt, alle spielten wir weit unter unserer Form, alle haben wir gleich viel Schuld am Ausscheiden."

Karel Lotsy (FIFA-Beobachter aus Holland): "Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Von diesem Spiel wird man noch in Jahrzehnten sprechen."

"Die Welt muß umlernen. Deutschland ist Fußball-Weltmacht…Nicht niedergekämpft haben die Deutschen ihren populären Gegner (der körperlich weit überlegen war), sondern niedergespielt, niedergekreiselt. Die Zuschauer haben schließlich gelacht und gejohlt, wie sicher, trickreich, witzig, einfallsreich die Deutschen ihren Rivalen deklassierten, spieltechnisch, nicht – kämpferisch." (Kicker)

"Das 6:1 war Deutschlands und Fritz Walters größter Fußball-Tag!... So zweckmäßig, so zielstrebig, so einsatzfreudig und so temperamentvoll erlebten wir nie eine deutsche Ländermannschaft. " (Sport Magazin)

"Deutsche Elf so gut wie noch nie" (Bild)

"Entfesselter Fritz Walter sprengt die Austria-Elf" (Süddeutsche Zeitung)

"Bei den Deutschen stand neben allem Können eine wilde Entschlossenheit, bei den Österreichern eine lässige Verspieltheit ohne letzte Kraft. Wir werden gewinnen, sagten die Österreicher und lächelten. Wir wollen gewinnen, sagten die Deutschen mit finsterer Miene. Kein Wunder, daß die Männer von der blauen Donau untergingen." (Die Welt)

"Man kann nicht einmal sagen, daß Österreichs Niederlage in diesem Ausmaß nicht verdient gewesen wäre. Der Angstgegner Deutschland hat einmal mehr über Österreich triumphiert, über eine österreichische Elf allerdings, die diesmal vollkommen außer Rand und Band geraten war." (Die Presse/ Wien)

"Die vernichtendste Niederlage seit Königgrätz" (Wiener Kurier)

Horst Eckel (2003): "Von der ersten Sekunde an merkten wir: Heute läuft's super, wir sind gut drauf. Wir machten unser bestes Spiel der gesamten Weltmeisterschaft."

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Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

30. Juni Basel - Halbfinale: Deutschland - Österreich 6:1

Vor dem Spiel:

Von ihrem nächsten Gegner erfuhren die Deutschen von Fans, die sie bei einem Tankstellenhalt auf der Rückfahrt trafen. Sie hatten es im Radio gehört. Hauptsache, nicht die Ungarn, dachten alle. Die Sorgen um den angeschlagenen Morlock lösen sich auf, Erich Deusers heilende Hände und seine moderne Ausrüstung (ein Unterwasser-Massagegerät) wirkten Wunder. Die ohnehin schon gute Stimmung stieg, als am Tag vor dem Halbfinale ein deutsches Tanzorchester im Hotel Belvedere aufkreuzte. In einer Konzertpause schnappten sich einige Spieler die Instrumente und es entstanden lustige Fotos mit Schlagzeuger Rahn, Geiger Morlock, Saxophonist Pfaff und den Trompetern Turek und Biesinger. Als nächstes wollten sie dann den Österreichern den Marsch blasen, gegen die die Bilanz noch negativ war (4-2-6). Es ging wieder nach Basel, wo sie das blamable 3:8 hinnehmen mussten. Aber jetzt war die Lage eine andere.

In Basel lief erstmals die kommende Weltmeister-Elf auf. Posipal hatte sich dank Herbergers psychologischer Aufbauarbeit wieder gefangen und bekam Labands Platz als rechter Verteidiger, so dass Liebrich Mittelläufer bleiben konnte. Es war die einzige Änderung, Rahn blieb nach seinem entscheidenden Tor im Team. Herberger sagte in der Teamsitzung: "Vergesst die Deckung nicht! Keiner weicht von seinem Mann, selbst wenn er Kaffee trinken geht!" Die Österreicher waren Favorit, hatten beim turbulenten 7:5 über die Schweiz aber defensive Schwächen offenbart. Außerdem hatte Torwart Schmied einen Sonnenstich erlitten, Zeman ersetzte ihn. Nicht wirklich eine Schwächung, sie nannten ihn den "Panther". Die deutsche Mannschaft war in Lausanne Augenzeuge des Schützenfests gewesen und erkannte ihre Verwundbarkeit. "Die Österreicher putzen wir weg", sagte der sonst so zurückhaltende Fritz Walter – wenn auch nur auf Zimmer 303 in Spiez, zum noch zaudernden Rahn. Ob er da schon wusste, dass wieder Fritz-Walter-Wetter sein würde?

Eine Stunde vor Anpfiff begann es zu regnen, beim Auflaufen in den St. Jakob-Park blickten die Spieler in einen Wald von Regenschirmen, über denen hunderte schwarz-rot-goldener Fahnen flatterten. Herberger freute sich: "Der Regen gefällt denen, die gut spielen können!". Zehn Minuten vor Anpfiff verblüffte Kohlmeyer seine Kameraden, als er sich zu rasieren beginnt. Demonstrative Gelassenheit vor dem bisher größten Spiel in der DFB-Historie. Diesmal pfiff niemand bei der Aufstellung. Stattdessen erklangen zur Aufmunterung Trompeten, Sirenen und Kuhglocken. Rund 40.000 Deutsche dominieren die Kulisse.

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Halbes Dutzend im Halbfinale

Spielbericht:

Diesmal verliert Deutschland den Losentscheid über die Trikotfrage und muss wieder den grünen Ausweichdress (zu weißen Hosen) tragen. Der Stadionsprecher weist die Zuschauer eigens darauf hin, dass die Deutschen diesmal nicht die Weißen sind. Kurt Brumme und Herbert Zimmermann kommentieren an diesem Mittwoch abwechselnd im Radio. Der Anpfiff erfolgt um 18 Uhr, Deutschland hat Anstoß. Die Reporter vermitteln der Heimat zunächst das Bild einer in die Defensive gedrängten deutschen Elf, die erste halbe Stunde gehört den Ballzauberern aus Wien – alle elf Spieler kommen von den Hauptstadtklubs Rapid, Austria und Vienna. Probst und die Körner-Brüder verfehlen Tureks Gehäuse knapp. Dann leitet Fritz Walter den deutschen Torhagel ein, setzt sich auf rechts durch und bedient Hans Schäfer – 1:0, mit links. Es provoziert wütende Angriffe der Österreicher, Liebrich wirft sich in einen Schuss von Wagner. Schäfer schießt noch ein Abseitstor, zur Halbzeit bleibt es bei der knappen Führung.Mit lautem Beifall werden die Spieler verabschiedet. Zeugwart Adi Dassler zieht höhere Stollen auf, der aufgeweichte Rasen macht es notwendig. "Spielt so weiter, lasst nicht nach", befiehlt Herberger, nicht ahnend dass sich die Elf noch dermaßen steigern kann wie es nun passiert.

Eine der stets gefährlichen Ecken des Kapitäns führt zum 2:0 durch Morlock per Kopf. Österreich antwortet schnell, ein von Turek unglücklich abgewehrter Ball rollt Probst vors Schienbein und von dort ins Netz. "Geh ma, geh ma", feuern sich die Wiener an, es sind noch fast 40 Minuten. Da bügelt Ernst Happel einen technischen Fehler mit einem Foul an Schäfer im Strafraum aus – der Italiener Orlandini gibt den ersten Elfmeter der deutschen WM-Geschichte. Fritz Walter, der sein vielleicht bestes Länderspiel macht, ist dazu von Herberger bestimmt worden – gegen seinen Wunsch. Bruder Ottmar kommt heran geeilt und stichelt ihn auf pfälzisch: "Was isch, haste Mumm?" Vor dem kleinen Bruder kneift man natürlich nicht und so schießt er: mit rechts nach rechts – während Zeman in die andere Ecke fliegt. 3:1! Noch einmal raffen sich die Wiener auf, Wagner zwingt Turek zu einer Glanzparade, der Ball geht an die Latte. Die Massen fordern "noch ein Tor" von den Deutschen und sie bekommen – noch drei.

Der Sturmwirbel ist auch der Taktik der Österreicher geschuldet. Herberger schrieb im DFB-Jahrbuch 1954 in seinem WM-Bericht: "Wir hatten einen Gegner erwartet, der – ähnlich wie seinerzeit beim 0:0 in Köln im März 1953 – daraus auf war, unseren Angriff an die Kette zu legen. Dass er dies nicht tat, war zu diesem Zeitpunkt der Höchstform unseres Angriffs eine böse Unterlassung, die sich bitter rächen musste." Auch gegen die Standards fällt dem Gegner wenig ein. Die 61. Minute: Wieder führt eine Walter-Ecke zum Tor, diesmal hält Bruder Ottmar den Kopf in die Schussbahn – 4:1. ORF-Reporter Heribert Meisel, schon leicht resignierend, hat es kommen sehen: "Ein geschenkter Eckball, würde mich wundern, würde mich nicht wundern, wenn jetzt das vierte Tor für Deutschland fallen würde. Wieder schießt der Fritz Walter mit dem rechten Fuß, abgewehrt – Tor. Tor. Tor für Deutschland…Ich bin sprachlos." Nicht nur der Reporter ist demoralisiert, die elf Wiener gehen regelrecht unter, jeder versucht nur noch für sich zu spielen. Rahn darf allein auf den indisponierten Zeman zulaufen, umkurvt diesen und wird dann vom Torwart zu Fall gebracht. Zweiter Elfmeter für Deutschland, zweiter Spezialauftrag für Fritz. "Wieder ins selbe Eck wie beim ersten Mal", rät Bruder Ottmar. "Alles klar", sagt Fritz und wählt die andere. Zeman auch, aber er kommt doch nicht ran. 5:1 – und immer noch 25 Minuten. "Wir sind jetzt so in Schwung, daß wir vorübergehend alles um uns herum vergessen", schreibt der Kapitän in seinem WM-Buch "3:2". In der 89. Minute schickt er Linksaußen Schäfer auf die Reise, dessen Flanke Ottmar Walter per Kopf zum sensationellen Endstand verwertet. Deutschland steht bei seiner dritten WM erstmals im Endspiel. Die Gastgeber setzen andere Prioritäten. Durchsage des Stadionsprechers an die deutschen Fans: "Ihre Mannschaft hat den Sieg errungen, danken Sie uns damit, dass sie nach Spielende nicht den Rasen unseres Stadions betreten."

Aufstellung: Turek – Posipal, Kohlmeyer – Eckel, Liebrich, Mai – Morlock, Fritz Walter – Rahn, Ottmar Walter, Schäfer.

Tore: 1:0 Schäfer (31.), 2:0 Morlock (47.), 2:1 Probst (52.), 3:1 Fritz Walter (56., Elfmeter), 4:1 O. Walter (61.), 5:1 F. Walter (65., Elfmeter), 6:1 Ottmar Walter (88.).

Zuschauer: 57. 418 in Basel.

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"Entfesselter Fritz Walter sprengt die Austria-Elf"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger "Ich glaube nicht, daß schon einmal eine deutsche Mannschaft so gespielt hat und so begeistert im Ausland gefeiert wurde."

Ottmar Walter: "Ich glaube, jetzt sind doch alle Zweckunkenrufer und böswilligen Kritikaster geheiklt."

Edi Frühwirth (Trainer Österreichs): "Eine Elf, die Jugoslawien und Österreich geschlagen hat, steht über jeder Debatte."

Peco Bauwens (DFB-Präsident): "Dieser 30. Juni ist der stolzeste Tag in der ruhmreichen 54jährigen Geschichte des Deutschen Fußballbundes. Egal, wie jetzt das Endspiel ausgeht, die bisherigen Erfolge allein berechtigen schon zu Freude und Stolz. Der deutsche Fußballbund wird das seiner Elf nie vergessen."

Ernst Ocwirk (Kapitän Österreichs): "Wir hätten halt das erste Tor schießen müssen, dann wären wir gleich viel ruhiger gewesen. Mit der Führung gewann die deutsche Mannschaft an Sicherheit, während bei uns das gerade Gegenteil eintrat."

Gerhard Hanappi (Östereich): "Wir haben schrecklich versagt, alle spielten wir weit unter unserer Form, alle haben wir gleich viel Schuld am Ausscheiden."

Karel Lotsy (FIFA-Beobachter aus Holland): "Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Von diesem Spiel wird man noch in Jahrzehnten sprechen."

"Die Welt muß umlernen. Deutschland ist Fußball-Weltmacht…Nicht niedergekämpft haben die Deutschen ihren populären Gegner (der körperlich weit überlegen war), sondern niedergespielt, niedergekreiselt. Die Zuschauer haben schließlich gelacht und gejohlt, wie sicher, trickreich, witzig, einfallsreich die Deutschen ihren Rivalen deklassierten, spieltechnisch, nicht – kämpferisch." (Kicker)

"Das 6:1 war Deutschlands und Fritz Walters größter Fußball-Tag!... So zweckmäßig, so zielstrebig, so einsatzfreudig und so temperamentvoll erlebten wir nie eine deutsche Ländermannschaft. " (Sport Magazin)

"Deutsche Elf so gut wie noch nie" (Bild)

"Entfesselter Fritz Walter sprengt die Austria-Elf" (Süddeutsche Zeitung)

"Bei den Deutschen stand neben allem Können eine wilde Entschlossenheit, bei den Österreichern eine lässige Verspieltheit ohne letzte Kraft. Wir werden gewinnen, sagten die Österreicher und lächelten. Wir wollen gewinnen, sagten die Deutschen mit finsterer Miene. Kein Wunder, daß die Männer von der blauen Donau untergingen." (Die Welt)

"Man kann nicht einmal sagen, daß Österreichs Niederlage in diesem Ausmaß nicht verdient gewesen wäre. Der Angstgegner Deutschland hat einmal mehr über Österreich triumphiert, über eine österreichische Elf allerdings, die diesmal vollkommen außer Rand und Band geraten war." (Die Presse/ Wien)

"Die vernichtendste Niederlage seit Königgrätz" (Wiener Kurier)

Horst Eckel (2003): "Von der ersten Sekunde an merkten wir: Heute läuft's super, wir sind gut drauf. Wir machten unser bestes Spiel der gesamten Weltmeisterschaft."

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