6:0 gegen Mexiko: Das gute Spiel in Cordoba

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

6. Juni 1978 in Cordoba - zweites Gruppenspiel: Deutschland - Mexiko 6:0

Vor dem Spiel:

Auf dem Rückflug aus Buenos Aires nach dem 0:0 zum WM-Auftakt gegen Polen hatte Kapitän Berti Vogts die lakonische Parole ausgegeben: "Es kann nur besser werden." Und schon am nächsten Morgen hatte Bundestrainer Helmut Schön nach kurzer Nacht seine neue Elf gefunden. Quasi im Spaziergang, den er vor dem Frühstück zu machen pflegte. Medial wurde die neue Aufstellung allerdings auch Vogts zugebilligt, der sich falsch interpretiert sah: "Jetzt denken die Leute: 'Da hat der Vogts gerade einmal richtig den Ball getroffen, schon geht er auf den armen Bundestrainer los.' Wie tief sind wir gesunken. Ich habe keinen Spaß mehr."

Wie dem auch gewesen sei, Bernard Dietz kam in der Abwehr auf links für den leicht angeschlagenen Herbert Zimmermann, Dieter Müller für Erich Beer und Karl-Heinz Rummenigge für Rüdiger Abramczik, was der Schalker ja schon geahnt hatte. Aus einem 4-4-2 wurde ein 4-3-3, zwei der drei Angreifer waren gelernte Mittelstürmer - das erinnerte an die WM 1970 mit Uwe Seeler und Gerd Müller.

Für die Mexikaner war das Match nach ihrer 1:3-Auftaktpleite gegen Tunesien schon ein Endspiel. Trainer Antonio Roca schimpfte: "In 90 Minuten wurde die Aufbauarbeit eines Jahres zerstört. Jetzt muss es eben gegen Deutschland klappen. Wir können ja nicht zweimal so schlecht spielen wie gegen Tunesien." Besser spielen, weil es schlechter nicht mehr ging - dieser Logik folgten beide Mannschaften.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

6. Juni 1978 in Cordoba - zweites Gruppenspiel: Deutschland - Mexiko 6:0

Vor dem Spiel:

Auf dem Rückflug aus Buenos Aires nach dem 0:0 zum WM-Auftakt gegen Polen hatte Kapitän Berti Vogts die lakonische Parole ausgegeben: "Es kann nur besser werden." Und schon am nächsten Morgen hatte Bundestrainer Helmut Schön nach kurzer Nacht seine neue Elf gefunden. Quasi im Spaziergang, den er vor dem Frühstück zu machen pflegte. Medial wurde die neue Aufstellung allerdings auch Vogts zugebilligt, der sich falsch interpretiert sah: "Jetzt denken die Leute: 'Da hat der Vogts gerade einmal richtig den Ball getroffen, schon geht er auf den armen Bundestrainer los.' Wie tief sind wir gesunken. Ich habe keinen Spaß mehr."

Wie dem auch gewesen sei, Bernard Dietz kam in der Abwehr auf links für den leicht angeschlagenen Herbert Zimmermann, Dieter Müller für Erich Beer und Karl-Heinz Rummenigge für Rüdiger Abramczik, was der Schalker ja schon geahnt hatte. Aus einem 4-4-2 wurde ein 4-3-3, zwei der drei Angreifer waren gelernte Mittelstürmer - das erinnerte an die WM 1970 mit Uwe Seeler und Gerd Müller.

Für die Mexikaner war das Match nach ihrer 1:3-Auftaktpleite gegen Tunesien schon ein Endspiel. Trainer Antonio Roca schimpfte: "In 90 Minuten wurde die Aufbauarbeit eines Jahres zerstört. Jetzt muss es eben gegen Deutschland klappen. Wir können ja nicht zweimal so schlecht spielen wie gegen Tunesien." Besser spielen, weil es schlechter nicht mehr ging - dieser Logik folgten beide Mannschaften.

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Zwei Müller-Tore, zweimal Rummenigge, zweimal Flohe

Spielbericht:

An diesem Dienstag spielt Deutschland erstmals in Cordoba. Das ZDF überträgt, Rolf Kramer ist der Kommentator. Mexiko überrascht Schön und bringt trotz des Erfolgsdrucks nur zwei Spitzen. Unter den 45.000 Zuschauern sind 5000 deutsche Schlachtenbummler. Sie bereuen ihr Kommen nicht, wundern sich zunächst nur über das Outfit: Zu den Traditionsfarben schwarz-weiß gesellt sich grün, die Farbe der Stutzen ist auch die der Hoffnung. Und die auf Tore erfüllt sich alsbald.

Nach verhaltenem Beginn gibt ein Schuss von Hansi Müller das Signal. Noch kann Torwart José Reyes Schlimmeres verhindern, er pariert auch einen Schuss von Dieter Müller und hat Glück, als Rainer Bonhof aus 20 Metern knapp verzieht. Aber: "Mexikos Abwehr wurde nervös", stellt der Kicker-Protokollant fest. Dann fällt es, das erste deutsche Tor in Argentinien. Dieter Müller, der schon bei seinem EM-Debüt 1976 getroffen hat, und zwar dreifach, kann auch WM. Nach einem Zuspiel von Vogts dreht er sich um seinen Gegner und schießt mit links aus rund 20 Metern. Reyes sieht den Aufsetzer zu spät, den Deutschen ist es egal - 1:0 (15.). "Dieses Tor änderte das Spiel grundlegend. Von da an ging’s bergauf. Der Knoten war geplatzt, Deutschland konnte wieder stürmen." Schreibt der Kicker.

Und treffen. Nachdem die Mexikaner durch Guillermo Mendizabel und Leonardo Cuellar zu zwei Ausgleichschancen kommen, zieht Deutschland auf 2:0 davon. Aus einer mexikanischen Ecke entsteht der Treffer, der in einen Lehrfilm für Konterspiel gehört. Über Klaus Fischer und Heinz Flohe gelangt der Ball zu Hansi Müller, der über rechts in den Strafraum eindringt und aus spitzem Winkel seinen schwachen Rechten nehmen muss. Trotzdem trifft er, zu seiner eigenen Verwunderung, ins lange Eck (30.).

Noch vor der Pause fällt praktisch die Entscheidung: Nach einem missglückten mexikanischen Freistoßtrick kommt Karl-Heinz Rummenigge 30 Meter in der eigenen Hälfte an den Ball, rennt über den ganzen Platz, muss nur einen Gegner austricksen und spitzelt den Ball am ihm entgegenspringenden Reyes vorbei (38.). "Eine Glanzleistung des Münchners, von dem man weiß, dass er exzellent dribbeln kann", lobt Kramer den 22-Jährigen. Zu allem Übel für Mexiko verletzt sich der Torhüter dabei, Reyes wird mit der Bahre vom Platz getragen.

Vertreter Pedro Soto muss den ersten Schuss, den er in seinem dritten Länderspiel aufs Tor bekommt, sogleich passieren lassen. Ein von Bonhof indirekt ausgeführter Freistoß kommt zu Flohe, der den Ball aus fast 25 Metern über den linken Außenspann abrutschen lässt. Trotz der großen Entfernung ist dieser Flatterball nur schwer zu halten (44.). Fertig ist die höchste deutsche Pausenführung bei einer WM.

Wie nicht weiter überraschend, drosselt die Elf nach dem Wechsel das Tempo, ungeachtet der Pfiffe des schon verwöhnten Publikums. Ein Pfostenschuss von Rummenigge ist der einzige Höhepunkt der ersten halben Stunde. Dann aber legen sie doch noch nach und entschädigen das Publikum für die lange Wartezeit auf Spektakel. Über Dieter Müller und Fischer, der von links an den langen Pfosten flankt, kommt der Ball zu Hansi Müller. Der Stuttgarter legt - wieder mit rechts - volley zurück auf Zimmerpartner Rummenigge, und der drischt mit rechts mitten ins Tor. 5:0 nach 73 Minuten.

Für die restlichen Aufreger sorgt Spielmacher Heinz Flohe, dem der Kicker die Schlagzeile widmet: "Flohes großer Sprung". Weil ihm fast alles gelingt und mit jeder gelungenen Aktion das Zutrauen in das eigene Können wächst. Vor dem Spiel hat er sich selbst am meisten unter Druck gesetzt, wie er zugibt: "Mir war klar, dass ich rausfliege, wenn ich wieder schlecht spiele." Davon kann an diesem Tag keine Rede sein. In der 77. Minute also spielt er noch Pfostenbillard, sein Schuss kullert die Linie entlang, berührt jedes äußere Torgestänge, aber ins Netz will der Ball nicht. Noch nicht. In letzter Minute, es ist wieder ein Konter, ist Flohe eigentlich schon zu weit abgedrängt, zaudert trotzdem nicht und fackelt den Ball von der Strafraumgrenze mit links unter die Latte (89.). Fertig ist der höchste deutsche WM-Sieg.

Während sich in der Heimat der Sieger Zuversicht einstellt, ist bei den Verlierern der Frust groß. Am Auto von Kapitän Ayala werden die Scheiben eingeschlagen, und bei den Angehörigen der Spieler klingeln die Telefone. Enttäuschte Fans brauchen zu allen Zeiten ein Ventil für ihre Wut, und das finden sie auch schon weit vor der Erfindung "sozialer" Medien. Mexiko ist schon ausgeschieden, für die beiden ersten Plätze bleiben zwei Kandidaten - Deutschland und Polen.

Aufstellung: Maier - Vogts, Kaltz, Rüßmann, Dietz - Bonhof, Flohe, Hansi Müller - Fischer, Dieter Müller, Rummenigge.

Tore: 1:0 Dieter Müller (15.), 2:0 Hansi Müller (30.), 3:0 Rummenigge (38.), 4:0 Flohe (44.), 5:0 Rummenigge (73.), 6:0 Flohe (89.).

Zuschauer: 35.258 in Cordoba.

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Schön: "Nun haben wir den Durchbruch geschafft"

Stimmen zum Spiel:

Bundestrainer Helmut Schön: "Unser Gegner war nicht so stark wie erwartet, deshalb kann man nur davor warnen, in Euphorie zu verfallen. Wir müssen unser Spiel jetzt festigen. Die Mexikaner waren in dem Spiel kein Maßstab. Ich habe mich besonders darüber gefreut, dass alle Spieler für die Gemeinschaft gekämpft haben, was bei einigen vorher nicht der Fall war. Nun haben wir den Durchbruch geschafft. Das reicht zwar noch nicht, um Weltmeister zu werden, aber darauf kann man aufbauen."

Heinz Flohe: "Ich glaube, dass bei uns jetzt noch eine gewaltige Steigerung drin ist. Wissen Sie, auf einmal macht es uns wieder Spaß."

Karl-Heinz Rummenigge: "So nervös wir heute war ich noch nie, höchstens damals vor dem Europacupfinale in Glasgow. Es ging um alles oder nichts für mich, und ich freue mich wahnsinnig, dass wir so überzeugend hoch gewonnen haben. Die Stimmung ist jetzt deutlich besser, die Mannschaft hat sich dadurch irgendwie befreit."

Hansi Müller: "Ich finde, dass die Mittelfeldbesetzung mit Flohe, Bonhof und mir sehr gut zusammengespielt hat."

Sepp Maier: "Wir haben gegen die Mexikaner alle gemerkt, dass wir doch wer sind hier bei der WM. Auf einem der ersten vier Plätze landen wir bestimmt."

Antonio Roca (Mexikos Trainer): "Wir sind heute auf eine wundervolle deutsche Mannschaft getroffen, die überlegen und außerordentlich stark spielte. Meine Mannschaft hat heute bedeutend besser gespielt als gegen Tunesien, aber gegen eine Mannschaft, die phasenweise wie der kommende Weltmeister aussah, hätten wir auch mit mehr als elf Spielern keine Chance gehabt."

Arturo Vasquez (Mexiko): "Wir verloren heute gegen einen Gegner, der um drei Klassen stärker war als wir. Ich bin sicher, dass die Deutschen nach diesem Sieg zu den großen Favoriten der WM gehören."

Eduardo Ramos (Mexiko): "Sicher war es einer der schwärzesten Tage unserer Fußballgeschichte, aber wir müssen auch aus diesem Wellental wieder rauskommen."

"Nach 6:0 endlich der Durchbruch! Zum ersten Male in diesem Jahr spielte unsere Elf ohne Nervosität und Hemmungen. Aber vergessen wir nicht: Erst das 1:0 durch Dieter Müller führte unsere Elf auf den richtigen Weg (...) Bei aller Freude über den klaren Sieg darf nicht übersehen werden, daß die Mexikaner so lahm und so konzeptionslos spielten wie schon gegen Tunesien (...) Der Sieg war vor allem für die nervliche Verfassung unserer Spieler wichtig. Er war dringend nötig, das angeknackste Selbstvertrauen zurückzugewinnen." (Kicker)

"Man darf sich nicht von Toren blenden lassen. Das war auch der Grund für den reservierten Beifall des argentinischen Publikums (...) Die Deutschen müssen sich gefallen lassen, daß ihnen vor allem die in der Abwehr klägliche mexikanische Vorstellung als Wermutstropfen in die Freude geträufelt wird." (FAZ)

"Das Resultat kennzeichnet deutlich den katastrophalen Zustand unseres Fußballs, den Trainer Roca seit zwei Jahren mit Illusionen und vielen Worten zu verschleiern sucht. Die Null, die heute auf der Anzeigetafel erschien, ist der Platz, den die mexikanische Mannschaft in der Weltrangliste des Fußballs einnimmt." (Excelsior/Mexiko-City)

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