2:2 gegen Nordirland: Wieder Rückstand, wieder nicht verloren

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

15. Juni in Malmö - letztes WM-Gruppenspiel in Schweden: Deutschland - Nordirland 2:2

Vor dem Spiel:

Vor dem letzten Spiel hatten noch alle vier Teams Chancen aufs Viertelfinale. Zum Weiterkommen reichte dem Weltmeister ein Punkt, der den Briten zu wenig hätte sein können. Sie hatten gegen Argentinien verloren, aber zum Auftakt die Tschechen geschlagen. Herbergers Assistent Helmut Schön, Augenzeuge beider Spiele, warnte: "Das wird vielleicht das schwerste unserer drei Spiele." Nordirlands Trainer Peter Doherty nahm an, dass die Deutschen seiner Elf liegen würden, gestand aber: "Ich habe sie noch nie gesehen."

Kollege Sepp Herberger wusste: "Die Iren spielen typisch englisch, also ohne Schnörkel, ohne Mätzchen. Sie demonstrieren schönen, soliden Zweckfußball. Weite Schläge aus der Abwehr heraus, immer den Ball nach vorn." Am Vortag gab er an der Kaffeetafel die Aufstellung bekannt. Horst Eckel war am Sonntag wieder hergestellt, Karl-Heinz Schnellinger musste zurück auf die Bank, die ein privilegierter Zuschauerplatz war. Auswechseln blieb bis zur WM 1970 verboten.

Ansonsten liefen die Spieler aus dem Duell mit der Tschechoslowakei auf. Auch gegen Nordirland, dessen Spieler fast ausnahmslos Profis in England waren, hatte Deutschland noch nie gespielt. Das Fernsehen übertrug live. Und zum zweiten Mal bei dieser WM kam der schwedische König zu einem deutschen Spiel.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

15. Juni in Malmö - letztes WM-Gruppenspiel in Schweden: Deutschland - Nordirland 2:2

Vor dem Spiel:

Vor dem letzten Spiel hatten noch alle vier Teams Chancen aufs Viertelfinale. Zum Weiterkommen reichte dem Weltmeister ein Punkt, der den Briten zu wenig hätte sein können. Sie hatten gegen Argentinien verloren, aber zum Auftakt die Tschechen geschlagen. Herbergers Assistent Helmut Schön, Augenzeuge beider Spiele, warnte: "Das wird vielleicht das schwerste unserer drei Spiele." Nordirlands Trainer Peter Doherty nahm an, dass die Deutschen seiner Elf liegen würden, gestand aber: "Ich habe sie noch nie gesehen."

Kollege Sepp Herberger wusste: "Die Iren spielen typisch englisch, also ohne Schnörkel, ohne Mätzchen. Sie demonstrieren schönen, soliden Zweckfußball. Weite Schläge aus der Abwehr heraus, immer den Ball nach vorn." Am Vortag gab er an der Kaffeetafel die Aufstellung bekannt. Horst Eckel war am Sonntag wieder hergestellt, Karl-Heinz Schnellinger musste zurück auf die Bank, die ein privilegierter Zuschauerplatz war. Auswechseln blieb bis zur WM 1970 verboten.

Ansonsten liefen die Spieler aus dem Duell mit der Tschechoslowakei auf. Auch gegen Nordirland, dessen Spieler fast ausnahmslos Profis in England waren, hatte Deutschland noch nie gespielt. Das Fernsehen übertrug live. Und zum zweiten Mal bei dieser WM kam der schwedische König zu einem deutschen Spiel.

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Rahn und Seeler: Die Stürmer retten das Remis

Spielbericht:

Hans Schäfer gewinnt die Seitenwahl und lässt mit der tiefstehenden Sonne im Rücken spielen. Helmut Rahn und der zweimal durchbrechende Uwe Seeler haben schon in den ersten sechs Minuten drei Chancen und finden ihren Meister in Harry Gregg. Der Torwart von Manchester United, der im Februar 1958 zu den wenigen Überlebenden der Münchner Flugzeugkatastrophe seiner Mannschaft gehört hat, hat einen großen Tag. Im Gegensatz zu Fritz Herkenrath, dessen Schwächen beim Rauslaufen wieder mal bestraft werden. Nach 17 Minuten segelt er an einer Rechtsflanke von Billy Bingham vorbei, allerdings behindert von Mitspieler Georg Stollenwerk, und Peter McParland hat leichtes Spiel, mit links ins verlassene Tor einzuschieben.

Drittes Spiel, dritter Rückstand. Diesmal währt er nur drei Minuten, ehe der schon fast obligatorische Rahn-Treffer fällt. Doch etwas ist anders, diesmal macht es der von rechts in den Strafraum eindringende Essener mit Gefühl. Gegen seinen Schlenzer ist auch Wundermann Gregg machtlos. Rahn: "Wer behauptet da noch, ich könne nur ins Tor hineinballern? Mit besonderem Genuß ließ ich mich diesmal von den Kameraden feiern." Bis zum Pausenpfiff hat allein Uwe Seeler noch vier Chancen, die größte vereitelt Verteidiger Dick Keith auf der Torlinie (34.), der Rest wird Harry Greggs Beute. Fritz Herkenrath verhindert mit einer Glanzparade gegen Billy Cush (44.) eine schmeichelhafte Pausenführung der Briten.

"Was gäbe ich drum, wenn jetzt Schluss wäre", sagt Fritz Walter zu Herbert Erhardt. Der Lauterer weiß, dem Gegner reicht der Punkt nicht, da wird noch was kommen. In der 52. Minute muss Fritz Walter im eigenen Strafraum vor Danny Blanchflower retten. Nach einer Stunde kann keiner mehr retten: Eine offenbar einstudierte Eckballvariante nutzt McParland zu seinem zweiten Tor - 1:2. Kommen die Deutschen wie gegen die Tschechen wieder zurück? Sechs Minuten später liegt der Ball im Tor der Nordiren, doch der portugiesische Schiedsrichter erkennt ein Foulspiel Schäfers an Gregg, Walter freut sich zu früh.

Die Zeit läuft gegen die Deutschen, denen bei einer Niederlage ein Entscheidungsspiel gegen die Tschechen droht. Noch elf Minuten: Hans Schäfer steht mit dem Rücken zum Tor und lupft den Ball zurück zu Uwe Seeler. Der hat an diesem Tag von fast jedem Fleck des Strafraums aufs Tor geschossen und nicht getroffen. Immer hat der Mann im gelben Sweater sein Tor verhindert. Nun versucht Seeler es aus 18 Metern, es ist eher eine Rahn-Distanz. Hoch schlägt der Ball unter der Latte ein - 2:2.

Noch einmal gerät der Viertelfinaleinzug in Gefahr: Ein Freistoß der Briten fliegt vors Tor, McParland kommt mit dem Kopf eher dran als Herkenrath, doch der Ball fliegt übers Tor. Walter verarbeitet den Schreckmoment humoristisch in seinem WM-Buch: "Lieber Fritz, wenn das ins Auge gegangen wäre... Wir hätten Dich eiskalt zu einer Strafarbeit verdonnert. Bis morgen schreibst Du hundertmal: 'Ich darf nicht zu spät rauslaufen!'" Georg Stollenwerk drischt den Ball auf die Oberränge, das Pfeifkonzert in Kauf nehmend. Sie wollen den Punkt und bekommen ihn. Nach dem Schlusspfiff reißen sie die Arme hoch. Deutschland wird Gruppensieger und darf sogar in Bjärred bleiben. Noch in der Kabine erfahren die Spieler, auf wen sie in Malmö treffen werden: wieder mal die Jugoslawen.

Aufstellung: Herkenrath - Stollenwerk, Erhardt, Juskowiak - Eckel, Szymaniak - Rahn, Fritz Walter, Seeler, Schäfer, Klodt.

Tore: 0:1 McParland (17.), 1:1 Rahn (20.), 1:2 McParland (58.), 2:2 Seeler (79.).

Zuschauer: 35.000 in Malmö.

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"Die Nordiren waren die besten Sportsleute"

Stimmen zum Spiel:

Sepp Herberger: "Ich bin der Ansicht, dass wir das 2:2 verdienten. Aber es war ein Spiel, das sehr leicht ins Auge hätte gehen können. Auch heute lagen wir wieder im Rückstand, gleich zweimal. Aber wir kämpften uns wieder heran. Das soll uns erst einmal einer nachmachen. In drei Spielen das Führungstor des Gegners aufholen. Uwe Seeler vergab ein paar klare Chancen. Aber wie aufopfernd kämpfte er, und wie gut spielte er auch. Wer kämpferischen Fußball liebt, der kam heute wirklich auf seine Kosten. Die Nordiren waren die besten Sportsleute, mit denen wir die Klingen gekreuzt haben."

Peter Doherty (Trainer Nordirlands): "Das 2:2 ist gerecht. Eine Zeit lang glaubte ich allerdings, dass wir gewinnen würden. Die Deutschen waren die bei weitem die beste Mannschaft, die uns bisher bei diesem Turnier gegenübertrat. Meine Elf musste wesentlich besser spielen als gegen die Tschechen und Argentinier."

Peco Bauwens (DFB-Präsident): "Beinahe hätten wir das Spiel verloren. Dabei spielte der Gegner einen ganz einfachen Fußball. Aber die Iren waren taktisch sehr gut eingestellt. Gegen die Briten tun wir uns eben immer sehr schwer. Aber wir hätten gut und gerne mit zwei Toren Vorsprung gewinnen müssen."

Hans Schäfer: "Die Iren waren gefährliche Burschen. Mit zwei, drei Zügen durchmaßen sie das Mittelfeld und kreuzten vor unserem Tor auf."

Fritz Walter: "Eigentlich hätten wir das Spiel klar für uns entscheiden müssen, aber Gregg war ein überragender Torwart."

Danny Blanchflower (Kapitän Nordirlands): "Nordirland ist ein kleines Land, in dem viel weniger Menschen leben und Fußball spielen als in Deutschland. So gesehen ist das 2:2 für uns ein Erfolg. Rahn hat in der ersten Halbzeit hervorragend gespielt. Fritz Walter ist nicht immer an den Brennpunkten des Geschehens. Aber was er macht, das hat Format."

"Eines ist gewiß: Selten hat sich ein Fußball-Weltmeister so tapfer geschlagen wie diesmal das besonders vom Ausland zu Unrecht geschmähte Team." (Sport Magazin)

"Das 2:2 bedeutete einen Sieg! Wen verdanken wir ihm? Zuerst wieder unserem mitreißenden Kampfwillen, dem glühenden Kameradschaftsgeist unserer Spieler. Es gab ja so manchen Fehlpaß, so manches Versagen - aber man sah nie einen Vorwurf des Kameraden!" (Kicker)

"Es war ein großer Tag für Irland, ein Abend, der für alle Zeiten in Erinnerung bleiben wird, ein Abend wo unser kleines Land mit seinen wenigen Spitzenspielern der Fußballwelt seinen Stempel aufdrückte. Die Iren gingen ihren Gegner sofort an, sie jagten jedem Ball nach und gaben nicht vor dem Schlusspfiff auf, den die zeitschindenden Deutschen so sehnlich erwarteten." (Belfast Telegraph/Nordirland)

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