2:1 gegen Spanien: Warten aufs Halbfinale

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

2. Juli 1982 in Madrid - zweites Zwischenrundenspiel: Deutschland - Spanien 2:1

Vor dem Spiel:

Gegen den Gastgeber musste Deutschland einen möglichst komfortablen Vorsprung herausschießen, denn im letzten Gruppenspiel zwischen Spanien und England war man nur Zuschauer. Ein Zwiespalt: Einerseits die Spanier schlagen und demoralisieren, andererseits auf ihre Hilfe gegen die Engländer hoffen. Nach der erneut mäßigen Vorstellung drei Tage zuvor beim 0:0 gegen England gab es zwei Änderungen: Für Uwe Reinders und Hansi Müller kamen Pierre Littbarski und erstmals Klaus Fischer in die Startelf. Außerdem tauschten Bernd Förster und Manfred Kaltz die Plätze, der Hamburger rückte ins Mittelfeld, wo auch Karl-Heinz Rummenigge in zurückgezogener Rolle spielen sollte. Rummenigge reimte einprägsam: "Siegen oder fliegen", und die Bild-Zeitung versprach am Spieltag: "Es wird die Hölle".

Am Morgen des Spiels hielt Bundestrainer Jupp Derwall eine flammende Rede, sprach jeden Einzelnen an und appellierte an die Spieler: "Vergesst alles, was war und was geschrieben wurde! Spielt auf!" Außerdem verhindert er Host Hrubeschs Abreise, der Hamburger rutschte wieder in den Kader. Für Unruhe sorgten gleich drei Falschmeldungen. Derwall habe seinen Rücktritt angeboten für den Fall des Scheiterns, die Polizei habe auf zwei deutsche Spieler mit Pistolen gezielt, die nachts ins Hotel klettern wollten und Fischer habe Co-Trainer Berti Vogts Prügel angedroht. Der DFB verwies alle ins Reich der Fabel.

Die Spanier hatten bei ihrer Heim-WM sehr enttäuscht, gegen Honduras nicht gewonnen und gegen Nordirland sogar verloren. Nur dank der mehr erzielten Tore bei gleicher Differenz gegenüber Jugoslawien und gnädiger Schiedsrichter hatten sie sich für die Zwischenrunde qualifiziert. Offenkundig kamen sie mit dem Druck nicht zurecht. Nationaltrainer José Santamaria war froh, die Vorrunde überstanden zu haben, "jetzt haben wir endlich den Vorteil, dass wir die Favoritenrolle ablegen können."

Ihm wurde nach der Vorrunde eine Beraterkommission zur Seite gestellt. Da die Spanier im ersten Spiel der Gruppe B nur Zuschauer gewesen waren, hatten sie sieben Tage auf den vierten Turnierauftritt warten müssen. Ihre Stärken lagen in der Abwehr vor Torwart Arconada, der beste Keeper der EM 1980. Linksverteidiger Gordillo galt als einer der Besten des Kontinents, Wadenbeißer Camacho kannte Rummenigge bestens aus heißen Schlachten gegen Real Madrid. Kopf der Mannschaft war Spielmacher Jesus Zamora von San Sebastian, der die Parole ausgab: "Wir müssen in Madrid unserem Publikum beweisen, dass wir besser sind als unser derzeitiger Ruf." Über den Gegner sagte er, was viele sagten in diesen Tagen: "Die Deutschen sind sehr unberechenbar und haben bei dieser WM noch nicht ihr wahres Gesicht gezeigt."



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

2. Juli 1982 in Madrid - zweites Zwischenrundenspiel: Deutschland - Spanien 2:1

Vor dem Spiel:

Gegen den Gastgeber musste Deutschland einen möglichst komfortablen Vorsprung herausschießen, denn im letzten Gruppenspiel zwischen Spanien und England war man nur Zuschauer. Ein Zwiespalt: Einerseits die Spanier schlagen und demoralisieren, andererseits auf ihre Hilfe gegen die Engländer hoffen. Nach der erneut mäßigen Vorstellung drei Tage zuvor beim 0:0 gegen England gab es zwei Änderungen: Für Uwe Reinders und Hansi Müller kamen Pierre Littbarski und erstmals Klaus Fischer in die Startelf. Außerdem tauschten Bernd Förster und Manfred Kaltz die Plätze, der Hamburger rückte ins Mittelfeld, wo auch Karl-Heinz Rummenigge in zurückgezogener Rolle spielen sollte. Rummenigge reimte einprägsam: "Siegen oder fliegen", und die Bild-Zeitung versprach am Spieltag: "Es wird die Hölle".

Am Morgen des Spiels hielt Bundestrainer Jupp Derwall eine flammende Rede, sprach jeden Einzelnen an und appellierte an die Spieler: "Vergesst alles, was war und was geschrieben wurde! Spielt auf!" Außerdem verhindert er Host Hrubeschs Abreise, der Hamburger rutschte wieder in den Kader. Für Unruhe sorgten gleich drei Falschmeldungen. Derwall habe seinen Rücktritt angeboten für den Fall des Scheiterns, die Polizei habe auf zwei deutsche Spieler mit Pistolen gezielt, die nachts ins Hotel klettern wollten und Fischer habe Co-Trainer Berti Vogts Prügel angedroht. Der DFB verwies alle ins Reich der Fabel.

Die Spanier hatten bei ihrer Heim-WM sehr enttäuscht, gegen Honduras nicht gewonnen und gegen Nordirland sogar verloren. Nur dank der mehr erzielten Tore bei gleicher Differenz gegenüber Jugoslawien und gnädiger Schiedsrichter hatten sie sich für die Zwischenrunde qualifiziert. Offenkundig kamen sie mit dem Druck nicht zurecht. Nationaltrainer José Santamaria war froh, die Vorrunde überstanden zu haben, "jetzt haben wir endlich den Vorteil, dass wir die Favoritenrolle ablegen können."

Ihm wurde nach der Vorrunde eine Beraterkommission zur Seite gestellt. Da die Spanier im ersten Spiel der Gruppe B nur Zuschauer gewesen waren, hatten sie sieben Tage auf den vierten Turnierauftritt warten müssen. Ihre Stärken lagen in der Abwehr vor Torwart Arconada, der beste Keeper der EM 1980. Linksverteidiger Gordillo galt als einer der Besten des Kontinents, Wadenbeißer Camacho kannte Rummenigge bestens aus heißen Schlachten gegen Real Madrid. Kopf der Mannschaft war Spielmacher Jesus Zamora von San Sebastian, der die Parole ausgab: "Wir müssen in Madrid unserem Publikum beweisen, dass wir besser sind als unser derzeitiger Ruf." Über den Gegner sagte er, was viele sagten in diesen Tagen: "Die Deutschen sind sehr unberechenbar und haben bei dieser WM noch nicht ihr wahres Gesicht gezeigt."

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Littbarski und Fischer besiegeln Spaniens Aus

Spielbericht:

Das Thermometer zeigt auch um 21 Uhr noch 33 Grad im Schatten, es droht ein heißes Spiel. Auch wenn schon ein Lüftchen geht, das die Eckfahnen und Luftschlangen auf dem Rasen flattern lässt. 90.089 Zuschauer füllen die Ränge, davon 5000 bis 6000 Deutsche, die ARD-Kommentator Jürgen Emig allerdings nicht ausfindig machen kann: "Ich sehe nur spanische Fahnen." Nicht zu übersehen ist dagegen das Transparent mit der Aufschrift "Hannes ist der Beste". Angefertigt hat es sein Mönchengladbacher Klubkamerad Lothar Matthäus, der dafür einen Wetteinsatz von 1000 Mark von Hannes kassiert. Zeitvertreib überzähliger Reservisten…

Wieder bringen die Deutschen Nelken mit. Ein letzter Bußgang für Gijon. Bei der Hymne schließt Toni Schumacher die Augen und scheint woanders zu sein, nur Karlheinz Förster bewegt die Lippen. Bei den Spaniern macht das keiner, ihre Hymne hat bekanntlich keinen Text. Santamaria hat überraschend zwei Mittelstürmer aufgestellt, zu Liga-Torschützenkönig Quini aus Barcelona kommt Lokalmatador Santillana von Real. Auch für die Gastgeber geht es schon um "Sieg oder Tod", wie die Zeitungen titeln.

Für Deutschland, beteuert Emig, ist es "die Stunde der Wahrheit". Die Wahrheit ist, dass die Mannschaft im fünften Spiel ihr bestes bei dieser WM macht. Das deutet sich früh an, die Deutschen übernehmen gleich das Kommando. Bernd Förster, der einzige Überlebende der drei Neuen des England-Spiels, wagt einen ersten Torschuss, und schon nach zehn Minuten erkennt Emig gegenüber jener letzten Partie "einen Unterschied wie Tag und Nacht".

Unbeeindruckt von den steten Pfiffen der Spanier, die jede Ballpassage begleiten, machen die Deutschen ihr Spiel. Littbarski und Rummenigge spielen Doppelpass und erzwingen eine Ecke, Hans-Peter Briegel tankt sich links bis in den Strafraum durch, ehe er mit dem Außenrist knapp verzieht. Bernd Förster drischt den Ball nach einer abgewehrten Ecke volley aufs kurze Eck, Arconada muss ihn erhechten. Ausdruck gestiegenen Selbstbewusstseins, eine Mannschaft zieht sich selbst mit dem Schopf aus dem Sumpf.

"Ja, die Spanier schwimmen", erkennt Emig, als Libero Alexanko nach einer Ecke unbedrängt fast ins eigene Tor trifft. Dann haben auch sie endlich eine Chance, Schumacher aber stürzt sich mit dem Kopf voraus in Santillanas Laufweg und wehrt ab. Dann bittet der Italiener Paolo Casarin die Halbzeit. Immer noch keine Tore nach 135 Minuten in Zwischenrundengruppe B, aber ganz viel Hoffnung darauf, dass sich das ändert. Die Zuschauer applaudieren. Rummenigge: "Zur Halbzeit war die Stimmung in der Kabine zum ersten Mal gut, obwohl wir noch immer kein Tor erzielt hatten." Uli Stielike ruft in die Runde: "Wenn wir die nicht schlagen, dann haben wir’s wirklich nicht verdient weiterzukommen."

Als die Teams wiederkommen, trägt Rummenigge plötzlich eine hellblaue Trainingsjacke. Er scheidet aus, der Oberschenkel macht nicht mehr mit, wieder erhält Reinders eine Chance. Kaltz bekommt die Kapitänsbinde. Für den von Bernd Förster trotz fairen Tacklings schwerer verletzten Juanito kommt Lopez Ufarte. Obwohl die Spanier druckvoller beginnen, als bisher gezeigt, fällt nach 50 Minuten das erste deutsche Tor. Fleißbiene Wolfgang Dremmler, der einen besonders guten Tag erwischt hat, wagt einen Vorstoß und feuert einen Aufsetzer aus rund 25 Metern ab, den Arconada nach vorne abwehrt. Littbarski ist zur Stelle und staubt mit links ab, es ist das erste WM-Tor des Kölners. Nun hört man die deutschen Zuschauer im weiten Rund, Fans und Spieler des Gastgebers sind paralysiert.

Die Partie wird offener, Spanien muss etwas tun, kommt aber nicht durch. Ein Kopfballaufsetzer von Alexanko stellt Schumacher nicht vor unlösbare Probleme. Kaltz tankt sich auf rechts durch und setzt eine seiner berühmten Bananenflanken ab, nur leider nicht auf Hrubesch, sondern auf Reinders - kein Kopfballungeheuer. In bester Position verfehlt er den Ball fast völlig, und Emig stöhnt: "Das hätte das 2:0 sein müssen." Auch Hrubesch stöhnt auf der Bank: "Mensch, den Ball hätte ich haben sollen."

Als sich Briegel nach 70 Minuten durchtankt, wird er gelegt. Die Unterbrechung nutzen einige Spieler, um zu trinken, doch der Linienrichter geht dazwischen. Trinkpausen sieht die FIFA nicht gern, auch nicht bei 30 Grad. Emig betätigt sich in der Schlussphase hauptsächlich als Zeitansager. "Noch 17 Minuten. Ist das aufregend, ist das spannend." Kaum gesagt, sorgt ein deutscher Bilderbuchangriff für etwas Entspannung. Libero Stielike eilt mit nach vorne und bindet einen Gegenspieler, Paul Breitner bekommt den Ball und bedient Littbarski, der sich auf seine unnachahmliche Art um seinen Gegenspieler windet und am herausstürzenden Arconada vorbei Klaus Fischer anspielt. Der steht allein vor dem fast leeren Tor, das nur noch von Libero Alexanko bewacht wird. Fischer überlegt noch eine Sekunde, dann schiebt er flach ein - 2:0! Endlich das erste WM-Tor des zweitbesten Bundesligatorjägers aller Zeiten.

"Oh wie ist das schön", klingt es von den Rängen, wo sich beim Gros der Zuschauer nun Ernüchterung breit macht. Keine Anfeuerung mehr, aber auch keine Pfiffe. Spanien unter Schock. Übermut macht sich bei den Deutschen breit: Reinders schießt aus jeder Lage, mal aus 25 Metern, mal aus 30 - weit vorbei. Aber es bringt Zeit. Neun Minuten vor Schluss flankt Sanchez ziemlich unbedrängt in den Strafraum über Stielikes Kopf hinweg genau auf den von Zamora. "Der ist drin", ruft Derwall, als der Ball noch gar nicht bei Zamora ist. Der Spielmacher trifft unhaltbar zum 1:2 in den Winkel, und das Stadion erwacht noch einmal. Derwall wird eingestehen: "Da stürzte eine Welt ein." Der schöne Vorsprung halbiert und keineswegs mehr sicher. "Jetzt schwimmt die deutsche Mannschaft", unkt Emig.

Aber sie geht nicht mehr baden in der Sommernacht von Bernabeu, die hitzig endet. Binnen einer Minute gibt Casarin drei Gelbe Karten, eine für Briegel. Derwall will Zeit schinden und Felix Magath einwechseln, doch der Schiedsrichter lässt ihn nicht mehr rein. Er pfeift pünktlich ab. Die Deutschen reißen die Arme hoch, die Spanier lassen die Köpfe hängen. Der Gastgeber ist raus aus dem Titelrennen, muss aber noch ein Spiel machen, das darüber entscheiden wird, wer ins Halbfinale kommt. Deutschland oder England?

In den Katakomben verspricht Spaniens Ersatzkeeper Miguel Angel von Real Madrid seinem Ex-Teamkollegen Paul Breitner: "Wir können am Montag gar nicht verlieren, weil wir nicht verlieren dürfen. Die Menschen würden uns erschlagen. Wir wären unseres Lebens nicht mehr sicher." Wenig Hoffnung macht dagegen Udo Lattek, Trainer des FC Barcelona und Co-Kommentator der ARD: "So leid es mir tut, ich gehe davon aus, dass unsere Mannschaft ausgeschieden ist. Ich kenne die Mentalität der Spanier. Sie gehen zwar nicht ins Feld, um absichtlich zu verlieren. Aber wenn England ein Tor schießt, heißt es einfach 'Mala Suerte - wir haben ja kein Glück', und die Sache ist gelaufen." So und so ähnlich wird an deutschen Stammtischen, Urlauberstränden und natürlich im Teamquartier diskutiert. Drei Tage des Bangens beginnen.

Aufstellung: Schumacher – Bernd Förster, Stielike, Karlheinz Förster, Briegel – Dremmler, Kaltz, Breitner, Rummenigge (46. Reinders) – Fischer, Littbarski.

Tore: 1:0 Littbarski (50.), 2:0 Fischer (75.), 2:1 Zamora (81.).

Zuschauer: 90.089 in Madrid.

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"Die Verkrampfung ist nun gelöst"

Stimmen zum Spiel:

Bundestrainer Jupp Derwall: "Jeder einzelne der Spieler hat sich wieder auf seine Stärken besonnen, die er mitbringt. Die Verkrampfung ist nun gelöst."

Karl-Heinz Rummenigge: "Wir haben erstmals bei dieser WM wirklich gut gespielt. Vorausgesetzt, dass sich die Spanier gegen die Engländer nun auch richtig reinhängen, können wir mit dem Halbfinale rechnen."

José Santamaria (Spaniens Trainer): "Die Deutschen haben sich gegenüber den letzten WM-Spielen stark gesteigert und verdient gewonnen, weil meine Spieler den Gegentreffer nicht verkraften konnten."

Jose Antonio Camacho (Spanien): "Dies ist die traurigste Stunde in meiner Fußballkarriere. Wir haben heute unser bisher bestes Spiel gezeigt, aber wir waren schon während der ganzen WM vom Pech verfolgt."

"Endlich lieferte die deutsche Nationalelf in diesem WM-Turnier einmal ein großes Spiel (...) Gegen Spanien spielte unsere Nationalelf so groß auf, wie wir sie aus ihren allerbesten Zeiten in Erinnerung haben." (Kicker)

"Eine große Steigerung des DFB-Teams. Note eins für Stielike und die Abwehr!" (Süddeutsche Zeitung)

"Das Wunder hat nicht stattgefunden, selbst als in den letzten Augenblicken ein Unentschieden möglich schien. Spanien ist ausgeschieden, und zwar zu Recht. Erneut weinen wir an der Klagemauer." (El Pais/Madrid)

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