Vor 60 Jahren: Das erste Livespiel im deutschen Fernsehen

Probelauf schon drei Monate vorher

„Sogar die Zigarettenwölkchen über den Zuschauerrängen wurden auf die Bildfläche der Fernsehapparate übertragen“, schrieb die Berliner „Fußballwoche“ belustigt. „Drei Kameras verfolgten den Spielverlauf. Eine für jedes Tor und eine für das Mittelfeld. Im Übertragungswagen schaltete die Regie dann immer auf jene Kamera, die dem Ball am nächsten war. Wahrscheinlich war dies auch am 26. Dezember 1952 der Fall“, schreibt Hilgert. Da der Probelauf nur wenigen Auserwählten vergönnt war und es noch keinen Sendebetrieb gab, ändert das nichts an der Tatsache, dass das erste Live-Spiel für die Öffentlichkeit drei Monate später am Hamburger Millerntor stattgefunden hat.

Es war freilich noch eine äußerst kleine Öffentlichkeit; bei einer Zählung am 1. Juli 1953 besaßen erst 2.753 Haushalte in der BRD Fernsehgeräte. So ist anzunehmen, dass an Weihnachten 1952 mehr Zuschauer im Stadion (4.000) waren als vor den Fernsehgeräten. Schließlich spielten ja nicht gerade die populärsten Klubs des Landes. Immerhin brachte die erste Übertragung eine kleine Sensation: Hamborn 07 gewann beim höherklassigen Gegner mit 4:3 und das „Hamburger Abendblatt“ klagte: „St. Pauli nur noch ein Schatten“. Die Übertragung wurde im Spielbericht mit keinem Wort erwähnt, dafür gab es andere Zeitungen.

Lob für die erste Übertragung

„Wir können diese Sendung nur als gut gelungen bezeichnen“, lobte das neue Fachblatt „Fernsehen“. Die beiden Reporter der ersten Stunde, Paul Reymann und Dr. Harry Storz, hätten „kein Wort zu viel gesagt“. „Das ist für geschulte Radio-Reporter im noch ungewohnten Medium TV tatsächlich erwähnenswert“, findet Hilgert. Die „Bonner Rundschau“ schrieb: „Obgleich trübes Wetter herrschte, war der Empfang im Norden gut und der Spielverlauf ausgezeichnet zu erkennen. Nimmt das Fernsehen die Entwicklung, die man erhofft, wird man bald auch einen großen Boxkampf aus der Dortmunder Westfalenhalle im ganzen norddeutschen Raum miterleben können.“

Das neue Medium stellte auch den DFB vor neue Aufgaben und Probleme. Das Zitat von St. Pauli-Präsident Wilhelm Koch, das sogar in wissenschaftlichen Publikationen kolportiert wird, ist bezeichnend für die Unsicherheit, die das Fernsehen bei den Fußballern trotz aller Begeisterung und Neugier auslöste. Koch soll auf Anfrage des NWDR 1952 nach den Übertragungsrechten gesagt haben: „Mehr als 3.000 Mark können wir nicht zahlen.“ Letztlich floss an diesem Tag gar kein Geld, der Sender bekam die Rechte, für die es ja noch keine Normen gab, gratis.

Nach der WM '54 war der Fernsehfußball nicht mehr aufzuhalten

Im August 1953 legte der DFB dann im Interesse seiner Vereine Tarife für die Übertragungsrechte fest. 1.000 Mark durften für Punktspiele verlangt werden, 1.500 für Endrundenspiele, 2.000 für Repräsentativspiele (zum Beispiel Städtekämpfe), er selbst verlangte für Länderspiele 2.500 DM. Und spätestens nach dem auch vom TV transportierten „Wunder von Bern“ bei der WM 1954 war der Fernsehfußball nicht mehr aufzuhalten.



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Fußball an Weihnachten? Das ist heute kaum zu glauben. Bei aller Begeisterung für den Volkssport Nummer eins, nimmt er sich doch wenigstens in dieser besinnlichen Zeit eine kurze Atempause. Das war nicht immer so, der in England traditionelle Fußball-Betrieb am „Boxing Day“, dem 26. Dezember, fand vor Bundesliga-Gründung auch in Deutschland Anhänger und Nachahmer.

Dennoch war das Spiel, das am zweiten Weihnachtsfeiertag 1952 am Hamburger Millerntor stattfand, etwas ganz Besonderes. Der heimische FC St. Pauli aus der Oberliga Nord und der zweitklassige Sportverein Hamborn 07, ein Stadtteil-Klub Duisburgs, schrieben an diesem Tag Mediengeschichte. Denn das ursprünglich für den 19. November 1952 terminierte Wiederholungsspiel (Hinspiel 1:1) im erstmals seit Kriegsende ausgetragenen DFB-Pokal wurde auserwählt, das noch völlig unbekannte Medium Fernsehen in Deutschland populär zu machen.

Ausnahme fürs erste Spiel

Erst am Vortag wurde in der Bundesrepublik Deutschland der regelmäßige Sendebetrieb eingeführt. Es gab nur einen Sender, den NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk), das Programm lief in den Abendstunden – von 20 bis 22 Uhr. Für das Spiel wurde aber gleich eine Ausnahme gemacht, in Zeiten fehlender Flutlichtanlagen wurde nachmittags gespielt.

Warum nun aber ausgerechnet dieses Spiel? Der NWDR hatte drei Sendeanstalten: in Berlin, Köln und Hamburg. Das Hamburger Studio residierte direkt neben dem Millerntor-Stadion in einem Bunker, der im Krieg errichtet worden war und als Flak-Turm diente. 1950 sendete der NWDR von hier aus sein erstes Testbild, im September 1952 wurde ein 36 Meter hoher Sendemast installiert, um Übertragungen zu ermöglichen.

Technische und organisatorische Herausforderung

Aber längst nicht alles konnte mit der vielfach noch unzulänglichen, wenig ausgereiften und sehr störungsanfälligen Fernsehtechnik auch umgesetzt werden. „Eine besondere technische wie organisatorische Herausforderung stellten dabei Außenübertragungen dar. Sie erforderten ausführliche Vorbereitungen und ein nicht unerhebliches Maß an Improvisation. Wie schon im Hörfunk unmittelbar nach dem Krieg, erwies sich auch beim frühen NWDR-Fernsehen die räumliche Nähe zwischen Sportstätten und Rundfunk-Produktionsstätten als Vorteil“, schreibt der Gießener Medien-Wissenschaftler Christoph Hilgert 2005 im Buch „Die Geschichte des NWDR“.

Die räumliche Nähe bot sich also an. Zuschauer im Kölner Raum hätten übrigens ein anderes Spiel sehen sollen, eigentlich war eine doppelte Premiere geplant. Aber das Testspiel zwischen dem 1. FC Köln und Roter Stern Belgrad fiel den Witterungsbedingungen zum Opfer. So also gingen die 90 Minuten von St. Pauli, die nur im Hamburger und Berliner Senderaum zu sehen waren, als Fußball-TV-Premiere in die Geschichte ein. Freilich mit einer kleinen Einschränkung: Der NWDR ging nicht unvorbereitet auf Sendung und machte am 23. August 1952 bereits einen Probelauf. Das Punktspiel Hamburger SV gegen Altona 93 wurde ebenfalls in voller Länge übertragen.

Probelauf schon drei Monate vorher

„Sogar die Zigarettenwölkchen über den Zuschauerrängen wurden auf die Bildfläche der Fernsehapparate übertragen“, schrieb die Berliner „Fußballwoche“ belustigt. „Drei Kameras verfolgten den Spielverlauf. Eine für jedes Tor und eine für das Mittelfeld. Im Übertragungswagen schaltete die Regie dann immer auf jene Kamera, die dem Ball am nächsten war. Wahrscheinlich war dies auch am 26. Dezember 1952 der Fall“, schreibt Hilgert. Da der Probelauf nur wenigen Auserwählten vergönnt war und es noch keinen Sendebetrieb gab, ändert das nichts an der Tatsache, dass das erste Live-Spiel für die Öffentlichkeit drei Monate später am Hamburger Millerntor stattgefunden hat.

Es war freilich noch eine äußerst kleine Öffentlichkeit; bei einer Zählung am 1. Juli 1953 besaßen erst 2.753 Haushalte in der BRD Fernsehgeräte. So ist anzunehmen, dass an Weihnachten 1952 mehr Zuschauer im Stadion (4.000) waren als vor den Fernsehgeräten. Schließlich spielten ja nicht gerade die populärsten Klubs des Landes. Immerhin brachte die erste Übertragung eine kleine Sensation: Hamborn 07 gewann beim höherklassigen Gegner mit 4:3 und das „Hamburger Abendblatt“ klagte: „St. Pauli nur noch ein Schatten“. Die Übertragung wurde im Spielbericht mit keinem Wort erwähnt, dafür gab es andere Zeitungen.

[bild2] Lob für die erste Übertragung

„Wir können diese Sendung nur als gut gelungen bezeichnen“, lobte das neue Fachblatt „Fernsehen“. Die beiden Reporter der ersten Stunde, Paul Reymann und Dr. Harry Storz, hätten „kein Wort zu viel gesagt“. „Das ist für geschulte Radio-Reporter im noch ungewohnten Medium TV tatsächlich erwähnenswert“, findet Hilgert. Die „Bonner Rundschau“ schrieb: „Obgleich trübes Wetter herrschte, war der Empfang im Norden gut und der Spielverlauf ausgezeichnet zu erkennen. Nimmt das Fernsehen die Entwicklung, die man erhofft, wird man bald auch einen großen Boxkampf aus der Dortmunder Westfalenhalle im ganzen norddeutschen Raum miterleben können.“

Das neue Medium stellte auch den DFB vor neue Aufgaben und Probleme. Das Zitat von St. Pauli-Präsident Wilhelm Koch, das sogar in wissenschaftlichen Publikationen kolportiert wird, ist bezeichnend für die Unsicherheit, die das Fernsehen bei den Fußballern trotz aller Begeisterung und Neugier auslöste. Koch soll auf Anfrage des NWDR 1952 nach den Übertragungsrechten gesagt haben: „Mehr als 3.000 Mark können wir nicht zahlen.“ Letztlich floss an diesem Tag gar kein Geld, der Sender bekam die Rechte, für die es ja noch keine Normen gab, gratis.

Nach der WM '54 war der Fernsehfußball nicht mehr aufzuhalten

Im August 1953 legte der DFB dann im Interesse seiner Vereine Tarife für die Übertragungsrechte fest. 1.000 Mark durften für Punktspiele verlangt werden, 1.500 für Endrundenspiele, 2.000 für Repräsentativspiele (zum Beispiel Städtekämpfe), er selbst verlangte für Länderspiele 2.500 DM. Und spätestens nach dem auch vom TV transportierten „Wunder von Bern“ bei der WM 1954 war der Fernsehfußball nicht mehr aufzuhalten.

Übrigens erlebte das Spiel am 15. Januar 1997 eine Neuaufl age. Der WDR übertrug die selbstinszenierte Partie mit Moderator Friedrich Küppersbusch erneut in voller Länge – im Gedenken an die Pioniere, die damals sicherlich nicht die mindeste Ahnung davon hatten, wie viele Spiele eines Tages über die Mattscheibe flimmern würden.