Husarenritt, Flutlicht, Elferdrama: Trier marschiert im DFB-Pokal

In unregelmäßiger Reihenfolge erinnert DFB.de an große Ereignisse im deutschen Fußball, an Meilensteine und Zäsuren, an große und kleine Helden und auch an tragische Momente. Heute: Eintracht Trier vor der großen DFB-Pokal-Sensation in der Saison 1997/1998.

Ganz zum Schluss mussten sogar die Torhüter ran. "Fragen Sie mich nicht, wie es weitergeht, wenn Ischdonat auch noch verwandelt“, sagte ZDF-Reporter Rolf Töpperwien vor dem 22. Elfmeter des Abends fast schon verzweifelt. Doch Daniel Ischdonat verschoss, einen halben Meter flach am linken Pfosten des Duisburger Tors vorbei. Und vorbei war damit auch der Traum von Regionalligist Eintracht Trier, nach Berlin zu fahren.

Husarenritt bis ins Halbfinale

Heute vor 20 Jahren endete einer der sensationellsten Husarenritte eines Amateurklubs im DFB-Pokal. Die Trierer, 1997/1998 Teilnehmer an der damals drittklassigen Regionalliga West/Südwest, wurden zum Schrecken des Establishments. Schon mancher Amateurklub ist bis ins Halbfinale kommen, zwei sogar bis ins Finale, und kann von sich sagen, mehrere Bundesligisten aus dem Rennen geworfen zu haben. Aber keiner schlug je zwei amtierende Europapokalsieger. Bis die Trierer kamen, die in Runde eins schon überraschend Zweitligist SpVgg Unterhaching eliminierten (2:1).

Dann kam das erste große Los: UEFA-Pokal-Sieger Schalke 04 musste ins Mosel-Stadion, nicht in bester Form und Aufstellung – aber es hätte doch reichen müssen für die Mannschaft von Huub Stevens, die alle nur die "Eurofighter" nannten. Es reichte nicht, Eintracht gewann 1:0 und Schalkes Rotsünder Johan de Kock trat ein Loch in die Gästekabinentür.

Trier schaltet auch den BVB aus

Ganz Fußball-Deutschland lachte über Schalkes Missgeschick, besonders laut lachten die Lieblingsfeinde aus Dortmund. Dann musste der BVB, amtierender Champions-League-Sieger und Weltpokalsieger, nach Trier - und schon verging ihm das Lachen. Es kam, wie es niemals hätte kommen dürfen: 2:1 für die Eintracht, deren Spieler plötzlich bundesweit bekannt wurden. Vor allem den Torschützen in beiden Spielen kannten nun alle: Rudi Thömmes, der sich über "Stress pur" ob der vielen Medientermine, nicht ganz ernst, beklagte.

Thömmes schoss im Viertelfinale, als es mal ein "leichtes Los" gab, auch Waldhof Mannheim (1:0) raus. Und plötzlich waren die Moselstädter im Halbfinale und hatten ein großes Problem. Halbfinalspiele wurden live im Öffentlich-Rechtlichen übertragen und dazu bedurfte es – an einem Februarabend – einer gescheiten Flutlichtanlage. Hatten die Trierer nicht, sie hatten gar keine. Eine Verlegung nach Saarbrücken oder Kaiserslautern drohte, das weckte den Ehrgeiz der ganzen Stadt. Hatte die Eintracht nicht schon 2,2 Millionen DM verdient mit dem Pokal? Quasi über Nacht wurde mit städtischer Hilfe eine Anlage aus dem Boden gestampft (Kosten: 1,4 Millionen DM), Erbauer aber war sozusagen der Pokal.

"Wir wollen nach Berlin"

Rechtzeitig zum Halbfinale gegen Bundesligist MSV Duisburg am 18. Februar 1998 war sie fertig. Die Generalprobe war am 12. Februar beim Training, zu dem 1500 Neugierige erschienen. In den folgenden Tagen fielen rund 250 Journalisten in Trier ein, es herrschte Großkampfstimmung. Das Fernsehen übertrug erstmals in 93 Jahren Vereinsgeschichte ein Eintracht-Spiel live. Die von Friedhelm Funkel trainierten Duisburger nahmen das Spiel äußerst ernst – es gab ja allen Grund dazu – und wollten Torjäger Bachirou Salou aus Burkina Faso, wo er am Afrika-Cup teilnahm, einfliegen lassen. Das aber klappte nicht. Thömmes erzählte den ihn weiterhin stressenden Medien: "Wir wollen alle nach Berlin. Wir werden uns nicht verstecken, aber wir haben nichts zu verlieren."

Zu den ungelösten Rätseln der Pokalgeschichte gehört die Frage, warum die Partie, auf die ganz Deutschland schaute, nicht ausverkauft war. 1500 der 20.000 Karten blieben an den Kassen. War das Fernsehen schuld?

Wer immer wo auch immer zusah, der wird es nicht vergessen. Das bedeutendste Spiel der Trierer Vereinsgeschichte wurde ein Drama, das einem nur der Pokal schenken kann. Vor der Pause fielen keine Tore, beide belauerten sich. Dann glückte Michael Zeyer mit einer artistischen Verrenkung das 0:1 aus fünf Metern, Ischdonat bekam noch die Finger dran, aber…(51.).

Drama im Elfmeterschießen

Es schien, als könne der Bundesligist das über die Zeit schaukeln. Doch die feldüberlegene Eintracht, angetrieben von 18.000 Zuschauern, gab nicht auf. Nach einer Ecke von Muchka hielt Mittelfeldmann Dirk Fengler seinen rechten Fuß hin und der Ball hoppelte ins MSV-Tor (89.). In der Verlängerung fielen keine Tore mehr, es ging also zum Kreidepunkt. Ausgerechnet Fengler verschoss gleich den ersten Trierer Elfmeter (Latte), sodass der MSV beim Stand von 4:3 einen "Matchball" hatte. Doch Torsten Wohlert scheiterte an Daniel Ischdonat. Milosevic glich aus, auch das Elfmeterschießen musste in die Verlängerung.

Alle weiteren Feldspieler trafen, auch Thömmes, der das 8:8 markierte. Nach dem 9:9 mussten die Torhüter ran. Duisburgs Thomas Gill schoss zentral, wieder hatte Ischdonat die Finger dran, aber der Ball war drin. Und dann versagten dem Eintracht-Keeper die Nerven. Beifall prasselte nach dem ersten Schock von den Rängen. "Dieses Spiel hat keinen Verlierer verdient", fand Rolf Töpperwien. Eintracht-Trainer Karl-Heinz Emig, der 1988 den entscheidenden Elfmeter in der Bundesliga-Relegation mit Darmstadt gegen Waldhof Mannheim verschossen hatte, wusste wie seine Spieler nun empfanden. Er sagte gefasst: "Die Mannschaft hat Großartiges erreicht. Doch wer im Halbfinale steht, will nach Berlin." Zumal auch der Final-Verlierer in den UEFA-Pokal kam, weil Sieger Bayern lieber in der Champions League spielen wollte.

Die Trierer hätten auch dieses Märchen gern geschrieben, die nötige Festbeleuchtung hatten sie ja nun. Aber in der Folge ging es bergab. Immerhin das Flutlicht erinnert die Fans des heute in der Oberliga Rheinland-Pfalz spielenden Klubs stets an die buchstäblich strahlenden Tage - vor 20 Jahren, als die Eintracht fast nach Berlin gekommen wäre.

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In unregelmäßiger Reihenfolge erinnert DFB.de an große Ereignisse im deutschen Fußball, an Meilensteine und Zäsuren, an große und kleine Helden und auch an tragische Momente. Heute: Eintracht Trier vor der großen DFB-Pokal-Sensation in der Saison 1997/1998.

Ganz zum Schluss mussten sogar die Torhüter ran. "Fragen Sie mich nicht, wie es weitergeht, wenn Ischdonat auch noch verwandelt“, sagte ZDF-Reporter Rolf Töpperwien vor dem 22. Elfmeter des Abends fast schon verzweifelt. Doch Daniel Ischdonat verschoss, einen halben Meter flach am linken Pfosten des Duisburger Tors vorbei. Und vorbei war damit auch der Traum von Regionalligist Eintracht Trier, nach Berlin zu fahren.

Husarenritt bis ins Halbfinale

Heute vor 20 Jahren endete einer der sensationellsten Husarenritte eines Amateurklubs im DFB-Pokal. Die Trierer, 1997/1998 Teilnehmer an der damals drittklassigen Regionalliga West/Südwest, wurden zum Schrecken des Establishments. Schon mancher Amateurklub ist bis ins Halbfinale kommen, zwei sogar bis ins Finale, und kann von sich sagen, mehrere Bundesligisten aus dem Rennen geworfen zu haben. Aber keiner schlug je zwei amtierende Europapokalsieger. Bis die Trierer kamen, die in Runde eins schon überraschend Zweitligist SpVgg Unterhaching eliminierten (2:1).

Dann kam das erste große Los: UEFA-Pokal-Sieger Schalke 04 musste ins Mosel-Stadion, nicht in bester Form und Aufstellung – aber es hätte doch reichen müssen für die Mannschaft von Huub Stevens, die alle nur die "Eurofighter" nannten. Es reichte nicht, Eintracht gewann 1:0 und Schalkes Rotsünder Johan de Kock trat ein Loch in die Gästekabinentür.

Trier schaltet auch den BVB aus

Ganz Fußball-Deutschland lachte über Schalkes Missgeschick, besonders laut lachten die Lieblingsfeinde aus Dortmund. Dann musste der BVB, amtierender Champions-League-Sieger und Weltpokalsieger, nach Trier - und schon verging ihm das Lachen. Es kam, wie es niemals hätte kommen dürfen: 2:1 für die Eintracht, deren Spieler plötzlich bundesweit bekannt wurden. Vor allem den Torschützen in beiden Spielen kannten nun alle: Rudi Thömmes, der sich über "Stress pur" ob der vielen Medientermine, nicht ganz ernst, beklagte.

Thömmes schoss im Viertelfinale, als es mal ein "leichtes Los" gab, auch Waldhof Mannheim (1:0) raus. Und plötzlich waren die Moselstädter im Halbfinale und hatten ein großes Problem. Halbfinalspiele wurden live im Öffentlich-Rechtlichen übertragen und dazu bedurfte es – an einem Februarabend – einer gescheiten Flutlichtanlage. Hatten die Trierer nicht, sie hatten gar keine. Eine Verlegung nach Saarbrücken oder Kaiserslautern drohte, das weckte den Ehrgeiz der ganzen Stadt. Hatte die Eintracht nicht schon 2,2 Millionen DM verdient mit dem Pokal? Quasi über Nacht wurde mit städtischer Hilfe eine Anlage aus dem Boden gestampft (Kosten: 1,4 Millionen DM), Erbauer aber war sozusagen der Pokal.

"Wir wollen nach Berlin"

Rechtzeitig zum Halbfinale gegen Bundesligist MSV Duisburg am 18. Februar 1998 war sie fertig. Die Generalprobe war am 12. Februar beim Training, zu dem 1500 Neugierige erschienen. In den folgenden Tagen fielen rund 250 Journalisten in Trier ein, es herrschte Großkampfstimmung. Das Fernsehen übertrug erstmals in 93 Jahren Vereinsgeschichte ein Eintracht-Spiel live. Die von Friedhelm Funkel trainierten Duisburger nahmen das Spiel äußerst ernst – es gab ja allen Grund dazu – und wollten Torjäger Bachirou Salou aus Burkina Faso, wo er am Afrika-Cup teilnahm, einfliegen lassen. Das aber klappte nicht. Thömmes erzählte den ihn weiterhin stressenden Medien: "Wir wollen alle nach Berlin. Wir werden uns nicht verstecken, aber wir haben nichts zu verlieren."

Zu den ungelösten Rätseln der Pokalgeschichte gehört die Frage, warum die Partie, auf die ganz Deutschland schaute, nicht ausverkauft war. 1500 der 20.000 Karten blieben an den Kassen. War das Fernsehen schuld?

Wer immer wo auch immer zusah, der wird es nicht vergessen. Das bedeutendste Spiel der Trierer Vereinsgeschichte wurde ein Drama, das einem nur der Pokal schenken kann. Vor der Pause fielen keine Tore, beide belauerten sich. Dann glückte Michael Zeyer mit einer artistischen Verrenkung das 0:1 aus fünf Metern, Ischdonat bekam noch die Finger dran, aber…(51.).

Drama im Elfmeterschießen

Es schien, als könne der Bundesligist das über die Zeit schaukeln. Doch die feldüberlegene Eintracht, angetrieben von 18.000 Zuschauern, gab nicht auf. Nach einer Ecke von Muchka hielt Mittelfeldmann Dirk Fengler seinen rechten Fuß hin und der Ball hoppelte ins MSV-Tor (89.). In der Verlängerung fielen keine Tore mehr, es ging also zum Kreidepunkt. Ausgerechnet Fengler verschoss gleich den ersten Trierer Elfmeter (Latte), sodass der MSV beim Stand von 4:3 einen "Matchball" hatte. Doch Torsten Wohlert scheiterte an Daniel Ischdonat. Milosevic glich aus, auch das Elfmeterschießen musste in die Verlängerung.

Alle weiteren Feldspieler trafen, auch Thömmes, der das 8:8 markierte. Nach dem 9:9 mussten die Torhüter ran. Duisburgs Thomas Gill schoss zentral, wieder hatte Ischdonat die Finger dran, aber der Ball war drin. Und dann versagten dem Eintracht-Keeper die Nerven. Beifall prasselte nach dem ersten Schock von den Rängen. "Dieses Spiel hat keinen Verlierer verdient", fand Rolf Töpperwien. Eintracht-Trainer Karl-Heinz Emig, der 1988 den entscheidenden Elfmeter in der Bundesliga-Relegation mit Darmstadt gegen Waldhof Mannheim verschossen hatte, wusste wie seine Spieler nun empfanden. Er sagte gefasst: "Die Mannschaft hat Großartiges erreicht. Doch wer im Halbfinale steht, will nach Berlin." Zumal auch der Final-Verlierer in den UEFA-Pokal kam, weil Sieger Bayern lieber in der Champions League spielen wollte.

Die Trierer hätten auch dieses Märchen gern geschrieben, die nötige Festbeleuchtung hatten sie ja nun. Aber in der Folge ging es bergab. Immerhin das Flutlicht erinnert die Fans des heute in der Oberliga Rheinland-Pfalz spielenden Klubs stets an die buchstäblich strahlenden Tage - vor 20 Jahren, als die Eintracht fast nach Berlin gekommen wäre.

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