Das "Tor des Monats" ist 50: Ein Rückblick

Das Tor des Monats ist 50 Jahre geworden und doch ewig jung, attraktiv und begehrt. Seit dem kuriosen Steckschuss des Regensburgers Gerhard Faltermeier am 28. März 1971, als sich der Ball hinter der Torstange im Winkel verklemmte, wurden in der ARD-Sportschau schon 557 besondere Tore gekürt.

Der FC Bayern München, der so ziemlich alle Fußballranglisten des Landes anführt, liegt auch hier ganz vorne und holte sich gleich 62 Mal die begehrte Plakette ab. Aber schon auf Platz zwei folgt die deutsche Nationalmannschaft: 53 Tore, die die Nation erfreuten, begeisterten oder einfach nur erlösten. Freude darüber etwa, dass Lukas Podolski ausgerechnet in seinem Abschiedsspiel im März 2017 zum 1:0-Sieg gegen die Engländer traf, oder dass Verteidiger Berti Vogts 1976 gegen Malta endlich sein erstes (und einziges) Länderspieltor gelang. Schier ungläubige Begeisterung über Klaus Fischers legendären Fallrückzieher im November 1977 gegen die Schweiz, der weitere Auszeichnungen bis zum Tor des Vierteljahrhunderts nach sich zog, weil man so etwas noch nie gesehen hatte. Fischer sagt: "Ich habe das nie trainiert. Es gibt Dinge, die kannst du nicht lernen, da bin ich mir mit Uwe Seeler einig. Der Fallrückzieher gehört dazu und Uwes berühmtes Hinterkopf-Tor gegen England bei der WM 1970 auch. Es muss halt vieles passen: Die Flanke muss kommen und du musst den Mut dazu haben."

Bierhoff: "Hat sicherlich schönere Tore des Monats gegeben"

Kollektive Erlösung natürlich, wenn die Tore dem Land wichtige, große Siege sicherten. Wie Thomas Häßlers Volleytreffer im November 1989 gegen Wales, der die WM-Fahrkarte nach Italien löste. Bei Mario Götzes artistischem Siegtor im Maracana, der Deutschland vor sieben Jahren den WM-Titel sicherte, kamen alle Faktoren zusammen. Seine Wahl war quasi alternativlos. Über das Golden Goal von Oliver Bierhoff im EM-Finale 1996 hingegen, ein abgefälschter und haltbarer Schuss auf den Torwart, sagt der Gewinner selbst: "Es hat sicherlich schönere Tore des Monats gegeben."

Aber wenn ein Tor golden glänzt, ist die Chance auf die Goldmedaille der ARD eben um einiges größer. Das andere Golden Goal der DFB-Geschichte, der Kopfball von Nia Künzer im Oktober 2003 im WM-Finale der Frauen gegen Schweden, wurde schließlich auch ein Tor des Monats und hat ihr Leben "ganz schön auf den Kopf gestellt". So sagte sie es in der ARD-Doku zum Jubiläum der "Treffer der Herzen", wie die Welt am Sonntag die Auswahl im vielleicht beliebtesten Wettbewerb im deutschen Fernsehen bezeichnete. A-Nationalspieler also trafen 53 Mal, einen König der Traumtore im DFB-Dress gibt es nicht.

Die "Regentschaft" teilt sich ein Quartett: Klaus Fischer natürlich, der im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich einen weiteren Fallrückzieher mit Erfolg aufführte. Rudi Völler, Michael Ballack und Lukas Podolski trafen je dreimal ganz besonders. Der große Gerd Müller (zweimal) muss da zurückstehen, darf aber anführen, dass er in der ersten Hälfte seiner Karriere gar keine Chance auf eine Auszeichnung hatte. Außerdem war er der erste Sieger im DFB-Dress: Im EM-Halbfinale 1972 köpfte er ein Netzer-Zuspiel in den belgischen Kasten, von der Strafraumgrenze. Günter Netzer und Müller, das klappte im gleichen Jahr noch mal im November gegen die Schweiz und diesmal war es ein derartig harmonisches Zusammenspiel, dass Schütze Netzer und Vorlagengeber Müller per Hacke gemeinsam ausgezeichnet wurden. Ein Kuriosum, das sich 30 Jahre später wiederholte.

Weil der Treffer von Marco Bode bei der WM 2002 gegen Kamerun, auch ein erlösender, ohne Miroslav Kloses fulminantes Dribbling nicht möglich gewesen wäre, wurde die Medaille noch einmal geteilt.

Zehn WM-Tore wurden ausgezeichnet

Es war eines von zehn WM-Toren, das ausgezeichnet wurde, drei avancierten auch zum Tor des Jahres. Zwischen Fischer (1982) und Götze (2014) lag der Sololauf von Lothar Matthäus 1990 in Mailand gegen Jugoslawien. Ein WM-Tor übrigens war dabei, das gegen Deutschland fiel und wohl auch Ausdruck der allgemeinen Enttäuschung war. Im Juni 1978 kürten die Zuschauer den Österreicher Hans Krankl, der neben seinem Solo zum 3:2-Sieg noch ein zugegeben schönes Volleytor gegen Sepp Maier erzielte – am denkwürdigen Tag von Cordoba.

EM-Tore brachten sechs Sieger hervor, gleich drei aus der Kategorie "Erlösung": Häßlers später Ausgleich gegen die GUS 1992, Bierhoffs Golden Goal 1996 und Ballacks Freistoßhammer gegen Österreich 2008, der das Löw-Team ins Viertelfinale brachte.

Die DFB-Frauen holten sich neun Medaillen ab, fast alle bei großen Turnieren. Neben Künzer wurde auch Renate Lingor für ein Kopfballtor im WM-Finale belohnt, sie traf 2007 gegen Brasilien. Die erste Siegerin in einem Frauenländerspiel war Ursula Lohn, die 1989 im EM-Finale gegen Norwegen (4:1) zum ersten EM-Triumph beitrug. Manche Tore waren aber einfach zu schön, um sie zu ignorieren, bloß weil es um "nichts" ging. Leonie Maiers Schlenzer im Juni 2013 im Test gegen Japan ist so eines, mit ihren 20 Jahren ist die Bayern-Spielerin die jüngste Frau mit Goldmedaille.

45 Tore aus dem DFB-Pokal wurden gekürt, darunter das immer noch legendärste in einem Finale: Günter Netzers Wutschuss mit dem falschen Fuß am Tag seiner Selbsteinwechslung – 1973 in Düsseldorf.

79-jähriger Meyer sogar Torschütze des Jahres

Je mehr Video- und TV-Aufzeichnungen es von Spielen der unteren Klassen gab, desto öfter schafften es auch Amateure in die Auswahl. Einen besonderen Coup landeten die Kicker der SpVgg. Fechenheim, die trotz schier übermächtiger Konkurrenz im EM-Sommer 1980 mit ihrer Kopfballstafette über drei Stationen die Wahl gewannen. Der, auch dank wackeliger Privataufnahmen, niedrigstklassige Schütze aller Zeiten heißt Klaus Mehler, damals ein A-Klassenspieler. Auch Kurt Meyer war nie Profi, aber vieles deutet auf ein professionelles Leben hin, stach er doch mit seinen 79 Jahren noch alle aus, die mit Fußball ihr Geld verdienen. Für BW Post Recklinghausen immer noch im Altherren-Team am Ball, glückte ihm ein Traumschlenzer. Mit einer Prise Sympathiebonus für den rüstigen Senior und weil die Liga gerade in der Winterpause war, kam er noch zu späten Ehren, es wurde gar Tor des Jahres.

Besonders früh war dagegen Michael Freudsperger aus dem bayerischen Feichten dran. Der 16-Jährige, der an einem Down-Syndrom leidet, durfte im März 2015 in der Allianz Arena einen Elfmeter gegen Sven Ulreich schießen und ließ dem Neuer-Vertreter keine Chance. Sein Lohn: Beifall und Sprechchöre von den Rängen, die ARD-Medaille und das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Noch heute zehrt er davon. Grund genug zu hoffen, dass das Tor des Monats noch viele Jubiläen wird feiern können. Ehrt es doch auch manche, deren Tore nicht nur über Sieg und Niederlage entscheiden.

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Das Tor des Monats ist 50 Jahre geworden und doch ewig jung, attraktiv und begehrt. Seit dem kuriosen Steckschuss des Regensburgers Gerhard Faltermeier am 28. März 1971, als sich der Ball hinter der Torstange im Winkel verklemmte, wurden in der ARD-Sportschau schon 557 besondere Tore gekürt.

Der FC Bayern München, der so ziemlich alle Fußballranglisten des Landes anführt, liegt auch hier ganz vorne und holte sich gleich 62 Mal die begehrte Plakette ab. Aber schon auf Platz zwei folgt die deutsche Nationalmannschaft: 53 Tore, die die Nation erfreuten, begeisterten oder einfach nur erlösten. Freude darüber etwa, dass Lukas Podolski ausgerechnet in seinem Abschiedsspiel im März 2017 zum 1:0-Sieg gegen die Engländer traf, oder dass Verteidiger Berti Vogts 1976 gegen Malta endlich sein erstes (und einziges) Länderspieltor gelang. Schier ungläubige Begeisterung über Klaus Fischers legendären Fallrückzieher im November 1977 gegen die Schweiz, der weitere Auszeichnungen bis zum Tor des Vierteljahrhunderts nach sich zog, weil man so etwas noch nie gesehen hatte. Fischer sagt: "Ich habe das nie trainiert. Es gibt Dinge, die kannst du nicht lernen, da bin ich mir mit Uwe Seeler einig. Der Fallrückzieher gehört dazu und Uwes berühmtes Hinterkopf-Tor gegen England bei der WM 1970 auch. Es muss halt vieles passen: Die Flanke muss kommen und du musst den Mut dazu haben."

Bierhoff: "Hat sicherlich schönere Tore des Monats gegeben"

Kollektive Erlösung natürlich, wenn die Tore dem Land wichtige, große Siege sicherten. Wie Thomas Häßlers Volleytreffer im November 1989 gegen Wales, der die WM-Fahrkarte nach Italien löste. Bei Mario Götzes artistischem Siegtor im Maracana, der Deutschland vor sieben Jahren den WM-Titel sicherte, kamen alle Faktoren zusammen. Seine Wahl war quasi alternativlos. Über das Golden Goal von Oliver Bierhoff im EM-Finale 1996 hingegen, ein abgefälschter und haltbarer Schuss auf den Torwart, sagt der Gewinner selbst: "Es hat sicherlich schönere Tore des Monats gegeben."

Aber wenn ein Tor golden glänzt, ist die Chance auf die Goldmedaille der ARD eben um einiges größer. Das andere Golden Goal der DFB-Geschichte, der Kopfball von Nia Künzer im Oktober 2003 im WM-Finale der Frauen gegen Schweden, wurde schließlich auch ein Tor des Monats und hat ihr Leben "ganz schön auf den Kopf gestellt". So sagte sie es in der ARD-Doku zum Jubiläum der "Treffer der Herzen", wie die Welt am Sonntag die Auswahl im vielleicht beliebtesten Wettbewerb im deutschen Fernsehen bezeichnete. A-Nationalspieler also trafen 53 Mal, einen König der Traumtore im DFB-Dress gibt es nicht.

Die "Regentschaft" teilt sich ein Quartett: Klaus Fischer natürlich, der im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich einen weiteren Fallrückzieher mit Erfolg aufführte. Rudi Völler, Michael Ballack und Lukas Podolski trafen je dreimal ganz besonders. Der große Gerd Müller (zweimal) muss da zurückstehen, darf aber anführen, dass er in der ersten Hälfte seiner Karriere gar keine Chance auf eine Auszeichnung hatte. Außerdem war er der erste Sieger im DFB-Dress: Im EM-Halbfinale 1972 köpfte er ein Netzer-Zuspiel in den belgischen Kasten, von der Strafraumgrenze. Günter Netzer und Müller, das klappte im gleichen Jahr noch mal im November gegen die Schweiz und diesmal war es ein derartig harmonisches Zusammenspiel, dass Schütze Netzer und Vorlagengeber Müller per Hacke gemeinsam ausgezeichnet wurden. Ein Kuriosum, das sich 30 Jahre später wiederholte.

Weil der Treffer von Marco Bode bei der WM 2002 gegen Kamerun, auch ein erlösender, ohne Miroslav Kloses fulminantes Dribbling nicht möglich gewesen wäre, wurde die Medaille noch einmal geteilt.

Zehn WM-Tore wurden ausgezeichnet

Es war eines von zehn WM-Toren, das ausgezeichnet wurde, drei avancierten auch zum Tor des Jahres. Zwischen Fischer (1982) und Götze (2014) lag der Sololauf von Lothar Matthäus 1990 in Mailand gegen Jugoslawien. Ein WM-Tor übrigens war dabei, das gegen Deutschland fiel und wohl auch Ausdruck der allgemeinen Enttäuschung war. Im Juni 1978 kürten die Zuschauer den Österreicher Hans Krankl, der neben seinem Solo zum 3:2-Sieg noch ein zugegeben schönes Volleytor gegen Sepp Maier erzielte – am denkwürdigen Tag von Cordoba.

EM-Tore brachten sechs Sieger hervor, gleich drei aus der Kategorie "Erlösung": Häßlers später Ausgleich gegen die GUS 1992, Bierhoffs Golden Goal 1996 und Ballacks Freistoßhammer gegen Österreich 2008, der das Löw-Team ins Viertelfinale brachte.

Die DFB-Frauen holten sich neun Medaillen ab, fast alle bei großen Turnieren. Neben Künzer wurde auch Renate Lingor für ein Kopfballtor im WM-Finale belohnt, sie traf 2007 gegen Brasilien. Die erste Siegerin in einem Frauenländerspiel war Ursula Lohn, die 1989 im EM-Finale gegen Norwegen (4:1) zum ersten EM-Triumph beitrug. Manche Tore waren aber einfach zu schön, um sie zu ignorieren, bloß weil es um "nichts" ging. Leonie Maiers Schlenzer im Juni 2013 im Test gegen Japan ist so eines, mit ihren 20 Jahren ist die Bayern-Spielerin die jüngste Frau mit Goldmedaille.

45 Tore aus dem DFB-Pokal wurden gekürt, darunter das immer noch legendärste in einem Finale: Günter Netzers Wutschuss mit dem falschen Fuß am Tag seiner Selbsteinwechslung – 1973 in Düsseldorf.

79-jähriger Meyer sogar Torschütze des Jahres

Je mehr Video- und TV-Aufzeichnungen es von Spielen der unteren Klassen gab, desto öfter schafften es auch Amateure in die Auswahl. Einen besonderen Coup landeten die Kicker der SpVgg. Fechenheim, die trotz schier übermächtiger Konkurrenz im EM-Sommer 1980 mit ihrer Kopfballstafette über drei Stationen die Wahl gewannen. Der, auch dank wackeliger Privataufnahmen, niedrigstklassige Schütze aller Zeiten heißt Klaus Mehler, damals ein A-Klassenspieler. Auch Kurt Meyer war nie Profi, aber vieles deutet auf ein professionelles Leben hin, stach er doch mit seinen 79 Jahren noch alle aus, die mit Fußball ihr Geld verdienen. Für BW Post Recklinghausen immer noch im Altherren-Team am Ball, glückte ihm ein Traumschlenzer. Mit einer Prise Sympathiebonus für den rüstigen Senior und weil die Liga gerade in der Winterpause war, kam er noch zu späten Ehren, es wurde gar Tor des Jahres.

Besonders früh war dagegen Michael Freudsperger aus dem bayerischen Feichten dran. Der 16-Jährige, der an einem Down-Syndrom leidet, durfte im März 2015 in der Allianz Arena einen Elfmeter gegen Sven Ulreich schießen und ließ dem Neuer-Vertreter keine Chance. Sein Lohn: Beifall und Sprechchöre von den Rängen, die ARD-Medaille und das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Noch heute zehrt er davon. Grund genug zu hoffen, dass das Tor des Monats noch viele Jubiläen wird feiern können. Ehrt es doch auch manche, deren Tore nicht nur über Sieg und Niederlage entscheiden.

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