Pokalachtelfinale: Sensationen mit Ansage

Eintracht Trier – Borussia Dortmund 2:1 (28. Oktober 1997)

Der Champions-League-Sieger im Moselstadion; auch wer nicht an eine Sensation glaubt, will dieses Spiel sehen. Wann kommt schon mal Borussia Dortmund nach Trier? Die Eintracht lässt Zusatztribünen für 5000 Sitzplätze aufbauen und so säumen 17.900 Menschen an diesem Dienstagnachmittag (Anpfiff: 14 Uhr!) im Herbst 1997 das Spielfeld. Vereinsrekord. Zudem wird erstmals in der 92-jährigen Klub-Historie ein Trierer Spiel live übertragen, auf Südwest 3. Euphorie hier, Tristesse da. Der BVB steckt in einer veritablen Krise und hat erst am Wochenende die Abstiegsplätze verlassen. Unter dem neuen Trainer Nevio Scala läuft es noch nicht so richtig, aber das enthebt Borussia nicht von der Favoritenrolle.

Der Tabellenführer der Regionalliga Südwest hat keinen Freund, Kohler, Heinrich oder Herrlich. Weil der Ex-Frankfurter Ralf Falkenmayer ausfällt, ist der Ex-Nürnberger Dirk Fengler der Einzige mit Bundesliga-Erfahrung - abgesehen noch vom Trainer Karl-Heinz Emig (64 Spiele für den FCK und Hertha BSC). Kollege Scala beugt jeder Überheblichkeit vor und attestiert der Eintracht zumindest Zweitliga-Niveau und auch sonst hätten alle gewarnt sein müssen. In der Vorrunde hat Eintracht bereits Uefa-Cup-Sieger Schalke rausgeworfen, in der Gäste-Kabine ist das Loch noch zu sehen, dass aus der Wut über die Blamage entstanden ist.

Auch bei Borussia Dortmund reißt die Eintracht aus Trier an diesem Nachmittag tiefe Wunden. Pokal-Schreck Rudi Thömmes, der schon das entscheidende 1:0 gegen Schalke erzielt hat, schlägt wieder zu. Nach 37 Minuten führen die Trierer schon wieder gegen einen Europacup-Sieger und wieder brechen sie nicht ein. Im Gegenteil: Als René Schneider Thömmes (wen sonst?) im Strafraum legt, erhöht Czakon per Elfmeter auf 2:0 (50.). Scalas zweiter Anzug ist dünn: Ricken, Reuter, Chapuisat und allen voran Sammer fehlen. Er kann nur Talente einwechseln: But, Kirovski, Gambo. Ins Tor aber trifft nur das alte Schlachtross Jürgen Kohler.

Sein 2:1 in der 53. Minute wird den Endstand markieren. "Verdient gewann der Regionalliga-Tabellenführer, der in der zweiten Hälfte keine BVB-Chancen zuließ", schreibt der kicker. Der Rest ist Jubel und Freude, gemixt mit einem Schuss Überheblichkeit, den den Trierern keiner übelnehmen kann an diesem Tag. Warum lässt Emig die Journalisten warten? "Unser Trainer ist anscheinend schon nach Berlin vorgefahren", witzelt Präsident Hans-Joachim Doerfert. Der Spaß wäre beinahe Ernst geworden. Eintracht wirft auch Waldhof Mannheim raus und scheitert im Halbfinale gegen Bundesligist MSV Duisburg erst im Elfmeterschießen. Rudi Thömmes hat natürlich getroffen. Und der BVB? Jürgen Kohler sagt dicht neben der Stelle, wo die Schalker ihr Loch getreten haben: "Für uns hat der Abstiegskampf begonnen. Wer das nicht sieht, sollte den Verein wechseln."



Diese Woche steigt das Achtelfinale im DFB-Pokal. Die Historie berechtigt zur kecken Frage: Gibt es die große Sensation schon am Dienstag oder erst am Mittwoch? Ein Achtelfinale ohne Außenseitersiege ist jedenfalls ausgesprochen selten. Mit Ausnahme der Saisons 2001/2002 und 2013/2014 hat in den vergangenen 15 Jahren immer mindestens eine klassentiefere Mannschaft eine höhere, meist also einen Bundesligisten eliminiert. 2006/2007 war auch der Ausgang eines Bundesliga-Duells eine Sensation: Aufsteiger Alemannia Aachen warf Meister und Titelverteidiger FC Bayern raus (4:2). Jetzt treffen die Bayern wieder auf einen Aufsteiger: Darmstadt 98. Das ist auswärts bekanntlich besser als zuhause.

Auch Bayer Leverkusen, das Dienstag in Unterhaching antreten muss, sei gewarnt. Ebenso wie die Berliner Hertha, die am Mittwoch zum derzeit bundesligareif agierenden 1. FC Nürnberg muss. Und bei der derzeitigen Form sollte sich der VfB Stuttgart trotz Heimrechts gegen Zweitligist Eintracht Braunschweig besser auch nicht allzu sicher sein. Denn auch das schützt vor Blamagen im Achtelfinale nicht. Zuletzt erfuhr das der 1. FC Nürnberg 2011 ausgerechnet im Franken-Derby gegen den damaligen Zweitligisten Greuther Fürth (0:1). DFB.de erinnert an vier besondere Favoritenstürze im Achtelfinale:

Arminia Bielefeld – Werder Bremen 3:1 (4. März 2015)

Zwei Klassen Unterschied standen vor der Partie auf dem Papier, zwei Tore trennten die Klubs hinterher. Nur dass der Drittligist mehr erzielte als der Bundesligist. Es ist ein Duell zweier gutgelaunter Mannschaften. Für die Bremer ist der Pokal die Chance auf den internationalen Wettbewerb, auf Platz neun haben sie sich im Frühjahr 2015 nach schlimmer Vorrunde gerade behaglich im Mittelfeld eingerichtet. Nun verheißt die Saison noch ein paar prickelnde Momente – im Pokal. Arminia freut sich schon auf die Rückkehr in die 2. Bundesliga, neun Punkte Vorsprung hat sie in der 3. Liga auf ihre Verfolger.

Werder macht, was viele im Pokal machen: den Ersatztorwart bei Laune halten. Leider ein Fehler, Koen Casteels, der sein Debüt im Werder-Tor gibt, empfiehlt sich nicht für weitere Einsätze. Die Alm ist mit 26.601 Zuschauer ausverkauft, die Südtribüne kleidet ihre Hoffnungen in eine Choreographie: "Vorwärts Arminia!" Und die Spieler gehorchen. Sie verstecken sich keineswegs, halten die Partie offen und gehen sogar in Führung: 1:0 durch Manuel Junglas mit links (32.), auch dank freundlicher Unterstützung von Casteels, der die Situation mit einem riskanten Pass erst heraufbeschwört.

Der tiefe Boden erschwert die Bremer Aufholjagd, der Ball läuft nur bei Arminia, deren Trainer Norbert Meier das Gros seiner Karriere bei Werder verbracht hat. Nach 57 Minuten bebt die Alm erneut, Verteidiger Sebastian Schuppan staubt nach einer Ecke ab und erhöht auf 2:0 – mit rechts (57.). War’s das? Nein. Werder-Kapitän Clemens Fritz krempelt die Ärmel hoch und schlüpft in die eher ungewohnte Rolle des Torjägers, sein 2:1 mit links (76.) aus 16 Metern bringt die Spannung zurück. Doch der herausragende Junglas sorgt nach einem Konter und starker Vorbereitung von David Ulm für klare Verhältnisse (84.) – wieder mit links. Bei Werder regiert der Frust, Fritz fliegt nach einem taktischen Foul vom Platz (89.). Mit Recht.

Der kicker urteilt: "Bielefeld warf alles rein, Bremen hingegen war…in allen Mannschaftsteilen schwach und erlebte einen Rückfall in vergangene Zeiten." In mancherlei Hinsicht, schon zum vierten Mal in Folge scheiden die Bremer gegen einen Drittligisten aus.

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VfL Osnabrück – Borussia Dortmund 3:2 (27. Oktober 2009)

Jürgen Klopp ist im zweiten Jahr BVB-Trainer, Titel hat er noch keine gewonnen. Und der Traum vom Pokal platzt schon früh. An der ausverkauften Bremer Brücke überrollt der Drittligist die Borussen regelrecht: Angelo Barletta trifft per Rechtsschuss und Kopfball schon vor der Pause (37., 42.). In der Videoanalyse wird Klopp seinen Spielern später allein 13 Fehler im Aufbauspiel nachweisen. Die Meister von morgen sind noch Lehrlinge, aus 69 Prozent Ballbesitz machen die Sahin, "Kuba" und Barrios viel zu wenig. Die Innenverteidigung ist schon die von heute, aber auch Hummels und Subotic trifft die Kritik von Manager Michael Zorc: "Wir haben verteidigt wie im Kindergarten! Wenn man das als amateurhaft bezeichnet, beleidigt man die Amateure.".

Nach Nuri Sahins 2:1 (55.) drückt Borussia, aber aus einem eigenen Freistoß entsteht das 3:1 durch Benjamin Siegert (69.). Das 3:2 durch Lucas Barrios fällt, als in Osnabrück längst gefeiert wird – in Minute 96! Die Osnabrücker Spieler kassieren für ihren Husarenstreich 100.000 Euro Prämie. Sie scheitern in der nächsten Runde ausgerechnet am BVB-Rivalen Schalke 04 (0:1).

FC St. Pauli – Hertha BSC 4:3 n. V. (21. Dezember 2005)

Die Hamburger sind drei Jahre nach ihrem letzten Bundesliga-Intermezzo in die Regionalliga abgestürzt, Hertha BSC hat sich mit einem denkwürdigen Torverhältnis von 1:0 in vier Gruppenspielen für die Zwischenrunde des Uefa-Pokals qualifiziert und ist nach der Bundesliga-Vorrunde Fünfter. Die größte Titelchance verspricht aber der Pokal. Und dieses Jahr will auch Hertha mal nach Berlin fahren, Trainer Falko Götz stellt die bestmögliche Elf auf. Wer fehlt, ist auch wirklich verletzt (Simunic, van Burik). Manager Dieter Hoeneß spricht vom "fast wichtigsten Spiel des Jahres" und verlangt "dass der Unterschied zwischen Regionalliga und Bundesliga deutlich wird".

19.800 am ausverkauften Millerntor sehen das etwas anders; aber zunächst werden sie enttäuscht: Marco Pantelic (8.) und Gilberto (40) sorgen für ein ernüchterndes 0:2. Da trifft ausgerechnet Ex-Herthaner Michel Mazingu-Dinzey noch mit dem Pausenpfiff und leitet die Aufholjagd ein. Vier Minuten vor Abpfiff egalisiert Felix Luz und erzwingt eine Verlängerung. Und da hat der Regionalligist auch noch mehr zuzusetzen, holt selbst das 2:3 durch Marcelinho (100.) noch auf. Florian Lechner (105.) und Robert Palikuca (109.) wenden das Blatt endgültig. Auch der eingewechselte Kevin-Prince Boateng kann Hertha nicht mehr retten. Und wieder fahren sie nicht nach Berlin (zum Finale). St. Pauli wirft im Viertelfinale sogar noch Champions League-Teilnehmer Werder Bremen raus, erst Bayern kann sie stoppen.

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Eintracht Trier – Borussia Dortmund 2:1 (28. Oktober 1997)

Der Champions-League-Sieger im Moselstadion; auch wer nicht an eine Sensation glaubt, will dieses Spiel sehen. Wann kommt schon mal Borussia Dortmund nach Trier? Die Eintracht lässt Zusatztribünen für 5000 Sitzplätze aufbauen und so säumen 17.900 Menschen an diesem Dienstagnachmittag (Anpfiff: 14 Uhr!) im Herbst 1997 das Spielfeld. Vereinsrekord. Zudem wird erstmals in der 92-jährigen Klub-Historie ein Trierer Spiel live übertragen, auf Südwest 3. Euphorie hier, Tristesse da. Der BVB steckt in einer veritablen Krise und hat erst am Wochenende die Abstiegsplätze verlassen. Unter dem neuen Trainer Nevio Scala läuft es noch nicht so richtig, aber das enthebt Borussia nicht von der Favoritenrolle.

Der Tabellenführer der Regionalliga Südwest hat keinen Freund, Kohler, Heinrich oder Herrlich. Weil der Ex-Frankfurter Ralf Falkenmayer ausfällt, ist der Ex-Nürnberger Dirk Fengler der Einzige mit Bundesliga-Erfahrung - abgesehen noch vom Trainer Karl-Heinz Emig (64 Spiele für den FCK und Hertha BSC). Kollege Scala beugt jeder Überheblichkeit vor und attestiert der Eintracht zumindest Zweitliga-Niveau und auch sonst hätten alle gewarnt sein müssen. In der Vorrunde hat Eintracht bereits Uefa-Cup-Sieger Schalke rausgeworfen, in der Gäste-Kabine ist das Loch noch zu sehen, dass aus der Wut über die Blamage entstanden ist.

Auch bei Borussia Dortmund reißt die Eintracht aus Trier an diesem Nachmittag tiefe Wunden. Pokal-Schreck Rudi Thömmes, der schon das entscheidende 1:0 gegen Schalke erzielt hat, schlägt wieder zu. Nach 37 Minuten führen die Trierer schon wieder gegen einen Europacup-Sieger und wieder brechen sie nicht ein. Im Gegenteil: Als René Schneider Thömmes (wen sonst?) im Strafraum legt, erhöht Czakon per Elfmeter auf 2:0 (50.). Scalas zweiter Anzug ist dünn: Ricken, Reuter, Chapuisat und allen voran Sammer fehlen. Er kann nur Talente einwechseln: But, Kirovski, Gambo. Ins Tor aber trifft nur das alte Schlachtross Jürgen Kohler.

Sein 2:1 in der 53. Minute wird den Endstand markieren. "Verdient gewann der Regionalliga-Tabellenführer, der in der zweiten Hälfte keine BVB-Chancen zuließ", schreibt der kicker. Der Rest ist Jubel und Freude, gemixt mit einem Schuss Überheblichkeit, den den Trierern keiner übelnehmen kann an diesem Tag. Warum lässt Emig die Journalisten warten? "Unser Trainer ist anscheinend schon nach Berlin vorgefahren", witzelt Präsident Hans-Joachim Doerfert. Der Spaß wäre beinahe Ernst geworden. Eintracht wirft auch Waldhof Mannheim raus und scheitert im Halbfinale gegen Bundesligist MSV Duisburg erst im Elfmeterschießen. Rudi Thömmes hat natürlich getroffen. Und der BVB? Jürgen Kohler sagt dicht neben der Stelle, wo die Schalker ihr Loch getreten haben: "Für uns hat der Abstiegskampf begonnen. Wer das nicht sieht, sollte den Verein wechseln."

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Weitere Achtelfinalüberraschungen

1935/1936: VfL Benrath – Hertha BSC 8:2
1941/1942: HSV – Dessau 05 3:4
1954/1955: TuS Bremerhaven – HSV 3:1
1981/1982: SSV Ulm (3. Liga) – Eintracht Frankfurt 1:0
1983/1984: 1. FC Bocholt (3. Liga) – Eintracht Braunschweig 3:1 n.V.
1984/1985: VfB Stuttgart (Meister) - 1. FC Saarbrücken (2. Liga) 0:0 n.V., 2:2 n. V. und 0:3 n.E.
1994/1995: Bayern München Amateure – VfB Stuttgart 7:6 n..E.
1995/1996: 1. FC Nürnberg (2. Liga) – Werder Bremen 3:2
1998/1999: RW Oberhausen (2. Liga) – HSV 4:3 n.E.
1999/2000: Mainz 05 (2. Liga) – Hertha BSC 2:1
2000/2001: VfL Wolfsburg – MSV Duisburg (2. Liga) 3:4 n.E.
2003/2004: TSG Hoffenheim (3. Liga) – Bayer Leverkusen 3:2
2008/2009: Karlsruher SC – SV Wehen (2. Liga) 0:1
2010/2011: VfL Wolfsburg – Energie Cottbus (2. Liga) 1:3

Weitere Fakten zum Achtelfinale

Häufigste Teilnehmer seit 1935: Schalke 04 (42-mal), VfB Stuttgart, Werder Bremen, Bayern München (je 39), 1. FC Köln (34).

Höchstes Resultat: Eintracht Haiger – Union Solingen 0:8 (1984/1985)

Kurioseste Paarung: Bayern München – Bayern München Amateure 5:3 (1976/1977)

Einziger Losentscheid: Alemannia Aachen – Werder Bremen nach 2x 1:1 Los für Aachen (1969/1970)

Unterklassige Duelle: 1. FC Bocholt – Göttingen 05 3:3 n.V. und 2:3 sowie SSV Ulm – FSV Frankfurt 1:0 (beide 1981/1982)

Unbekannteste Teilnehmer: SpVgg. Masovia Lyck (1935), TuS Lipine (1942), Sportfreunde Lebenstedt (1962), TuS Langerwehe (1978, 1980)