©

Stadt, Land, Fußball: Trainingszentren in Europa

Während die einen eine neue Stadt im Vorort einer Metropole hochziehen, suchen die anderen die Abgeschiedenheit des Landlebens. Fußball-Leistungszentren in Europa sind so verschieden wie der Fußball, der dort gelehrt wird. Und der Erfolg, der am Ende der Anstrengungen steht. Die Engländer etwa hoffen noch. 2012 eröffneten sie ihr nationales Fußballzentrum „St. George’s Park“ irgendwo im Nirgendwo. Auf 130 Hektar inmitten von Seen, Wäldern und Spazierwegen in den West Midlands, auf halbem Weg zwischen Birmingham und Nottingham, werden Trainer und Talente geschult. Als Vorbild diente Clairefontaine, das Leistungszentrum der Franzosen. 1988 eröffnet, war Frankreich zehn Jahre später Weltmeister im eigenen Land. Also investierten die Engländer 100 Millionen Pfund und zogen in 17 Monaten ihre Talentschmiede hoch. Pläne gab es bereits seit 1975 – doch stets hatten andere Projekte Vorrang. Etwa der Bau des Wembley-Stadions in der Hauptstadt London. Als niemand mehr damit rechnete, entstand der St. George’s Park – und mit ihm zwölf Fußballfelder, fünf davon mit Bodenheizung und Flutlicht, eine Höhenkammer, ein Hydrotherapie-Bereich, eine riesige sportmedizinische und sportwissenschaftliche Abteilung, ein olympisches Schwimmbecken, fünf Fitnessräume, eine Futsal-Halle, eine 60 Meter lange Sprintrampe und sogar eine eigene Bibliothek mit Fußball-Fachliteratur.

Die Spanier, Weltmeister 2010, suchten dagegen ganz bewusst die Nähe zu ihrer Hauptstadt. Rund 24 Kilometer südwestlich der Fußball-Metropole Madrid entstand 2003 die Stadt des Fußballs, die „Ciudad del Fútbol“. Zwölf Hektar misst sie insgesamt und beherbergt nicht nur den Hauptsitz des spanischen Fußballverbands und das Museum der Nationalmannschaft, sondern auch eine Sporthalle, Wohnheime für Sportler, einen Veranstaltungs- und Konferenzkomplex, ein medizinisches Zentrum sowie fünf Fußballfelder und eine achtbahnige Laufbahn. Zwei Spielfelder verfügen über überdachte Tribünen mit einem Fassungsvermögen von jeweils rund 1400 Zuschauer.

Toptalente aus dem Internat

Die Italiener, zuletzt Weltmeister 2006, sind mit ihrem Leistungszentrum „Coverciano“ gleich in die Stadt gezogen – in den gleichnamigen Stadtteil von Florenz. Seit 1958 trainieren hier alle Auswahlmannschaften des italienischen Verbands von der U 15 an aufwärts. Trotz der dort angesiedelten Hall of Fame des italienischen Fußballs wird nicht nur die glorreiche Vergangenheit beschworen – sondern auch an der Zukunft gebastelt. Vier Fußballfelder stehen den Toptalenten des Landes zur Verfügung, außerdem ein Multifunktionsgym, eine Schwimmhalle, zwei Tennisplätze, eine Bibliothek, eine Konferenzhalle sowie ein Hotel mit Restaurant.

In Frankreich leben die größten Talente des Landes gleich im Leistungszentrum. Thierry Henry, Nicolas Anelka, William Gallas sind nur drei prominente Beispiele – sie durchliefen das Internat des „Centre technique national Fernand-Sastre“ in Clairefontaine-en-Yvelines, rund 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Paris. Clairefontaine ist das zentrale Trainingslager für die französischen Fußballnationalmannschaften und regionales Trainingszentrum der Region Île-de-France für 13- bis 15-Jährige. Das gesamte Gelände, auf dem ein renoviertes Schloss den Auswahlmannschaften als Herberge dient, ist 56 Hektar groß, auf 6,6 Hektar erstrecken sich sieben Naturrasen- und zwei Kunstrasenplätze. 1998, während der WM im eigenen Land, wohnte die französische Nationalmannschaft in Clairefontaine. Bekanntlich mit Erfolg.

Vereine ziehen nach

In weiteren europäischen Ländern, etwa in Österreich und Schottland, sind Fußball-Akademien in Planung. Die Türkei hat ihr Leistungszentrum, die „Hasan Doğan National Teams Camp and Education Facilities“ in Istanbul, nach einer Bauzeit von 450 Tagen im Sommer 2014 in Betrieb genommen.

Viele Vereine stehen den nationalen Verbänden mittlerweile in nichts nach. Real Madrid etwa hat sich ebenfalls eine eigene Fußball-Stadt gebaut. Die 2005 eröffnete „Ciudad Real Madrid“ erstreckt sich auf 120 Hektar im Nordosten der Hauptstadt. Neben zehn Trainingsplätzen, drei für die Profis, sieben für die 15 Nachwuchsteams, verfügt die Stadt in der Stadt über Sport- und Fitnesshallen, einen Presse- und VIP-Bereich, eine Schiedsrichterkabine, eine Klinik, Restaurants und sogar eine Wetterstation. Das Alfredo-Di-Stéfano-Stadion bietet mehr als 8000 Zuschauern Platz.

Fußball und Eishockey unter einem Dach

In Österreich trainieren Fußballer und Eishockey-Cracks unter einem Dach. Die Fußball- und Eishockey-Akademie von Red Bull wurde 2014 in Salzburg-Liefering in Betrieb genommen. 400 Talente aus beiden Sportarten trainieren dort, 140 wohnen im Internat. Sieben Fußball-Felder (Kunst- bzw. Naturrasen; eines davon Indoor) und zwei Eishallen sowie alle notwendigen Trainings- und Regenerationseinrichtungen (Krafträume, Motorikpark, Turnhalle, medizinische Versorgung) und insgesamt 92 Zimmer entstanden in Liefering.

Manchester City errichtete in unmittelbarer Nähe seines Stadions im Osten der Stadt die „City Football Academy“. Für 200 Millionen Pfund entstand auf 32 Hektar Trainingsgelände eine neue Heimat für 450 Fußballer. Auf zwölf Fußballfeldern trainieren seitdem die Nachwuchsmannschaften des Premier-League-Klubs, auf vier die erste Mannschaft. Für die Junioren-Teams wurde zudem eine Arena mit einem Fassungsvermögen von 7000 Zuschauern gebaut.