SAP-Vorstand Leukert: "Emotionen lassen sich nicht digitalisieren"

Bernd Leukert ist eins von acht SAP-Vorstandsmitgliedern und in seiner Rolle bei Europas größtem Softwareunternehmen verantwortlich für die Entwicklung und Auslieferung von Produkten sowie alle strategischen Innovationen weltweit. SAP erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von 22,81 Milliarden Euro. Das Unternehmen mit Firmensitz in Walldorf bei Heidelberg ist Technologiepartner des DFB und der A-Nationalmannschaft - und nun auch offizieller Sponsoringpartner der DFB-Akademie. Im DFB.de-Interview spricht der 50 Jahre alte Diplom-Wirtschaftsingenieur über den wachsenden Einfluss digitaler Daten auf den Fußball - an der Basis und bei der Nationalmannschaft.

DFB.de: Herr Leukert, wie ist es im Land und ganz konkret im Fußball bestellt um den Modernisierungswillen?

Bernd Leukert: Der Wille zur Modernisierung und die Bereitschaft, die Dinge anzugehen, sind vorhanden. Was ich aber erlebe, ist, dass viele Unternehmen nicht wissen, wie sie es angehen sollen. In der Vergangenheit haben wir unter Modernisierung größtenteils Automatisierung verstanden. Die Digitalisierung eröffnet die Chance, bestehende Geschäftsprozesse effizienter zu machen. Digitalisierung bietet Unternehmen aller Branchen und Größen darüber hinaus die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle einzuführen. Und mit diesen neuen Modellen muss sich ein Unternehmen selbst auch verändern.

DFB.de: SAP arbeitet etwa zusammen mit dem DFB, dem FC Bayern München und der TSG Hoffenheim. Wie offen präsentiert sich der Fußball für Digitalisierung aus dieser Innensicht heraus?

Leukert: Professionelle Fußballklubs sind längst schon Wirtschaftsunternehmen. Sie müssen auf Rahmenbedingungen reagieren, die sich rasant verändern. Denken wir an die kommerzielle Seite, etwa die steigenden Gelder für TV-Übertragungsrechte, die weit über die Erlöse beim Ticketing oder Fanartikelverkauf hinausgehen. Neue Regulatoriken wie etwa das Financial Fairplay durch die UEFA wurden eingeführt. Die weltweite Entwicklung des Bezahlfernsehens und der Bedarf nach Sport als attraktivem Inhalt sind weitere Faktoren. In der Summe haben sich dadurch die Marktbedingungen stark verändert. Eine Konsequenz: Die Beziehung zum Fan muss heutzutage deutlich weitreichender sein als früher, als Klub und Fan sich praktisch nur während der 90 Minuten des Heimspiels alle zwei Wochen begegneten. Heute ist es eher eine permanente Interaktion. Es braucht einen intensiven, wertschätzenden, aber längst nicht mehr lokal begrenzten, kommunikativen Prozess. Fangemeinden der großen Klubs sind heute rund um den Globus angesiedelt. Rein wirtschaftlich gesehen hat dadurch die Bedeutung des einzelnen Fans wieder zugenommen. Ich hoffe, alleine dieser Aspekt verdeutlicht, warum Digitalisierung für Profiklubs wie auch für den DFB eine außerordentliche Bedeutung hat.

DFB.de: Und nach innen, bei den Mannschaften selbst?

Leukert: Die Mannschaft muss als Team gewinnen. Dabei werden Struktur und Systematik im modernen Fußball heute technisch unterstützt. Gesundheit und Belastungssteuerung sind individuelle Bereiche, die durch die digitale Erfassung und Auswertung von Daten zunehmend analysiert werden. Heute reicht es eben nicht mehr, am ersten Tag des Trainingslagers einen Laktattest zu machen. Über Sensorik können wir heute permanent den Körper beobachten, die entscheidenden Fitnessparameter in Echtzeit festhalten, um dadurch eine Überlastung zu vermeiden und somit wiederum das Risiko etwa einer Muskelverletzung zu reduzieren. Da geht es um Spieler, Mannschaft und Taktik, und in jeden dieser Bereiche hat die Digitalisierung Einzug gehalten.

DFB.de: Das Vorurteil ist doch, dass der Fußball zumindest in der Breite wandlungsresistent sei. Eher alte Köpfe und alte Ideen.

Leukert: Es ist so wie auch in der Industrie. Natürlich könnten wir uns bei SAP immer noch mehr vorstellen. Aber prinzipiell erlebe ich bei meinen Gesprächen etwa in München beim FC Bayern oder in Frankfurt mit Oliver Bierhoff (Manager der Nationalmannschaft und Projektleiter der geplanten DFB-Akademie; Anm. d. Red.) eine sehr große Offenheit. Verglichen mit der Industrie: Das autonome Fahren wird in nicht allzu ferner Zukunft einsetzbar sein. In der Fertigungsindustrie oder der Finanzbranche können Abläufe komplett autonom sein. Das System sendet eine Störungsmeldung, erst dann muss der Mensch eingreifen. Im Fußball wird es nie passieren, dass Systeme völlig autonom werden. Der Sport lebt von Emotionen, von Motivation. Diese Dinge lassen sich nicht digitalisieren.

DFB.de: Muss der Fußball auch deshalb zunehmend digital administriert werden, weil an der Basis das Personal knapp wird?

Leukert: Wenn es mir die Zeit erlaubt, spiele ich selber Fußball. Ich treffe also bis heute noch Vereinsvorsitzende und Trainer, und dabei höre ich immer wieder, wie begeistert alle von der Digitalisierung des Fußballs sind. Spielerpässe, Spielberichte, alle Ergebnisse - man muss sich vergegenwärtigen, was das für einen Berg an Arbeit bei 80.000 Spielen pro Wochenende bedeutet. Menschen haben vielfach immer weniger Zeit fürs Ehrenamt. Da ist doch jeder heilfroh, dass die Arbeit eines Wochenendes - nehmen wir die Ansetzung von Schiedsrichtern in einem Kreis - heute binnen einer Stunde geleistet werden kann.

DFB.de: Bleiben wir beim Amateurfußball. Nun schon im zweiten Jahr vergibt SAP einen mit 10.000 Euro dotierten Preis an Fußballvereine, die beim digitalen Wandel Vorreiter sind. Warum ist das Thema Ihnen und SAP wichtig?

Leukert: Weil es über den rein geschäftlichen Bereich hinausgeht. Die Vision von SAP lautet "Make the world run better and improve peoples lives". Wir wollen Lebens- und Arbeitsbedingungen durch Digitalisierung verbessern, und das wird gerade im Amateurfußball sehr greifbar. Den Preis vergeben wir gemeinsam mit stifter-helfen.de im Schulterschluss mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Hier gibt SAP etwas an die Gesellschaft zurück, in diesem Fall speziell an Menschen, die sich ehrenamtlich beim Fußball einbringen.



Bernd Leukert ist eins von acht SAP-Vorstandsmitgliedern und in seiner Rolle bei Europas größtem Softwareunternehmen verantwortlich für die Entwicklung und Auslieferung von Produkten sowie alle strategischen Innovationen weltweit. SAP erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von 22,81 Milliarden Euro. Das Unternehmen mit Firmensitz in Walldorf bei Heidelberg ist Technologiepartner des DFB und der A-Nationalmannschaft - und nun auch offizieller Sponsoringpartner der DFB-Akademie. Im DFB.de-Interview spricht der 50 Jahre alte Diplom-Wirtschaftsingenieur über den wachsenden Einfluss digitaler Daten auf den Fußball - an der Basis und bei der Nationalmannschaft.

DFB.de: Herr Leukert, wie ist es im Land und ganz konkret im Fußball bestellt um den Modernisierungswillen?

Bernd Leukert: Der Wille zur Modernisierung und die Bereitschaft, die Dinge anzugehen, sind vorhanden. Was ich aber erlebe, ist, dass viele Unternehmen nicht wissen, wie sie es angehen sollen. In der Vergangenheit haben wir unter Modernisierung größtenteils Automatisierung verstanden. Die Digitalisierung eröffnet die Chance, bestehende Geschäftsprozesse effizienter zu machen. Digitalisierung bietet Unternehmen aller Branchen und Größen darüber hinaus die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle einzuführen. Und mit diesen neuen Modellen muss sich ein Unternehmen selbst auch verändern.

DFB.de: SAP arbeitet etwa zusammen mit dem DFB, dem FC Bayern München und der TSG Hoffenheim. Wie offen präsentiert sich der Fußball für Digitalisierung aus dieser Innensicht heraus?

Leukert: Professionelle Fußballklubs sind längst schon Wirtschaftsunternehmen. Sie müssen auf Rahmenbedingungen reagieren, die sich rasant verändern. Denken wir an die kommerzielle Seite, etwa die steigenden Gelder für TV-Übertragungsrechte, die weit über die Erlöse beim Ticketing oder Fanartikelverkauf hinausgehen. Neue Regulatoriken wie etwa das Financial Fairplay durch die UEFA wurden eingeführt. Die weltweite Entwicklung des Bezahlfernsehens und der Bedarf nach Sport als attraktivem Inhalt sind weitere Faktoren. In der Summe haben sich dadurch die Marktbedingungen stark verändert. Eine Konsequenz: Die Beziehung zum Fan muss heutzutage deutlich weitreichender sein als früher, als Klub und Fan sich praktisch nur während der 90 Minuten des Heimspiels alle zwei Wochen begegneten. Heute ist es eher eine permanente Interaktion. Es braucht einen intensiven, wertschätzenden, aber längst nicht mehr lokal begrenzten, kommunikativen Prozess. Fangemeinden der großen Klubs sind heute rund um den Globus angesiedelt. Rein wirtschaftlich gesehen hat dadurch die Bedeutung des einzelnen Fans wieder zugenommen. Ich hoffe, alleine dieser Aspekt verdeutlicht, warum Digitalisierung für Profiklubs wie auch für den DFB eine außerordentliche Bedeutung hat.

DFB.de: Und nach innen, bei den Mannschaften selbst?

Leukert: Die Mannschaft muss als Team gewinnen. Dabei werden Struktur und Systematik im modernen Fußball heute technisch unterstützt. Gesundheit und Belastungssteuerung sind individuelle Bereiche, die durch die digitale Erfassung und Auswertung von Daten zunehmend analysiert werden. Heute reicht es eben nicht mehr, am ersten Tag des Trainingslagers einen Laktattest zu machen. Über Sensorik können wir heute permanent den Körper beobachten, die entscheidenden Fitnessparameter in Echtzeit festhalten, um dadurch eine Überlastung zu vermeiden und somit wiederum das Risiko etwa einer Muskelverletzung zu reduzieren. Da geht es um Spieler, Mannschaft und Taktik, und in jeden dieser Bereiche hat die Digitalisierung Einzug gehalten.

DFB.de: Das Vorurteil ist doch, dass der Fußball zumindest in der Breite wandlungsresistent sei. Eher alte Köpfe und alte Ideen.

Leukert: Es ist so wie auch in der Industrie. Natürlich könnten wir uns bei SAP immer noch mehr vorstellen. Aber prinzipiell erlebe ich bei meinen Gesprächen etwa in München beim FC Bayern oder in Frankfurt mit Oliver Bierhoff (Manager der Nationalmannschaft und Projektleiter der geplanten DFB-Akademie; Anm. d. Red.) eine sehr große Offenheit. Verglichen mit der Industrie: Das autonome Fahren wird in nicht allzu ferner Zukunft einsetzbar sein. In der Fertigungsindustrie oder der Finanzbranche können Abläufe komplett autonom sein. Das System sendet eine Störungsmeldung, erst dann muss der Mensch eingreifen. Im Fußball wird es nie passieren, dass Systeme völlig autonom werden. Der Sport lebt von Emotionen, von Motivation. Diese Dinge lassen sich nicht digitalisieren.

DFB.de: Muss der Fußball auch deshalb zunehmend digital administriert werden, weil an der Basis das Personal knapp wird?

Leukert: Wenn es mir die Zeit erlaubt, spiele ich selber Fußball. Ich treffe also bis heute noch Vereinsvorsitzende und Trainer, und dabei höre ich immer wieder, wie begeistert alle von der Digitalisierung des Fußballs sind. Spielerpässe, Spielberichte, alle Ergebnisse - man muss sich vergegenwärtigen, was das für einen Berg an Arbeit bei 80.000 Spielen pro Wochenende bedeutet. Menschen haben vielfach immer weniger Zeit fürs Ehrenamt. Da ist doch jeder heilfroh, dass die Arbeit eines Wochenendes - nehmen wir die Ansetzung von Schiedsrichtern in einem Kreis - heute binnen einer Stunde geleistet werden kann.

DFB.de: Bleiben wir beim Amateurfußball. Nun schon im zweiten Jahr vergibt SAP einen mit 10.000 Euro dotierten Preis an Fußballvereine, die beim digitalen Wandel Vorreiter sind. Warum ist das Thema Ihnen und SAP wichtig?

Leukert: Weil es über den rein geschäftlichen Bereich hinausgeht. Die Vision von SAP lautet "Make the world run better and improve peoples lives". Wir wollen Lebens- und Arbeitsbedingungen durch Digitalisierung verbessern, und das wird gerade im Amateurfußball sehr greifbar. Den Preis vergeben wir gemeinsam mit stifter-helfen.de im Schulterschluss mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Hier gibt SAP etwas an die Gesellschaft zurück, in diesem Fall speziell an Menschen, die sich ehrenamtlich beim Fußball einbringen.

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DFB.de: Sie sind ja auch Mitglied im Kuratorium der Sepp-Herberger Stiftung. Wie erleben Sie die Mitarbeit dort?

Leukert: Zunächst mal war es für mich eine große Ehre, in das Kuratorium berufen zu werden. Sepp Herberger ist eine Legende, mit der wir als fußballbegeisterte Kinder aufgewachsen sind - auch wenn er zu diesem Zeitpunkt schon lange kein Bundestrainer mehr war. Und als ich mich später mit Sepp Herberger als Person auseinandergesetzt habe, haben mich sein ungeheures soziales Engagement und sein Einsatz für die, die am Rande der Gesellschaft stehen, sehr beeindruckt. Seinen Satz "Wer oben steht, darf die unten nicht vergessen" hat er gelebt. Ich empfinde es als große Ehre, zu diesem Anspruch als Mitglied des Kuratoriums meinen Teil beizutragen.

DFB.de: Was gefällt Ihnen an der Ausrichtung der Herberger-Stiftung?

Leukert: Heute wird vielfach kritisiert, dass der Fußball durch die zunehmende Kommerzialisierung viel von seiner Kraft verloren hätte. Ich lade jeden ein, sich die Projekte und Preisträger der Sepp-Herberger-Stiftung anzuschauen: Gerade der Amateurfußball übernimmt in vielen Dörfern und Städten wichtige Aufgaben im Gemeinwesen. Und auf diese oft unbekannten "Helden des Alltags" konzentriert sich die Stiftung: Da ist der Amateurtrainer, der seit Jahrzehnten jede Minute seiner freien Zeit der Reintegration von straffälligen Jugendlichen widmet. Oder ein kleiner Fußballverein, der alles tut, damit ein durch einen Unfall körperlich eingeschränktes Mitglied nach wie vor am Vereinsleben teilhaben kann. Ein solches Engagement hervorzuheben und in den Mittelpunkt zu stellen - kann es eine bessere Ausrichtung geben?

DFB.de: Können Sie sich noch an die Preisträger der Kategorie "Fußball Digital" erinnern? Was hat Ihnen daran gefallen?

Leukert: Ich kann mich sehr gut an die Gewinner der beiden vergangenen Jahre erinnern. Unser erster Preisträger, der Vfl 08 Vichttal, ging mit einer Crowdfunding-Kampagne völlig neue Wege im Sponsoring. Dieser Mut wurde belohnt, das Ziel, die D-Jugend zu einem internationalen Fußballturnier zu schicken, wurde erreicht. Das zeigt: Crowdfunding ist nicht nur ein Werkzeug für Startups in der Großstadt - auch ein Amateurverein kann dieses Werkzeug für sich nutzen. Der diesjährige Preisträger, Viktoria Mitte 08 e.V. aus Berlin, bietet mit einem vereinsinternen Kanal allen Mitgliedern, aber insbesondere den Kindern und Jugendlichen, eine tolle Möglichkeit, ihre Medienkompetenz zu schulen - das finde ich besonders in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung extrem wichtig.

DFB.de: SAP hat im August den Vertrag als Premium-Partner des DFB um drei Jahre verlängert. Warum?

Leukert: Wir verstehen Partnerschaften immer langfristig. Wir haben uns entschieden, bei der Öffentlichkeitsarbeit und beim Brand Marketing des DFB - aber nicht nur dort - zu zeigen, wie Technologie Gesellschaft und Unternehmen unterstützen kann. Der DFB hat uns sehr früh und sehr weitreichend Einblick in seine Abläufe gewährt. Das ist sicher nicht der Regelfall. Unsere Softwareingenieure saßen bei Besprechungen von Joachim Löw und seinem Trainerstab oder auch der Mannschaft mit im Raum. Nur so können wir den Coach und die Spieler professionell unterstützen. Für das weitere Vorantreiben der Entwicklung hat es sicher geholfen, dass wir mit der gemeinsamen Arbeit bereits vor der WM 2014 in Brasilien begonnen hatten. Wir freuen uns sehr, dass wir unseren Teil zum Gewinn der Weltmeisterschaft beitragen konnten. Mit Oliver Bierhoff haben wir eine Zusammenarbeit etabliert, die wir noch lange fortsetzen möchten. Die Lösungen, die bei dieser Zusammenarbeit bisher entstanden sind, übertragen wir auch in andere Industriezweige.

DFB.de: Und dieser Transfer vom Fußballfeld in die Fabrikhalle funktioniert wie genau?

Leukert: Es sind schon Unternehmen auf uns zugekommen, die sagten, wenn es möglich ist, die Biodaten von Fußballspielern mit ihrem Bewegungsverhalten während einer Trainingseinheit aufzuzeichnen und zu kombinieren, oder wenn es möglich ist, Gesundheitsdaten eines Sportlers in Echtzeit zu transferieren, zu analysieren und Entscheidungen zu treffen, dann wollen wir solche Szenarien auch für unsere Mitarbeiter einsetzen. Zwei japanische Städte zum Beispiel haben uns berichtet, dass sie in jüngerer Vergangenheit vermehrt Busunfälle registriert hätten. Da gab es zum Beispiel einen an Diabetes erkrankten Fahrer, der während der Fahrt in den Unterzucker fiel, ein anderer hatte eine zuvor unbekannte Herzschwäche. Wir haben dann also unser Verfahren aus dem Fußball, nämlich Gesundheitsdaten eines Menschen über Sensorik zu erfassen und in Echtzeit auszuwerten, auf den öffentlichen Personennahverkehr transferieren können. In diesen beiden japanischen Städten ist das Busfahren dadurch sicherer geworden.

DFB.de: Die Busfahrer könnten sich jetzt aber überwacht fühlen.

Leukert: Für die Nationalmannschaft hatten wir eine mobile Applikation entwickelt, die es dem Spieler ermöglicht, sich individuell auf ein Spiel vorzubereiten. Wir haben dafür unzählige Spielsequenzen indiziert und digitalisiert und dann über die Anwendung dem Einzelnen die Möglichkeit gegeben, sich über das iPad gezielt nach eigenen Kriterien auf das Spiel vorzubereiten - auf komplett freiwilliger Basis In der ersten Sitzung haben sich neun Spieler gemeldet, der Rest sagte: "Brauche ich nicht". Nach wenigen Wochen nutzten aber dann alle Spieler die neue Anwendung. So war es auch bei den japanischen Busfahrern.

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DFB.de: Nationalspieler müssen ein extrem ausgeprägtes Interesse haben, ihre Leistung permanent zu optimieren. Sonst bleiben sie nicht lange Nationalspieler. Sind sie auch deshalb für die Digitalisierung der Arbeitswelt eine ideale, aber eben doch nicht unbedingt typische Nutzergruppe?

Leukert: Sie sind jedenfalls eine sehr interessante Zielgruppe. Ich meine aber, dass doch eigentlich die allermeisten Menschen mit Spaß und Begeisterung ihrem Beruf nachgehen und die bestmögliche Leistung erbringen wollen. Ein Kunde, der ein riesiges Warenlager betreibt, hatte uns angesprochen, dass wir die Laufwege der Mitarbeiter analysieren und optimieren. Die Mitarbeiter müssen Produkte aus den Regalen abholen, zusammenpacken und dann zur LKW-Rampe bringen. Dort werden Leistungszulagen gezahlt, für den einzelnen Mitarbeiter machte sich der digitale Assistent also direkt bezahlt. Ich wiederhole es noch mal: Egal, was Menschen machen, die meisten wollen es gut machen.

DFB.de: Dennoch kann man sich durch Technik überfordert fühlen.

Leukert: Da gebe ich Ihnen Recht. Man muss den Menschen das Gefühl geben, dass Hilfsmittel auch als solche wahrgenommen werden. Wenn ein Gefühl entsteht, dass die Komplexität nur noch von Experten bewältigt werden kann, dann entwickelt sich eine ablehnende Haltung gegenüber digitaler Technik. Das ist ein schmaler Grat. Wir bei SAP haben eine Methodik eingeführt haben, die sich "Design Thinking" nennt. Egal, ob wir über einen Fußballspieler, einen Busfahrer oder einen Lagerarbeiter reden, wir schicken unsere Mitarbeiter direkt zum Kunden, damit wir lernen, wie dort gearbeitet wird. Denn nur so können wir die Arbeit erleichtern.

DFB.de: Worum geht es bei der Anwendung "SAP Match Insights"?

Leukert: Als wir begonnen hatten, uns mit der Sportindustrie zu beschäftigen, war SAP Match Insights unser erstes Produkt. Wir wollten Ideen des Trainers visualisieren und damit die Vermittlung an die Mannschaft verbessern. Heute ist das auch für den Fernsehzuschauer sehr vertraut, aber vor ein paar Jahren war es ein geradezu revolutionärer Schritt, dass wir etwa die Viererkette grafisch verbinden und dadurch genau erkennen, wie der rechte Innenverteidiger beim Herausrücken pennt. Drei laufen raus, einer bleibt stehen, das Abseits ist aufgehoben, und so entsteht dann ein Tor. Solche Spielzüge werden durch diese grafische Unterstützung deutlicher, verständlicher, wir meinen: wirksamer. SAP Match Insights stellt Passwege visuell dar, etwa auch den Totraum, also den Feldbereich, der nicht anspielbar ist. Der Spieler erkennt, wo er Möglichkeiten verpasst hat. Wir haben dabei sehr stark von den Kenntnissen des Trainerstabs der Nationalmannschaft profitiert und sind dafür extrem dankbar. Vieles war unseren Softwareentwicklern nicht bekannt. So ist ein Produkt entstanden, dass heute bereits von mehreren Profiteams in Deutschland eingesetzt wird, etwa vom FC Bayern München und 1899 Hoffenheim.

DFB.de: Ist nicht der Spieler der begrenzende Faktor?

Leukert: Für das Training auf dem Platz bleibt eine begrenzte Zeit, das hängt mit dem vollen Terminkalender, mit den Reisen, auch mit Belastungssteuerung zusammen. Bei der Nationalmannschaft zählt jede Minute. Ehemalige Nationalspieler haben mir von Sitzungen erzählt, bei denen stundenlang Zusammenschnitte auf Videokassetten angeschaut wurde. Draußen wurde es dunkel und die Augen schwer. Dann ging es dabei dann vielleicht gar nicht um mich als Verteidiger, sondern um das Verhalten der Stürmer. SAP Match Insights und die Möglichkeit, Daten in Echtzeit sehr präzise zu evaluieren, hilft also auch, Aufmerksamkeit zu generieren und damit den Spieler bestmöglich vorzubereiten.

DFB.de: Bleibt es also nicht dennoch sehr typabhängig, wie viel ein Spieler etwa aus SAP Match Insights mitnimmt?

Leukert: Ja, und das wird auch immer so bleiben. Natürlich gibt es noch den "Instinktfußballer". Doch durch die Digitalisierung entwickeln wir uns mehr und mehr hin zu einem Systemfußball. Die Freiheiten auf dem Platz sind weniger geworden. Mannschaften haben vielleicht noch einen Spieler, dem diese Freiheit gewährt wird, andere Trainer verlangen von jedem Mann die völlige Einbindung. Das individuelle fußballerische Können ist nach wie vor extrem wichtig, wird aber mittlerweile durch taktische Analysen bestmöglich unterstützt.

DFB.de: Wie schaffen Sie es eigentlich selbst, bei der umfangreichen Themenpalette und Ihren vielen Verantwortungsbereichen auf Stand zu bleiben?

Leukert: Dazu braucht es ein gutes Team. Zu glauben, dass man selbst alle Trends erfasst, die falschen eliminiert, den richtigen folgt, wäre vermessen. Das schafft niemand. Und auch dabei hilft Digitalisierung. Ich sitze heute deutlich weniger im Flugzeug, weil ich den Vortrag des Professors oder die Produktpräsentation eines Mitbewerbers im Internet verfolgen kann. Zeitmanagement ist unerlässlich. In meiner Position muss man Prioritäten setzen können.

DFB.de: Zahlen Sie noch bar?

Leukert: Ja, das tue ich. Ich habe auch das Gefühl, dass sich darin in bestimmten Situationen eine gewisse Wertschätzung ausdrückt, etwa wenn ich im Restaurant oder im Café ein Trinkgeld gebe. Das mache ich in bar lieber als mit Kreditkarte.

DFB.de: Und lesen Sie noch auf Papier?

Leukert: Gelegentlich schon. Aber ich lese deutlich mehr digital.

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