Think Tank: Wie der DFB vom Wissen der Astronauten profitiert

Der neue DFB und seine Akademie - mit der Entstehung der neuen Gebäude möchte sich der Deutsche Fußball-Bund auch inhaltlich weiterentwickeln. DFB.de stellt die verschiedenen Bereiche des Verbandes vor, in denen die Zukunft bereits Einzug gehalten hat, diesmal: der Think Tank.

Google hat einen. Apple auch. Facebook sowieso. Aber auch der Autohersteller Mercedes-Benz etwa oder die amerikanische Weltraumbehörde NASA. Und der DFB arbeitet im Zuge des Strategieprozess zur Akademie auch an einem. Denn wer seiner Zeit voraus, mindestens aber am Puls der Zeit sein will, verbringt seine Zeit auch in Think Tanks. In Denkfabriken also, die so gar nicht maschinell arbeiten. In denen vielmehr kreativ und innovativ gedacht wird, bis die Zukunft Gestalt annimmt. Eine Zukunft, die bereits die Gegenwart verändern kann.

Mitte November kamen sie zum ersten Mal in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main zusammen, die Experten aus den Bereichen Sport, Wissenschaft und Technologie, aus Theorie und Praxis, aus Nationalmannschaft und Bundesliga. Sie steckten die Köpfe zusammen und diskutierten das Thema Wahrnehmung, jeder aus einem anderen Blickwinkel, aber immer in einer gemeinsamen Blickrichtung: Was können wir den Trainern in Deutschland an die Hand geben, um ihre Spieler noch besser, noch effektiver und damit noch erfolgreicher zu machen? Im WM-Finale genauso wie in der Kreisligapartie um die Ecke?

"In Sachen Wahrnehmung haben wir Nachholbedarf"

Das Team um DFB-Sportdirektor Hansi Flick und die Trainer und Trainerinnen der U-Nationalmannschaften hatten die Wahrnehmung als Phänomen wahrgenommen, das es einmal näher zu betrachten gilt. "Schließlich sehen und bewerten wir alle das Resultat: Ein Pass ist beim Mitspieler angekommen oder eben nicht. Aber hat der Spieler die Möglichkeit, den Ball in diesem Moment zu diesem oder jenem Mitspieler passen zu können, denn überhaupt wahrgenommen?", sagt Dr. Thomas Hauser, der als Modulverantwortlicher den Think Tank als Bestandteil des neuen DFB aufbaut. "Wie wir Ausdauer, Schnelligkeit oder Technik trainieren, wissen wir. Aber in Sachen Wahrnehmung haben wir Nachholbedarf." Denn eine Wahrnehmung und daraus resultierend eine Aktion kann den Erfolg eines Spielzuges und damit möglicherweise eines ganzen Spiels beeinflussen. Wahrnehmung, sagt Hauser, sei die Voraussetzung von schnellem und richtigem Handeln.

"Wir haben hochrenommierte Wissenschaftler und erfahrene Vertreter aus der Praxis an einen Tisch bekommen, um uns diesem Problem zu nähern", sagte Hauser nach dem Startschuss des Pilotprojekts. Eine erste Annäherung, die schon bald konkrete Ergebnisse liefern soll. Schließlich soll der Fußball nicht neu gedacht werden, sondern er soll von vorhandenem Wissen profitieren. Von Erkenntnissen aus anderen Disziplinen, die sich nach Möglichkeit, unter Umständen in leicht abgewandelter Form, auf den Fußball übertragen lassen. Wie schafft es etwa ein Arzt in der Notaufnahme, die sich ihm bietende Situation vollständig wahrzunehmen und in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung zu treffen? Schnell wahrnehmen, schnell entscheiden, schnell handeln. Diesem Dreiklang unterliegen neben Notfallmedizinern auch Astronauten oder Soldaten. Wie trainieren die ihre Wahrnehmung unter höchster Anspannung, Zeitdruck und Informationsmangel? Welche Mess- und Diagnostikmöglichkeiten gibt es? Und lassen sich diese Technologien auf den Fußballer übertragen, im Hochleistungssport ebenso wie im Amateurfußball?

Stand der Wissenschaft ausloten

Der DFB-Wissenschaftskoordinator machte sich daran, den Stand der Wissenschaft auszuloten. Was ist zum Thema bislang bekannt, was ist der Stand der Forschung, wer sind die Wortführer, kurzum: Wer verfügt über das Wissen, von dem der Fußball profitieren kann? "Wir können keine 80 Studien durcharbeiten, aber wir können mit den Menschen zusammenkommen, die diese 80 Studien im Kopf haben", sagt Hauser.

Ein innovativer, zukunftsweisender Think Tank, der vorausdenken will, ist damit gleichzeitig ein Schritt zurück. "Wir sollten in Zeiten von Big Data nicht dem Trugschluss erliegen, dass immer mehr Daten auch zu immer besseren Entscheidungen führen", sagt Hauser. Der Fußball will teilhaben am in anderen Disziplinen bereits vorhandenen Wissen. Ein Wissen, das man nicht im ersten Moment mit Fußball in Verbindung bringen würde, aber dass den Fußball weiterbringen könnte. Erst wenn sich dieses Wissen nicht auf Anhieb übertragen lässt, sollen eigene Projekte initiiert werden. Immer in enger Abstimmung mit dem "Technology Lab" des neuen DFB, das den neuesten technologischen Trends und deren Potenzial für den Fußball nachspürt. Schließlich werden im American Football Spieler bereits via Virtual Reality, dem Erzeugen einer künstlichen Realität, trainiert. Möglicherweise eine Technologie, die die Wahrnehmung schärfen kann? Um die Frage beantworten zu können, rückt sie in den Fokus des Think Tanks.

Einzelne, konkrete Projekte sollen entstehen

Nicht nur der Fußball und die Fußballspieler sollen künftig von den Erkenntnissen des Think Tanks profitieren und weiterentwickelt werden, sondern etwa auch die Schiedsrichter, die unter hohem Druck in Sekundenbruchteilen eine Situation wahrnehmen und die korrekte Regel anwenden müssen. So kamen zum Auftakt des Projekts Wahrnehmung nicht nur Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zusammen, sondern auch die unterschiedlichen Akteure des Fußballs, von der Spitze bis zur Basis, vom erfahrenen Nationalspieler bis zum Bundesliga-Schiedsrichter.

"Die erste Veranstaltung war ein großer Erfolg", sagt Markus Weise, Leiter Konzeptentwicklung der DFB-Akademie. "Wir haben über den Tellerrand hinaus geblickt, aber immer mit der praktischen Relevanz im Hinterkopf. Ein guter Anfang ist gemacht." Aus dem Auftakt sollen nun im kommenden Jahr einzelne, konkrete Projekte entstehen. Die Zukunft nimmt Formen an.

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Der neue DFB und seine Akademie - mit der Entstehung der neuen Gebäude möchte sich der Deutsche Fußball-Bund auch inhaltlich weiterentwickeln. DFB.de stellt die verschiedenen Bereiche des Verbandes vor, in denen die Zukunft bereits Einzug gehalten hat, diesmal: der Think Tank.

Google hat einen. Apple auch. Facebook sowieso. Aber auch der Autohersteller Mercedes-Benz etwa oder die amerikanische Weltraumbehörde NASA. Und der DFB arbeitet im Zuge des Strategieprozess zur Akademie auch an einem. Denn wer seiner Zeit voraus, mindestens aber am Puls der Zeit sein will, verbringt seine Zeit auch in Think Tanks. In Denkfabriken also, die so gar nicht maschinell arbeiten. In denen vielmehr kreativ und innovativ gedacht wird, bis die Zukunft Gestalt annimmt. Eine Zukunft, die bereits die Gegenwart verändern kann.

Mitte November kamen sie zum ersten Mal in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main zusammen, die Experten aus den Bereichen Sport, Wissenschaft und Technologie, aus Theorie und Praxis, aus Nationalmannschaft und Bundesliga. Sie steckten die Köpfe zusammen und diskutierten das Thema Wahrnehmung, jeder aus einem anderen Blickwinkel, aber immer in einer gemeinsamen Blickrichtung: Was können wir den Trainern in Deutschland an die Hand geben, um ihre Spieler noch besser, noch effektiver und damit noch erfolgreicher zu machen? Im WM-Finale genauso wie in der Kreisligapartie um die Ecke?

"In Sachen Wahrnehmung haben wir Nachholbedarf"

Das Team um DFB-Sportdirektor Hansi Flick und die Trainer und Trainerinnen der U-Nationalmannschaften hatten die Wahrnehmung als Phänomen wahrgenommen, das es einmal näher zu betrachten gilt. "Schließlich sehen und bewerten wir alle das Resultat: Ein Pass ist beim Mitspieler angekommen oder eben nicht. Aber hat der Spieler die Möglichkeit, den Ball in diesem Moment zu diesem oder jenem Mitspieler passen zu können, denn überhaupt wahrgenommen?", sagt Dr. Thomas Hauser, der als Modulverantwortlicher den Think Tank als Bestandteil des neuen DFB aufbaut. "Wie wir Ausdauer, Schnelligkeit oder Technik trainieren, wissen wir. Aber in Sachen Wahrnehmung haben wir Nachholbedarf." Denn eine Wahrnehmung und daraus resultierend eine Aktion kann den Erfolg eines Spielzuges und damit möglicherweise eines ganzen Spiels beeinflussen. Wahrnehmung, sagt Hauser, sei die Voraussetzung von schnellem und richtigem Handeln.

"Wir haben hochrenommierte Wissenschaftler und erfahrene Vertreter aus der Praxis an einen Tisch bekommen, um uns diesem Problem zu nähern", sagte Hauser nach dem Startschuss des Pilotprojekts. Eine erste Annäherung, die schon bald konkrete Ergebnisse liefern soll. Schließlich soll der Fußball nicht neu gedacht werden, sondern er soll von vorhandenem Wissen profitieren. Von Erkenntnissen aus anderen Disziplinen, die sich nach Möglichkeit, unter Umständen in leicht abgewandelter Form, auf den Fußball übertragen lassen. Wie schafft es etwa ein Arzt in der Notaufnahme, die sich ihm bietende Situation vollständig wahrzunehmen und in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung zu treffen? Schnell wahrnehmen, schnell entscheiden, schnell handeln. Diesem Dreiklang unterliegen neben Notfallmedizinern auch Astronauten oder Soldaten. Wie trainieren die ihre Wahrnehmung unter höchster Anspannung, Zeitdruck und Informationsmangel? Welche Mess- und Diagnostikmöglichkeiten gibt es? Und lassen sich diese Technologien auf den Fußballer übertragen, im Hochleistungssport ebenso wie im Amateurfußball?

Stand der Wissenschaft ausloten

Der DFB-Wissenschaftskoordinator machte sich daran, den Stand der Wissenschaft auszuloten. Was ist zum Thema bislang bekannt, was ist der Stand der Forschung, wer sind die Wortführer, kurzum: Wer verfügt über das Wissen, von dem der Fußball profitieren kann? "Wir können keine 80 Studien durcharbeiten, aber wir können mit den Menschen zusammenkommen, die diese 80 Studien im Kopf haben", sagt Hauser.

Ein innovativer, zukunftsweisender Think Tank, der vorausdenken will, ist damit gleichzeitig ein Schritt zurück. "Wir sollten in Zeiten von Big Data nicht dem Trugschluss erliegen, dass immer mehr Daten auch zu immer besseren Entscheidungen führen", sagt Hauser. Der Fußball will teilhaben am in anderen Disziplinen bereits vorhandenen Wissen. Ein Wissen, das man nicht im ersten Moment mit Fußball in Verbindung bringen würde, aber dass den Fußball weiterbringen könnte. Erst wenn sich dieses Wissen nicht auf Anhieb übertragen lässt, sollen eigene Projekte initiiert werden. Immer in enger Abstimmung mit dem "Technology Lab" des neuen DFB, das den neuesten technologischen Trends und deren Potenzial für den Fußball nachspürt. Schließlich werden im American Football Spieler bereits via Virtual Reality, dem Erzeugen einer künstlichen Realität, trainiert. Möglicherweise eine Technologie, die die Wahrnehmung schärfen kann? Um die Frage beantworten zu können, rückt sie in den Fokus des Think Tanks.

Einzelne, konkrete Projekte sollen entstehen

Nicht nur der Fußball und die Fußballspieler sollen künftig von den Erkenntnissen des Think Tanks profitieren und weiterentwickelt werden, sondern etwa auch die Schiedsrichter, die unter hohem Druck in Sekundenbruchteilen eine Situation wahrnehmen und die korrekte Regel anwenden müssen. So kamen zum Auftakt des Projekts Wahrnehmung nicht nur Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zusammen, sondern auch die unterschiedlichen Akteure des Fußballs, von der Spitze bis zur Basis, vom erfahrenen Nationalspieler bis zum Bundesliga-Schiedsrichter.

"Die erste Veranstaltung war ein großer Erfolg", sagt Markus Weise, Leiter Konzeptentwicklung der DFB-Akademie. "Wir haben über den Tellerrand hinaus geblickt, aber immer mit der praktischen Relevanz im Hinterkopf. Ein guter Anfang ist gemacht." Aus dem Auftakt sollen nun im kommenden Jahr einzelne, konkrete Projekte entstehen. Die Zukunft nimmt Formen an.

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