Flick: "Noch mehr Spezialtrainer - mit Hilfe der Wissenschaft"

Von Joachim Löw gibt es in einem Film, der im DFB-Museum in Dortmund gezeigt wird, das folgende Zitat: "Das einzig Unberechenbare", sagt der Bundestrainer und vollendet seinen Satz nach einer kurzen Pause mit diesen Worten, "ist der Ball." Das stimmt natürlich nicht, und deswegen schmunzelt Löw bei seiner Ausführung. Die Unberechenbarkeit verleiht dem Spiel seinen Zauber, und der Bundestrainer weiß dies ganz genau. Wissen, wie ein Spiel ausgeht, wird niemand vor Anpfiff mit 100-prozentiger Sicherheit. Wissen schaffen, um Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen, ist auch Aufgabe der Wissenschaft. In vielen Bereichen wird um und für den Fußball geforscht, in Deutschland federführend auch durch und mit Hilfe des DFB.

Dafür steht auch Sportdirektor Hansi Flick. Der ehemalige Assistent von Bundestrainer Joachim Löw spricht im Interview mit DFB.de über die Zusammenhänge zwischen Wissenschaft und Fußball - und über die Fußball-Forschung des Verbandes.

DFB.de: Herr Flick, Alfred Preißler sagte einst: "Grau is alle Theorie - entscheidend is auf'm Platz". Stimmt dieser Ausspruch heute immer noch?

Hansi Flick: Natürlich wird immer entscheidend sein, was während der 90 Minuten auf dem Platz passiert. Aber dafür ist entscheidend, wie gut eine Mannschaft auf diese 90 Minuten vorbereitet ist. Und dafür ist entscheidend, wie gut die Trainer in der Arbeit mit der Mannschaft umsetzen, was sie gemeinsam mit ihrem Stab an theoretischen Erkenntnissen über das Spiel des Gegner und das der eigenen Mannschaft gewonnen haben. Es wird immer so sein, dass die Theorie der Praxis dient. Weltmeister wird, wer ein Tor mehr schießt, und nicht, wer eine Erkenntnis mehr hat. Aber die Wahrscheinlichkeit, ein Tor mehr zu schießen, ist größer bei demjenigen, der eine Erkenntnis mehr hat.

DFB.de: Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse die Art, wie man Fußball spielt und trainiert, verändern?

Flick: Das ist ein sehr breites Feld. Schon jetzt ist die Wissenschaft ein essenzieller Bestandteil - in ganz vielen Bereichen. Ein plastisches Beispiel dafür ist die Belastungssteuerung, die sich mit Hilfe wissenschaftlicher Daten viel effizienter gestalten lässt. Bei der Nationalmannschaft wird etwa mit dem System miCoach gearbeitet, die Herz-Kreislauf-Daten der Spieler werden in Echtzeit erhoben, die Trainer können auf diese Weise viel flexibler und individueller mit den Spielern arbeiten. Sehr wertvoll sind auch die Daten über verschiedene Anforderungsprofile bestimmter Spielpositionen. Die Wissenschaft hilft dabei, die Belastungsstrukturen und damit die körperlichen Anforderungen der verschiedenen Position zu erkennen. Ein linker Verteidiger hat da ein anders Profil als ein zentraler Mittelfeldspieler. Demnach können wir anhand der Erkenntnisse das Training gezielter steuern und damit den Spieler optimaler auf das vorbereiten, was ihn während der 90 Minuten auf seiner Position erwartet.

DFB.de: Vor einigen Tagen startete an der Deutschen Sporthochschule in Köln der Masterstudiengang Spielanalyse. Was erhoffen Sie sich von diesem Studiengang?

Flick: Der Weg verläuft vorrangig aus der Praxis in die Wissenschaft und von dort zurück in die Praxis. Das gilt auch für den Bereich der Spielanalyse. Die Unterstützung der Trainer und Spieler bei der Bewertung der Leistung und der Ausarbeitung von Strategien ist sehr komplex geworden, eine Professionalisierung, Ausdifferenzierung und Spezialisierung in der Ausbildung ist in diesem Bereich daher von großer Bedeutung. Genau da soll der Masterstudiengang Spielanalyse auf akademischer Ebene ansetzen. Der Studiengang soll die Absolventen in die Lage versetzen, verlässliche Methoden der Erhebung leistungsbestimmender Faktoren zu entwickeln. Das Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Praxis benötigt kompetente Kommunikation, hier wollen wir innovative Wege finden.  



Von Joachim Löw gibt es in einem Film, der im DFB-Museum in Dortmund gezeigt wird, das folgende Zitat: "Das einzig Unberechenbare", sagt der Bundestrainer und vollendet seinen Satz nach einer kurzen Pause mit diesen Worten, "ist der Ball." Das stimmt natürlich nicht, und deswegen schmunzelt Löw bei seiner Ausführung. Die Unberechenbarkeit verleiht dem Spiel seinen Zauber, und der Bundestrainer weiß dies ganz genau. Wissen, wie ein Spiel ausgeht, wird niemand vor Anpfiff mit 100-prozentiger Sicherheit. Wissen schaffen, um Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen, ist auch Aufgabe der Wissenschaft. In vielen Bereichen wird um und für den Fußball geforscht, in Deutschland federführend auch durch und mit Hilfe des DFB.

Dafür steht auch Sportdirektor Hansi Flick. Der ehemalige Assistent von Bundestrainer Joachim Löw spricht im Interview mit DFB.de über die Zusammenhänge zwischen Wissenschaft und Fußball - und über die Fußball-Forschung des Verbandes.

DFB.de: Herr Flick, Alfred Preißler sagte einst: "Grau is alle Theorie - entscheidend is auf'm Platz". Stimmt dieser Ausspruch heute immer noch?

Hansi Flick: Natürlich wird immer entscheidend sein, was während der 90 Minuten auf dem Platz passiert. Aber dafür ist entscheidend, wie gut eine Mannschaft auf diese 90 Minuten vorbereitet ist. Und dafür ist entscheidend, wie gut die Trainer in der Arbeit mit der Mannschaft umsetzen, was sie gemeinsam mit ihrem Stab an theoretischen Erkenntnissen über das Spiel des Gegner und das der eigenen Mannschaft gewonnen haben. Es wird immer so sein, dass die Theorie der Praxis dient. Weltmeister wird, wer ein Tor mehr schießt, und nicht, wer eine Erkenntnis mehr hat. Aber die Wahrscheinlichkeit, ein Tor mehr zu schießen, ist größer bei demjenigen, der eine Erkenntnis mehr hat.

DFB.de: Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse die Art, wie man Fußball spielt und trainiert, verändern?

Flick: Das ist ein sehr breites Feld. Schon jetzt ist die Wissenschaft ein essenzieller Bestandteil - in ganz vielen Bereichen. Ein plastisches Beispiel dafür ist die Belastungssteuerung, die sich mit Hilfe wissenschaftlicher Daten viel effizienter gestalten lässt. Bei der Nationalmannschaft wird etwa mit dem System miCoach gearbeitet, die Herz-Kreislauf-Daten der Spieler werden in Echtzeit erhoben, die Trainer können auf diese Weise viel flexibler und individueller mit den Spielern arbeiten. Sehr wertvoll sind auch die Daten über verschiedene Anforderungsprofile bestimmter Spielpositionen. Die Wissenschaft hilft dabei, die Belastungsstrukturen und damit die körperlichen Anforderungen der verschiedenen Position zu erkennen. Ein linker Verteidiger hat da ein anders Profil als ein zentraler Mittelfeldspieler. Demnach können wir anhand der Erkenntnisse das Training gezielter steuern und damit den Spieler optimaler auf das vorbereiten, was ihn während der 90 Minuten auf seiner Position erwartet.

DFB.de: Vor einigen Tagen startete an der Deutschen Sporthochschule in Köln der Masterstudiengang Spielanalyse. Was erhoffen Sie sich von diesem Studiengang?

Flick: Der Weg verläuft vorrangig aus der Praxis in die Wissenschaft und von dort zurück in die Praxis. Das gilt auch für den Bereich der Spielanalyse. Die Unterstützung der Trainer und Spieler bei der Bewertung der Leistung und der Ausarbeitung von Strategien ist sehr komplex geworden, eine Professionalisierung, Ausdifferenzierung und Spezialisierung in der Ausbildung ist in diesem Bereich daher von großer Bedeutung. Genau da soll der Masterstudiengang Spielanalyse auf akademischer Ebene ansetzen. Der Studiengang soll die Absolventen in die Lage versetzen, verlässliche Methoden der Erhebung leistungsbestimmender Faktoren zu entwickeln. Das Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Praxis benötigt kompetente Kommunikation, hier wollen wir innovative Wege finden.  

###more###

DFB.de: Ist der Weg der Zukunft, dass immer mehr Themen des Sports vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet werden?

Flick: Ich kann nur für den Fußball sprechen, und hier glaube ich, dass wir uns künftig in vielen Bereichen spezialisieren müssen. Spezialtrainer gibt es aktuell nur für Torhüter und im Bereich der Athletik - das ist zu wenig. Lange Zeit war es ja sogar so, dass es in Deutschland keine spezielle Ausbildung für Torwarttrainer gab. Ich kann mir vorstellen, dass wir künftig Angebote für Offensiv- und für Defensivtrainer haben werden, auch solche für Techniktrainer und solche für Taktiktrainer. In diesem Bereich liegt großes Potenzial, mit Hilfe der Wissenschaft wollen wir uns dieses erschließen. Wir müssen uns zudem öffnen für die Erkenntnisse aus anderen Sportarten.

DFB.de: Welche Rolle spielt die DFB-Akademie bei dem Ziel, die Forschung und Entwicklung im deutschen Fußball voranzutreiben?

Flick: Die Akademie wird dafür die zentrale, die entscheidende Institution sein. Im Gegensatz zu den Vereinen verfügt der DFB über den Luxus, weitgehend unabhängig vom Tagesgeschäft arbeiten zu können. Diese exponierte Rolle gibt dem Fußball eine besondere Chance, auch weil der DFB die Power hat - fachlich und wirtschaftlich -, ein solches Projekt konsequent auf die Beine zu stellen. Die Akademie wird eine Einrichtung für die gesamte Fußballfamilie, für Profis, Amateure und den Nachwuchs. Wir werden Wissen schaffen und dieses Wissen verteilen. Mit Fachexperten, bester Infrastruktur und bester Technologie und Wissenschaft wollen wir den Weg unserer Trainer, Spieler und Schiedsrichter prägen. Das Ziel ist klar: Wir wollen aus Talent Qualität entstehen lassen.

DFB.de: Was unternimmt der DFB auf dem Gebiet der Wissenschaft?

Flick: Über einige Ansätze haben wir ja bereits gesprochen. Es gibt daneben etliche andere Gebiete, in denen der DFB seinen Auftrag, den Fußball zu fördern, gerecht wird. Sogar in einem durchaus bereits sehr ausgeleuchteten Bereich wie dem der Gesundheit. Dennoch können hier etwa zum Schlafverhalten noch Abläufe optimiert werden. Dabei steht der Mensch, der einzelne Spieler immer im Mittelpunkt. Der Spieler muss sich auch wohlfühlen, das ist sicher immer die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg. In der AG Wissenschaft des DFB wird im Bereich der Forschung generell ein sehr wertvoller Beitrag geleistet. Dabei fördert und begleitet der DFB kontinuierlich fußballbezogene Forschung, aktuell sind das 30 Projekte. Die Themen erfassen ein extremes Spektrum, nicht alle sind unmittelbar leistungsbezogen, und sie sind gleichwohl sehr wichtig. Über die AG Wissenschaft unterstützt der DFB beispielsweise auch die Erforschung des DDR-Fußballs, das ist nur ein Beispiel unter vielen.

DFB.de: Und der DFB veranstaltet den DFB-Wissenschaftskongress.

Flick: Genau. Im Januar 2016 bereits zum dritten Mal. Die beiden ersten Ausgaben waren große Erfolge. Mit dem DFB-Wissenschaftskongress haben wir eine Plattform für die enge Verzahnung zwischen den spannenden Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung und der Praxis des Fußballs geschaffen. Den Bedarf dafür gibt es, das hat die Resonanz in den vergangenen Ausgaben gezeigt. 2013 haben wir 360 Teilnehmer aus sieben Nationen begrüßen können - ich finde, das ist eine stolze Zahl. Auf dem Kongress wird auch der mit 30.000 Euro dotierte DFB-Wissenschaftspreis verliehen. Ich glaube, dass wir mit gutem Grund sagen können, dass der DFB im Bereich der Wissenschaft seine Rolle als Zugpferd im deutschen Fußball angenommen hat.

###more###

DFB.de: Als DFB-Sportdirektor treiben Sie die Entwicklung einer eigenen Spielauffassung voran. Nutzen Sie hierfür auch wissenschaftliche Erkenntnisse?

Flick: Diese Frage führt zur fast philosophischen Folgefrage, wo Wissenschaft beginnt. Für mich gehört die Beobachtung als Methode unbedingt dazu, auch wenn sie die wissenschaftlichen Gütekriterien nicht immer so exakt erfüllt wie beispielsweise eine Laktat- oder Geschwindigkeitsmessung. Und genau das haben wir als ersten Schritt bei der Entwicklung der neuen Spielauffassung getan. Wir haben eine Weltstandanalyse gemacht, sind der Frage nachgegangen, in welchen Systemen und Ideen die Topteams auf der ganzen Welt Fußball spielen. Daraus haben wir systemunabhängige Leitlinien verfasst, die aus unserer Sicht eine überdauernde Grundauffassung des Fußballspiels darstellen. Wir haben versucht, die Spielwirksamkeit von Aktionen zu identifizieren. Bei einem Tor ist das einfach, bei einer Vorlage auch. Anders sieht es aus bei einem zugelaufenen Raum oder einem Pass zum Nebenmann im Abwehrdrittel. Dieser Bereich ist sehr komplex und noch sehr wenig verwissenschaftlicht. Hier wollen wir neue Methoden entwickeln, um taktisches Verhalten und die Spielleistung objektiver und verlässlicher zu diagnostizieren, zu steuern und zu optimieren.

DFB.de: Die WM 2014 haben Sie noch aus der Perspektive des Assistenztrainers erlebt. Hat Ihnen die Wissenschaft auf dem Weg zum WM-Titel geholfen?

Flick: Unbedingt. Die Wissenschaft hat uns während der gesamten Zeit begleitet, unter vielen Aspekten. Ganz wesentlich auch bei der Entwicklung der Strategie für das Turnier, auch in der Belastungssteuerung, in der Frage, wann im Rahmen der Vorbereitung welche Reize gesetzt werden. Die WM in Brasilien war klimatisch und logistisch ein Turnier der Extreme. Um den Belastungen Stand zu halten, war die Expertise von Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer sehr wesentlich, auch in der Frage, zu welchen Zeitpunkten die Anreise zu den Spielen sinnvoll ist. Genauso die Abreise. Bei so einem Turnier ist Regeneration ein großes Thema, die Eistonnen sind dafür ein gutes Beispiel. Die Spieler steigen in diese nicht hinein, weil sie Kälte so mögen, sondern weil sie spüren, dass ihnen diese bei der Regeneration hilft. Und dieses Gefühl ist durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegt.

DFB.de: Können wissenschaftliche Erkenntnisse auch den Amateur- und Jugendtrainern an der Basis helfen?

Flick: Absolut. Aus meiner Sicht ist das Ganze ein Zusammenspiel. In der DFB-Akademie, und schon vorher, ermitteln wir im ersten Schritt, welche Leistungen wir im auf Topniveau von unseren Spielern verlangen. Damit hört die Forschung aber nicht auf. Die logische Anschlussfrage ist doch, wie unsere Talente ausgebildet werden müssen, um diese Leistungen bringen zu können. Deswegen ist es zwingend, dass wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse so aufbereiten, dass sie an der Basis nutzbar sind. Das Eine geht nicht ohne das Andere.