FAQ: Verbandsrecht

  1. Verbandsgerichtsbarkeit ist die Streitentscheidung innerhalb eines Verbandes gegenüber den Verbands- bzw. Vereinsmitgliedern auf der Grundlage verbandseigener Regelwerke. Auf den DFB übertragen bedeutet dies, dass innerhalb der Sportgerichtsbarkeit des DFB die Mitglieder des DFB belangt werden können, wenn sie gegen die verbandseigenen Regelwerke verstoßen haben. Insofern ist Sportgerichtsbarkeit - anders als mitunter unterstellt - gerade keine quasi-staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber jedermann. Adressat ist nur das Vereinsmitglied, das sich kraft Satzung oder Zulassungsvertrag der vereinsinternen Gerichtsbarkeit unterworfen hat.

  2. Rechtliche Grundlage der Sportgerichtsbarkeit ist das Grundgesetz. Dort ist in Art. 9 Abs. 1 GG die Vereinsautonomie verankert. Davon umfasst ist die Selbstbestimmung der Vereine über die eigene Organisation und das Recht zur autonomen Gestaltung der inneren Verfassung. Und daraus ergibt sich das Recht zur eigenen Rechtsetzung und Rechtsprechung.

  3. Die Verbandsgerichtsbarkeit steht in keiner Konkurrenz zur staatlichen Gerichtsbarkeit und schließt diese auch nicht aus. Im Verhältnis staatlicher Gerichtsbarkeit zur Verbandsgerichtsbarkeit ist zu beachten, dass die Entscheidungen der Sportgerichtsbarkeit durch die staatlichen Gerichte (bzw. unabhängige Schiedsgerichte) überprüft werden können. Die Verbandsgerichtsbarkeit existiert folglich nicht neben der allgemeinen Rechtsordnung, sondern ist gerade Teil dieser.

  4. Zu den größten Vorzügen der internen Rechtsprechung gehören Effizienz und Geschwindigkeit der Entscheidungen. Allein in den ersten drei Herrenligen im Fußball werden pro Jahr ca. 450 sportgerichtliche Streitfälle schnell und endgültig entschieden. Dies ist gerade im professionellen Sport von zentraler Bedeutung, da der sportliche Wettbewerb in einem Streitfall zeitnah Rechtsklarheit und Rechtssicherheit benötigt. Verfahren gegen Spieler und Trainer sind auf DFB-Ebene im Regelfall nach einigen Tagen rechtskräftig entschieden. Für den Betroffenen ist die Verbandsgerichtsbarkeit zudem kostengünstig, denn im Bereich des DFB werden keine Gerichtskosten im klassischen Sinne erhoben. Von der unterlegenen Partei eines Verfahrens sind lediglich die entstandenen Auslagen des (Sport-)Gerichts zu ersetzen.

  5. Die Sportgerichtsbarkeit des DFB ist vom Verfahren und den Begrifflichkeiten her stark an das Strafrecht und das Strafgesetzbuch (StGB) angelehnt. Im Bereich des DFB gibt es einen Kontrollausschuss (Link zur entsprechenden Ausschuss-Seite), der die Aufgaben einer Sport-Staatsanwaltschaft wahrnimmt und Vorfälle untersucht und zur Verbandsgerichtsbarkeit anklagt. Die Gerichtsbarkeit ist im Bereich des DFB zweistufig ausgestaltet, d.h. es gibt ein DFB-Sportgericht (Link zur entsprechenden Ausschuss-Seite), das die Fälle in erster Instanz entscheidet, und darüber eine zweite Instanz als Berufungsgericht, das DFB-Bundesgericht.

  6. Der DFB hat das Prinzip der Gewaltenteilung übernommen. Mit Blick auf andere Verbände bzw. Vereine ist dies im Bereich des Vereinsrechts nicht selbstverständlich. Häufig wird die Sanktionsgewalt in einem Verein durch den Vorstand oder die Mitgliederversammlung und nicht durch satzungsmäßig dafür zuständige Organe ausgeübt. Im Sinne der Gewaltenteilung und der Vermeidung von Interessenkonflikten wird die Vereinsgerichtsbarkeit im Bereich des DFB jedoch durch eigens hierfür zuständige Organe ausgeübt. Um dem Betroffenen innerhalb des Verbandes zudem einen Rechtsweg zu garantieren, ist die Verbandsgerichtsbarkeit des DFB zweistufig ausgestaltet (1. Instanz: Sportgericht, 2. Instanz: Bundesgericht). Dies unterstützt auch die Akzeptanz der Urteile, einerseits bei den Betroffenen und andererseits in der Öffentlichkeit.

  7. Die Rechtsorgane des DFB sind unabhängig. Dies wird durch die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB garantiert. § 3 Nr. 2 DFB-RVO bestimmt, dass die Mitglieder des Sportgerichts und des Bundesgerichts unabhängig sind und nur dem geschriebenen und ungeschriebenen Recht des Sports sowie ihrem Gewissen unterworfen sind. Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Sportgerichts und des Bundesgerichts wird zudem über die Satzung des DFB garantiert. § 38 Nr. 2 DFB-Satzung legt fest, dass Mitglieder des Sportgerichts und des Bundesgerichts anderen Organen und Ausschüssen des DFB grundsätzlich nicht angehören dürfen.

  8. Nach § 15 DFB-RVO entscheidet das Sportgericht durch den Einzelrichter in allen Fällen ohne mündliche Verhandlung. Kommt es z.B. zu Zuschauerausschreitungen, leitet der Kontrollausschuss des DFB ein Ermittlungsverfahren ein und fordert zunächst die betroffenen Vereine zu einer Stellungnahme auf.

    Nach Eingang der Stellungnahme wird über den weiteren Fortgang entschieden.

    Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, stellt der Kontrollausschuss einen Strafantrag beim Einzelrichter des Sportgerichts. Vergleichbar ist dieser Strafantrag mit einem Strafbefehl durch die Staatsanwaltschaften. Der Strafantrag geht sodann dem Betroffen zu.

    Stimmt der Betroffene dem Strafantrag zu, hat der Einzelrichter dem Strafantrag zu entsprechen (sofern keine grundsätzlichen Bedenken entgegenstehen).

    Stimmt der Betroffene dem Strafantrag des Kontrollausschusses nicht zu, fällt der Einzelrichter ein Urteil. Grundsätzlich erfolgt auch dies noch im schriftlichen Verfahren. Der Einzelrichter darf dabei im Strafmaß nicht über das hinausgehen, was der Kontrollausschuss als Sanktion beantragt hatte.

    Gegen diese schriftliche Einzelrichterentscheidung können dann sowohl der Betroffene als auch der Kontrollausschuss binnen 24 Stunden nach Zugang der Entscheidung eine mündliche Verhandlung vor dem Sportgericht beantragen.

  9. Selten. Die Effizienz der Konfliktlösung im Bereich der DFB-Sportgerichtsbarkeit zeigt sich dadurch, dass die meisten Sportgerichtsverfahren im Einzelrichterverfahren einvernehmlich, d.h. mit Zustimmung des Betroffenen, abgeschlossen werden können. So werden ca. 85 % der Verfahren mit Zustimmung des Betroffenen zum Strafantrag des Kontrollausschusses beendet. Weitere 12 % der Verfahren werden nach einem Einzelrichterurteil im schriftlichen Verfahren rechtskräftig. Eine mündliche Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht ist die Ausnahme und wird nur in ca. 3 % der Fälle beantragt.

  10. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung entscheidet das DFB-Sportgericht nicht mehr nur durch den Einzelrichter, sondern durch ein Gremium in einer Besetzung mit drei Sportrichtern. Dies sind der Vorsitzende des jeweiligen Verfahrens, ein sog. DFB-Beisitzer sowie ein sog. Fachbeisitzer, dessen Auswahl sich nach § 39 DFB-Satzung richtet. Gegen eine Entscheidung des DFB-Sportgerichts ist innerhalb einer Woche Berufung zum DFB-Bundesgericht möglich. Das DFB-Bundesgericht entscheidet verbandsintern abschließend über ein Sportgerichtsverfahren. Das DFB-Bundesgericht entscheidet grundsätzlich in einer Besetzung mit drei, in Fällen grundsätzlicher Bedeutung mit fünf Sportrichtern.

    Vor dem Bundesgericht gilt gemäß § 28 DFB-RVO ein Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Das bedeutet: Entscheidungen können nicht zum Nachteil der die Berufung einlegenden Partei abgeändert werden. Anders ist dies nur, wenn beide Parteien in Berufung gegangen sind.

  11. Für den Bereich des DFB sind die Sanktionen, die die Rechtsorgane des DFB verhängen können, in § 44 Nr. 2 der DFB-Satzung aufgeführt und in der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung konkretisiert, hier insbesondere in den Paragrafen 7 bis 9 DFB-RVO. Der Strafrahmen ist sehr breit. Die häufigsten Fälle sind Geldstrafen und Spielsperren. Gemäß § 44 Nr. 3 der Satzung können mehrere Strafen auch nebeneinander verhängt werden. Zudem sind erzieherische Maßnahmen zulässig, etwa Auflagen zur Verbesserung der Stadioninfrastruktur oder zur Durchführung von gewaltpräventiven Maßnahmen. Seit 2013 ist in der Satzung und der DFB-RVO auch eine Strafaussetzung zur Bewährung vorgesehen. Die Tatbestände lassen sich nach den jeweils betroffen Gruppen – Spieler, Vereine und Tochtergesellschaften, sonstige Personen – sachgerecht differenzieren.

  12. Für Zuschauerfehlverhalten wurden aus Gründen der Transparenz, der Klarheit und der Effizienz eine Strafzumessungsleitfaden (Link Strafzumessungsleitfaden) entwickelt. Darin ist abhängig vom Vergehen (etwa Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen, Eindringen auf das Spielfeld, unsportliche Botschaften) eine Standardstrafhöhe festgelegt, die abhängig von der Ligazugehörigkeit variiert. Das zuständige Rechtsorgan ist nicht daran gehindert, seine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände zu fällen. 

FAQ: Die rechtlichen Konsequenzen einer Roten Karte

  1. Bei einer Roten Karte ist der Spieler bis zur Entscheidung durch die Gerichte gesperrt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf (vorläufige Sperre, § 4 der Rechts- und Verfahrensordnung). Das weitere Verfahren wird durch den Kontrollausschuss des DFB eingeleitet.

  2. Der Kontrollausschuss leitet Ermittlungen ein und stellt im Anschluss an diese seinen Strafantrag an das Sportgericht. Nach Vorgaben der FIFA muss nach einem Feldverweis im Mindestmaß ein Spiel Sperre betragt werden. Der Strafantrag wird dem betroffenen Spieler über seinen Verein bzw. Bevollmächtigten zugestellt. Dieser kann dem Antrag zustimmen oder die Zustimmung verweigern. Das Verfahren geht über in das schriftliche Einzelrichterverfahren.

  3. Ja. Bei einem offensichtlichen Irrtum des Schiedsrichters kann das Verfahren eingestellt und die vorläufige Sperre aufgehoben werden (§ 13 Nr. 2. Rechts- und Verfahrensordnung). Dies geschieht auf Antrag des Kontrollausschusses.

  4. Der Kontrollausschuss stellt nach einer Roten Karte bis 14 Uhr des dem Spieltag nachfolgenden Werktages Strafantrag beim Einzelrichter. Dabei muss der Kontrollausschuss angeben, ob der Spieler dem Strafantrag zugestimmt hat oder nicht. Hat der Spieler zugestimmt, ergeht das Urteil des Einzelrichters, das Strafmaß darf in diesem Fall nicht von dem im Antrag geforderten abweichen. Hat der Spieler dem Antrag des Kontrollausschusses nicht zugestimmt, soll der Einzelrichter bis 10 Uhr des folgenden Werktages sein Einzelrichterurteil im schriftlichen Verfahren sprechen. Er darf dabei in diesem Verfahrensstadium im Strafmaß nicht über das vom Kontrollausschuss beantragte Strafmaß hinausgehen.

  5. Die zulässigen Strafarten ergeben sich aus den § 38 bis 44 der Satzung des DFB. Die häufigsten Fälle sind Spielsperren und Geldstrafen. Beide können nebeneinander verhängt und zur Bewährung ausgesetzt werden.

  6. Entscheidend ist zunächst die Schwere des Vergehens und daneben u.a. die Frage, ob Vorstrafen vorliegen. Als sportgerichtliche Standardfälle sind in § 8 Nr. 1 der Rechts- und Verfahrensordnung u.a. genannt: Unsportliches Verhalten, rohes Spiel gegen den Gegner, Tätlichkeit gegen den Gegner.

  7. Als Sammelbezeichnung ist das unsportliche Verhalten anzuwenden, wenn speziellere Normen nicht greifen. Es erfasst überwiegend leichtere Fälle wie so genannte Notbremsen oder Festhalten des Gegners. Strafandrohung nach einem Feldverweis: ein Spiel; das Höchstmaß beträgt sechs Monate.

  8. Das rohe Spiel ist in § 8 Nr. 1 b der Rechts- und Verfahrensordnung geregelt. Definiert ist es wie folgt: Roh spielt, wer rücksichtslos im Kampf um den Ball den Gegner verletzt oder gefährdet. Strafandrohung: Sperre von mindestens zwei Wochen bis zu sechs Monaten.

  9. Der Tätlichkeit entspricht in den Fußballregeln das dort genannte "gewaltsame Spiel" (Regel 12 Nummer 2). Eine Tätlichkeit ist gegeben, wenn der Spieler gewollt mit körperlicher Gewalt gegen einen Gegner vorgeht. Treten, Schlagen, Stoßen, Beißen und Spucken sind typische Vergehen. Strafandrohung: von mindestens sechs Wochen bis zu sechs Monaten. Bei Tätlichkeiten bestehen Milderungsmöglichkeiten. Wenn gegen den Spieler unmittelbar vor seinem Vergehen eine sportwidrige Handlung durch den Gegenspieler begangen wurde, wird die Mindeststrafe in der Regel auf drei Spiele herabgesetzt. Das gilt genauso, wenn ein leichterer Fall der Tätlichkeit vorliegt. Beide Milderungsmöglichkeiten können auch zusammen greifen, dann wird die Mindestsperre grundsätzlich auf zwei Spiele reduziert.

  10. Im Grundsatz gilt die Unanfechtbarkeit der Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters. In Fällen krasser Sportwidrigkeit kann das Sportgericht ein Urteil sprechen, auch wenn der Schiedsrichter den Spieler nicht mit der Roten Karte des Feldes verwiesen hat. Nach § 8 Nr. 8 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB gilt dies dann, wenn der Schiedsrichter das Fehlverhalten des Spielers nicht wahrgenommen hat. Denn dann liegt keine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters vor, die es zu schützen gilt. In der Praxis sind diese Fälle nach Einführung des Video Assistant Referee für den Bereich der 1. Bundesliga und 2. Bundesliga in erheblichen Umfang reduziert.

  11. Krass sportwidrig sind besonders verwerfliche Handlungen, deren Verfolgung unerlässlich ist. Beispiele sind (in der Form der Tätlichkeit gegen den Gegner): Treten des Gegners in den Unterleib, gegen den Kopf, Ellenbogenschlag in das Gesicht des Gegners, Kopfstoß und versuchter Kopfstoß. Oder (in der Form des unsportlichen Verhaltens): obszöne, beleidigende Handbewegungen, z.B. Zeigen des Mittelfingers, oder diskriminierende Verhaltensweisen.

  12. Wenn der Spieler und sein Verein und der Kontrollausschuss das Urteil akzeptiert haben, wird das Urteil rechtskräftig. Wenn nicht, geht das Verfahren auf die nächste Ebene. Nach § 15 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung können die Betroffenen binnen 24 Stunden nach Zugang der Einzelrichterentscheidung beim Sportgericht Einspruch einlegen. Die Folge ist eine mündliche Verhandlung vor dem Sportgericht.

  13. Das Sportgericht besteht aus dem Vorsitzenden und seinen beiden (Fach-)Beisitzern. Der Vorsitzende leitet die Verhandlung. Zur Verhandlung zu laden sind die Parteien, die Zeugen und die Sachverständigen. Für eine Partei sind höchstens zwei Vertreter (Verteidiger) zugelassen (§ 16 Rechts- und Verfahrensordnung).

  14. Wenn der Spieler und der Kontrollausschuss das Urteil akzeptiert haben, wird das Urteil rechtskräftig. Andernfalls haben sie die Möglichkeit der Berufung. Die Berufung zum DFB-Bundesgericht ist innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils schriftlich beim DFB-Bundesgericht einzulegen und spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe schriftlich zu begründen (§25 Nr. 1 Rechts- und Verfahrensordnung). Das DFB-Bundesgericht entscheidet den Fall nach mündlicher Verhandlung endgültig. Dabei gilt das so genannte Verschlechterungsverbot (§ 28 Rechts- und Verfahrensordnung). Das Bundesgericht darf keine Entscheidung fällen, die im Strafmaß über die vom Berufungsführer angefochtene Entscheidung hinausgeht.