HSV: Der vergessene Triumph in Rosa

DFB.de erinnert in einer fünfteiligen Serie an die deutschen Triumphe beim Europapokal der Pokalsieger, der zwischen 1960 und 1999 ausgetragen wurde. Heute: Der Hamburger SV gewinnt im Finale 1977 gegen Titelverteidiger RSC Anderlecht.

Der HSV im Europapokal, da fällt jedem sofort der Tag von Athen ein. Im Mai 1983 schoss Felix Magath aus dem Hintergrund mit links rechts oben in den Winkel und Dino Zoff streckte sich vergeblich. Das 1:0 im Landesmeister-Pokal gegen Juventus Turin überstrahlt bis heute alle Erfolge und macht es jeder Spielergeneration schwer, weil alle daran gemessen werden.

Schon mit dem Fakt, dass der HSV in drei Europacup-Endspielen stand, wird man in Stammtischrunden oder Fan-Foren für Erstaunen sorgen. Eines der beiden vergessenen Finals haben sie sogar gewonnen und wieder war Felix Magath unter den Torschützen: Am 11. Mai 1977 in Amsterdam.

Der vergessene Triumph – hier lebt er noch mal auf

1976 hatte der HSV in einer beispiellosen Hitzeschlacht in Frankfurt gegen den 1. FC Kaiserslautern den Pokal gewonnen (2:0) und war auch Vizemeister geworden. Nun forderte der ehrgeizige Manager Dr. Peter Krohn, zuvor Präsident, mehr: die Meisterschaft und den Europapokal der Pokalsieger, den man 1968 (0:2 gegen AC Mailand) noch knapp verpasst hatte. Mittelfristig wollte er den HSV "zur stärksten Klubmannschaft der Welt machen.“ Zur Aufbruchstimmung passten die rosa Trikots, in die Krohn die Mannschaft steckte, angeblich um mehr Frauen ins Stadion zu locken. All das kollidierte stark mit den Vorstellungen und Ansichten von Trainer Kuno Klötzer, ein Mann der alten Schule, für den schon ein Sieg bei Bayern München "ein Wunder“ war. Der Dissens der Alpha-Tiere prägte die Saison 1976/1977 und es mutet wie ein Wunder an, dass sie im Triumph endete.

Quasi in jeder Europacuprunde auf dem Weg nach Amsterdam gab es Ärger. Vor dem ersten Spiel gegen IF Kevlavik aus Island lästerte Krohn über Klötzer: "Er hat kein taktisches Konzept“ und forderte bis Weihnachten eins ein, "schließlich habe ich einen Stern mehr“. Klötzers Antwort: "Krohn soll sich um die Finanzen kümmern. Ich bin der Trainer.“ Dessen Anweisungen reichten zu einem 3:0-Heimsieg, schon nach acht Minuten stand es 2:0, und einem 1:1 vor nur 2000 Zuschauern in Keflavik, das Krohn aber derart missfiel, dass er die Prämie (3000 DM pro Kopf) halbieren wollte. Es blieb bei der Drohung. Dass er auf der Reise nach Island mit Klötzer kein Wort sprach, hielt er aber durch.



DFB.de erinnert in einer fünfteiligen Serie an die deutschen Triumphe beim Europapokal der Pokalsieger, der zwischen 1960 und 1999 ausgetragen wurde. Heute: Der Hamburger SV gewinnt im Finale 1977 gegen Titelverteidiger RSC Anderlecht.

Der HSV im Europapokal, da fällt jedem sofort der Tag von Athen ein. Im Mai 1983 schoss Felix Magath aus dem Hintergrund mit links rechts oben in den Winkel und Dino Zoff streckte sich vergeblich. Das 1:0 im Landesmeister-Pokal gegen Juventus Turin überstrahlt bis heute alle Erfolge und macht es jeder Spielergeneration schwer, weil alle daran gemessen werden.

Schon mit dem Fakt, dass der HSV in drei Europacup-Endspielen stand, wird man in Stammtischrunden oder Fan-Foren für Erstaunen sorgen. Eines der beiden vergessenen Finals haben sie sogar gewonnen und wieder war Felix Magath unter den Torschützen: Am 11. Mai 1977 in Amsterdam.

Der vergessene Triumph – hier lebt er noch mal auf

1976 hatte der HSV in einer beispiellosen Hitzeschlacht in Frankfurt gegen den 1. FC Kaiserslautern den Pokal gewonnen (2:0) und war auch Vizemeister geworden. Nun forderte der ehrgeizige Manager Dr. Peter Krohn, zuvor Präsident, mehr: die Meisterschaft und den Europapokal der Pokalsieger, den man 1968 (0:2 gegen AC Mailand) noch knapp verpasst hatte. Mittelfristig wollte er den HSV "zur stärksten Klubmannschaft der Welt machen.“ Zur Aufbruchstimmung passten die rosa Trikots, in die Krohn die Mannschaft steckte, angeblich um mehr Frauen ins Stadion zu locken. All das kollidierte stark mit den Vorstellungen und Ansichten von Trainer Kuno Klötzer, ein Mann der alten Schule, für den schon ein Sieg bei Bayern München "ein Wunder“ war. Der Dissens der Alpha-Tiere prägte die Saison 1976/1977 und es mutet wie ein Wunder an, dass sie im Triumph endete.

Quasi in jeder Europacuprunde auf dem Weg nach Amsterdam gab es Ärger. Vor dem ersten Spiel gegen IF Kevlavik aus Island lästerte Krohn über Klötzer: "Er hat kein taktisches Konzept“ und forderte bis Weihnachten eins ein, "schließlich habe ich einen Stern mehr“. Klötzers Antwort: "Krohn soll sich um die Finanzen kümmern. Ich bin der Trainer.“ Dessen Anweisungen reichten zu einem 3:0-Heimsieg, schon nach acht Minuten stand es 2:0, und einem 1:1 vor nur 2000 Zuschauern in Keflavik, das Krohn aber derart missfiel, dass er die Prämie (3000 DM pro Kopf) halbieren wollte. Es blieb bei der Drohung. Dass er auf der Reise nach Island mit Klötzer kein Wort sprach, hielt er aber durch.

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Im Europacup wuchsen sie über sich hinaus

In Runde zwei kam Hearts of Midlothian Edinburgh in den Volkspark, 22.000 wollten die Schotten sehen. Wieder gab es einen Blitzstart, Ole Björnmose traf in der 2. Minute. Am Ende stand ein 4:2 und alle ärgerten sich über den zweiten Gästetreffer in letzter Minute. In der Liga waren die Hamburger nach einem 2:6 bei den Bayern nur Zehnter, Klötzer stand vor dem Rückspiel schon vor dem Rauswurf und zuhause in Wien wartete Max Merkel auf den Anruf aus Hamburg. Krohn demontierte Klötzer derweil weiter, in dem er eigentlich Selbstverständliches verkündete: "Für Taktik und Aufstellung ist diesmal Herr Klötzer allein verantwortlich.“ Dieser Spruch wurde zum Bumerang, denn der HSV spielte groß auf, gewann 4:1 (zwei Magath-Tore) und Klötzer erhielt auf dem Bankett demonstrativen Beifall der Spieler. Krohn verließ die Gesellschaft vorzeitig wegen Unwohlsein. Obwohl sie Weihnachten auf Platz elf feierten, blieb Klötzer Trainer – doch einigte er sich mit Krohn auf  die Trennung am Saisonende, was "Ritter Kuno“ als Erlösung empfunden haben musste. Die Saison verlief weiter unbefriedigend, aber im Europacup wuchsen sie über sich hinaus.

Im Viertelfinale bei MTK Budapest reichte ein Volkert-Treffer beim 1:1 für eine gute Ausgangslage nach einem schlechten Spiel. Vor dem Rückspiel der nächste K&K-Krach: Klötzer wollte Horst Blankenburg als Libero aufstellen, Krohn drückte Hans-Jürgen Ripp durch. Noch mehr freute sich der Manager über die Premiere der rosa Trikots, die nach dem 4:1-Sieg natürlich auch nicht mehr ausgezogen werden durften. Fußballer-Aberglaube! Nach dem Spiel gab es Prügel auf dem Bankett, aber nicht zwischen den Alphatieren. Libero Ripp warf einen Betrunkenen quasi ins Büfett, mitten in die Salatschüsseln. Die perfekte Siegesfeier brachten sie irgendwie nicht hin in jenen Tagen.

HSV zoffte sich regelrecht zum Triumph

Dann kam das Halbfinale gegen Atletico Madrid. Vor der Abschlussbesprechung wieder K&K-Zoff, aber nun zwischen Klötzer und seinem Assistenten Krause, den er nach einer Meinungsverschiedenheit aus der Kabine warf. Ein Machtkampf, den Klötzer leichter gewinnen konnte, denn in diesem Fall hatte er einen Stern mehr. Krohn lapidar: "Schade, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist.“ Er war nichts gegen den am Abend vor dem Spiel. Weil Klötzer, die Torhüter Kargus und Kovacic und Volkert sich ein paar Minuten verspäteten, ließ Krohn den Bus ohne sie ins Stadion abfahren, wo trainiert werden sollte. Training ohne den Trainer, was für eine Schlagzeile. Krohn blieb bei seiner Linie: "Ein Trainer hat als Erster am Bus zu sein!“ Klötzer süffisant: "Der HSV ist ja ein Touristik-Unternehmen.“ Dann in Richtung Manager: "Peter, Du würdest nicht mal die Prüfung zum B-Schein schaffen!“ Krohn: "Warte nur Kuno, das hat ein Nachspiel.“ All das am Morgen des Spiels vor aller Ohren in der Hotel-Lobby. Kein Wunder, dass der HSV 1:3 verlor, Magaths Tor ließ die Hoffnung glimmen.

Am 20. April 1977 füllten 61.000 das Volkspark-Stadion restlos und sie bereuten ihr Kommen nicht: schon nach 27 Minuten stand es 3:0, wieder glückte ein Blitzstart. Dabei blieb es, Willi Reimann, Ferdi Keller und ein Eigentor öffneten die Tür zum Finale. Im Vorfeld hatten die Spieler ihrem Unmut Luft gemacht. Rudi Kargus hatte seinen Abschied angedroht "wenn Krohn sich nicht ändert“. Und Kapitän Peter Nogly sagte im Namen der Mannschaft: "Eine solche Zusammenarbeit zwischen Manager, Trainer und Spielern, wie sie momentan herrscht, ist untragbar.“ Wohl selten hat es einen Europapokal-Sieger gegeben, bei dem so viele Dissonanzen herrschten. Dieser HSV zoffte sich regelrecht zum Triumph.

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Finale gegen RSC Anderlecht

Den schafften sie gegen Titelverteidiger RSC Anderlecht am 11. Mai 1977 – natürlich wieder in Rosa. Es war das einzige Spiel des Wettbewerbs, vor dem Krohn und Klötzer mal nicht die Muskeln spielen ließen. Und trotzdem, mag man witzeln, ging es gut. Ärger machten nur einige Freigänger unter den 20.000 HSV-Fans, denen die Justiz die Reise nach Amsterdam eigentlich nicht erlaubt hatte. Aber bei diesem Spiel wollte jeder dabei sein, der konnte. 65.000 füllten die Ränge des Olympia-Stadions. Nach nervösem Beginn waren zunächst die favorisierten Belgier die bessere Elf und Kargus lenkte einen Schuss von Dockx an den Pfosten. Aber die zweite Hälfte gehörte dem HSV, der sich den Pokal nun verdiente. Der Schlüssel zum Sieg: Manfred Kaltz schaltete Rob Rensenbrink, Belgiens Fußballer des Jahres, aus. Der Kicker schrieb: "Jedermann in Europa wußte vor dem Spiel, wer Rensenbrink war. Heute weiß jeder, wer Kaltz ist.“

Und man musste sich auch noch ein paar andere Namen merken. Peter Hidien wuchs an der Aufgabe gegen Rechtsaußen Ressel (Hidien: "So viel musste ich in meinem ganzen Leben noch nicht laufen“) und Linksaußen Georg Volkert demonstrierte, dass er mit 31 noch nicht zu alt für höhere Aufgaben war. Am Tag nach dem Finale lud ihn Bundestrainer Helmut Schön nach acht Jahren Pause wieder zur Nationalmannschaft ein. Volkert demonstrierte auch Nervenstärke, verwandelte nach 82 Minuten den von Arno Steffenhagen herausgeholten Elfmeter. Fünf Tage zuvor in der Bundesliga hatte er gegen Duisburg noch verschossen, aber jetzt, "da geht’s um so viel Geld, da ist man eiskalt“, lieferte er eine höchst professionelle Begründung für seinen sicheren Abschluss. In letzter Minute legte Volkert nach einem Konter dem jungen Felix Magath noch das 2:0 auf und dann hatten sie ihn, den Europapokal der Pokalsieger.

Siegesfeier im Hotel

Später auf der Feier im Hotel Mariot geschah Unglaubliches. Peter Krohn ging vor Kuno Klötzer auf die Knie und würdigte mit dieser Geste seine Leistung. Klötzer ging unter dem Jubel der Fans ("Kuno, Du darfst nicht gehen!“) als Triumphator nach Berlin. In aufgeräumter Stimmung bedankte er sich sogar bei den Journalisten, "meinen treuen Wegbegleitern“. Ganz zum Schluss gab es dann doch noch Ärger, wie hätte es auch anders sein können? Als die Kellner in den Morgenstunden des 12. Mai die Sperrstunde im Hotel Mariott ausriefen, war von Peter Krohn nichts mehr zu sehen und so musste jeder Gast seine Zeche selbst zahlen. Auch die Spieler! In der Stunde ihres größten Triumphs konnten sie es verschmerzen.

Die Sieger-Mannschaft: Rudi Kargus – Manfred Kaltz, Hans-Jürgen Ripp, Peter Nogly, Peter Hidien – Caspar Memering, Felix Magath, Arno Steffenhagen – Ferdi Keller, Willi Reimann, Hans-Georg Volkert.

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