Schwalben und andere Simulationen: Betrug am Fußball

Wann es einen Einwurf oder eine Ecke gibt, ist wohl jedem Fußballer bekannt. Doch was passiert, wenn ein Auswechselspieler einfach während der Partie auf das Spielfeld läuft und ein Tor verhindert? Warum gibt es nicht für jedes Handspiel eine gelbe Karte? Wie viele Spieler muss eine Mannschaft eigentlich mindestens haben? In der Regelecke werden verschiedene Regeln und deren aktuelle Auslegung anschaulich erklärt. Heute: Schwalben und andere Simulationen.

Unter der Überschrift „Verwarnung für unsportliches Betragen“ heißt es im aktuellen Regeltext der FIFA:

Ein Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen, wenn er versucht, den Schiedsrichter durch das Simulieren einer Verletzung oder eines angeblichen Fouls (,Schwalbe’) zu täuschen.

Ging es der FIFA bei dieser Ergänzung der Spielregeln zunächst nur um das unberechtigte Herausschinden eines Strafstoßes oder das Vortäuschen eines Fouls durch einen Gegenspieler, so haben sich inzwischen weitere Formen des Simulierens im Fußball eingeschlichen, die ebenfalls als „unsportlich“ einzustufen sind. Auch sie müssen entsprechend der Regel 12 bestraft werden.

Mal lassen sich Spieler nach einer Berührung theatralisch fallen und täuschen den Kopfstoß eines Gegners vor, mal wehren sie einen Ball auf der Torlinie mit der Hand ab und drehen ihren Oberkörper dabei so, dass der Schiedsrichter eine Abwehr mit der Brust vermutet.

Schließlich kommt es auch vor, dass angreifende Spieler den Ball mit einer schnell vorgestreckten Hand ins Tor lenken, wobei mitunter selbst die Fernsehkameras diese Vergehen erst in der Zeitlupe und nach mehrfacher Wiederholung sichtbar machen. Solche Spieler verhalten sich damit unsportlich im Sinne der Spielregeln und verstoßen gegen das Fair Play auf dem grünen Rasen. Letztlich schaden sie dem Fußballspiel und betrügen nicht nur die gegnerische Mannschaft, sondern zugleich alle am Fußball beteiligten Fans.

Schmaler Grat zwischen Foul und Schwalbe

In einer Umfrage unter 94 Schiedsrichtern wurde deutlich, dass diese Unsportlichkeiten der Vorbilder aus dem bezahlten Fußball mittlerweile bis zu den Nachwuchsspielern ihre Nachahmer finden. Volker Seekamp, der Schiedsrichter-Lehrwart im Fußballkreis Bremen-Nord, sagt: „Was die Jugendspieler und Kreisklassen-Fußballer am Samstag in der Bundesliga sehen, das müssen unsere Unparteiischen an der Basis am Tag darauf ausbaden, denn Simulieren gehört auch dort längst zum Fußball-Alltag. Inzwischen lassen sich selbst einige Funktionäre von solchen Schauspieleinlagen anstecken.“

Zu beachten ist bei Simulationen von Spielern jedoch, dass der Grat der Bewertung durch den Schiedsrichter gerade bei der Vermutung einer „Schwalbe“, wie auch bei scheinbar simulierten Verletzungen, sehr schmal ist.

Ist nicht eindeutig zu erkennen, ob sich ein Angreifer hat fallen lassen oder ob er bei einem fußballtypischen Zweikampf gestürzt ist, sollte der Schiedsrichter das Spiel nicht unterbrechen, sondern auf „Weiterspielen“ entscheiden. Noch zu häufig werden Spieler verwarnt, die im gegnerischen Strafraum beim Kampf um den Ball zu Fall kommen, ohne dass eine Simulation vorliegt. Bei knappen Spielständen kommt es immer wieder vor, dass ein Akteur gegen Ende eines Spiels eine Verletzung simuliert, um zunächst auf dem Platz behandelt zu werden und damit wertvolle Zeit verstreichen zu lassen.

Kaum vom Spielfeld geschickt und draußen behandelt, meldet er sich wieder an und will weiter am Spiel teilnehmen. Für alle Beteiligten kommt die schnelle Gesundung des Spielers dann überraschend. Die verloren gegangene Zeit muss der Schiedsrichter deshalb konsequent nachspielen lassen.

Schiedsrichter, Spieler und Fans sollen getäuscht werden

Im Duden wird das Wort „simulieren“ definiert als „lügen, vormachen als ob, vorgaukeln, vorgeben, so tun als wenn, vorspielen, vortäuschen, schauspielern“. Daran wird deutlich, dass solch ein Verhalten versteckt und mit allen Raffinessen durchgeführt wird. Der Schiedsrichter, alle anderen Spieler, die Offiziellen, die Fans und auch die Medien sollen also getäuscht werden, damit der Spieler für sich und seine Mannschaft durch diesen Betrug am Fußball einen Vorteil bekommt.

Dem Schiedsrichter wird es nur dann gelingen, dies zu erkennen, wenn er jederzeit mit solch einem taktischen Mittel seitens einzelner Spieler rechnet, über ein angemessenes Maß an Erfahrung verfügt und auf der Grundlage einer guten körperlichen Verfassung das jeweils passende Stellungsspiel zum Geschehen einnimmt.

Hat der Unparteiische eine solche Simulation erkannt, dann muss er mit der nötigen Konsequenz bei der Persönlichen Strafe sowie der entsprechenden Spielstrafe eingreifen. Arbeitet der Unparteiische im Team mit seinen Assistenten, so kommt diesen bei der Zusammenarbeit eine besondere Bedeutung zu.

Vier Fragen an Robert Hartmann: "Fallbewegung ohne Impuls"

„Schwalben“ sind oft an einem untypischen Fallmuster der Spieler erkennbar – nämlich dann, wenn eine Bewegung vorgetäuscht wird, ohne dass ein auslösender Impuls erkennbar ist.

Wie kann ich als Schiedsrichter einen Stürmer entlarven, wenn dieser mit einer „Schwalbe“ einen Strafstoß herausholen möchte?

Robert Hartmann: „Schwalben“ sind oft an einem untypischen Fallmuster der Spieler erkennbar – nämlich dann, wenn eine Bewegung vorgetäuscht wird, ohne dass ein auslösender Impuls erkennbar ist.
Ein wichtiger Fakt in diesem Zusammenhang ist: Nicht jeder „Faller“, der keinen Strafstoßpfiff nach sich zieht, muss zwingend eine „Schwalbe“ sein. Manchmal geht ein Angreifer auch im Zweikampf zu Boden, ohne dass eine Täuschungsabsicht vorliegt. Dann ist „Weiterspielen“ die richtige Entscheidung.

Was kann ich als Schiedsrichter bereits präventiv tun, um im Strafraum eine Zweikampf-Situation richtig zu bewerten?

Hartmann: Grundlage für die korrekte Zweikampf-Beurteilung, nicht nur im Strafraum, ist ein gutes Stellungsspiel mit ausreichender Nähe zum Spiel und einem optimalen Blickwinkel zur Situation. Welche Position die richtige ist, ist situativ oft unterschiedlich. Dennoch kann man sich als Schiedsrichter bereits im Vorfeld Gedanken machen: durch die Analyse von Spielzügen, aber auch anhand der Eigenarten von Spielern, wie diese in ihre Zweikämpfe gehen. Dann kann man alsSchiedsrichter seine Position entsprechend wählen und rechtzeitig in Stellung laufen.
Zusätzlich ist es hilfreich, sich grundsätzlich mit Fallmustern auseinanderzusetzen und Kriterien im Kopf zu speichern, die man während des Spiels abrufen kann.
Merkt der Schiedsrichter während des Spiels, dass Spieler ihn bewusst täuschen wollen, dann darf er eine „Schwalbe“ nicht nur mit einem indirekten Freistoß für den Gegner ahnden, sondern muss auch zwingend die Gelbe Karte für den Simulanten geben. So setzt der Schiedsrichter ein Zeichen, dass er gegen Täuschungsversuche rigoros vorgeht.

Welche Hilfestellung können die neutralen Schiedsrichter-Assistenten geben, wenn es um die Frage geht: „Schwalbe“ – ja oder nein?

Hartmann: Je nach Ort der Zweikampfs haben die neutralen Assistenten die Möglichkeit, die Situation noch einmal aus einer anderen, zusätzlichen Perspektive zu beurteilen.
Insbesondere wenn der Schiedsrichter von „hinten“ auf eine Situation schaut, kann der Assistent durch seine Seiteneinsicht einen wichtigen Hinweis liefern – ob beispielsweise der Ball vom Verteidiger gespielt wurde, ob ein Foulspiel oder ob eine „Schwalbe“ vorlag.
Durch eine gezielte Absprache vor dem Spiel, speziell für solche Situationen, kann das Schiedsrichter-Team dann zur richtigen Entscheidung kommen.

Eine andere Form der Simulation kann vorliegen, wenn ein Spieler eine Verletzung vortäuscht, während sein Team kurz vor Schluss in Führung liegt. Wie sollte ich als Schiedsrichter agieren, wenn ich eine solche Simulation vermute?

Hartmann: In solchen, meist hektischen Situationen sollte der Schiedsrichter kühlen Kopf bewahren. Das heißt, Erstbehandlung des Spielers auf dem Feld zulassen und die Betreuer deutlich auffordern, die Behandlung danach außerhalb des Spielfelds fortzusetzen.
Oftmals hilft es, proaktiv den reklamierenden Spielern des in Rückstand liegenden Teams klarzumachen, dass die verloren gegangene Zeit nachgespielt wird. Dies muss der Schiedsrichter dann natürlich auch konsequent tun und möglicherweise auch eine bereits angezeigte Nachspielzeit noch einmal verlängern.