Wolfgang Niersbach wird 60: "Ein normaler Geburtstag"

Am Dienstag wird DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach 60 Jahre alt. Zwei Drittel seiner Lebenszeit hat er mit dem Fußball verbracht. Erst von 1973 an als Sportjournalist, danach ab 1988 als DFB-Pressechef und als Vizepräsident des WM-OK 2006, ehe er 2007 zum Generalsekretär des weltweit größten Einzelsportverbandes berufen wurde.

An der Spitze der DFB-Zentrale verkörpert der Rheinländer in einer Mischung aus Autorität, Teamgeist und Überzeugungskraft Kommunikation und Transparenz, wobei ihm sein ausgleichendes Naturell, sein Humor und sein Talent als Verhandlungspartner entgegenkommen.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt Niersbach auf seine berufliche Entwicklung zurück, beschreibt große Momente, aber auch schwierigste Situationen - und benennt die Persönlichkeiten, die ihn nachhaltig geprägt haben. Zudem weist der gut vernetzte und auch auf internationalem Parkett trittsichere Spitzenfunktionär auf die aktuellen dienstlichen Schwerpunkte und seine persönlichen Visionen hin.

DFB.de: Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag, Herr Niersbach! Wie fühlt sich ein in jeder Beziehung ungemein aktiver Mensch fünf Jahre vor dem Eintritt ins Rentenalter?

Wolfgang Niersbach: Unverändert gut. Fast hätte ich gesagt, wie mit 40 oder 50. Dennoch ist es ein irgendwie komisches und befremdliches Gefühl, dass mein Alter jetzt mit eine „6“ beginnt. Trotz dieser seltsamen Zahl verschwende ich aber keinen einzigen Gedanken an den Ruhestand.

DFB.de: Mehr als 40 ihrer 60 Lebensjahre haben Sie im Fußball und seinen Institutionen verbracht. In den unterschiedlichsten Funktionen und Positionen. Welche dieser Aufgaben hat Sie am nachhaltigsten geformt?

Niersbach: Entscheidend und am wichtigsten war die kontinuierliche Entwicklung bei meinem beruflichen Werdegang. Es gab bei mir keinen Raketenstart, der mich von Null auf eine Führungsposition gebracht hätte, die ich gar nicht erfüllen konnte. Ich habe den Journalismus in kleinsten Schritten von der Pike auf gelernt, angefangen mit einer Kurzmeldung über drei Zeilen bis hin zu großen Reportagen und auch Büchern. Ohne diesen ersten Schritt, der ja 15 Jahre gedauert hat, ohne diese Erfahrungen hätte ich nie die Aufgaben eines DFB-Pressechefs erfüllen können. Und mit dem Wissen eines Pressechefs, das ja nicht nur Journalismus umfasst, sondern auch viel Organisation, Management und Strategie, wäre ich nicht vorbereitet gewesen für die nächsten Schritte hin zur WM 2006 - und danach für die Position des DFB-Generalsekretärs, die ja nie mein Lebensziel gewesen war.

Wolfgang Niersbach wird 60

DFB.de: Welche Highlights, welche großen Momente fallen Ihnen heute im Rückblick auf diese Entwicklung spontan ein?

Niersbach: Allein die Tatsache, hautnah bei den großen Fußballereignissen dabei zu sein, war ein einziges Highlight. Meine ersten WM-Turniere 1974 hier in Deutschland und danach 1978 in Argentinien. Reisen und Berichten zum Beispiel aus Südamerika war in den 70er-Jahren für einen Journalisten noch ein echtes Abenteuer. Ein ganz großer Moment beim DFB war für mich natürlich die WM 1990 in Italien. Man sieht es deutlich an dem Originaltrikot und den Bildern in meinem Arbeitszimmer, welch großes emotionales Ereignis dieser WM-Titelgewinn für mich war. Das größte berufliche Geschenk war aber zweifellos die WM 2006. Als mein Vorgänger Horst R. Schmidt und ich im Herbst 1992 dem DFB-Vorstand den Vorschlag machten, uns um diese WM zu bewerben, da dachte mancher, was solch ein utopischer Gedanke 14 Jahre vorher überhaupt für einen Sinn machen würde. Wenn ich an diese Jahre von der Bewerbung über die Welcome-Weltreise mit Franz Beckenbauer und das wunderbare Sommermärchen bis zur Abschlussdokumentation im Herbst 2006 denke, die ich alle mitmachen durfte, dann würde ich die Zeit am liebsten noch mal zurückdrehen.

DFB.de: Welche Persönlichkeiten haben Sie auf diesem langen Weg am stärksten geprägt und beeinflusst?

Niersbach: Sicherlich so überragende Persönlichkeiten wie die DFB-Präsidenten seit meinem Amtsantritt in Frankfurt. Hermann Neuberger, Egidius Braun, Gerhard Mayer-Vorfelder und jetzt Theo Zwanziger. Das größte Wunder aber ist meine Freundschaft zu Franz Beckenbauer und Günter Netzer. Die beiden habe ich 1972 beim EM-Titelgewinn in Belgien als Fan auf der Tribüne von Antwerpen und Brüssel bewundert. In der Mannschaft, die bis heute als das vielleicht beste Nationalteam der DFB-Geschichte gilt. Inzwischen zählen beide seit etlichen Jahren zu meinen besten Freunden. Das ist fast surreal und skurril. Bei all den vielen Terminen finden wir immer wieder die Zeit, wöchentlich miteinander zu sprechen und Kontakt zu halten.

DFB.de: Welche Situation würden Sie als die größte Herausforderung bezeichnen, in der Sie im wahrsten Sinn des Wortes am stärksten gefordert wurden?

Niersbach: Ganz schwierig war die Situation nach den schrecklichen Ereignissen bei der WM 1998 in Frankreich, als wir in Lens zunächst gar nicht mitbekommen hatten, dass deutsche Hooligans den französischen Polizisten Daniel Nivel fast tot geprügelt haben. Diese Situation aufzufangen und darüber nachzudenken, wie und mit welchen Aussagen wir am nächsten Tag vor die Medien treten sollten - es gab ja Forderungen von dritter Seite, unsere Mannschaft aus dem Turnier zurückzuziehen - das war für unsere gesamte Delegation extrem schwierig. 1998 war für mich ohnehin ein sehr belastendes Jahr.

DFB.de: Weshalb?

Niersbach: Weil meine Freundschaft zu Berti Vogts im Zusammenhang mit seinem damaligen Rücktritt als Bundestrainer und der Suche nach dem Nachfolger sehr gelitten hat. Zwischen uns beiden ist zwar längst wieder alles bereinigt. Doch auch das war damals wirklich eine Extremsituation.

DFB.de: Was konnten Sie aus Ihrer vielfältigen beruflichen Vergangenheit am wirkungsvollsten in Ihre heutige Tätigkeit als Generalsekretär einbringen?

Niersbach: Vielleicht meine Fähigkeit zur Kommunikation. Bei diesem Job an der Spitze des Hauptamtes mit seinen 100 oder 1000 Themen pro Woche muss man delegieren, einordnen und Prioritäten setzen können - und man muss vor allem auch kommunizieren. Viele Leute erwarten zu unterschiedlichsten Themen, in denen man manchmal gar nicht so hundertprozentig drinsteckt, klare Entscheidungen. Hinzu kommt die Personalführung in einer Verbandszentrale mit 210 Mitarbeitern inklusive der Trainer, von denen jeder seine speziellen Wünsche und individuellen Sorgen hat, die ich ja auch früher immer bei meinem Vorgänger als Generalsekretär vorbrachte. Das ist schon sehr fordernd und benötigt sorgfältige Kommunikation.

DFB.de: Und auch Gelassenheit?

Niersbach: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass ich im Laufe der Jahre ein großes Stück ruhiger geworden bin. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal richtig ausgeflippt bin.

DFB.de: Was würden Sie als den momentanen Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Generalsekretär bezeichnen?

Niersbach: Den DFB so stark und auch wirtschaftlich so unabhängig zu halten, wie er ist. Wenn ich konkret an das Jahr 2011 denke, ist natürlich die erste Frauen-WM bei uns in Deutschland ein gewaltiges Stück Arbeit. Ich bin jedoch total optimistisch, dass auch diese WM gelingen wird. Daneben beginnen 2011 schon wieder die Fernsehverhandlungen, deren positiver Ausgang für uns elementar wichtig ist. Der DFB kann stolz darauf sein - und ich muss auch deswegen meine Vorgänger immer wieder nur loben -, dass er als einziger Sportverband keine öffentlichen Zuschüsse bekommt, seine Angelegenheiten selbst regelt und damit in der Lage ist, seinen sportlich Verantwortlichen in allen Bereichen das Kreuz frei zu halten. Unsere Sponsoren sind allererste Klasse. Sie wollen aber auch erstklassig von uns betreut werden. Das ist kein Mäzenatentum alter Prägung, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

DFB.de: Ein DFB-Generalsekretär muss zuallererst Realpolitiker zur Bewältigung des Tagesgeschäfts sein. Kann er sich darüber hinaus auch Visionen leisten?

Niersbach: Die Vision eines Sportverbandes besteht zunächst einmal darin, früher oder später internationale Titel zu gewinnen. Unsere Pokalvitrinen sind zwar relativ gut bestückt. Für die eine oder andere große Trophäe würden wir aber immer noch einen Platz finden. Darüber hinaus sollte und muss der DFB die Vision haben, seine Verlässlichkeit, seine Seriosität und die hohe Qualität seiner Arbeit zu behalten. Bei allen Fehlern, die auch mir passieren, passieren können und müssen bei 80.000 Spielen Woche für Woche. Eines gibt es hier jedenfalls nie: Langeweile. Immer wenn man glaubt, man hat die Kuh vom Eis geholt, da wird die nächste schon am andern Ende auf die Eisbahn geschoben.

DFB.de: Welche Pläne und Wünsche hat der Privatmann Wolfgang Niersbach?

Niersbach: Wie jeder Sechzigjährige wünsche auch ich mir weiterhin Gesundheit. Vorgestern habe ich Tennis gespielt und im zweiten Satz meinen 18 Jahre jüngeren Nachbarn 6:1 geschlagen - wobei ich unterschlage, dass ich den ersten Satz 4:6 verloren habe. So lange ich so fit bleibe und mich körperlich und geistig frisch fühle, kann und will ich mich nicht beschweren.

DFB.de: Wie feiert der DFB-Generalsekretär eigentlich die runde 60?

Niersbach: Flucht oder Feier, diese Alternative ging auch mir lange durch den Kopf. Ich habe mich am Geburtstag selbst für eine kleine Party im engsten Familien- und Freundeskreis entschieden. Jetzt bin ich natürlich dankbar, dass der DFB für den kommenden Samstag offiziell zu einem größeren Geburtstagsfest mit 120 Gästen eingeladen hat. Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Berti Vogts, Rudi Völler, Jogi Löw, Oliver Bierhoff, Matthias Sammer, Rainer Bonhof und viele andere werden kommen, worüber ich mich sehr freue, und was ich als große Ehre betrachte.

DFB.de: Gibt es überhaupt eine Lokalität in Frankfurt, die groß genug wäre, um all diejenigen in einem schönen Ambiente einzuladen, denen Sie sich als Kommunikationskünstler dank Ihrer vielfältigen engen Kontakte nahe und verbunden fühlen?

Niersbach: Man soll die Kirche im Dorf lassen. Das ist ein normaler Geburtstag und nicht die Enthüllung eines Denkmals. Der Rahmen am Samstag ist absolut angemessen und in Ordnung.

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Am Dienstag wird DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach 60 Jahre alt. Zwei Drittel seiner Lebenszeit hat er mit dem Fußball verbracht. Erst von 1973 an als Sportjournalist, danach ab 1988 als DFB-Pressechef und als Vizepräsident des WM-OK 2006, ehe er 2007 zum Generalsekretär des weltweit größten Einzelsportverbandes berufen wurde.

An der Spitze der DFB-Zentrale verkörpert der Rheinländer in einer Mischung aus Autorität, Teamgeist und Überzeugungskraft Kommunikation und Transparenz, wobei ihm sein ausgleichendes Naturell, sein Humor und sein Talent als Verhandlungspartner entgegenkommen.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt Niersbach auf seine berufliche Entwicklung zurück, beschreibt große Momente, aber auch schwierigste Situationen - und benennt die Persönlichkeiten, die ihn nachhaltig geprägt haben. Zudem weist der gut vernetzte und auch auf internationalem Parkett trittsichere Spitzenfunktionär auf die aktuellen dienstlichen Schwerpunkte und seine persönlichen Visionen hin.

DFB.de: Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag, Herr Niersbach! Wie fühlt sich ein in jeder Beziehung ungemein aktiver Mensch fünf Jahre vor dem Eintritt ins Rentenalter?

Wolfgang Niersbach: Unverändert gut. Fast hätte ich gesagt, wie mit 40 oder 50. Dennoch ist es ein irgendwie komisches und befremdliches Gefühl, dass mein Alter jetzt mit eine „6“ beginnt. Trotz dieser seltsamen Zahl verschwende ich aber keinen einzigen Gedanken an den Ruhestand.

DFB.de: Mehr als 40 ihrer 60 Lebensjahre haben Sie im Fußball und seinen Institutionen verbracht. In den unterschiedlichsten Funktionen und Positionen. Welche dieser Aufgaben hat Sie am nachhaltigsten geformt?

Niersbach: Entscheidend und am wichtigsten war die kontinuierliche Entwicklung bei meinem beruflichen Werdegang. Es gab bei mir keinen Raketenstart, der mich von Null auf eine Führungsposition gebracht hätte, die ich gar nicht erfüllen konnte. Ich habe den Journalismus in kleinsten Schritten von der Pike auf gelernt, angefangen mit einer Kurzmeldung über drei Zeilen bis hin zu großen Reportagen und auch Büchern. Ohne diesen ersten Schritt, der ja 15 Jahre gedauert hat, ohne diese Erfahrungen hätte ich nie die Aufgaben eines DFB-Pressechefs erfüllen können. Und mit dem Wissen eines Pressechefs, das ja nicht nur Journalismus umfasst, sondern auch viel Organisation, Management und Strategie, wäre ich nicht vorbereitet gewesen für die nächsten Schritte hin zur WM 2006 - und danach für die Position des DFB-Generalsekretärs, die ja nie mein Lebensziel gewesen war.

Wolfgang Niersbach wird 60

DFB.de: Welche Highlights, welche großen Momente fallen Ihnen heute im Rückblick auf diese Entwicklung spontan ein?

Niersbach: Allein die Tatsache, hautnah bei den großen Fußballereignissen dabei zu sein, war ein einziges Highlight. Meine ersten WM-Turniere 1974 hier in Deutschland und danach 1978 in Argentinien. Reisen und Berichten zum Beispiel aus Südamerika war in den 70er-Jahren für einen Journalisten noch ein echtes Abenteuer. Ein ganz großer Moment beim DFB war für mich natürlich die WM 1990 in Italien. Man sieht es deutlich an dem Originaltrikot und den Bildern in meinem Arbeitszimmer, welch großes emotionales Ereignis dieser WM-Titelgewinn für mich war. Das größte berufliche Geschenk war aber zweifellos die WM 2006. Als mein Vorgänger Horst R. Schmidt und ich im Herbst 1992 dem DFB-Vorstand den Vorschlag machten, uns um diese WM zu bewerben, da dachte mancher, was solch ein utopischer Gedanke 14 Jahre vorher überhaupt für einen Sinn machen würde. Wenn ich an diese Jahre von der Bewerbung über die Welcome-Weltreise mit Franz Beckenbauer und das wunderbare Sommermärchen bis zur Abschlussdokumentation im Herbst 2006 denke, die ich alle mitmachen durfte, dann würde ich die Zeit am liebsten noch mal zurückdrehen.

DFB.de: Welche Persönlichkeiten haben Sie auf diesem langen Weg am stärksten geprägt und beeinflusst?

Niersbach: Sicherlich so überragende Persönlichkeiten wie die DFB-Präsidenten seit meinem Amtsantritt in Frankfurt. Hermann Neuberger, Egidius Braun, Gerhard Mayer-Vorfelder und jetzt Theo Zwanziger. Das größte Wunder aber ist meine Freundschaft zu Franz Beckenbauer und Günter Netzer. Die beiden habe ich 1972 beim EM-Titelgewinn in Belgien als Fan auf der Tribüne von Antwerpen und Brüssel bewundert. In der Mannschaft, die bis heute als das vielleicht beste Nationalteam der DFB-Geschichte gilt. Inzwischen zählen beide seit etlichen Jahren zu meinen besten Freunden. Das ist fast surreal und skurril. Bei all den vielen Terminen finden wir immer wieder die Zeit, wöchentlich miteinander zu sprechen und Kontakt zu halten.

DFB.de: Welche Situation würden Sie als die größte Herausforderung bezeichnen, in der Sie im wahrsten Sinn des Wortes am stärksten gefordert wurden?

Niersbach: Ganz schwierig war die Situation nach den schrecklichen Ereignissen bei der WM 1998 in Frankreich, als wir in Lens zunächst gar nicht mitbekommen hatten, dass deutsche Hooligans den französischen Polizisten Daniel Nivel fast tot geprügelt haben. Diese Situation aufzufangen und darüber nachzudenken, wie und mit welchen Aussagen wir am nächsten Tag vor die Medien treten sollten - es gab ja Forderungen von dritter Seite, unsere Mannschaft aus dem Turnier zurückzuziehen - das war für unsere gesamte Delegation extrem schwierig. 1998 war für mich ohnehin ein sehr belastendes Jahr.

DFB.de: Weshalb?

Niersbach: Weil meine Freundschaft zu Berti Vogts im Zusammenhang mit seinem damaligen Rücktritt als Bundestrainer und der Suche nach dem Nachfolger sehr gelitten hat. Zwischen uns beiden ist zwar längst wieder alles bereinigt. Doch auch das war damals wirklich eine Extremsituation.

DFB.de: Was konnten Sie aus Ihrer vielfältigen beruflichen Vergangenheit am wirkungsvollsten in Ihre heutige Tätigkeit als Generalsekretär einbringen?

Niersbach: Vielleicht meine Fähigkeit zur Kommunikation. Bei diesem Job an der Spitze des Hauptamtes mit seinen 100 oder 1000 Themen pro Woche muss man delegieren, einordnen und Prioritäten setzen können - und man muss vor allem auch kommunizieren. Viele Leute erwarten zu unterschiedlichsten Themen, in denen man manchmal gar nicht so hundertprozentig drinsteckt, klare Entscheidungen. Hinzu kommt die Personalführung in einer Verbandszentrale mit 210 Mitarbeitern inklusive der Trainer, von denen jeder seine speziellen Wünsche und individuellen Sorgen hat, die ich ja auch früher immer bei meinem Vorgänger als Generalsekretär vorbrachte. Das ist schon sehr fordernd und benötigt sorgfältige Kommunikation.

DFB.de: Und auch Gelassenheit?

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Niersbach: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass ich im Laufe der Jahre ein großes Stück ruhiger geworden bin. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal richtig ausgeflippt bin.

DFB.de: Was würden Sie als den momentanen Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Generalsekretär bezeichnen?

Niersbach: Den DFB so stark und auch wirtschaftlich so unabhängig zu halten, wie er ist. Wenn ich konkret an das Jahr 2011 denke, ist natürlich die erste Frauen-WM bei uns in Deutschland ein gewaltiges Stück Arbeit. Ich bin jedoch total optimistisch, dass auch diese WM gelingen wird. Daneben beginnen 2011 schon wieder die Fernsehverhandlungen, deren positiver Ausgang für uns elementar wichtig ist. Der DFB kann stolz darauf sein - und ich muss auch deswegen meine Vorgänger immer wieder nur loben -, dass er als einziger Sportverband keine öffentlichen Zuschüsse bekommt, seine Angelegenheiten selbst regelt und damit in der Lage ist, seinen sportlich Verantwortlichen in allen Bereichen das Kreuz frei zu halten. Unsere Sponsoren sind allererste Klasse. Sie wollen aber auch erstklassig von uns betreut werden. Das ist kein Mäzenatentum alter Prägung, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

DFB.de: Ein DFB-Generalsekretär muss zuallererst Realpolitiker zur Bewältigung des Tagesgeschäfts sein. Kann er sich darüber hinaus auch Visionen leisten?

Niersbach: Die Vision eines Sportverbandes besteht zunächst einmal darin, früher oder später internationale Titel zu gewinnen. Unsere Pokalvitrinen sind zwar relativ gut bestückt. Für die eine oder andere große Trophäe würden wir aber immer noch einen Platz finden. Darüber hinaus sollte und muss der DFB die Vision haben, seine Verlässlichkeit, seine Seriosität und die hohe Qualität seiner Arbeit zu behalten. Bei allen Fehlern, die auch mir passieren, passieren können und müssen bei 80.000 Spielen Woche für Woche. Eines gibt es hier jedenfalls nie: Langeweile. Immer wenn man glaubt, man hat die Kuh vom Eis geholt, da wird die nächste schon am andern Ende auf die Eisbahn geschoben.

DFB.de: Welche Pläne und Wünsche hat der Privatmann Wolfgang Niersbach?

Niersbach: Wie jeder Sechzigjährige wünsche auch ich mir weiterhin Gesundheit. Vorgestern habe ich Tennis gespielt und im zweiten Satz meinen 18 Jahre jüngeren Nachbarn 6:1 geschlagen - wobei ich unterschlage, dass ich den ersten Satz 4:6 verloren habe. So lange ich so fit bleibe und mich körperlich und geistig frisch fühle, kann und will ich mich nicht beschweren.

DFB.de: Wie feiert der DFB-Generalsekretär eigentlich die runde 60?

Niersbach: Flucht oder Feier, diese Alternative ging auch mir lange durch den Kopf. Ich habe mich am Geburtstag selbst für eine kleine Party im engsten Familien- und Freundeskreis entschieden. Jetzt bin ich natürlich dankbar, dass der DFB für den kommenden Samstag offiziell zu einem größeren Geburtstagsfest mit 120 Gästen eingeladen hat. Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Berti Vogts, Rudi Völler, Jogi Löw, Oliver Bierhoff, Matthias Sammer, Rainer Bonhof und viele andere werden kommen, worüber ich mich sehr freue, und was ich als große Ehre betrachte.

DFB.de: Gibt es überhaupt eine Lokalität in Frankfurt, die groß genug wäre, um all diejenigen in einem schönen Ambiente einzuladen, denen Sie sich als Kommunikationskünstler dank Ihrer vielfältigen engen Kontakte nahe und verbunden fühlen?

Niersbach: Man soll die Kirche im Dorf lassen. Das ist ein normaler Geburtstag und nicht die Enthüllung eines Denkmals. Der Rahmen am Samstag ist absolut angemessen und in Ordnung.