Wochenschau: Ronaldo beendet WM-Träume

Was passierte im deutschen Fußball vor fünf Jahren? Vor 25, 50 oder 100 Jahren? Autor Udo Muras hat in den Archiven gesucht und blickt auf die wichtigsten Jahrestage zurück. Die DFB-Wochenschau - immer mittwochs auf DFB.de.

25. Juni

Vor 75 Jahren gewinnt die Nationalmannschaft in Riga 3:1 gegen Lettland. Es ist bereits der sechste Sieg im Jahr 1937, und alle in Serie. Die Tore in diesem Freundschaftsspiel, in dem Sepp Herberger vorwiegend Reservisten testet, erzielen Karl Hohmann (10.) aus Benrath und der Berliner Tennis Borusse Hanne Berndt (33., 59.).

Vor 30 Jahren zieht die Nationalmannschaft bei der WM in Spanien in die Zwischenrunde ein. In Gijon reicht ein 1:0 gegen Österreich beiden Mannschaften für das Weiterkommen. Das merkt man dem Spiel an. Nach Horst Hrubeschs Führungstor (11.) passiert nicht mehr viel. Die Zuschauer, unter ihnen viele Algerier, deren Team wegen der schlechteren Tordifferenz ausscheidet, pfeifen, winken mit weißen Taschentüchern oder wedeln mit Geldscheinen. ARD-Reporter Eberhard Stanjek stellt in der zweiten Halbzeit den Kommentar ein, denn "das ist kein Fußballspiel mehr". Die Hannoversche Allgemeine schreibt: "Fußball wurde zum Schattenboxen, zur Pseudo-Angelegenheit, zum Skandalspiel." Gijon ist kein Ruhmesblatt für den deutschen Fußball und auch nicht für die Fifa, die erst nach diesen Vorkommnissen auf die Idee kommt, die letzten Gruppenspiele parallel austragen zu lassen.

Vor 25 Jahren endet die Bundesligasaison 1986/1987 am Grünen Tisch. Um 17.13 Uhr kassiert das DFB-Bundesgericht das Urteil des Sportgerichts fünf Tage zuvor und weist den Protest von Fortuna Düsseldorf zurück. Das Sportgericht hatte zuvor auf Wiederholung der letzten Partie in Bochum (2:2) erkannt, womit die Abstiegsfrage offen geblieben wäre. Das Bundesgericht sieht jedoch im Verhalten von Schiedsrichter Joachim Kautschor, der die Ausführung einer Ecke nicht beobachtete, weil er mit Spielern diskutierte, keinen Regelverstoß. Der Linienrichter habe die Ausführung ordnungsgemäß überwacht, ein Schiedsrichter müsse die Ecke nicht eigens frei geben. Frust bei Fortuna, deren Verteidiger Rudi Wojtowicz sagt: "Zwei Abstiege innerhalb so kurzer Zeit, das muss man erstmal verkraften." Vizepräsident Werner Fassbender zeigt Größe: "Für den Fußball war es wohl die beste Entscheidung, obwohl wir leidtragend sind."

Vor zehn Jahren zieht die Nationalmannschaft ins WM-Finale ein. Das Team von Rudi Völler schlägt Gastgeber Südkorea vor ausverkauftem Haus (65.256 Zuschauer) in Seoul mit 1:0. Es ist bereits der dritte 1:0-Sieg in Folge. Christoph Metzelder jubelt: "Das ist die absolute Sensation." Südkoreas Trainer Guus Hiddink bedauert: "Wir hatten zuviel Respekt." Wie gegen die USA ist Bayer Leverkusens Michael Ballack der Torschütze. Doch ihm bleibt die Freude im Halse stecken. Unmittelbar vor dem Tor (75.) nach Flanke Oliver Neuvilles rettet er in höchster Not am eigenen Strafraum, sieht für sein taktisches Foul die zweite Gelbe Karte im Turnier und ist fürs Finale gesperrt. So etwas nennt man einen tragischen Helden. Ballack ahnt schon: "Wenn sie am Sonntag das Deutschland-Lied spielen, werde ich mit meinen Tränen kämpfen müssen."

Während Deutschland seine kampfstarken Helden feiert und überall spontan Autokorsos stattfinden, ätzt die Auslandspresse: "Vielleicht das hässlichste Halbfinale aller Zeiten", schreibt der Corriere della Serra. Verständnisvoller urteilt Trainer Arsene Wenger (Arsenal London): "Die deutsche Mannschaft ist wie ein Dieselmotor, der seine Zeit braucht, um auf Touren zu kommen." Im Finale, um das sich Brasilien und die Türkei am nächsten Tag bewerben, scheint nun alles möglich. Bild schreibt: "Der Hausmeister des Frankfurter Römer sollte schon einmal den Balkon fegen. Zur überraschendsten Weltmeister-Feier aller Zeiten."

26. Juni

Vor 20 Jahren steht die Nationalmannschaft im Finale der Europameisterschaft. In Göteborg unterliegt sie Außenseiter Dänemark überraschend mit 0:2. Trotz überlegenen Beginns und Chancen für Jürgen Klinsmann und Stefan Reuter gerät die Vogts-Auswahl durch ein Tor des Ex-HSV-Profis John Jensen nach 19 Minuten in Rückstand. Voraus geht ein Foul an Andy Brehme, das Bruno Galler (Schweiz) nicht ahndet. In der Folge verkrampfen die Deutschen, das hochkarätig besetzte Mittelfeld – Sammer/Häßler/Effenberg – harmoniert nicht wie gewünscht. Vogts wechselt Matthias Sammer zur Pause aus und bringt Thomas Doll, aber nicht die Wende. Stattdessen fällt nach 79 Minuten die Entscheidung, als Kim Vilfort Bodo Illgner mit einem Flachschuss überwindet. Deutschland trägt Trauer, ein zweiter Platz ist zu wenig im Lande des Weltmeisters. Zumal gegen eine Elf, die erst neun Tage vor Turnierstart von ihrer Teilnahme erfahren hat (als Ersatz für das im Bürgerkrieg befindliche Jugoslawien). "Der Sieg ist eine belebende Hymne an die Tapferkeit, an die bunte Mischung und die Einfachheit. Und schließlich wirft er alle Theorien der Hexenmeister, der Berater in weißen Kitteln und der Trainer aus dem Laboratorium über den Haufen", schreibt die belgische Zeitung Le Soir.

Vor zehn Jahren erhält Deutschland seinen Finalgegner bei der WM in Asien. Brasilien schlägt die Türkei dank eines Ronaldo-Tores mit 1:0. Doch Franz Beckenbauer, Augenzeuge in Saitama/Japan, macht der Heimat Hoffnung: "Vor denen müssen wir keine Angst haben."

27. Juni

Vor 40 Jahren gibt DFB-Trainer Jupp Derwall das Aufgebot für den deutschen Olympia-Kader der Spiele in München bekannt. Unter den 19 "Amateuren", die sie alle offiziell sind, stehen 16 Bundesligaspieler. Uli Hoeneß hat es bereits zum Europameister gebracht, darf aber teilnehmen weil er nur Angestellter der Geschäftsstelle des FC Bayern ist. Weiter im Aufgebot spätere A-Nationalspieler wie Manfred Kaltz, Ronald Wurm und Rudi Seliger – sowie ein gewisser Ottmar Hitzfeld vom FC Basel, vorläufig noch auf Abruf.

Vor 25 Jahren erhält Absteiger Fortuna Düsseldorf einen neuen Trainer: Aleksandar Ristic unterzeichnet einen Zwei-Jahres-Vertrag, der offenbar nicht ganz billig gewesen ist. Wie der Verein mitteilt, seien "Sponsoren eingesprungen".

28. Juni

Vor 40 Jahren endet die Bundesliga-Saison 1971/1972 mit einem klassischen Finale. An einem Mittwoch treffen am letzten Spieltag die beiden Titelaspiranten in München aufeinander. Tabellenführer FC Bayern reicht gegen Schalke 04 ein Punkt. Noch etwas macht diese Partie besonders: Es ist die Bundesligapremiere des Olympiastadions, Bayern hat die längste Zeit an der Grünwalder Straße gespielt. Nun passen 78.000 Zuschauer ins Stadion und soviel kommen auch zum Einstand, der das Prädikat nach Maß verdient. Bayern gewinnt 5:1, die Einweihungsfeier wird zur Meisterfeier.

Ein Rekord kommt noch dazu, Uli Hoeneß schießt in der 80. Minute das 100. Saisontor, Kaiser Franz setzt noch einen obendrauf. Die 100er-Marke hat in 49 Bundesligajahren keine andere Mannschaft durchbrochen. Gerd Müller geht bei dem Schützenfest erstaunlicherweise leer aus, er hat anscheinend schon genug Tore erzielt – auch seine 40 werden nie mehr erreicht. Für Bayern ist es die dritte Meisterschaft, für Trainer Udo Lattek die Erste. Er ist stolz: "Meine Mannschaft hat noch mal eine große Leistung geboten und sich ihren Urlaub verdient."

In den weiteren Partien geht es um nichts mehr. Zusammen kommen klägliche 36.000 Zuschauer zu acht Begegnungen. Bochums Hans Walitza ist der Mann des Tages, er erzielt beim 4:2 gegen Hertha BSC drei Tore für den Aufsteiger, der stolzer Neunter wird. Absteiger Arminia Bielefeld verabschiedet sich mit einem 1:7 gegen Braunschweig von den eigenen Fans. Mitabsteiger Borussia Dortmund schafft in Hannover den ersten Auswärtssieg (3:2) und hofft auf einen weiteren am Grünen Tisch: der BVB hat gegen den Abstieg Protest eingelegt (siehe 30. Juni).

Vor 25 Jahren wird das Finale um die deutsche Frauenmeisterschaft ausgetragen. Ein neuer Name erscheint an diesem Tag in den Siegerlisten und der Name ist Programm: Der TSV Siegen nutzt den Heimvorteil und gewinnt vor 6400 Zuschauern gegen den Titelverteidiger FSV Frankfurt mit 2:1. Die Gäste gehen zwar durch Daniela Stumpf (11.) in Führung, doch Silvia Neid (42.) und Joker Thea Piek (65.) wenden nach der Pause mit ihren Toren das Blatt zugunsten des TSV. Damen-Spiele währen damals noch 80 Minuten.

29. Juni

Vor 100 Jahren hat der deutsche Fußball Olympiapremiere. Die Nationalmannschaft trifft bei den Sommerspielen in Schweden auf Österreich. Der Auftakt in Stockholm steht unter einem unglücklichen Stern. Nach 52 Minuten führen die Deutschen dank eines Treffers von Adolf Jäger (Altona) mit 1:0, da prallt Torwart Albert Weber mit dem Kopf an den Pfosten. Fortan ist er unkonzentriert und kassiert zwei leichte Tore, die Hitze tut ihr Übriges. Nach 62 Minuten muss er beinahe ohnmächtig vom Feld. Später wird man eine Gehirnerschütterung diagnostizieren. Die Regel erlaubt einen Torwartwechsel nur wenn der Gegner zustimmt – und das tut er nicht. In Unterzahl und mit einem Stürmer im Tor, Willy Worpitzky opfert sich und zeigt laut DFB-Jahrbuch "eine begreifliche Unsicherheit", verlieren die Deutschen noch 1:5. Österreich gewinnt zwar das Spiel, aber dem Fairplay-Gedanken keine Schlacht. Somit landen die mit 22 Spielern angereisten Deutschen schon nach dem ersten Spiel in der Trostrunde.

Vor 75 Jahren gewinnt die Nationalmannschaft ihr WM-Qualifikationsspiel in Finnland. Die "Breslau-Elf" kommt in kompletter Besetzung in Helsinki zu einem 2:0-Sieg, der Augsburger Ernst Lehner (6.) und der Schalker Alfred Urban (60.) schießen die Tore.

30. Juni

Vor 40 Jahren muss der DFB-Vorstand und der DFB-Beirat übers Wochenende arbeiten. Borussia Dortmund klagt auf Annullierung des Abstiegs 1971/1972, Rot-Weiß Essen auf Wiederzulassung zur Bundesliga. Beide sehen sich als Opfer der Manipulationen im Skandaljahr 1970/1971. Der BVB wegen der angeblich irregulären Beendigung der Saison 1971/1972, weil Bielefelds Spiele nach dem Zwangsabstieg aus der Wertung fielen. Essen, weil es im Abstiegskampf nicht manipulierte und durch die Manipulation anderer Spiele ehrlich abgestiegen ist. Die Mannschaft wäre sicher anders motiviert gewesen, wäre sie aufgrund der seltsamen Siege der Konkurrenten nicht immer weiter zurück geworfen worden, argumentiert RWE. Vorstand und Beirat denken über Essens Einspruch etwas länger nach als über den des BVB, weisen aber letztlich beide zurück.

Vor zehn Jahren steht die Nationalmannschaft zum bereits siebten Mal im WM-Finale gegen Brasilien. In Yokohama bietet sie ihr bestes Spiel bei diesem Turnier, doch sie unterliegt mit 0:2. Bis zur Pause fallen keine Tore, danach trifft Oliver Neuville aus 30 Metern den Pfosten (49.). Ausgerechnet Oliver Kahn, schon vor der Partie zum besten Spieler der WM gewählt, unterläuft ein entscheidender Fehler: Er kann Rivaldos Schuss nicht festhalten, Ronaldo staubt ab (67.). Der Star von Real Madrid erzielt auch den zweiten Treffer (79.) und beschert Brasilien die fünfte Weltmeisterschaft. Die Deutschen sind trotz aller Kritik im Vorfeld ein würdiger Finalist, nach Ecken (13:3) sind sie sogar Weltmeister. Oliver Kahn kann all das nicht trösten, das Bild vom apathisch am Pfosten kauernden deutschen Torwart geht um die Welt. Rudi Völler findet tröstliche Worte: "Ohne Oliver Kahn wären wir nicht hier gewesen."

1. Juli

Vor 100 Jahren feiert die Nationalmannschaft ihren Rekordsieg. Bei Olympia in Stockholm fertigt sie in der Trostrunde die überforderte Auswahl Russlands mit 16:0 (8:0) ab. Zum Glück für die Russen hören die gegenüber dem ersten Spiel komplett neubesetzten Deutschen nach 69 Minuten mit der Torproduktion auf. Nur zwischen 700 und 2000 Zuschauer, die Angaben schwanken, werden Zeuge des historischen Schützenfests. Auch ein deutscher Spieler schreibt Geschichte an diesem Tag anno 1912: Gottfried Fuchs vom Karlsruher FV, einer von nur zwei jüdischen Nationalspielern, erzielt allein zehn Tore und stellt damit einen ebenfalls nie mehr gebrochenen deutschen Länderspielrekord auf. Sein KFV-Kollege Fritz Förderer trifft viermal, Karl Burger (Fürth) und Emil Oberle (Phönix Karlsruhe) vollenden das Schützenfest. Warum kam es dazu? Die Legende berichtet von einem gemeinsamen rauschenden Fest der Spieler am Vorabend auf dem Wohnschiff der Russen, das die Deutschen besser verkraftet hätten. Doch finden sich dafür keine Belege. Wahrscheinlich fand das Fest erst nach der Partie statt, wie es seit je her üblich ist.

Vor 80 Jahren gewinnt die Nationalmannschaft ein Freundschaftsspiel in Finnland mit 4:1. Doch die Entscheidung fällt erst spät. Der Dresdner Richard Hofmann erzielt in Helsinki drei Tore (5., 80., 81.), Debütant Willi Rutz vom VfB Stuttgart das 2:1 (77.).

Vor 40 Jahren findet das DFB Pokalfinale 1972 statt. Es endet mit dem bisher höchsten Resultat in der Finalhistorie seit 1935 (und wird erst 2011 eingestellt): Schalke 04 gewinnt das Bundesliga-duell gegen den 1. FC Kaiserslautern in Hannover souverän mit 5:0. Helmut Kremers beginnt und beendet den Torreigen (13., 82.), Klaus Scheer (32.), Herbert Lütkebohmert (57.) und Klaus Fischer (66.) treffen ebenfalls. 30.000 Schalke-Fans unter den 61.000 schwenken ihre Fahnen und feiern eine Mannschaft, die trotz belastender Vorgänge durch die Ermittlungen im Bundesliga-Skandal die beste Saison nach dem Krieg spielt. Trainer der Pokalsieger und Vize-Meister ist der Ungar Istvan Horvath, den seine Spieler auf Schultern über den Platz tragen. Er sagt: "Ich hätte vor der Saison nicht geglaubt, dass ich mit so einer jungen Mannschaft einen solch großen Erfolg haben würde."

Vor zehn Jahren werden die Vizeweltmeister nach ihrer Landung in Frankfurt am Römerberg von rund 50.000 Fans gefeiert. Rudi Völler ist der Liebling der Massen. Der Teamchef ruft fassungslos vom Balkon herunter: "Was wäre eigentlich gewesen, wenn wir gestern gewonnen hätten und Weltmeister geworden wären?"

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Was passierte im deutschen Fußball vor fünf Jahren? Vor 25, 50 oder 100 Jahren? Autor Udo Muras hat in den Archiven gesucht und blickt auf die wichtigsten Jahrestage zurück. Die DFB-Wochenschau - immer mittwochs auf DFB.de.

25. Juni

Vor 75 Jahren gewinnt die Nationalmannschaft in Riga 3:1 gegen Lettland. Es ist bereits der sechste Sieg im Jahr 1937, und alle in Serie. Die Tore in diesem Freundschaftsspiel, in dem Sepp Herberger vorwiegend Reservisten testet, erzielen Karl Hohmann (10.) aus Benrath und der Berliner Tennis Borusse Hanne Berndt (33., 59.).

Vor 30 Jahren zieht die Nationalmannschaft bei der WM in Spanien in die Zwischenrunde ein. In Gijon reicht ein 1:0 gegen Österreich beiden Mannschaften für das Weiterkommen. Das merkt man dem Spiel an. Nach Horst Hrubeschs Führungstor (11.) passiert nicht mehr viel. Die Zuschauer, unter ihnen viele Algerier, deren Team wegen der schlechteren Tordifferenz ausscheidet, pfeifen, winken mit weißen Taschentüchern oder wedeln mit Geldscheinen. ARD-Reporter Eberhard Stanjek stellt in der zweiten Halbzeit den Kommentar ein, denn "das ist kein Fußballspiel mehr". Die Hannoversche Allgemeine schreibt: "Fußball wurde zum Schattenboxen, zur Pseudo-Angelegenheit, zum Skandalspiel." Gijon ist kein Ruhmesblatt für den deutschen Fußball und auch nicht für die Fifa, die erst nach diesen Vorkommnissen auf die Idee kommt, die letzten Gruppenspiele parallel austragen zu lassen.

Vor 25 Jahren endet die Bundesligasaison 1986/1987 am Grünen Tisch. Um 17.13 Uhr kassiert das DFB-Bundesgericht das Urteil des Sportgerichts fünf Tage zuvor und weist den Protest von Fortuna Düsseldorf zurück. Das Sportgericht hatte zuvor auf Wiederholung der letzten Partie in Bochum (2:2) erkannt, womit die Abstiegsfrage offen geblieben wäre. Das Bundesgericht sieht jedoch im Verhalten von Schiedsrichter Joachim Kautschor, der die Ausführung einer Ecke nicht beobachtete, weil er mit Spielern diskutierte, keinen Regelverstoß. Der Linienrichter habe die Ausführung ordnungsgemäß überwacht, ein Schiedsrichter müsse die Ecke nicht eigens frei geben. Frust bei Fortuna, deren Verteidiger Rudi Wojtowicz sagt: "Zwei Abstiege innerhalb so kurzer Zeit, das muss man erstmal verkraften." Vizepräsident Werner Fassbender zeigt Größe: "Für den Fußball war es wohl die beste Entscheidung, obwohl wir leidtragend sind."

Vor zehn Jahren zieht die Nationalmannschaft ins WM-Finale ein. Das Team von Rudi Völler schlägt Gastgeber Südkorea vor ausverkauftem Haus (65.256 Zuschauer) in Seoul mit 1:0. Es ist bereits der dritte 1:0-Sieg in Folge. Christoph Metzelder jubelt: "Das ist die absolute Sensation." Südkoreas Trainer Guus Hiddink bedauert: "Wir hatten zuviel Respekt." Wie gegen die USA ist Bayer Leverkusens Michael Ballack der Torschütze. Doch ihm bleibt die Freude im Halse stecken. Unmittelbar vor dem Tor (75.) nach Flanke Oliver Neuvilles rettet er in höchster Not am eigenen Strafraum, sieht für sein taktisches Foul die zweite Gelbe Karte im Turnier und ist fürs Finale gesperrt. So etwas nennt man einen tragischen Helden. Ballack ahnt schon: "Wenn sie am Sonntag das Deutschland-Lied spielen, werde ich mit meinen Tränen kämpfen müssen."

Während Deutschland seine kampfstarken Helden feiert und überall spontan Autokorsos stattfinden, ätzt die Auslandspresse: "Vielleicht das hässlichste Halbfinale aller Zeiten", schreibt der Corriere della Serra. Verständnisvoller urteilt Trainer Arsene Wenger (Arsenal London): "Die deutsche Mannschaft ist wie ein Dieselmotor, der seine Zeit braucht, um auf Touren zu kommen." Im Finale, um das sich Brasilien und die Türkei am nächsten Tag bewerben, scheint nun alles möglich. Bild schreibt: "Der Hausmeister des Frankfurter Römer sollte schon einmal den Balkon fegen. Zur überraschendsten Weltmeister-Feier aller Zeiten."

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26. Juni

Vor 20 Jahren steht die Nationalmannschaft im Finale der Europameisterschaft. In Göteborg unterliegt sie Außenseiter Dänemark überraschend mit 0:2. Trotz überlegenen Beginns und Chancen für Jürgen Klinsmann und Stefan Reuter gerät die Vogts-Auswahl durch ein Tor des Ex-HSV-Profis John Jensen nach 19 Minuten in Rückstand. Voraus geht ein Foul an Andy Brehme, das Bruno Galler (Schweiz) nicht ahndet. In der Folge verkrampfen die Deutschen, das hochkarätig besetzte Mittelfeld – Sammer/Häßler/Effenberg – harmoniert nicht wie gewünscht. Vogts wechselt Matthias Sammer zur Pause aus und bringt Thomas Doll, aber nicht die Wende. Stattdessen fällt nach 79 Minuten die Entscheidung, als Kim Vilfort Bodo Illgner mit einem Flachschuss überwindet. Deutschland trägt Trauer, ein zweiter Platz ist zu wenig im Lande des Weltmeisters. Zumal gegen eine Elf, die erst neun Tage vor Turnierstart von ihrer Teilnahme erfahren hat (als Ersatz für das im Bürgerkrieg befindliche Jugoslawien). "Der Sieg ist eine belebende Hymne an die Tapferkeit, an die bunte Mischung und die Einfachheit. Und schließlich wirft er alle Theorien der Hexenmeister, der Berater in weißen Kitteln und der Trainer aus dem Laboratorium über den Haufen", schreibt die belgische Zeitung Le Soir.

Vor zehn Jahren erhält Deutschland seinen Finalgegner bei der WM in Asien. Brasilien schlägt die Türkei dank eines Ronaldo-Tores mit 1:0. Doch Franz Beckenbauer, Augenzeuge in Saitama/Japan, macht der Heimat Hoffnung: "Vor denen müssen wir keine Angst haben."

27. Juni

Vor 40 Jahren gibt DFB-Trainer Jupp Derwall das Aufgebot für den deutschen Olympia-Kader der Spiele in München bekannt. Unter den 19 "Amateuren", die sie alle offiziell sind, stehen 16 Bundesligaspieler. Uli Hoeneß hat es bereits zum Europameister gebracht, darf aber teilnehmen weil er nur Angestellter der Geschäftsstelle des FC Bayern ist. Weiter im Aufgebot spätere A-Nationalspieler wie Manfred Kaltz, Ronald Wurm und Rudi Seliger – sowie ein gewisser Ottmar Hitzfeld vom FC Basel, vorläufig noch auf Abruf.

Vor 25 Jahren erhält Absteiger Fortuna Düsseldorf einen neuen Trainer: Aleksandar Ristic unterzeichnet einen Zwei-Jahres-Vertrag, der offenbar nicht ganz billig gewesen ist. Wie der Verein mitteilt, seien "Sponsoren eingesprungen".

28. Juni

Vor 40 Jahren endet die Bundesliga-Saison 1971/1972 mit einem klassischen Finale. An einem Mittwoch treffen am letzten Spieltag die beiden Titelaspiranten in München aufeinander. Tabellenführer FC Bayern reicht gegen Schalke 04 ein Punkt. Noch etwas macht diese Partie besonders: Es ist die Bundesligapremiere des Olympiastadions, Bayern hat die längste Zeit an der Grünwalder Straße gespielt. Nun passen 78.000 Zuschauer ins Stadion und soviel kommen auch zum Einstand, der das Prädikat nach Maß verdient. Bayern gewinnt 5:1, die Einweihungsfeier wird zur Meisterfeier.

Ein Rekord kommt noch dazu, Uli Hoeneß schießt in der 80. Minute das 100. Saisontor, Kaiser Franz setzt noch einen obendrauf. Die 100er-Marke hat in 49 Bundesligajahren keine andere Mannschaft durchbrochen. Gerd Müller geht bei dem Schützenfest erstaunlicherweise leer aus, er hat anscheinend schon genug Tore erzielt – auch seine 40 werden nie mehr erreicht. Für Bayern ist es die dritte Meisterschaft, für Trainer Udo Lattek die Erste. Er ist stolz: "Meine Mannschaft hat noch mal eine große Leistung geboten und sich ihren Urlaub verdient."

In den weiteren Partien geht es um nichts mehr. Zusammen kommen klägliche 36.000 Zuschauer zu acht Begegnungen. Bochums Hans Walitza ist der Mann des Tages, er erzielt beim 4:2 gegen Hertha BSC drei Tore für den Aufsteiger, der stolzer Neunter wird. Absteiger Arminia Bielefeld verabschiedet sich mit einem 1:7 gegen Braunschweig von den eigenen Fans. Mitabsteiger Borussia Dortmund schafft in Hannover den ersten Auswärtssieg (3:2) und hofft auf einen weiteren am Grünen Tisch: der BVB hat gegen den Abstieg Protest eingelegt (siehe 30. Juni).

Vor 25 Jahren wird das Finale um die deutsche Frauenmeisterschaft ausgetragen. Ein neuer Name erscheint an diesem Tag in den Siegerlisten und der Name ist Programm: Der TSV Siegen nutzt den Heimvorteil und gewinnt vor 6400 Zuschauern gegen den Titelverteidiger FSV Frankfurt mit 2:1. Die Gäste gehen zwar durch Daniela Stumpf (11.) in Führung, doch Silvia Neid (42.) und Joker Thea Piek (65.) wenden nach der Pause mit ihren Toren das Blatt zugunsten des TSV. Damen-Spiele währen damals noch 80 Minuten.

29. Juni

Vor 100 Jahren hat der deutsche Fußball Olympiapremiere. Die Nationalmannschaft trifft bei den Sommerspielen in Schweden auf Österreich. Der Auftakt in Stockholm steht unter einem unglücklichen Stern. Nach 52 Minuten führen die Deutschen dank eines Treffers von Adolf Jäger (Altona) mit 1:0, da prallt Torwart Albert Weber mit dem Kopf an den Pfosten. Fortan ist er unkonzentriert und kassiert zwei leichte Tore, die Hitze tut ihr Übriges. Nach 62 Minuten muss er beinahe ohnmächtig vom Feld. Später wird man eine Gehirnerschütterung diagnostizieren. Die Regel erlaubt einen Torwartwechsel nur wenn der Gegner zustimmt – und das tut er nicht. In Unterzahl und mit einem Stürmer im Tor, Willy Worpitzky opfert sich und zeigt laut DFB-Jahrbuch "eine begreifliche Unsicherheit", verlieren die Deutschen noch 1:5. Österreich gewinnt zwar das Spiel, aber dem Fairplay-Gedanken keine Schlacht. Somit landen die mit 22 Spielern angereisten Deutschen schon nach dem ersten Spiel in der Trostrunde.

Vor 75 Jahren gewinnt die Nationalmannschaft ihr WM-Qualifikationsspiel in Finnland. Die "Breslau-Elf" kommt in kompletter Besetzung in Helsinki zu einem 2:0-Sieg, der Augsburger Ernst Lehner (6.) und der Schalker Alfred Urban (60.) schießen die Tore.

30. Juni

Vor 40 Jahren muss der DFB-Vorstand und der DFB-Beirat übers Wochenende arbeiten. Borussia Dortmund klagt auf Annullierung des Abstiegs 1971/1972, Rot-Weiß Essen auf Wiederzulassung zur Bundesliga. Beide sehen sich als Opfer der Manipulationen im Skandaljahr 1970/1971. Der BVB wegen der angeblich irregulären Beendigung der Saison 1971/1972, weil Bielefelds Spiele nach dem Zwangsabstieg aus der Wertung fielen. Essen, weil es im Abstiegskampf nicht manipulierte und durch die Manipulation anderer Spiele ehrlich abgestiegen ist. Die Mannschaft wäre sicher anders motiviert gewesen, wäre sie aufgrund der seltsamen Siege der Konkurrenten nicht immer weiter zurück geworfen worden, argumentiert RWE. Vorstand und Beirat denken über Essens Einspruch etwas länger nach als über den des BVB, weisen aber letztlich beide zurück.

Vor zehn Jahren steht die Nationalmannschaft zum bereits siebten Mal im WM-Finale gegen Brasilien. In Yokohama bietet sie ihr bestes Spiel bei diesem Turnier, doch sie unterliegt mit 0:2. Bis zur Pause fallen keine Tore, danach trifft Oliver Neuville aus 30 Metern den Pfosten (49.). Ausgerechnet Oliver Kahn, schon vor der Partie zum besten Spieler der WM gewählt, unterläuft ein entscheidender Fehler: Er kann Rivaldos Schuss nicht festhalten, Ronaldo staubt ab (67.). Der Star von Real Madrid erzielt auch den zweiten Treffer (79.) und beschert Brasilien die fünfte Weltmeisterschaft. Die Deutschen sind trotz aller Kritik im Vorfeld ein würdiger Finalist, nach Ecken (13:3) sind sie sogar Weltmeister. Oliver Kahn kann all das nicht trösten, das Bild vom apathisch am Pfosten kauernden deutschen Torwart geht um die Welt. Rudi Völler findet tröstliche Worte: "Ohne Oliver Kahn wären wir nicht hier gewesen."

1. Juli

Vor 100 Jahren feiert die Nationalmannschaft ihren Rekordsieg. Bei Olympia in Stockholm fertigt sie in der Trostrunde die überforderte Auswahl Russlands mit 16:0 (8:0) ab. Zum Glück für die Russen hören die gegenüber dem ersten Spiel komplett neubesetzten Deutschen nach 69 Minuten mit der Torproduktion auf. Nur zwischen 700 und 2000 Zuschauer, die Angaben schwanken, werden Zeuge des historischen Schützenfests. Auch ein deutscher Spieler schreibt Geschichte an diesem Tag anno 1912: Gottfried Fuchs vom Karlsruher FV, einer von nur zwei jüdischen Nationalspielern, erzielt allein zehn Tore und stellt damit einen ebenfalls nie mehr gebrochenen deutschen Länderspielrekord auf. Sein KFV-Kollege Fritz Förderer trifft viermal, Karl Burger (Fürth) und Emil Oberle (Phönix Karlsruhe) vollenden das Schützenfest. Warum kam es dazu? Die Legende berichtet von einem gemeinsamen rauschenden Fest der Spieler am Vorabend auf dem Wohnschiff der Russen, das die Deutschen besser verkraftet hätten. Doch finden sich dafür keine Belege. Wahrscheinlich fand das Fest erst nach der Partie statt, wie es seit je her üblich ist.

Vor 80 Jahren gewinnt die Nationalmannschaft ein Freundschaftsspiel in Finnland mit 4:1. Doch die Entscheidung fällt erst spät. Der Dresdner Richard Hofmann erzielt in Helsinki drei Tore (5., 80., 81.), Debütant Willi Rutz vom VfB Stuttgart das 2:1 (77.).

Vor 40 Jahren findet das DFB Pokalfinale 1972 statt. Es endet mit dem bisher höchsten Resultat in der Finalhistorie seit 1935 (und wird erst 2011 eingestellt): Schalke 04 gewinnt das Bundesliga-duell gegen den 1. FC Kaiserslautern in Hannover souverän mit 5:0. Helmut Kremers beginnt und beendet den Torreigen (13., 82.), Klaus Scheer (32.), Herbert Lütkebohmert (57.) und Klaus Fischer (66.) treffen ebenfalls. 30.000 Schalke-Fans unter den 61.000 schwenken ihre Fahnen und feiern eine Mannschaft, die trotz belastender Vorgänge durch die Ermittlungen im Bundesliga-Skandal die beste Saison nach dem Krieg spielt. Trainer der Pokalsieger und Vize-Meister ist der Ungar Istvan Horvath, den seine Spieler auf Schultern über den Platz tragen. Er sagt: "Ich hätte vor der Saison nicht geglaubt, dass ich mit so einer jungen Mannschaft einen solch großen Erfolg haben würde."

Vor zehn Jahren werden die Vizeweltmeister nach ihrer Landung in Frankfurt am Römerberg von rund 50.000 Fans gefeiert. Rudi Völler ist der Liebling der Massen. Der Teamchef ruft fassungslos vom Balkon herunter: "Was wäre eigentlich gewesen, wenn wir gestern gewonnen hätten und Weltmeister geworden wären?"