WM-Schiedsrichter Brych: Immer in Bewegung

Sportlerkarrieren verlaufen so gut wie nie linear. Nur nach oben, nur nach unten – beides selten. Wer sich mit Felix Brych über sein persönliches Jahr 2013 unterhält, der bekommt einen Eindruck davon. Im Frühsommer war der 38-Jährige beim Confederations Cup in Brasilien im Einsatz. Zwei Monate später wurde er als Deutschlands "Schiedsrichter des Jahres" ausgezeichnet. Es schien ein Bilderbuchjahr zu werden. Dann kam das Spiel in Hoffenheim, es war ein Freitagabend im Oktober. Der Leverkusener Stefan Kießling köpfte den Ball Richtung Tor – und durch ein Loch im Netz flog er von außen genau dort hinein. Brych und seine Assistenten deuteten die Szene falsch. Der Ball lag im Tor, aber es war keines. Eine Situation, die es so in 50 Jahren Bundesliga noch nie gegeben hatte. Das "Phantomtor" ging um die Welt.

Einfach ein "blödes Tor", sagt Brych ein halbes Jahr später. Sogar "peinlich" sei es ihm gewesen, dass er diesen Treffer gegeben habe. Aber es war eine Tatsachen- Entscheidung, nicht mehr zu ändern, unumkehrbar. Brych stellte sich gleich nach Spielende, beschönigte nichts und gestand seinen Fehler ein. Er weiß, dass dieses Phantomtor mit seinem Namen verbunden bleiben wird. Er weiß aber auch, was er kann. Vier Tage nach Hoffenheim leitete er das traditionell emotional geführte Champions--League-Spiel AC Mailand gegen den FC Barcelona – souverän, professionell, routiniert. In der WM-Qualifikation übernahm er mit seinem Team zugleich die besonders brisanten Aufgaben, zum Beispiel das Duell zwischen Serbien und Kroatien oder das entscheidende Relegationsspiel Neuseeland gegen Mexiko.

Nominierung im Januar

Im Januar schließlich nominierte die FIFA den Mann aus München für die Weltmeisterschaft in Brasilien. Für Herbert Fandel, den Vorsitzenden des DFBSchiedsrichterausschusses, eine folgerichtige Entscheidung. Unabhängig vom Phantomtor. "Eine solche Situation hat mit der Qualität eines Schiedsrichters überhaupt nichts zu tun", sagt Fandel. Wenn ein Stürmer einmal am leeren Tor vorbeischieße, werde dieser ja auch nicht gleich von einem Turnier ausgeladen. "Nach so vielen extrem schwierigen Begegnungen im internationalen Fußball und ganz hervorragenden Spielleitungen haben die drei die Nominierung verdient." Die drei, das sind neben Brych dessen Assistenten Mark Borsch und Stefan Lupp – das deutsche Schiedsrichter-Team für die WM-Endrunde in Brasilien.

"Die wichtigen Entscheidungen eines Spiels werden meistens im Strafraum getroffen, also in einem Bereich, in dem der Schiedsrichter auf die Hilfe seines Teams angewiesen ist", sagt Brych. Auch zwischenmenschlich läuft es gut bei den dreien, "das ist ganz wichtig, wenn man bedenkt, wie viele Wochenenden im Jahr wir gemeinsam unterwegs sind". Die Vorfreude, aber auch die Gedanken an den "Höhepunkt meiner Schiedsrichterkarriere" blendet Brych wenige Monate vor dem Turnier aus, zumindest so gut es geht.

Gewachsenes öffentliches Interesse

Das öffentliche Interesse an ihm ist größer geworden, eine WM-Nominierung ist eine Art Ritterschlag für einen Unparteiischen. Doch Brych will sich vor allem auf das konzentrieren, was ihm besonders liegt: Spiele leiten. Privates hört man von ihm im Grunde nie. Weil es eben seine Privatsache ist. Auch Interviews gibt er selten. "Schnell hat man in den Medien mal etwas gesagt, was Monate oder Jahre später erneut herausgekramt wird – und was man im Nachhinein vielleicht nicht mehr so formulieren würde." Schon immer habe er viel mit Fußball zu tun gehabt, als Fan, als Spieler, später als Schiedsrichter, sagt er. Und dann noch: "Ich bin sehr froh darüber, dass ich viele Freunde außerhalb des Fußballs habe." Und das, obwohl die Freizeit knapp bemessen ist. Der promovierte Jurist ist fast die Hälfte des Jahres als Unparteiischer unterwegs.

"Felix hat sehr intensiv an seiner Entwicklung gearbeitet, um sein Ziel, als Schiedsrichter für ein WM-Turnier nominiert zu werden, zu erreichen. Er lebt sehr konsequent für seine Schiedsrichter-Tätigkeit und hatte auch den Mut, seine Lebensplanung darauf auszurichten", sagt Lutz Michael Fröhlich, wie Fandel einst selbst FIFA-Referee und heute Abteilungsleiter Schiedsrichter beim DFB. Brych selbst erklärt seine Einstellung so: "Ich versuche, mich im Leben nicht mit zu vielen verschiedenen Dingen zu verzetteln. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es zu 100 Prozent."

Seit 2007 auf der FIFA-Liste

Seit 1999 ist er DFB-Schiedsrichter. 2004 leitete er sein erstes Bundesliga-Spiel, Hertha BSC gegen Mainz 05, ein 1:1. Brych musste nur Josip Simunic und Conor Casey Gelbe Karten zeigen. Anschließend gab es Lob für den damals 29-Jährigen – und immer mehr Einsätze. 2007 kam er auf die FIFA-Liste, fünf Jahre später war er beim Olympischen Fußballturnier im Einsatz, 2013 dann beim Confed-Cup. Interessante Fakten, noch interessanter ist aber, was den Schiedsrichter Brych ausmacht. "Felix Brych nimmt die Spieler auf dem Platz mit, verständigt sich mit ihnen sehr geschickt und auf Augenhöhe", sagt Fandel. "Selbst in der 'Hitze des Gefechts' ist er noch in der Lage, mit den Spielern zu kommunizieren." Auch Fröhlich lobt Brychs "moderne und kommunikative Linie", dazu die notwendige Konsequenz bei den Entscheidungen und eine sehr starke Physis. Allesamt Attribute, die einen Top-Schiedsrichter ausmachen. Und ihn befähigen, bei einem Highlight des Weltfußballs dabei zu sein.

Einige Wochen sind es noch bis dahin. Dennoch läuft die Vorbereitung auf das Turnier natürlich schon längst. Im Februar trafen sich die WM-Schiedsrichter zum Lehrgang auf den Kanarischen Inseln, im März und April dann das Treffen in der FIFA-Zentrale in Zürich. Und vor WM-Beginn wartet dann noch mal ein zehntägiger Lehrgang in Rio de Janeiro auf alle Unparteiischen. Inhalt der Seminare sind dann zum Beispiel die Themen Fairness, die einheitliche Regelauslegung oder auch der Umgang mit den unterschiedlichen Mentalitäten der Spieler aus 32 Ländern.

Besondere Vorbereitung auf ein besonderes Ereignis. Doch Brych fokussiert sich zunächst auf den Schiedsrichter-Alltag. "Wir werden bis zur Weltmeisterschaft noch viele Spiele leiten. Und das wollen wir so gut und erfolgreich machen wie bisher. Als Schiedsrichter darf man nie zu weit nach vorne blicken", sagt er. Es gibt zu viele Dinge, auf die man keinen Einfluss hat, an die man sogar heute vielleicht noch gar nicht denkt."

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Sportlerkarrieren verlaufen so gut wie nie linear. Nur nach oben, nur nach unten – beides selten. Wer sich mit Felix Brych über sein persönliches Jahr 2013 unterhält, der bekommt einen Eindruck davon. Im Frühsommer war der 38-Jährige beim Confederations Cup in Brasilien im Einsatz. Zwei Monate später wurde er als Deutschlands "Schiedsrichter des Jahres" ausgezeichnet. Es schien ein Bilderbuchjahr zu werden. Dann kam das Spiel in Hoffenheim, es war ein Freitagabend im Oktober. Der Leverkusener Stefan Kießling köpfte den Ball Richtung Tor – und durch ein Loch im Netz flog er von außen genau dort hinein. Brych und seine Assistenten deuteten die Szene falsch. Der Ball lag im Tor, aber es war keines. Eine Situation, die es so in 50 Jahren Bundesliga noch nie gegeben hatte. Das "Phantomtor" ging um die Welt.

Einfach ein "blödes Tor", sagt Brych ein halbes Jahr später. Sogar "peinlich" sei es ihm gewesen, dass er diesen Treffer gegeben habe. Aber es war eine Tatsachen- Entscheidung, nicht mehr zu ändern, unumkehrbar. Brych stellte sich gleich nach Spielende, beschönigte nichts und gestand seinen Fehler ein. Er weiß, dass dieses Phantomtor mit seinem Namen verbunden bleiben wird. Er weiß aber auch, was er kann. Vier Tage nach Hoffenheim leitete er das traditionell emotional geführte Champions--League-Spiel AC Mailand gegen den FC Barcelona – souverän, professionell, routiniert. In der WM-Qualifikation übernahm er mit seinem Team zugleich die besonders brisanten Aufgaben, zum Beispiel das Duell zwischen Serbien und Kroatien oder das entscheidende Relegationsspiel Neuseeland gegen Mexiko.

Nominierung im Januar

Im Januar schließlich nominierte die FIFA den Mann aus München für die Weltmeisterschaft in Brasilien. Für Herbert Fandel, den Vorsitzenden des DFBSchiedsrichterausschusses, eine folgerichtige Entscheidung. Unabhängig vom Phantomtor. "Eine solche Situation hat mit der Qualität eines Schiedsrichters überhaupt nichts zu tun", sagt Fandel. Wenn ein Stürmer einmal am leeren Tor vorbeischieße, werde dieser ja auch nicht gleich von einem Turnier ausgeladen. "Nach so vielen extrem schwierigen Begegnungen im internationalen Fußball und ganz hervorragenden Spielleitungen haben die drei die Nominierung verdient." Die drei, das sind neben Brych dessen Assistenten Mark Borsch und Stefan Lupp – das deutsche Schiedsrichter-Team für die WM-Endrunde in Brasilien.

"Die wichtigen Entscheidungen eines Spiels werden meistens im Strafraum getroffen, also in einem Bereich, in dem der Schiedsrichter auf die Hilfe seines Teams angewiesen ist", sagt Brych. Auch zwischenmenschlich läuft es gut bei den dreien, "das ist ganz wichtig, wenn man bedenkt, wie viele Wochenenden im Jahr wir gemeinsam unterwegs sind". Die Vorfreude, aber auch die Gedanken an den "Höhepunkt meiner Schiedsrichterkarriere" blendet Brych wenige Monate vor dem Turnier aus, zumindest so gut es geht.

Gewachsenes öffentliches Interesse

Das öffentliche Interesse an ihm ist größer geworden, eine WM-Nominierung ist eine Art Ritterschlag für einen Unparteiischen. Doch Brych will sich vor allem auf das konzentrieren, was ihm besonders liegt: Spiele leiten. Privates hört man von ihm im Grunde nie. Weil es eben seine Privatsache ist. Auch Interviews gibt er selten. "Schnell hat man in den Medien mal etwas gesagt, was Monate oder Jahre später erneut herausgekramt wird – und was man im Nachhinein vielleicht nicht mehr so formulieren würde." Schon immer habe er viel mit Fußball zu tun gehabt, als Fan, als Spieler, später als Schiedsrichter, sagt er. Und dann noch: "Ich bin sehr froh darüber, dass ich viele Freunde außerhalb des Fußballs habe." Und das, obwohl die Freizeit knapp bemessen ist. Der promovierte Jurist ist fast die Hälfte des Jahres als Unparteiischer unterwegs.

"Felix hat sehr intensiv an seiner Entwicklung gearbeitet, um sein Ziel, als Schiedsrichter für ein WM-Turnier nominiert zu werden, zu erreichen. Er lebt sehr konsequent für seine Schiedsrichter-Tätigkeit und hatte auch den Mut, seine Lebensplanung darauf auszurichten", sagt Lutz Michael Fröhlich, wie Fandel einst selbst FIFA-Referee und heute Abteilungsleiter Schiedsrichter beim DFB. Brych selbst erklärt seine Einstellung so: "Ich versuche, mich im Leben nicht mit zu vielen verschiedenen Dingen zu verzetteln. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es zu 100 Prozent."

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Seit 2007 auf der FIFA-Liste

Seit 1999 ist er DFB-Schiedsrichter. 2004 leitete er sein erstes Bundesliga-Spiel, Hertha BSC gegen Mainz 05, ein 1:1. Brych musste nur Josip Simunic und Conor Casey Gelbe Karten zeigen. Anschließend gab es Lob für den damals 29-Jährigen – und immer mehr Einsätze. 2007 kam er auf die FIFA-Liste, fünf Jahre später war er beim Olympischen Fußballturnier im Einsatz, 2013 dann beim Confed-Cup. Interessante Fakten, noch interessanter ist aber, was den Schiedsrichter Brych ausmacht. "Felix Brych nimmt die Spieler auf dem Platz mit, verständigt sich mit ihnen sehr geschickt und auf Augenhöhe", sagt Fandel. "Selbst in der 'Hitze des Gefechts' ist er noch in der Lage, mit den Spielern zu kommunizieren." Auch Fröhlich lobt Brychs "moderne und kommunikative Linie", dazu die notwendige Konsequenz bei den Entscheidungen und eine sehr starke Physis. Allesamt Attribute, die einen Top-Schiedsrichter ausmachen. Und ihn befähigen, bei einem Highlight des Weltfußballs dabei zu sein.

Einige Wochen sind es noch bis dahin. Dennoch läuft die Vorbereitung auf das Turnier natürlich schon längst. Im Februar trafen sich die WM-Schiedsrichter zum Lehrgang auf den Kanarischen Inseln, im März und April dann das Treffen in der FIFA-Zentrale in Zürich. Und vor WM-Beginn wartet dann noch mal ein zehntägiger Lehrgang in Rio de Janeiro auf alle Unparteiischen. Inhalt der Seminare sind dann zum Beispiel die Themen Fairness, die einheitliche Regelauslegung oder auch der Umgang mit den unterschiedlichen Mentalitäten der Spieler aus 32 Ländern.

Besondere Vorbereitung auf ein besonderes Ereignis. Doch Brych fokussiert sich zunächst auf den Schiedsrichter-Alltag. "Wir werden bis zur Weltmeisterschaft noch viele Spiele leiten. Und das wollen wir so gut und erfolgreich machen wie bisher. Als Schiedsrichter darf man nie zu weit nach vorne blicken", sagt er. Es gibt zu viele Dinge, auf die man keinen Einfluss hat, an die man sogar heute vielleicht noch gar nicht denkt."