WM-Held Brehme wird 50: "Keine Zeit zum Feiern"

Seine Karriere ist seit zwölf Jahren beendet, auf der Trainerbank saß er zuletzt vor fünf Jahren. Aber langweilig ist Andreas Brehme, der Mann, der Deutschland zum bisher letzten Weltmeister-Titel geschossen hat, ganz gewiss nicht.

Den Tag vor seinem 50. Geburtstag verbrachte der Geschäftsmann in seiner Wahl-Heimat München in endlosen "Meetings", wie das Sekretariat bedauernd ausrichten lässt – und seinen Geburtstag heute will er auch nicht richtig feiern. Mangels Zeit. Erst am 51. wolle er es wieder krachen lassen. In Kürze geht es mit der Traditionsmannschaft des FC Bayern nach Indien, als hätte er noch nicht genug vom runden Ball und noch nicht genug gesehen von der Welt.

Ausgangspunkt seiner Weltreise war Hamburg-Barmbek, wo er am 9. November 1960 das Licht der Welt erblickte. Im Mittelpunkt seiner Welt stand schon im Kindesalter der Fußball, der Jahr für Jahr unter dem Weihnachtsbaum lag und irgendwann auch zu liegen hatte im Hause Brehme. Als der Großvater ihm mal eine Eisenbahn schenkte, strafte sie Klein-Andy mit Nichtachtung und der Opa war schwer beleidigt.

Beidfüßig schon in der F-Jugend

Aber Fußball war eben sein Leben wie für viele Kinder, die in den Sechzigern aufgewachsen waren. Ohne Computer, I-Pod, Videorecorder und 32 TV-Kanäle. Andreas war ein richtiger Straßenfußballer, der in seinem Vater auch seinen ersten Trainer hatte. Bernd Brehme brachte dem Filius schon in der F-Jugend von Barmbek-Uhlenhorst in Extraschichten nach dem Training bei, beidfüßig zu schießen. „Ihm habe ich im eigentlichen Sinn meine Karriere zu verdanken“, sagte der Sohn über den Vater. Durch Bernd Brehmes Spezialtraining, abwechselnd warf er schon dem vierjährigen Andy den Ball auf den linken und auf den rechten Fuß, bekam Deutschland einen der vielseitigsten und torgefährlichsten Außenverteidiger der Welt.

In der Schule war Brehme am liebsten in der Turnhalle und die 1 in Sport war nur einmal in Gefahr, als er sich weigerte, Geräteturnen zu machen: „Solch einen Babykram mach ich doch nicht mit“, sagte er und ließ sich vom Sportlehrer doch überzeugen. Ansonsten war er brav und folgsam: „Ich rauchte nicht, trank nur ganz selten ein wenig Alkohol und ging auch nicht in die Disko. Abends war ich immer recht früh zu Hause, am Wochenende ging ich meist gegen 22 Uhr ins Bett. Oft bin ich sogar während des Sportstudios eingeschlafen.“

Magath vermittelt Brehme nach Saarbrücken

Nach 560 Jugendspielen für Barmbek Uhlenhorst und 54 Auswahlspielen für Hamburgs Verband interessierte sich endlich der große HSV, damals Deutscher Meister, für ihn und nach siebenwöchigem Probetraining legte ihm Manager Günter Netzer einen Vertrag vor. Der aber sollte zunächst für die Landesliga-Reserve gelten und Vater Bernd intervenierte – Regionalligist Barmbek Uhlenhorst spielte ja höher als die Zweite des HSV.

Da trat Felix Magath auf den Plan, damals HSV-Profi und schon mit einem untrüglichen Gespür für Talente. Er wollte, dass aus dem jungen Brehme etwas wird und stellte den Kontakt zu seinem Ex-Klub 1. FC Saarbrücken her – und so begann 1980 in der 2. Liga Süd eine bemerkenswerte Profikarriere. Angebote aus Bremen oder Schalke beachtete er nicht: „Der Sprung in die Bundesliga war mir zu groß, ich will noch lernen und mich langsam aufbauen“, sagte der 19jährige mit der Vernunft eines 30jährigen.

Nach nur einem Jahr in der zweiten Liga folgte aber schon der nächste Schritt: der 1. FC Kaiserslautern lockte ihn in die Bundesliga. Das kam so: FCK-Präsident Jürgen „Atze“ Friedrich wollte eigentlich einen anderen kommenden Weltmeister verpflichten, Offenbachs Uwe Bein, und sah sich das Spiel der Kickers gegen Saarbrücken an. Doch Brehme, damals linker Verteidiger beeindruckte ihn noch mehr. Und so ging er am 8. August 1981 in Frankfurt (2:2) an der Seite eines Hans-Peter Briegel und Hannes Bongartz in die Bundesligaannalen ein. 300 Spiele sollten folgen, die meisten für seinen FCK. Von Beginn an war er Stammspieler, fünf Jahre lang blieb er es.

Länderspiel-Debüt am 15. Februar 1984

Am 15. Februar 1984 setzte ihn Bundestrainer Jupp Derwall in Varna erstmals in der A-Nationalmannschaft ein und am Ende sollen 86 Spiele stehen. Brehme: „Ein Länderspiel ist das größte, zu wissen, für deine Nation zu spielen und vor über zehn Millionen Fernsehzuschauern. Ein besseres Gefühl gibt es nicht!“.

Bei der EM in Frankreich kam er in allen drei Spielen im Mittelfeld zum Einsatz und nach der Wachablösung durch Franz Beckenbauer avancierte er zur festen Größe im DFB-Team. Der Kaiser war rückblickend voll des Lobes: „Er hat alle Wünsche, die man als Trainer haben kann, erfüllt. Andy war im Training fleißig, hat in seinen Länderspielen immer alles gegeben und alle taktischen Spielchen ausgeführt. Da er links wie rechts gleich gut schoss, konnte ich ihn auch sehr flexibel in die Mannschaft einbauen.“

Bei der WM in Mexiko schoss Brehme Deutschland mit seinem Freistoß gegen Frankreich ins Finale, wo er beim 2:3 gegen Argentinien beide Tore mit Ecken vorbereitete. Damals reichte es noch nicht zum Titel und auch bei der EM im eigenen Land fehlten Nuancen. Im Halbfinale war Endstation, nun hatte Brehme seinen Stammplatz als linker Verteidiger. Wie in München. 1986 war er zu den Bayern gewechselt, um prompt Meister zu werden. Als Lothar Matthäus 1988 zu Inter Mailand ging, überredete er Brehme, der schon mit Sampdoria Genua einig gewesen war, ihn zu begleiten. „Inter Mailand war eine richtig tolle Zeit, das waren vier wunderschöne, erfolgreiche Jahre“, blickt der Jubilar auf die Tage des Dolce Vita zurück.

Goldene Zeiten bei Inter Mailand

Eine Meisterschaft und der Uefa-Cup-Sieg 1991 fielen in die Ära der Deutschen, zu denen ab 1989 auch Jürgen Klinsmann gehörte. Dieses Trio hatte 1990 erheblichen Anteil am WM-Triumph. Ihretwegen hatte die Beckenbauer-Elf in Mailand quasi fünf Heimspiele, denn das Trio war sehr beliebt, Brehme wurde von den italienischen Journalisten zum besten Spieler 1989/90 gewählt. Darauf stieß er mit Freund Lothar nach Feierabend in Carimate in Enricos Bar mit einem Vino an und niemand hatte etwas dagegen.

„In Italien geht es einfach lockerer zu“, meldete Brehme in die Heimat, aus der in jenen Jahren immer Deutsche gen Süden eilten. Erst recht nach dieser traumhaften WM, bei der Brehme drei seiner acht Länderspiel-Tore erzielte. Alle waren sie Gold wert. Das herrlichste war der Bogenschuss zum 2:0 im Achtelfinale gegen Holland, das kurioseste war der abgefälschte Freistoß zum 1:0 im Halbfinale gegen England und das wichtigste verfolgt ihn sein Leben lang. Rom, 8. Juli 1990. Nach 85minütigem Powerplay gegen Argentinien gab der Schiedsrichter nach einer Attacke an Rudi Völler einen Elfmeter.

Und nun sorgte ein Zufall für Brehmes Unsterblichkeit: Lothar Matthäus hatte in der Pause die Schuhe wechseln müssen nach einem Sohlenbruch und fühlte sich mit dem neuen Paar unsicher. Er ging einfach weg vom ominösen Punkt und Brehme, Schütze Nummer zwei, ging hin.

“Das Tor wurde immer kleiner“

Später hat er immer erzählt, dass die Argentinier fünf Minuten lamentiert hätten, ehe es zum Elfmeter gekommen sei. So mag es sich anfühlen, wenn man vor dem wichtigsten Schuss seines Lebens steht, tatsächlich waren es nur 1:58 Minuten. Dennoch: „Das war die schlimmste Zeit, das Tor wurde immer kleiner. Dann kam Rudi Völler zu mir und sagte: ‚wenn du den reinmachst, sind wir Weltmeister.’ Das war nun keine Neuigkeit.“

Brehme machte ihn rein – unten links. So begrüßen sie ihn noch heute irgendwo auf der Welt, wo Deutsche sind: „Andy, unten links“, rufen sie voller Dankbarkeit für den Moment für die Ewigkeit. Andreas Brehme hat danach noch einiges erlebt, was sich andere Fußballer nur erträumen, aber besser konnte es natürlich nicht mehr kommen. 1992 stand er im EM-Finale gegen Dänemark (0:2), nach der Niederlage trat er zurück. Er versprach Berti Vogts jedoch, im Notfall zurückzukehren. Die Not war im März 1994 groß und Brehme kehrte tatsächlich zurück, um an der WM in den USA teilzunehmen. Hier beendete der 33jährige mit der unglücklichen Niederlage im Viertelfinale gegen Bulgarien in New York als Joker seine Länderspielkarriere. „Meinen zweiten und letzten Abschied von der Nationalmannschaft hätte ich mir natürlich etwas anders gewünscht! Aber das kannst Du Dir nicht aussuchen“, gab er zu Protokoll.

Doch der Fußballgott hatte noch etwas mit Brehme vor. Nach einem Intermezzo bei Real Sarragossa (1992/93) war er nach Kaiserslautern zurückgekehrt. Der ganze Verein erlebte Mitte der Neunziger eine Berg- und Talfahrt sondergleichen: 1994 noch Vize-Meister hinter den Bayern, folgte 1996 der Abstieg mit einer der rührendsten Szenen der Bundesliga-Historie. Nach dem 1:1 im Abstiegsendspiel in Leverkusen weinte Brehme in den Armen von Rudi Völler, am Tag von Rom sein Kamerad, an diesem Tag sein Konkurrent, im Fernseh-Studio. „Ich habe einige Endspiele verloren. EM, WM, Europacup der Landesmeister, aber das härteste war mit Abstand der Abstieg. Nach dem Spiel war ich ziemlich fertig. Mein Freund Rudi Völler hat sich sehr fair verhalten, so wie das zwischen zwei Spielern ist, die so viel erlebt haben wie wir beide“, erinnerte sich Brehme in seiner Biographie an diesen dunklen Tag.

Als Absteiger zum Pokalsieg – und zurück in die zweite Liga

Eine Woche später wurde der Absteiger wie zum Hohn noch DFB-Pokalsieger und danach „haben viele die Entscheidung getroffen, beim FCK zu bleiben und den Betriebsunfall Abstieg so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen.“ Dafür verzichteten die Lauterer auf ein Drittel ihrer Gehälter. Weltmeister Brehme ging also nach 15 Jahren zurück in die zweite Liga, Meppen statt München. Das rührte auch FCK-Idol Fritz Walter: „Das unter-streicht seine menschliche Größe und sportliche Souveränität“, lobte ihn der 2002 verstorbene DFB-Ehrenspielführer.

Die alte Mannschaft bekam allerdings einen neuen Trainer: Otto Rehhagel. Mit ihm marschierten sie souverän durch die Zweite Liga und 1997 war der 36jährige Brehme nach 1981 und 1993 ein drittes Mal in der Bundesliga angelangt. Was dann geschah, kann man heute noch nicht fassen. Der Aufsteiger gewann gleich zum Auftakt bei den Bayern, wurde Meister und ausgerechnet in seiner Heimatstadt Hamburg stemmte FCK-Kapitän Brehme, obwohl als Standby-Profi nur noch fünfmal eingesetzt, die Meisterschale gen Himmel. „Ganz am Ende noch einmal Meister mit den Roten Teufeln vom Betzenberg zu werden – gibt es einen besseren Zeitpunkt seine Laufbahn zu beenden?“, fragte er sich und ging.

Als Trainer zurück zu seinem FCK

Als Trainer kam er noch einmal zum FCK zurück, löste Rehhagel im Oktober 2000 ab. 64mal saß er auf der Bank, 2001 stellte er einen noch immer gültigen Bundesliga-Startrekord auf mit sieben Siegen, aber dann ging er den Weg aller Trainer: er wurde im August 2002 entlassen, nach 30 Siegen und 25 Niederlagen. Letztmals arbeitete Brehme 2005 als Cheftrainer bei Zweitligist Spielvereinigung Unterhaching, später sah man ihn noch an der Seite seines Trainers in Mailand, Giovanni Trapattoni, in Stuttgart. Seitdem ruht der Ball, der ihn nicht ruhen lässt. Bei allen Bayern-Heimspielen ist er im Stadion, oft auch in Italien.

Allmählich könnte mal wieder ein Angebot reinflattern, hofft der Vater zweier Söhne. „Liebend gern“ würde er noch mal im Ausland arbeiten, gesteht der Mann, der auf den (Elfmeter-) Punkt genau da war, als es darauf ankam. Damals in Rom. „Ich weiß ehrlich nicht, wie oft ich darauf angesprochen wurde: Am Flughafen, im Lokal, auf der ganzen Welt. Aber das nervt nicht – ist doch besser so, als wenn sich die Leute an einen nicht erinnern.“, sagte Brehme nun dem Münchner Merkur. „Gänsehaut habe ich nicht mehr, es ist ja 20 Jahre her. Aber stolz bin ich schon, klar.“

Hoffentlich noch sehr lange.

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Seine Karriere ist seit zwölf Jahren beendet, auf der Trainerbank saß er zuletzt vor fünf Jahren. Aber langweilig ist Andreas Brehme, der Mann, der Deutschland zum bisher letzten Weltmeister-Titel geschossen hat, ganz gewiss nicht.

Den Tag vor seinem 50. Geburtstag verbrachte der Geschäftsmann in seiner Wahl-Heimat München in endlosen "Meetings", wie das Sekretariat bedauernd ausrichten lässt – und seinen Geburtstag heute will er auch nicht richtig feiern. Mangels Zeit. Erst am 51. wolle er es wieder krachen lassen. In Kürze geht es mit der Traditionsmannschaft des FC Bayern nach Indien, als hätte er noch nicht genug vom runden Ball und noch nicht genug gesehen von der Welt.

Ausgangspunkt seiner Weltreise war Hamburg-Barmbek, wo er am 9. November 1960 das Licht der Welt erblickte. Im Mittelpunkt seiner Welt stand schon im Kindesalter der Fußball, der Jahr für Jahr unter dem Weihnachtsbaum lag und irgendwann auch zu liegen hatte im Hause Brehme. Als der Großvater ihm mal eine Eisenbahn schenkte, strafte sie Klein-Andy mit Nichtachtung und der Opa war schwer beleidigt.

Beidfüßig schon in der F-Jugend

Aber Fußball war eben sein Leben wie für viele Kinder, die in den Sechzigern aufgewachsen waren. Ohne Computer, I-Pod, Videorecorder und 32 TV-Kanäle. Andreas war ein richtiger Straßenfußballer, der in seinem Vater auch seinen ersten Trainer hatte. Bernd Brehme brachte dem Filius schon in der F-Jugend von Barmbek-Uhlenhorst in Extraschichten nach dem Training bei, beidfüßig zu schießen. „Ihm habe ich im eigentlichen Sinn meine Karriere zu verdanken“, sagte der Sohn über den Vater. Durch Bernd Brehmes Spezialtraining, abwechselnd warf er schon dem vierjährigen Andy den Ball auf den linken und auf den rechten Fuß, bekam Deutschland einen der vielseitigsten und torgefährlichsten Außenverteidiger der Welt.

In der Schule war Brehme am liebsten in der Turnhalle und die 1 in Sport war nur einmal in Gefahr, als er sich weigerte, Geräteturnen zu machen: „Solch einen Babykram mach ich doch nicht mit“, sagte er und ließ sich vom Sportlehrer doch überzeugen. Ansonsten war er brav und folgsam: „Ich rauchte nicht, trank nur ganz selten ein wenig Alkohol und ging auch nicht in die Disko. Abends war ich immer recht früh zu Hause, am Wochenende ging ich meist gegen 22 Uhr ins Bett. Oft bin ich sogar während des Sportstudios eingeschlafen.“

Magath vermittelt Brehme nach Saarbrücken

Nach 560 Jugendspielen für Barmbek Uhlenhorst und 54 Auswahlspielen für Hamburgs Verband interessierte sich endlich der große HSV, damals Deutscher Meister, für ihn und nach siebenwöchigem Probetraining legte ihm Manager Günter Netzer einen Vertrag vor. Der aber sollte zunächst für die Landesliga-Reserve gelten und Vater Bernd intervenierte – Regionalligist Barmbek Uhlenhorst spielte ja höher als die Zweite des HSV.

Da trat Felix Magath auf den Plan, damals HSV-Profi und schon mit einem untrüglichen Gespür für Talente. Er wollte, dass aus dem jungen Brehme etwas wird und stellte den Kontakt zu seinem Ex-Klub 1. FC Saarbrücken her – und so begann 1980 in der 2. Liga Süd eine bemerkenswerte Profikarriere. Angebote aus Bremen oder Schalke beachtete er nicht: „Der Sprung in die Bundesliga war mir zu groß, ich will noch lernen und mich langsam aufbauen“, sagte der 19jährige mit der Vernunft eines 30jährigen.

Nach nur einem Jahr in der zweiten Liga folgte aber schon der nächste Schritt: der 1. FC Kaiserslautern lockte ihn in die Bundesliga. Das kam so: FCK-Präsident Jürgen „Atze“ Friedrich wollte eigentlich einen anderen kommenden Weltmeister verpflichten, Offenbachs Uwe Bein, und sah sich das Spiel der Kickers gegen Saarbrücken an. Doch Brehme, damals linker Verteidiger beeindruckte ihn noch mehr. Und so ging er am 8. August 1981 in Frankfurt (2:2) an der Seite eines Hans-Peter Briegel und Hannes Bongartz in die Bundesligaannalen ein. 300 Spiele sollten folgen, die meisten für seinen FCK. Von Beginn an war er Stammspieler, fünf Jahre lang blieb er es.

Länderspiel-Debüt am 15. Februar 1984

Am 15. Februar 1984 setzte ihn Bundestrainer Jupp Derwall in Varna erstmals in der A-Nationalmannschaft ein und am Ende sollen 86 Spiele stehen. Brehme: „Ein Länderspiel ist das größte, zu wissen, für deine Nation zu spielen und vor über zehn Millionen Fernsehzuschauern. Ein besseres Gefühl gibt es nicht!“.

Bei der EM in Frankreich kam er in allen drei Spielen im Mittelfeld zum Einsatz und nach der Wachablösung durch Franz Beckenbauer avancierte er zur festen Größe im DFB-Team. Der Kaiser war rückblickend voll des Lobes: „Er hat alle Wünsche, die man als Trainer haben kann, erfüllt. Andy war im Training fleißig, hat in seinen Länderspielen immer alles gegeben und alle taktischen Spielchen ausgeführt. Da er links wie rechts gleich gut schoss, konnte ich ihn auch sehr flexibel in die Mannschaft einbauen.“

Bei der WM in Mexiko schoss Brehme Deutschland mit seinem Freistoß gegen Frankreich ins Finale, wo er beim 2:3 gegen Argentinien beide Tore mit Ecken vorbereitete. Damals reichte es noch nicht zum Titel und auch bei der EM im eigenen Land fehlten Nuancen. Im Halbfinale war Endstation, nun hatte Brehme seinen Stammplatz als linker Verteidiger. Wie in München. 1986 war er zu den Bayern gewechselt, um prompt Meister zu werden. Als Lothar Matthäus 1988 zu Inter Mailand ging, überredete er Brehme, der schon mit Sampdoria Genua einig gewesen war, ihn zu begleiten. „Inter Mailand war eine richtig tolle Zeit, das waren vier wunderschöne, erfolgreiche Jahre“, blickt der Jubilar auf die Tage des Dolce Vita zurück.

Goldene Zeiten bei Inter Mailand

Eine Meisterschaft und der Uefa-Cup-Sieg 1991 fielen in die Ära der Deutschen, zu denen ab 1989 auch Jürgen Klinsmann gehörte. Dieses Trio hatte 1990 erheblichen Anteil am WM-Triumph. Ihretwegen hatte die Beckenbauer-Elf in Mailand quasi fünf Heimspiele, denn das Trio war sehr beliebt, Brehme wurde von den italienischen Journalisten zum besten Spieler 1989/90 gewählt. Darauf stieß er mit Freund Lothar nach Feierabend in Carimate in Enricos Bar mit einem Vino an und niemand hatte etwas dagegen.

„In Italien geht es einfach lockerer zu“, meldete Brehme in die Heimat, aus der in jenen Jahren immer Deutsche gen Süden eilten. Erst recht nach dieser traumhaften WM, bei der Brehme drei seiner acht Länderspiel-Tore erzielte. Alle waren sie Gold wert. Das herrlichste war der Bogenschuss zum 2:0 im Achtelfinale gegen Holland, das kurioseste war der abgefälschte Freistoß zum 1:0 im Halbfinale gegen England und das wichtigste verfolgt ihn sein Leben lang. Rom, 8. Juli 1990. Nach 85minütigem Powerplay gegen Argentinien gab der Schiedsrichter nach einer Attacke an Rudi Völler einen Elfmeter.

Und nun sorgte ein Zufall für Brehmes Unsterblichkeit: Lothar Matthäus hatte in der Pause die Schuhe wechseln müssen nach einem Sohlenbruch und fühlte sich mit dem neuen Paar unsicher. Er ging einfach weg vom ominösen Punkt und Brehme, Schütze Nummer zwei, ging hin.

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“Das Tor wurde immer kleiner“

Später hat er immer erzählt, dass die Argentinier fünf Minuten lamentiert hätten, ehe es zum Elfmeter gekommen sei. So mag es sich anfühlen, wenn man vor dem wichtigsten Schuss seines Lebens steht, tatsächlich waren es nur 1:58 Minuten. Dennoch: „Das war die schlimmste Zeit, das Tor wurde immer kleiner. Dann kam Rudi Völler zu mir und sagte: ‚wenn du den reinmachst, sind wir Weltmeister.’ Das war nun keine Neuigkeit.“

Brehme machte ihn rein – unten links. So begrüßen sie ihn noch heute irgendwo auf der Welt, wo Deutsche sind: „Andy, unten links“, rufen sie voller Dankbarkeit für den Moment für die Ewigkeit. Andreas Brehme hat danach noch einiges erlebt, was sich andere Fußballer nur erträumen, aber besser konnte es natürlich nicht mehr kommen. 1992 stand er im EM-Finale gegen Dänemark (0:2), nach der Niederlage trat er zurück. Er versprach Berti Vogts jedoch, im Notfall zurückzukehren. Die Not war im März 1994 groß und Brehme kehrte tatsächlich zurück, um an der WM in den USA teilzunehmen. Hier beendete der 33jährige mit der unglücklichen Niederlage im Viertelfinale gegen Bulgarien in New York als Joker seine Länderspielkarriere. „Meinen zweiten und letzten Abschied von der Nationalmannschaft hätte ich mir natürlich etwas anders gewünscht! Aber das kannst Du Dir nicht aussuchen“, gab er zu Protokoll.

Doch der Fußballgott hatte noch etwas mit Brehme vor. Nach einem Intermezzo bei Real Sarragossa (1992/93) war er nach Kaiserslautern zurückgekehrt. Der ganze Verein erlebte Mitte der Neunziger eine Berg- und Talfahrt sondergleichen: 1994 noch Vize-Meister hinter den Bayern, folgte 1996 der Abstieg mit einer der rührendsten Szenen der Bundesliga-Historie. Nach dem 1:1 im Abstiegsendspiel in Leverkusen weinte Brehme in den Armen von Rudi Völler, am Tag von Rom sein Kamerad, an diesem Tag sein Konkurrent, im Fernseh-Studio. „Ich habe einige Endspiele verloren. EM, WM, Europacup der Landesmeister, aber das härteste war mit Abstand der Abstieg. Nach dem Spiel war ich ziemlich fertig. Mein Freund Rudi Völler hat sich sehr fair verhalten, so wie das zwischen zwei Spielern ist, die so viel erlebt haben wie wir beide“, erinnerte sich Brehme in seiner Biographie an diesen dunklen Tag.

Als Absteiger zum Pokalsieg – und zurück in die zweite Liga

Eine Woche später wurde der Absteiger wie zum Hohn noch DFB-Pokalsieger und danach „haben viele die Entscheidung getroffen, beim FCK zu bleiben und den Betriebsunfall Abstieg so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen.“ Dafür verzichteten die Lauterer auf ein Drittel ihrer Gehälter. Weltmeister Brehme ging also nach 15 Jahren zurück in die zweite Liga, Meppen statt München. Das rührte auch FCK-Idol Fritz Walter: „Das unter-streicht seine menschliche Größe und sportliche Souveränität“, lobte ihn der 2002 verstorbene DFB-Ehrenspielführer.

Die alte Mannschaft bekam allerdings einen neuen Trainer: Otto Rehhagel. Mit ihm marschierten sie souverän durch die Zweite Liga und 1997 war der 36jährige Brehme nach 1981 und 1993 ein drittes Mal in der Bundesliga angelangt. Was dann geschah, kann man heute noch nicht fassen. Der Aufsteiger gewann gleich zum Auftakt bei den Bayern, wurde Meister und ausgerechnet in seiner Heimatstadt Hamburg stemmte FCK-Kapitän Brehme, obwohl als Standby-Profi nur noch fünfmal eingesetzt, die Meisterschale gen Himmel. „Ganz am Ende noch einmal Meister mit den Roten Teufeln vom Betzenberg zu werden – gibt es einen besseren Zeitpunkt seine Laufbahn zu beenden?“, fragte er sich und ging.

Als Trainer zurück zu seinem FCK

Als Trainer kam er noch einmal zum FCK zurück, löste Rehhagel im Oktober 2000 ab. 64mal saß er auf der Bank, 2001 stellte er einen noch immer gültigen Bundesliga-Startrekord auf mit sieben Siegen, aber dann ging er den Weg aller Trainer: er wurde im August 2002 entlassen, nach 30 Siegen und 25 Niederlagen. Letztmals arbeitete Brehme 2005 als Cheftrainer bei Zweitligist Spielvereinigung Unterhaching, später sah man ihn noch an der Seite seines Trainers in Mailand, Giovanni Trapattoni, in Stuttgart. Seitdem ruht der Ball, der ihn nicht ruhen lässt. Bei allen Bayern-Heimspielen ist er im Stadion, oft auch in Italien.

Allmählich könnte mal wieder ein Angebot reinflattern, hofft der Vater zweier Söhne. „Liebend gern“ würde er noch mal im Ausland arbeiten, gesteht der Mann, der auf den (Elfmeter-) Punkt genau da war, als es darauf ankam. Damals in Rom. „Ich weiß ehrlich nicht, wie oft ich darauf angesprochen wurde: Am Flughafen, im Lokal, auf der ganzen Welt. Aber das nervt nicht – ist doch besser so, als wenn sich die Leute an einen nicht erinnern.“, sagte Brehme nun dem Münchner Merkur. „Gänsehaut habe ich nicht mehr, es ist ja 20 Jahre her. Aber stolz bin ich schon, klar.“

Hoffentlich noch sehr lange.