WM 1986: Nächster Halbfinalsieg gegen Frankreich

24 Partien stehen in der deutsch-französischen Länderspielchronik. Nur dreimal ging es um mehr als ums Prestige, bei den WM-Endrunden 1958, 1982 und 1986. Im Halbfinale von Guadalajara am 25. Juni 1986 vermieste Deutschland eine sportliche "französische Revolution", nachdem die Franzosen zuvor gegen Brasilien gewannen. Der Historiker Udo Muras erinnert für DFB.de vor dem 25. Duell der beiden großen Fußballnationen heute (ab 21 Uhr, live in der ARD) in Paris an ein Sportdrama vor mehr als 26 Jahren, das die Beteiligten und Fans bis heute bewegt.

Der Zufall wollte es, dass es vier Jahre nach dem Klassiker von Sevilla eine Neuauflage zwischen Deutschland und Frankreich gab - wieder bei einer WM, wieder in einem Halbfinale. Nun in der mexikanischen Stadt Guadalajara und unter durchaus vergleichbaren Vorzeichen. Wie in Spanien hatten die Deutschen auch in Mexiko nicht gerade begeistert, sondern das Klischee der Turniermannschaft bedient, die nicht aufgibt und immer kämpft, wenn es spielerisch nicht läuft.

Bis zum Halbfinale hatten sie 1986 nur zwei Spiele gewonnen (2:1 gegen Schottland, 1:0 im Achtelfinale gegen Marokko), im Viertelfinale gegen Gastgeber Mexiko blieben sie in zwei Stunden fast ohne Torchance, aber in der Elfmeter-Lotterie behielten sie die Nerven. Das erinnerte an Sevilla 1982.

Fernandez: "Wir sind besser als 1982, die Deutschen schwächer"

Aber noch hatte man kein Spiel für die Ewigkeit von der von Franz Beckenbauer trainierten DFB-Auswahl gesehen, und vor der Revanche mit Frankreich war sie Außenseiter. "Wir sind besser als 1982, die Deutschen aber sind schwächer als damals", tönte Frankreichs Luis Fernandez, der nicht zu den Sieben gehörte, die schon das Drama von Sevilla erlebt hatten. "Man braucht sich nur ihre Spiele hier in Mexiko anzusehen, dann weiß man Bescheid."

Die Franzosen hatten Grund zur Euphorie: Im Viertelfinale schalteten sie - auch im Elfmeterschießen - den großen Favoriten Brasilien aus, und die Zeitung France Footbal rief eine sportliche "französische Revolution" aus. Die Generation Platini-Tigana-Giresse, die 1984 bereits Europameister geworden war, war auf dem Zenit ihres Könnens angelangt.

In der Kaiser-Zeit durchs Tal

Die Deutschen hingegen gingen in den ersten Jahren der "Kaiser-Zeit" durch ein Tal, es fehlte an Kreativität, an Brillanz und Klasse. So ließ Beckenbauer in der Not zeitweise sieben Defensivspieler auflaufen, von denen einige wie der Münchner Norbert Eder oder Italienlegionär Hans-Peter Briegel im Mittelfeld spielten.



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24 Partien stehen in der deutsch-französischen Länderspielchronik. Nur dreimal ging es um mehr als ums Prestige, bei den WM-Endrunden 1958, 1982 und 1986. Im Halbfinale von Guadalajara am 25. Juni 1986 vermieste Deutschland eine sportliche "französische Revolution", nachdem die Franzosen zuvor gegen Brasilien gewannen. Der Historiker Udo Muras erinnert für DFB.de vor dem 25. Duell der beiden großen Fußballnationen heute (ab 21 Uhr, live in der ARD) in Paris an ein Sportdrama vor mehr als 26 Jahren, das die Beteiligten und Fans bis heute bewegt.

Der Zufall wollte es, dass es vier Jahre nach dem Klassiker von Sevilla eine Neuauflage zwischen Deutschland und Frankreich gab - wieder bei einer WM, wieder in einem Halbfinale. Nun in der mexikanischen Stadt Guadalajara und unter durchaus vergleichbaren Vorzeichen. Wie in Spanien hatten die Deutschen auch in Mexiko nicht gerade begeistert, sondern das Klischee der Turniermannschaft bedient, die nicht aufgibt und immer kämpft, wenn es spielerisch nicht läuft.

Bis zum Halbfinale hatten sie 1986 nur zwei Spiele gewonnen (2:1 gegen Schottland, 1:0 im Achtelfinale gegen Marokko), im Viertelfinale gegen Gastgeber Mexiko blieben sie in zwei Stunden fast ohne Torchance, aber in der Elfmeter-Lotterie behielten sie die Nerven. Das erinnerte an Sevilla 1982.

Fernandez: "Wir sind besser als 1982, die Deutschen schwächer"

Aber noch hatte man kein Spiel für die Ewigkeit von der von Franz Beckenbauer trainierten DFB-Auswahl gesehen, und vor der Revanche mit Frankreich war sie Außenseiter. "Wir sind besser als 1982, die Deutschen aber sind schwächer als damals", tönte Frankreichs Luis Fernandez, der nicht zu den Sieben gehörte, die schon das Drama von Sevilla erlebt hatten. "Man braucht sich nur ihre Spiele hier in Mexiko anzusehen, dann weiß man Bescheid."

Die Franzosen hatten Grund zur Euphorie: Im Viertelfinale schalteten sie - auch im Elfmeterschießen - den großen Favoriten Brasilien aus, und die Zeitung France Footbal rief eine sportliche "französische Revolution" aus. Die Generation Platini-Tigana-Giresse, die 1984 bereits Europameister geworden war, war auf dem Zenit ihres Könnens angelangt.

In der Kaiser-Zeit durchs Tal

Die Deutschen hingegen gingen in den ersten Jahren der "Kaiser-Zeit" durch ein Tal, es fehlte an Kreativität, an Brillanz und Klasse. So ließ Beckenbauer in der Not zeitweise sieben Defensivspieler auflaufen, von denen einige wie der Münchner Norbert Eder oder Italienlegionär Hans-Peter Briegel im Mittelfeld spielten.

Dass diese Mannschaft so weit gekommen war, war ungeachtet der deutschen Turniertradition eine echte Überraschung. Nun aber rechnete die Fachwelt damit, dass ihr Weg im nicht ausverkauften Stadion "Jalisco" zu Ende sein würde. Wieder einmal aber sollte es anders kommen. Vielleicht auch, weil Toni Schumacher in der kleinen Kirche neben dem Teamhotel wie vor jedem Spiel eine Kerze stiftete?

Rolffs einziger Auftrag: Platini ausschalten

Franz Beckenbauer hatte an diesem 25. Juni eine andere Eingebung: Er nahm notgedrungen eine Veränderung vor, da Rotsünder Thomas Berthold pausieren musste. Dafür spielte der Hamburger Wolfgang Rolff, allein mit dem Auftrag, Michel Platini zu neutralisieren. Der Kaiser erinnerte sich nämlich daran, dass Rolff Platini im Landesmeisterfinale 1983, als der HSV Juventus Turin 1:0 geschlagen hatte, bereits entnervt hatte.

Platini ausschalten hieß Frankreich ausschalten. Überhaupt ging es nur über Disziplin und Laufbereitschaft, den Schönheitspreis wollten die Deutschen nicht. Toni Schumacher kündigte an: "Die Franzosen werden sich wundern. Die haben doch gegen Brasilien nur so zaubern können, weil ihnen keiner auf den Füßen stand. Wir werden die wichtigsten Leute in Manndeckung nehmen, und dann werden wir sehen, wie den Franzosen das behagt."

Erste deutsche Pausenführung bei der WM '86

Aber die Deutschen waren keineswegs nur auf Zerstörung bedacht. Wie in Spanien lieferten sie auch in Mexiko ihr bestes Turnierspiel gegen den Nachbarn von der linken Rheinseite. 24 Millionen ARD-Zuschauer waren schier begeistert und erkannten ihre Idole kaum wieder. Plötzlich kombinierten sie, waren mutig und strahlten in jeder Phase aus, dass sie ins Finale wollten.

Und erstmals gingen sie bei dieser WM vor der Pause in Führung. Frankreichs Torwart Joel Bats war dabei behilflich gewesen und ließ Brehmes Freistoß unter seinem Körper durchrutschen (9. Minute). Ein klassischer Torwartfehler, Brehme war es egal: "Natürlich ist es Glück, wenn der Torwart so einen Fehler macht. Aber ob ich ein glückliches Tor schieße oder ein normales, ist mir, ehrlich gesagt, völlig egal. Drin ist drin."

Es hätten noch mehr Tore werden können, der plötzlichen Spielfreude entsprangen weitere gute Chancen. Selbst Rolff hätte um ein Haar getroffen, doch da war Bats auf der Höhe. Die französische Abwehr bekam mehr zu tun als gedacht. Übrigens wurde sie von Patrick Battiston organisiert, der - eingedenk des Fouls im WM-Halbfinale '82 - vor dem Spiel noch etwas Brisanz aus dem Treffen mit Toni Schumacher genommen hatte: "Wir haben keine Probleme mehr mit einander und sind längst versöhnt."

Hinten hält Schumacher, vorn trifft Völler

Probleme mit dem deutschen Fußball hatten sie aber weiterhin, die Abwehr um Ausputzer Ditmar Jakobs gönnte ihnen nur wenig Chancen zum Ausgleich, und was doch durchkam, wurde eine Beute von Schumacher. Die zweite Hälfte wurde von den Franzosen dominiert, die vor 40.000 Zuschauern in der mexikanischen Gluthitze 80 Minuten lang dem Patzer ihres Torwarts nachliefen. Gleich zweimal verzweifelte Yannick Stopyra an ihm, und Maxime Bossis versagten die Nerven, als er in der Schlussminute den Ball nicht voll traf.

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Praktisch im Gegenzug schloss Joker Rudi Völler, der den angeschlagenen Karl-Heinz Rummenigge abgelöst hatte, einen Konter zum erlösenden 2:0 ab. Es war der verdiente Lohn für das bisher beste Spiel in Mexiko, und wieder mal hatte die deutsche Mannschaft an der Legende von der Turniermannschaft gestrickt: zäh, unbequem, diszipliniert, steigerungsfähig und bis zum Schluss dabei.

Der Kicker lobte: "Endlich Mut und Angriffselan. Endlich kam zum kämpferischen Engagement auch da spielerische Element." Beckenbauer war beinahe sprachlos vor Glück: "Mir fehlen einfach die Worte, Fußball-Deutschland kann stolz auf diese Mannschaft sein."

Platini: "Wir haben unseren kühlen Kopf verloren"

Der Traum war wahr geworden, zum fünften Mal hatten sie das Endspiel erreicht - mit einer Mannschaft, der man noch immer keine Lorbeerkränze band. "Man kann nicht gerade behaupten, dass Deutschland ein gutes Team hat", sagte Platini und trat enttäuscht zurück, "aber wir haben nach dem 0:1 unseren kühlen Kopf verloren."

Im deutschen Lager fand eine spontane Fiesta statt. Etliche Spieler maskierten sich mit Sombreros, eine Mariachi-Kapelle spielte auf und Hans-Peter Briegel sang ein deutsches Volkslied mit leicht modifiziertem Text: "Aber eins, aber eins, das ist gewiss, auch Argentinien hat vor Deutschland Schiss!" Bundeskanzler Helmut Kohl gratulierte telegrafisch und kündigte sein Kommen zum Finale gegen Argentinien an. Da allerdings sollten die Deutsche - wie vier Jahre zuvor in Spanien - zweiter Sieger bleiben.