Wie einst Fritz Walter: Carsten Kammlotts unfassbares Hackentor

Die Antwort kam stets wie aus der Pistole geschossen. Wurde Deutschlands 2002 verstorbener Ehrenspielführer Fritz Walter auf den Tag seines schönsten Treffers angesprochen, sagte er: "Das war am 6. Oktober 1956." Und meinte sein sagenhaftes Hackenvolleytor im Freundschaftsspiel des Deutschen Meisters 1. FC Kaiserslautern beim DDR-Meister Wismut Karl-Marx-Stadt in Leipzig vor mindestens 110.000 völlig begeisterten Zuschauern. Eine Luftakrobatiknummer in technischer Vollendung und von höchster Eleganz. Ein schier unnachahmliches Kunststück - so schien es bis zum 13. August 2015.

Der Erfurter Carsten Kammlott hat es dem "Alten Fritz" fast 59 Jahre später nachgemacht. In Dresden. Wieder in Sachsen, wo nicht nur die schönen Mädchen, sondern offenbar auch die schönen Tore wachsen. Der 25 Jahre alte Stürmer traf beim 1:3 von Rot-Weiß Erfurt im Drittligaspiel bei Gastgeber Dynamo zum zwischenzeitlichen 1:1 für die Thüringer. Mit einem perfekt ausgeführten Hackenvolleyschuss, unhaltbar für Dresdens Torwart Janis Blaswich. Jetzt schon der heißeste Kandidat fürs "Tor des Jahres 2015".

Ein Treffer, der bei Fans und Experten unwillkürlich die Erinnerung an den 6. Oktober 1956 hervorruft. Auch Carsten Kammlott weiß, worum es geht, wie er im Gespräch mit DFB.de sagt: "Das Tor von Fritz Walter kenne ich. Gestern und heute wurde ich erst recht mehrmals darauf angesprochen. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Nachrichten und Glückwünsche nach einem Spiel erhalten wie diesmal. Ich habe instinktiv gehandelt. Als ich spürte, dass ich schon vor dem Ball war, habe ich einfach probiert, ihn noch irgendwie in Richtung Tor zu befördern. Dass er auf diese Weise reingeht, hätte ich nicht gedacht."

Und wie war das damals genau in Leipzig? Wie hat Fritz Walter sein legendäres Hackentor zustande gebracht? Für DFB.de schaut der Historiker Udo Muras in die Fußballgeschichte.

120.000 Zuschauer im Zentralstadion

An diesem Tag spielte Walter mit seinem 1. FC Kaiserslautern gegen den SC Wismut Karl-Marx-Stadt und siegte 5:3 (4:3). Vor der größten Kulisse seines Lebens - laut Zeitzeugen geschätzte 120.000 Zuschauer im aus Kriegsschutt erbauten und just erst eröffneten Leipziger Zentralstadion. Sie kamen zu einem Freundschaftsspiel, eine höhere Besucherzahl auf deutschem Boden ist nicht überliefert. Alle wollten sie eben dabei sein beim Aufeinandertreffen von DDR-Meister und Pfälzer Starensemble mit seinen fünf Helden von Bern: Fritz und Ottmar Walter, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel und Werner Liebrich. Die Weltmeister von 1954 erstmals zum Anfassen im anderen Deutschland.

Dass Liebrich dann fehlte, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Das Sportmagazin berichtete, es seien rund 450.000 Kartenanforderungen eingegangen, der DDR-Fernsehfunk übertrug die Partie live. "In Gesprächen mit DDR-Funktionären erfuhren wir, dass man das simple Freundschaftsspiel in den Rang eines Prestigekampfes zwischen dem Fußball Westdeutschlands und dem der DDR gedrängt hatte", meldete das Sportmagazin den Fans im Westen der Rebuplik.



Die Antwort kam stets wie aus der Pistole geschossen. Wurde Deutschlands 2002 verstorbener Ehrenspielführer Fritz Walter auf den Tag seines schönsten Treffers angesprochen, sagte er: "Das war am 6. Oktober 1956." Und meinte sein sagenhaftes Hackenvolleytor im Freundschaftsspiel des Deutschen Meisters 1. FC Kaiserslautern beim DDR-Meister Wismut Karl-Marx-Stadt in Leipzig vor mindestens 110.000 völlig begeisterten Zuschauern. Eine Luftakrobatiknummer in technischer Vollendung und von höchster Eleganz. Ein schier unnachahmliches Kunststück - so schien es bis zum 13. August 2015.

Der Erfurter Carsten Kammlott hat es dem "Alten Fritz" fast 59 Jahre später nachgemacht. In Dresden. Wieder in Sachsen, wo nicht nur die schönen Mädchen, sondern offenbar auch die schönen Tore wachsen. Der 25 Jahre alte Stürmer traf beim 1:3 von Rot-Weiß Erfurt im Drittligaspiel bei Gastgeber Dynamo zum zwischenzeitlichen 1:1 für die Thüringer. Mit einem perfekt ausgeführten Hackenvolleyschuss, unhaltbar für Dresdens Torwart Janis Blaswich. Jetzt schon der heißeste Kandidat fürs "Tor des Jahres 2015".

Ein Treffer, der bei Fans und Experten unwillkürlich die Erinnerung an den 6. Oktober 1956 hervorruft. Auch Carsten Kammlott weiß, worum es geht, wie er im Gespräch mit DFB.de sagt: "Das Tor von Fritz Walter kenne ich. Gestern und heute wurde ich erst recht mehrmals darauf angesprochen. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Nachrichten und Glückwünsche nach einem Spiel erhalten wie diesmal. Ich habe instinktiv gehandelt. Als ich spürte, dass ich schon vor dem Ball war, habe ich einfach probiert, ihn noch irgendwie in Richtung Tor zu befördern. Dass er auf diese Weise reingeht, hätte ich nicht gedacht."

Und wie war das damals genau in Leipzig? Wie hat Fritz Walter sein legendäres Hackentor zustande gebracht? Für DFB.de schaut der Historiker Udo Muras in die Fußballgeschichte.

120.000 Zuschauer im Zentralstadion

An diesem Tag spielte Walter mit seinem 1. FC Kaiserslautern gegen den SC Wismut Karl-Marx-Stadt und siegte 5:3 (4:3). Vor der größten Kulisse seines Lebens - laut Zeitzeugen geschätzte 120.000 Zuschauer im aus Kriegsschutt erbauten und just erst eröffneten Leipziger Zentralstadion. Sie kamen zu einem Freundschaftsspiel, eine höhere Besucherzahl auf deutschem Boden ist nicht überliefert. Alle wollten sie eben dabei sein beim Aufeinandertreffen von DDR-Meister und Pfälzer Starensemble mit seinen fünf Helden von Bern: Fritz und Ottmar Walter, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel und Werner Liebrich. Die Weltmeister von 1954 erstmals zum Anfassen im anderen Deutschland.

Dass Liebrich dann fehlte, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Das Sportmagazin berichtete, es seien rund 450.000 Kartenanforderungen eingegangen, der DDR-Fernsehfunk übertrug die Partie live. "In Gesprächen mit DDR-Funktionären erfuhren wir, dass man das simple Freundschaftsspiel in den Rang eines Prestigekampfes zwischen dem Fußball Westdeutschlands und dem der DDR gedrängt hatte", meldete das Sportmagazin den Fans im Westen der Rebuplik.

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Vor Olympia 1956: Debatte um gesamtdeutsche Fußballauswahl

Zur politischen Dimension, dem Wetteifern zweier Systeme im Europa des Kalten Krieges, kam eine sportliche. Die olympischen Sommerspiele von Melbourne (im November!) standen bevor, und es war die Diskussion entbrannt, ob und wie eine gesamtdeutsche Fußballmannschaft gebildet werden solle. Da konnte jedes Tor ein Argument werden. So gingen auch die Lauterer Stars keineswegs locker in die Partie. Horst Eckel sagte 2006 der Welt: "Wir wollten Westdeutschland würdig vertreten." FCK-Trainer Richard Schneider gab zu: "Auf unser schwerstes Meisterschaftsspiel hätten wir uns nicht besser vorbereitet."

Mit einer Einschränkung: der Anreise. Ausgerechnet Kapitän Fritz Walter hatte in Koblenz seinen Zug verpasst und musste den in Frankfurt vergeblich wartenden Kameraden nachreisen. Er schaffte es dann doch noch bis zum Anstoß. Eckel kann sich noch gut an die Atmosphäre erinnern: "Die Zuschauer machten ganz schön Stimmung, aber die meisten waren für uns. Damit haben wir nicht gerechnet." Unter ihnen war auch der spätere FCK-Trainer Dietrich Weise.

Fritz Walter: "Von wegen Glückstreffer"

Sie taten sogar ihren Unmut kund, als die hart attackierenden Gegner Ottmar Walter und Friedel Späth vom Platz traten. Der FCK antwortete mit Toren und zog bis zur 36. Minute auf 4:1 davon. Die Walter-Brüder teilten sich die Treffer redlich. Das legendäre Tor war das 3:1 in der 30. Minute. Fritz hatte Ottmars Ecke, die leicht in seinen Rücken geschlagen war, im Vorwärtsfallen mit der Hacke aus knapp sieben Metern erwischt. Der Ball landete im Winkel. "Von wegen Glückstreffer, ich habe das trainiert und vielleicht zehn solcher Tore gemacht", sagte Fritz Walter später. "Im Flug musste ich immer blitzschnell nach hinten schauen und mit dem Absatz zuschlagen. Selbstverständlich war auch Glück dabei." Aber auch Eckel bestätigt: "Das konnte er."

Berühmt wurde das Tor, das im Westen niemand gesehen hatte, auch durch das Foto des Leipziger Sportfotografen Hanns-Peter Beyer, das überall abgedruckt wurde. Man sah Walter in der Luft liegend, der Ball weit über ihm. Um zu verdeutlichen, dass er ihn mit der Hacke getroffen hat, wurde einfach eine gestrichelte Linie gezogen. Andere Zeiten.