Voss-Tecklenburg: "Wir müssen unsere DNA hervorbringen"

Die Frauen-Nationalmannschaft startet mit dem Trainingslager in Marbella ins WM-Jahr. Heute reisen die Spielerinnen bis zum Mittag an, am kommenden Montag geht's zurück. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spricht im Interview mit dem SID über ihren neuen Job, die Aufgaben in Andalusien und die ersten Testspiele.

Frage: Frau Voss-Tecklenburg, mit dem Trainingslager in Marbella dürfen Sie endlich so richtig als Bundestrainerin loslegen. Was überwiegt: Aufregung oder Vorfreude?

Martina Voss-Tecklenburg: Es überwiegt ganz klar die Vorfreude, endlich das zu tun, was ich am liebsten mache: Loslegen, auf dem Trainingsplatz arbeiten, das Team spüren.

Frage: Sie haben eine Woche Zeit in Andalusien, worauf liegt der Fokus?

Voss-Tecklenburg: Es wird einerseits darum gehen, die Spielerinnen auf dem Platz kennenzulernen. Wir werden viele Trainingsformen machen, wo wir Eins-zu-Eins- und Zwei-zu-Zwei-Vergleiche haben und wo viel Initiative gefragt ist. Der zweite Punkt ist, die Spielerinnen in ihren Verhaltensweisen kennenzulernen. Wie sind sie vor allem auch als Mensch? Ich hoffe, dass ich mit jeder Spielerin zu einem Einzelgespräch komme.

Frage: Es sind keine fünf Monate mehr bis zur WM. Was muss nach der ersten WM-Maßnahme in Spanien erkennbar sein?

Voss-Tecklenburg: Ich denke nicht nur bis zur WM, ich denke längerfristig. Deswegen nehmen wir auch viele jüngere Spielerinnen mit. Wir wollen sehen: Wozu sind die Spielerinnen bereit, was können sie leisten? In den vier Testspielen bis zur WM geht es darum, eine gewisse Formation zu finden, Abläufe im Spiel wiederzufinden. Ich möchte sehen, dass die Spielerinnen selbstbewusst sind, dass sie agieren, dass sie Mut haben, Entscheidungen zu treffen. Das wird das Wichtigste sein. Dass Spielerinnen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen auf jeder Position, unabhängig von Alter und Erfahrung.

Frage: Und was für eine Art Fußball soll das Nationalteam bei der WM unter Voss-Tecklenburg spielen?

Voss-Tecklenburg: Mir ist es wichtig, dass wir eine klare Idee haben, wie wir das Spiel aufbauen wollen. Das wird nur funktionieren, wenn Spielerinnen mit dem entsprechenden Selbstwertgefühl auf den Platz gehen. Wenn sie wissen, dass wir kreativ und flexibel in den Positionen spielen dürfen und können. Ich möchte, dass wir unberechenbarer werden. Daher werden wir uns nicht starr in einem System bewegen.

Frage: Unter Interimstrainer Horst Hrubesch wurde viel am Spieltempo gearbeitet, wie wichtig waren diese Impulse?

Voss-Tecklenburg: Das ist die Basis, auf der wir aufbauen, weil das mit unserer Auffassung übereinstimmt. Jetzt geht es an den Feinschliff. Auch um die Frage: Welche Spielerin ist an welcher Position wichtig?

Frage: Beim Personal stellt sich auch die Frage: Wann und wie legen Sie sich auf Ihre Kapitänin fest?

Voss-Tecklenburg: Das werden wir uns im Trainingslager in aller Ruhe anschauen. Ich werde mit einzelnen Spielerinnen sprechen, um mir mein Bild zu machen. Ich möchte wissen, ob sie für gewisse Aufgaben bereit sind. Dann wird es in der zweiten Maßnahme ein klares Statement dazu geben.

Frage: Wie erkennen Sie Leadertypen?

Voss-Tecklenburg: Durch gute Beobachtung. Wie verhalten sich Spielerinnen auf dem Platz, wie in schwierigen Situationen, die man auch mal bewusst konstruiert. Gib den Spielerinnen Hindernisse und schau, wie sie damit umgehen. Für mich ist auch Körpersprache ein wichtiges Thema und der Umgang mit Kritik. Natürlich auch das Verhalten in Alltagssituationen, in Besprechungen und in Gesprächen. Es geht immer um direkte und indirekte Kommunikation und die Beobachtung vom gesamten Trainerteam.

Frage: Hrubesch sagte zum Abschied: Wenn diese Mannschaft ihren Weg weitergeht, ist sie bei der WM schwer zu schlagen. Wann lässt sich sagen, ob der Titel ein realistisches Ziel ist?

Voss-Tecklenburg: In den ersten Testspielen werde ich sehen, wozu das Team schon in der Lage ist. Ende April werde ich einschätzen können, was realistisch ist. Eine WM ist aber eben auch eine besondere Situation. Es kann uns schon ein schwerer Gegner im Achtelfinale drohen. Deswegen wird ein Ziel sein, Gruppenerster zu werden. Natürlich haben wir grundsätzlich den Anspruch, mit der bestmöglichen Performance so weit wie möglich zu kommen. Jeder möchte sich ja auch für Olympia qualifizieren.

Frage: Das wird schwierig genug, die Leistungsdichte gerade in Europa ist noch größer geworden.

Voss-Tecklenburg: Es gibt neben den USA, die immer ein wenig über allen stehen, aus meiner Sicht sieben, acht Nationen, die um den Titel mitspielen. Wie weit wir dann sind, wird auch davon abhängen, wie viele Führungsspielerinnen wir auf dem Platz haben, ob wir von Verletzungen verschont bleiben und wie weit die Jüngeren sind. Es wäre vermessen und anmaßend, jetzt schon zu sagen, was wir erreichen können.

Frage: Gibt es Nationen, deren Entwicklung Ihnen besonders imponiert hat?

Voss-Tecklenburg: Schottland ist ein gutes Beispiel. Sie haben sehr viel investiert und sich auf ihre Stärken konzentriert. Natürlich muss man sich die Benchmark bei anderen Topnationen anschauen, aber auch wir haben unsere eigene Mentalität, unsere eigene Stärke. Dafür sind wir bekannt, darauf müssen wir uns besinnen und diese DNA hervorbringen. Und wir haben in Deutschland tolle Voraussetzungen, müssen aber sehen, dass wir in der Toptalentförderung noch akribischer werden. So können wir dauerhaft um Titel mitspielen.

Frage: Die Erwartungshaltung in Deutschland ist enorm. Wie gehen Sie damit um?

Voss-Tecklenburg: Ich kann völlig relaxt damit umgehen, weil ich schon damals im Verein gelernt habe, mit Drucksituationen umzugehen. Wir hatten in Duisburg viele Nationalspielerinnen und haben drei Titel in zwei Jahren geholt. Mir ist natürlich bewusst, dass Fußball-Deutschland eine besonders kritische Nation ist, davon darf man sich nicht irritieren lassen. Wir sind sehr gut aufgestellt, wir sind in einem Prozess. Und wir wissen: Die WM ist ein Kapitel auf diesem Weg.

[sid]

Die Frauen-Nationalmannschaft startet mit dem Trainingslager in Marbella ins WM-Jahr. Heute reisen die Spielerinnen bis zum Mittag an, am kommenden Montag geht's zurück. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spricht im Interview mit dem SID über ihren neuen Job, die Aufgaben in Andalusien und die ersten Testspiele.

Frage: Frau Voss-Tecklenburg, mit dem Trainingslager in Marbella dürfen Sie endlich so richtig als Bundestrainerin loslegen. Was überwiegt: Aufregung oder Vorfreude?

Martina Voss-Tecklenburg: Es überwiegt ganz klar die Vorfreude, endlich das zu tun, was ich am liebsten mache: Loslegen, auf dem Trainingsplatz arbeiten, das Team spüren.

Frage: Sie haben eine Woche Zeit in Andalusien, worauf liegt der Fokus?

Voss-Tecklenburg: Es wird einerseits darum gehen, die Spielerinnen auf dem Platz kennenzulernen. Wir werden viele Trainingsformen machen, wo wir Eins-zu-Eins- und Zwei-zu-Zwei-Vergleiche haben und wo viel Initiative gefragt ist. Der zweite Punkt ist, die Spielerinnen in ihren Verhaltensweisen kennenzulernen. Wie sind sie vor allem auch als Mensch? Ich hoffe, dass ich mit jeder Spielerin zu einem Einzelgespräch komme.

Frage: Es sind keine fünf Monate mehr bis zur WM. Was muss nach der ersten WM-Maßnahme in Spanien erkennbar sein?

Voss-Tecklenburg: Ich denke nicht nur bis zur WM, ich denke längerfristig. Deswegen nehmen wir auch viele jüngere Spielerinnen mit. Wir wollen sehen: Wozu sind die Spielerinnen bereit, was können sie leisten? In den vier Testspielen bis zur WM geht es darum, eine gewisse Formation zu finden, Abläufe im Spiel wiederzufinden. Ich möchte sehen, dass die Spielerinnen selbstbewusst sind, dass sie agieren, dass sie Mut haben, Entscheidungen zu treffen. Das wird das Wichtigste sein. Dass Spielerinnen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen auf jeder Position, unabhängig von Alter und Erfahrung.

Frage: Und was für eine Art Fußball soll das Nationalteam bei der WM unter Voss-Tecklenburg spielen?

Voss-Tecklenburg: Mir ist es wichtig, dass wir eine klare Idee haben, wie wir das Spiel aufbauen wollen. Das wird nur funktionieren, wenn Spielerinnen mit dem entsprechenden Selbstwertgefühl auf den Platz gehen. Wenn sie wissen, dass wir kreativ und flexibel in den Positionen spielen dürfen und können. Ich möchte, dass wir unberechenbarer werden. Daher werden wir uns nicht starr in einem System bewegen.

Frage: Unter Interimstrainer Horst Hrubesch wurde viel am Spieltempo gearbeitet, wie wichtig waren diese Impulse?

Voss-Tecklenburg: Das ist die Basis, auf der wir aufbauen, weil das mit unserer Auffassung übereinstimmt. Jetzt geht es an den Feinschliff. Auch um die Frage: Welche Spielerin ist an welcher Position wichtig?

Frage: Beim Personal stellt sich auch die Frage: Wann und wie legen Sie sich auf Ihre Kapitänin fest?

Voss-Tecklenburg: Das werden wir uns im Trainingslager in aller Ruhe anschauen. Ich werde mit einzelnen Spielerinnen sprechen, um mir mein Bild zu machen. Ich möchte wissen, ob sie für gewisse Aufgaben bereit sind. Dann wird es in der zweiten Maßnahme ein klares Statement dazu geben.

Frage: Wie erkennen Sie Leadertypen?

Voss-Tecklenburg: Durch gute Beobachtung. Wie verhalten sich Spielerinnen auf dem Platz, wie in schwierigen Situationen, die man auch mal bewusst konstruiert. Gib den Spielerinnen Hindernisse und schau, wie sie damit umgehen. Für mich ist auch Körpersprache ein wichtiges Thema und der Umgang mit Kritik. Natürlich auch das Verhalten in Alltagssituationen, in Besprechungen und in Gesprächen. Es geht immer um direkte und indirekte Kommunikation und die Beobachtung vom gesamten Trainerteam.

Frage: Hrubesch sagte zum Abschied: Wenn diese Mannschaft ihren Weg weitergeht, ist sie bei der WM schwer zu schlagen. Wann lässt sich sagen, ob der Titel ein realistisches Ziel ist?

Voss-Tecklenburg: In den ersten Testspielen werde ich sehen, wozu das Team schon in der Lage ist. Ende April werde ich einschätzen können, was realistisch ist. Eine WM ist aber eben auch eine besondere Situation. Es kann uns schon ein schwerer Gegner im Achtelfinale drohen. Deswegen wird ein Ziel sein, Gruppenerster zu werden. Natürlich haben wir grundsätzlich den Anspruch, mit der bestmöglichen Performance so weit wie möglich zu kommen. Jeder möchte sich ja auch für Olympia qualifizieren.

Frage: Das wird schwierig genug, die Leistungsdichte gerade in Europa ist noch größer geworden.

Voss-Tecklenburg: Es gibt neben den USA, die immer ein wenig über allen stehen, aus meiner Sicht sieben, acht Nationen, die um den Titel mitspielen. Wie weit wir dann sind, wird auch davon abhängen, wie viele Führungsspielerinnen wir auf dem Platz haben, ob wir von Verletzungen verschont bleiben und wie weit die Jüngeren sind. Es wäre vermessen und anmaßend, jetzt schon zu sagen, was wir erreichen können.

Frage: Gibt es Nationen, deren Entwicklung Ihnen besonders imponiert hat?

Voss-Tecklenburg: Schottland ist ein gutes Beispiel. Sie haben sehr viel investiert und sich auf ihre Stärken konzentriert. Natürlich muss man sich die Benchmark bei anderen Topnationen anschauen, aber auch wir haben unsere eigene Mentalität, unsere eigene Stärke. Dafür sind wir bekannt, darauf müssen wir uns besinnen und diese DNA hervorbringen. Und wir haben in Deutschland tolle Voraussetzungen, müssen aber sehen, dass wir in der Toptalentförderung noch akribischer werden. So können wir dauerhaft um Titel mitspielen.

Frage: Die Erwartungshaltung in Deutschland ist enorm. Wie gehen Sie damit um?

Voss-Tecklenburg: Ich kann völlig relaxt damit umgehen, weil ich schon damals im Verein gelernt habe, mit Drucksituationen umzugehen. Wir hatten in Duisburg viele Nationalspielerinnen und haben drei Titel in zwei Jahren geholt. Mir ist natürlich bewusst, dass Fußball-Deutschland eine besonders kritische Nation ist, davon darf man sich nicht irritieren lassen. Wir sind sehr gut aufgestellt, wir sind in einem Prozess. Und wir wissen: Die WM ist ein Kapitel auf diesem Weg.

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