Verstegen: "Entwicklung im Fitnessbereich ist enorm"

An der Küste in Cannes, rund 40 Kilometer entfernt vom deutschen Trainingsquartier, laufen derzeit die Filmfestspiele, und Mark Verstegen wäre fraglos ein legitimer Nachfolger für Action-Ikonen wie Schwarzenegger und Stallone. Kantiges Gesicht, ein blauäugiger Blick wie Stahl, dazu ein perfekt durchtrainierter Körper. Die 43 Lebensjahre ahnt man nur wegen der silbergrauen kurzen Haare.

Der Amerikaner bringt die deutsche Mannschaft in Turnierform - zum fünften Mal schon bei einer Welt- oder Europameisterschaft. Im DFB.de-Interview spricht Verstegen mit Redakteur Thomas Hackbarth über Fitness im Fußball.

DFB.de: Herr Verstegen, in nur einem Jahrzehnt haben Sie Ihr Unternehmen "Athlete's Performance" als Marktführer etabliert. Seit 2005 und auch gerade jetzt hier in Südfrankreich arbeiten Sie und ihre Trainer mit der deutschen Nationalmannschaft, die Sie körperlich in beste Turnierform bringen sollen. Worauf kommt es an?

Mark Verstegen: Die Philosophie von Bundestrainer Joachim Löw ist es, jeden Spieler möglichst individuell zu betreuen. Das ist die Basis, gerade auch für das Fitnesstraining. Meine Aufgabe ist es, die Spieler körperlich darauf vorzubereiten, dass sie ihre spezifische Rolle innerhalb von Löws System auf dem Feld optimal ausfüllen können.

DFB.de: Wenn wir sagen, Sie kümmern sich um die Ausdauer der Mannschaft, wäre das also eine grobe Vereinfachung?

Verstegen (lacht): Allerdings. Die Leistung von jedem Spieler basiert auf unzähligen Faktoren. Zuerst einmal reden wir vom Kern, von den 'Core Fundamentals', dazu zählen Einstellung, Ernährung, Bewegung und Erholung. Entscheidend ist – und das sagen wir auch immer wieder unseren Spielern: Jeder Tag ist Game Day. Der Spieler muss bewusst und fokussiert arbeiten und bewusst wieder regenerieren. Arbeit plus Erholung ergeben Erfolg. Qualität ist dabei unverzichtbar, das betrifft alle Einzelheiten, vom Trainingsgerät bis zum Trainerstab.

DFB.de: Durchmogeln gilt also nicht?

Verstegen: Definitiv. Training muss dosiert sein, aber dabei gilt: jede Einheit zählt. Man muss in das Training gehen, als wäre es ein Punktspiel. Daraus ergibt sich auch, dass wir als Fitnesstrainer nicht nur für die Physis des Spielers verantwortlich sind. Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer – das sind nur Teilaspekte. Die Grundeinstellung ist wichtig, die Entschlossenheit und professionelle Haltung, mit der unsere Spieler in jeden Tag starten.



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An der Küste in Cannes, rund 40 Kilometer entfernt vom deutschen Trainingsquartier, laufen derzeit die Filmfestspiele, und Mark Verstegen wäre fraglos ein legitimer Nachfolger für Action-Ikonen wie Schwarzenegger und Stallone. Kantiges Gesicht, ein blauäugiger Blick wie Stahl, dazu ein perfekt durchtrainierter Körper. Die 43 Lebensjahre ahnt man nur wegen der silbergrauen kurzen Haare.

Der Amerikaner bringt die deutsche Mannschaft in Turnierform - zum fünften Mal schon bei einer Welt- oder Europameisterschaft. Im DFB.de-Interview spricht Verstegen mit Redakteur Thomas Hackbarth über Fitness im Fußball.

DFB.de: Herr Verstegen, in nur einem Jahrzehnt haben Sie Ihr Unternehmen "Athlete's Performance" als Marktführer etabliert. Seit 2005 und auch gerade jetzt hier in Südfrankreich arbeiten Sie und ihre Trainer mit der deutschen Nationalmannschaft, die Sie körperlich in beste Turnierform bringen sollen. Worauf kommt es an?

Mark Verstegen: Die Philosophie von Bundestrainer Joachim Löw ist es, jeden Spieler möglichst individuell zu betreuen. Das ist die Basis, gerade auch für das Fitnesstraining. Meine Aufgabe ist es, die Spieler körperlich darauf vorzubereiten, dass sie ihre spezifische Rolle innerhalb von Löws System auf dem Feld optimal ausfüllen können.

DFB.de: Wenn wir sagen, Sie kümmern sich um die Ausdauer der Mannschaft, wäre das also eine grobe Vereinfachung?

Verstegen (lacht): Allerdings. Die Leistung von jedem Spieler basiert auf unzähligen Faktoren. Zuerst einmal reden wir vom Kern, von den 'Core Fundamentals', dazu zählen Einstellung, Ernährung, Bewegung und Erholung. Entscheidend ist – und das sagen wir auch immer wieder unseren Spielern: Jeder Tag ist Game Day. Der Spieler muss bewusst und fokussiert arbeiten und bewusst wieder regenerieren. Arbeit plus Erholung ergeben Erfolg. Qualität ist dabei unverzichtbar, das betrifft alle Einzelheiten, vom Trainingsgerät bis zum Trainerstab.

DFB.de: Durchmogeln gilt also nicht?

Verstegen: Definitiv. Training muss dosiert sein, aber dabei gilt: jede Einheit zählt. Man muss in das Training gehen, als wäre es ein Punktspiel. Daraus ergibt sich auch, dass wir als Fitnesstrainer nicht nur für die Physis des Spielers verantwortlich sind. Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer – das sind nur Teilaspekte. Die Grundeinstellung ist wichtig, die Entschlossenheit und professionelle Haltung, mit der unsere Spieler in jeden Tag starten.

DFB.de: Wie fit ist denn die deutsche Mannschaft?

Verstegen: Das werden wir bald herausfinden.

DFB.de: Auf Sardinien und hier in der Provence haben Sie immerhin schon 20 Einheiten mit der Mannschaft trainiert. Wie sind denn Ihre Eindrücke?

Verstegen: Wir werden im Laufe des Turniers immer besser werden, gerade auch die Fitness der Spieler wird sich weiter verbessern. Schon jetzt hat jeder einzelne Spieler seit Sardinien große Sprünge gemacht. Die Entwicklung im Fitnessbereich ist enorm.

DFB.de: Ganz zufrieden klingt das trotzdem nicht?

Verstegen: Komplett zufrieden – das bin ich nie. Aber stolz darauf, mit welcher Qualität die deutschen Spieler an ihrer Leistung täglich arbeiten. Das Ganze ist ein Prozess.

DFB.de: Wir würden gerne nach dem Sinn von zwei Übungen fragen.

Verstegen: Oh Oh, muss ich jetzt Geheimnisse verraten?

DFB.de: Nein, sicher nicht. Aber verraten Sie doch den Fans mal, warum die Spieler Gewichte an einem Seil hinter sich herziehen müssen?

Verstegen: Schnelligkeit kann auf zwei Arten gesteigert werden. Entweder man erhöht die Schrittfrequenz oder man verlängert die Schrittlänge. Durch das Ziehen der Gewichte erlernt der Athlet die beste Körperhaltung für den Start eines Sprints. Simuliert wird mit der Übung also, wie ich die ersten fünf bis acht Meter attackiere, wie weit vorgebeugt der Oberkörper sein sollte. Durch die Läufe mit den Gewichten verlängern wir die Schrittlänge. Diese Situation, ein Sprint von fünf bis acht Metern, kommt im Spiel dauernd vor.

DFB.de: Als Sie und Ihr Team 2004 anfingen, druckte wahrscheinlich jede deutsche Zeitung einmal dieses Bild ab, wie die Nationalspieler mit Gummibändern um die Knöchel übers Feld liefen.

Verstegen: Ja, darüber haben sich viele lustig gemacht, völlig zu unrecht übrigens. Die Übung wirkt verletzungspräventiv, durch das Laufen mit dem Gummiband werden Bein- und Rückenmuskulatur gestärkt. Wirklich schwere Verletzung kann niemand vermeiden. Aber 70 Prozent der Verletzungen haben mit Verschleiß zu tun, mit den Tatsachen des Fußballeralltags. Dadurch kommt es im Körper zu Anfälligkeiten, ich nenne das Energielecks. Als hätte man einen wackelnden Reifen am Auto. Das kann gefährlich werden.

DFB.de: Oliver Bierhoff nennt Sie eine ‚Motivations-Rakete’. Kein Verstegen-Training ohne Klatschen und Jubeln. Wie wichtig ist Enthusiasmus?

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Verstegen: Enthusiasmus ist natürlich ansteckend. Doch kein Spieler wäre hier auf diesem Niveau, wäre er nicht eigenmotiviert. Champions haben eine hohe Motivation, eine Leidenschaft für Leistung. Daneben macht es mir einfach wirklich riesigen Spaß, in dieser Position zu sein. Für mich ist es einfach eine Freude und riesige Verantwortung, für Bundestrainer Löw, für Oliver Bierhoff und für den DFB zu arbeiten. Das Umfeld hier bei der Nationalmannschaft wird bestimmt durch klare Zielsetzungen und Verantwortlichkeiten. Hier traut man sich, modern zu denken. Unsere Spieler tragen das deutsche Trikot, sie repräsentieren ihr Heimatland und auch als Amerikaner bin ich mir völlig bewusst, welche Hoffnungen und Träume gerade vor diesem Turnier an der Mannschaft hängen. Ich bin sehr stolz, hier ein Teil des Teams zu sein.

DFB.de: Wie oft trainieren sie selbst?

Verstegen: Ich bewege mich einfach sehr gerne. Ich fahre sehr gerne Mountainbike und vor jedem Training laufe ich etwas. Leider macht mir manchmal der Reiseplan einen Strich durch die Rechnung.

DFB.de: Ihre beiden Firmen Athlete’s Performance und Core Performance richten sich an Sportmannschaften, aber auch an Wirtschaftsunternehmen, die ihr Toppersonal fitter bekommen wollen. Sie betreuen Topstars aus der NBA und der NFL, selbst Spezialeinheiten der US-Armee werden von ihnen trainiert. Es ging alles sehr schnell, oder?

Verstegen: Das stimmt. Angefangen habe ich vor zwölf Jahren, heute haben wir 200 hoch motivierte Mitarbeiter. Inzwischen sind wir in der komfortablen Situation, den Kundenkreis nicht mehr vergrößern zu müssen, sondern unsere bestehenden Beziehungen zu verfeinern und zu optimieren. Aber momentan gibt es für mich nur ein Aufgabe: die Fitness der deutschen Nationalmannschaft.