Storck vor EM-Auslosung: "Deutschland brauche ich nicht"

Ungarn fiebert der Europameisterschaft in Frankreich im kommenden Jahr entgegen. Auch dank des deutschen Trainers Bernd Storck ist das Land erstmals seit 44 Jahren wieder dabei. Alle Augen in Ungarn richten sich nun zunächst auf die Auslosung der Gruppenphase am Samstag (ab 18 Uhr, live im ZDF) in Paris. Im großen DFB.de-Interview verrät Storck, warum er der DFB-Auswahl am liebsten aus dem Weg gehen möchte. Außerdem blickt der 52-Jährige auf die dramatischen Relegationsspiele gegen Norwegen zurück. Und der ungarische Nationaltrainer erklärt, wie aus der größten Enttäuschung seiner Amtszeit ein ganz neuer Siegeswille entstanden ist.

DFB.de: Herr Storck, bevor wir über die Auslosung am Samstag in Paris sprechen, sollten wir zunächst einmal zurückschauen. Der Weg dorthin ist schließlich beeindruckend. Ungarn ist erstmals seit 44 Jahren wieder bei eine EURO dabei. Was bedeutet das für das Land?

Bernd Storck: Es ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Und das nicht nur aus sportlicher Sicht. Man merkt, dass ein Ruck durch das Land gegangen ist. Vorher waren die Menschen immer sehr skeptisch und negativ eingestellt. Im Moment herrscht eine großartige Euphorie. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Das wäre der größte Fehler, den wir machen könnten. Unser Weg hat gerade erst begonnen. Wir müssen ihn weitergehen.

DFB.de: Sie haben die Mannschaft im Juli von Pal Dardai übernommen. Wie war damals die Situation?

Storck: Es war sehr schwierig für mich. Pal hatte tolle Arbeit geleistet. Aber er konnte nicht länger die ungarische Nationalmannschaft und Hertha BSC parallel trainieren. Ich war zu diesem Zeitpunkt Sportdirektor des ungarischen Verbands und bin das weiterhin. Ich bin also auch für alle Nachwuchs-Nationalmannschaft von der U 15 bis zur U 21 verantwortlich. Es war nicht mein Ziel, die A-Nationalmannschaft zu übernehmen.

DFB.de: Als Sie übernommen haben, lag Ungarn schon sehr aussichtsreich im Rennen. Hat es das schwerer gemacht?

Storck: Natürlich. Es war extrem kompliziert. Ich bin mit sehr vielen Vorurteilen gestartet. Pal Dardai hat mir am Anfang sehr geholfen. Das war extrem wichtig. Die Presse hat mich scharf attackiert. Das war nicht einfach. Zuletzt ist es ins Gegenteil umgeschlagen. Nach der Qualifikation haben die Medien sich öffentlich bei mir entschuldigt. Sie haben geschrieben, dass alles genauso gekommen ist, wie ich es prophezeit hatte. Das ist keine Genugtuung für mich. Aber es zeigt, dass meine Entscheidungen nicht ganz falsch waren. Auch wenn sie unpopulär waren.

DFB.de: Welche zum Beispiel?

Storck: Vor den Relegationsspielen habe ich große Teile des Trainerstabs ausgetauscht. Da waren einige in Ungarn sehr beliebte Persönlichkeiten dabei. Aber das Problem war, dass sie nur nebenbei für die ungarische Nationalmannschaft tätig waren. Ihr Hauptjob war ein anderer. Das muss man sich mal vorstellen. Wir sprechen hier von einer Nation, die in zwei Relegationsspielen um die Teilnahme an einer Europameisterschaft spielt. Ich habe gesagt: Das geht so nicht. Und dann habe ich Andreas Möller und Holger Gehrke ins Team geholt. Ich glaube, dass das noch einmal den entscheidenden Kick gegeben hat. So konnten wir uns perfekt auf Norwegen vorbereiten.



Ungarn fiebert der Europameisterschaft in Frankreich im kommenden Jahr entgegen. Auch dank des deutschen Trainers Bernd Storck ist das Land erstmals seit 44 Jahren wieder dabei. Alle Augen in Ungarn richten sich nun zunächst auf die Auslosung der Gruppenphase am Samstag (ab 18 Uhr, live im ZDF) in Paris. Im großen DFB.de-Interview verrät Storck, warum er der DFB-Auswahl am liebsten aus dem Weg gehen möchte. Außerdem blickt der 52-Jährige auf die dramatischen Relegationsspiele gegen Norwegen zurück. Und der ungarische Nationaltrainer erklärt, wie aus der größten Enttäuschung seiner Amtszeit ein ganz neuer Siegeswille entstanden ist.

DFB.de: Herr Storck, bevor wir über die Auslosung am Samstag in Paris sprechen, sollten wir zunächst einmal zurückschauen. Der Weg dorthin ist schließlich beeindruckend. Ungarn ist erstmals seit 44 Jahren wieder bei eine EURO dabei. Was bedeutet das für das Land?

Bernd Storck: Es ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Und das nicht nur aus sportlicher Sicht. Man merkt, dass ein Ruck durch das Land gegangen ist. Vorher waren die Menschen immer sehr skeptisch und negativ eingestellt. Im Moment herrscht eine großartige Euphorie. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Das wäre der größte Fehler, den wir machen könnten. Unser Weg hat gerade erst begonnen. Wir müssen ihn weitergehen.

DFB.de: Sie haben die Mannschaft im Juli von Pal Dardai übernommen. Wie war damals die Situation?

Storck: Es war sehr schwierig für mich. Pal hatte tolle Arbeit geleistet. Aber er konnte nicht länger die ungarische Nationalmannschaft und Hertha BSC parallel trainieren. Ich war zu diesem Zeitpunkt Sportdirektor des ungarischen Verbands und bin das weiterhin. Ich bin also auch für alle Nachwuchs-Nationalmannschaft von der U 15 bis zur U 21 verantwortlich. Es war nicht mein Ziel, die A-Nationalmannschaft zu übernehmen.

DFB.de: Als Sie übernommen haben, lag Ungarn schon sehr aussichtsreich im Rennen. Hat es das schwerer gemacht?

Storck: Natürlich. Es war extrem kompliziert. Ich bin mit sehr vielen Vorurteilen gestartet. Pal Dardai hat mir am Anfang sehr geholfen. Das war extrem wichtig. Die Presse hat mich scharf attackiert. Das war nicht einfach. Zuletzt ist es ins Gegenteil umgeschlagen. Nach der Qualifikation haben die Medien sich öffentlich bei mir entschuldigt. Sie haben geschrieben, dass alles genauso gekommen ist, wie ich es prophezeit hatte. Das ist keine Genugtuung für mich. Aber es zeigt, dass meine Entscheidungen nicht ganz falsch waren. Auch wenn sie unpopulär waren.

DFB.de: Welche zum Beispiel?

Storck: Vor den Relegationsspielen habe ich große Teile des Trainerstabs ausgetauscht. Da waren einige in Ungarn sehr beliebte Persönlichkeiten dabei. Aber das Problem war, dass sie nur nebenbei für die ungarische Nationalmannschaft tätig waren. Ihr Hauptjob war ein anderer. Das muss man sich mal vorstellen. Wir sprechen hier von einer Nation, die in zwei Relegationsspielen um die Teilnahme an einer Europameisterschaft spielt. Ich habe gesagt: Das geht so nicht. Und dann habe ich Andreas Möller und Holger Gehrke ins Team geholt. Ich glaube, dass das noch einmal den entscheidenden Kick gegeben hat. So konnten wir uns perfekt auf Norwegen vorbereiten.

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DFB.de: Wie haben Sie die beiden Relegationsspiele erlebt?

Storck: Wir waren ganz krasser Außenseiter. Seien wir doch mal ehrlich: Wer hatte uns vorher schon auf der Rechnung? Norwegen ist ein extrem erfahrenes Team, die hatten sich in einer Gruppe mit Italien und Kroatien sehr achtbar geschlagen. Vor dem letzten Spieltag hatten die sogar noch die Möglichkeit, sich direkt für Frankreich zu qualifizieren.

DFB.de: Diese Chance hatten Sie auch.

Storck: Wir waren ja fast schon durch als bester Gruppendritter. Nur eine einzige, sehr unwahrscheinliche Konstellation konnte das noch verhindern. Kasachstan, das bis dahin übrigens noch kein einziges Mal gewonnen hatte, musste Lettland schlagen. Gleichzeitig musste die Türkei die bereits qualifizierten Isländer besiegen.

DFB.de: Und genauso ist es gekommen.

Storck: Ja, genauso ist es gekommen. Das ist leicht gesagt. Aber für uns ist zunächst eine Welt zusammengebrochen. Dass Kasachstan gewinnen würde, hatte ich fast befürchtet. Einige meiner Spieler haben abends zusammengesessen und Türkei gegen Island geschaut. Sie wollten danach feiern. Dazu ist es nicht gekommen...

DFB.de: ... weil die Türkei in der 89. Minute einen Freistoß direkt verwandelt hat.

Storck: Ja, unglaublich. Die Jungs waren am Boden zerstört. Ich habe sie direkt am nächsten Tag angerufen. Wenn ich jetzt zurückblicke, muss ich sagen, dass uns diese Ereignisse noch enger zusammengeschweißt haben. Wir haben daraus eine Jetzt-erst-recht-Mentalität entwickelt.

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DFB.de: Und dann kam Norwegen. Wie waren die Partien aus Ihrer Sicht?

Storck: Was uns wirklich geholfen hat, war die Tatsache, dass der Verband den regulären Spieltag in der Meisterschaft verlegt hat, damit wir uns besser und länger vorbereiten konnten. Das war ein ganz wichtiges Mosaiksteinchen auf unserem Weg zur Sensation. Wir müssten zunächst auswärts antreten, was mir sehr recht war. Ich wusste, dass im Rückspiel vor eigenem Publikum alles möglich ist. Im ersten Duell in Norwegen hatten wir auch das nötige Quäntchen Glück. Wir haben eine unserer wenigen Chancen genutzt. Gleichzeitig hat Gabor Kiraly überragend gehalten. Das 1:0 war eine herausragende Ausgangsposition. Aber es war kein Freifahrtsschein. Norwegen hatte in der Gruppenphase auswärts immer mindestens ein Tor gemacht. Auch in Italien und in Kroatien.

DFB.de: Das frühe 1:0 nach 15 Minuten war dann wahrscheinlich eine Erlösung.

Storck: Da wusste ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt hat uns das Publikum unglaublich nach vorne gepusht. Wir sind getragen worden. Es lief dann alles ab wie in einem Spielfilm – man kann es zunächst alles gar nicht realisieren.

DFB.de: Was war danach los?

Storck: Die Menschen haben auf den Straßen etwas gefeiert. Wir haben es eher ruhig angehen lassen. Zwei Tage vorher hatte es die schlimmen Anschläge in Paris gegeben. Wir haben uns natürlich gefreut. Aber alles mit Respekt den Opfern gegenüber. Es war eine komische Stimmung. Die echte Freude ist erst in den Tagen danach gekommen, als wir realisiert hatten, was wir wirklich erreicht hatten. Nicht nur für den ungarischen Fußball, sondern auch für die ungarisch Bevölkerung. Wir haben einen schlafenden Riesen geweckt.

DFB.de: Wegen der großen Tradition des ungarische Fußballs?

Storck: Ja. Die Jungs wurden immer an Puskas, Bozsik und Kocsis gemessen, obwohl die goldene Zeit lange zurückliegt. Über 60 Jahre. An allen Ecken steht hier eine Puskas-Statue – auch in dem Hotel, in dem wir uns zur Vorbereitung auf die Play-Offs versammelt hatten. Diese Vergangenheit ist schön und gut. Die Menschen sind zurecht stolz darauf. Aber die nachfolgenden Generationen sind daran zerbrochen, weil der Druck zu groß war. Ich habe aber den Eindruck, dass wir jetzt aus diesem riesigen Schatten treten können, den die Helden von damals geworfen haben.

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DFB.de: Herr Storck, lassen Sie uns nun bitte noch über das große Ereignis am Samstag in Paris sprechen. Mit welchen Gefühlen werden Sie die Auslosung verfolgen?

Storck: In erster Linie mit Stolz. Mit Stolz darauf, was wir schon erreicht haben. Niemand hatte damit gerechnet. Wir sind zurück auf der ganz großen Bühne des Weltfußballs. Und dann natürlich auch mit Spannung. Wer wird in unsere Gruppe gelost?

DFB.de: Vielleicht Deutschland.

Storck: Oh, nein. Das brauche ich nicht. Ich selbst bin doch Deutschland-Fan. Da würde ich mich eher über andere Nationen freuen. Auch auf Spanien und Frankreich könnte ich ganz gut verzichten. Das wären schon echt große Hausnummern für meine international extrem unerfahrene Mannschaft. Aber es ist ja sowieso kein Wunschkonzert. Wir nehmen es, wie es kommt. Und dann werden wir uns möglichst professionell darauf vorbereiten.

DFB.de: Mit welchem Ziel?

Storck: Ich werde jetzt auf keinen Fall irgendwelche Ziele ausgeben und die Mannschaft damit unter Druck setzen. Wir wollen das Turnier genießen, wir wollen soweit wie möglich kommen und wir wollen den ungarischen Fußball nach langer, langer Zeit auch international mal wieder präsentieren. Wir haben jetzt den Anstoß gegeben. Die Vereinsmannschaften müssen nun nachziehen, damit wir ein Fundament haben.

DFB.de: Die ungarischen Klubs spielen international in Champions und Europa League eigentlich keine Rolle. Wie kann das sein?

Storck: Das ist eine gute Frage, weil wir die Talente eigentlich im Land haben. Aber sie ist auch leicht zu beantworten. Es fehlte oft die Förderung und es fehlen an zu vielen Stellen die professionellen Strukturen. Eine Ausnahme ist Ferencvaros Budapest. Dort ist Thomas Doll Trainer. Und der macht da wirklich hervorragende Arbeit. Er hat den Klub umgekrempelt und alles professionalisiert. Das Ergebnis ist jetzt zu sehen. Ferencvaros ist mit 16 Punkten Vorsprung Tabellenführer in Ungarn. Das zeigt doch, was hier alles möglich ist. Wir müssen weitermachen. Wir sind noch nicht am Ziel. Wir haben den Weg gerade erst begonnen.