Und plötzlich Juniorentrainer

Linus Werner und Tim Rottländer sprangen ins kalte Wasser und wurden Trainer der A-Jugend der Spielgemeinschaft TuS Marialinden/SSV Overath/SC Vilkerath.

Voller Vorfreude, aber auch mit ein paar Zweifeln: Hören die Jungs auf einen? Kann man sie weiterentwickeln? Und was passiert eigentlich mit einem selber? Rottländer blickt für DFB.de auf eine spannende und erkenntnisreiche Saison zurück.
Nur eine Bierlaune?

Es war Samstagabend, zu vorgerückter Stunde: Unsere Spieler lachten, tanzten und feierten ausgelassen den ersten Platz in der A-Junioren-Sonderstaffel. Ein toller Erfolg, hochverdient, aber so nicht zu erwarten. Die Freude war umso größer. Wir Trainer saßen am Tisch, etwas abseits, und schauten mit Stolz dem lustigen Treiben zu. Damit endete unsere erste Saison als A-Jugend-Trainer beinahe genauso, wie sie begonnen hatte. Fast auf den Tag genau ein Jahr war es her, als sich auf einer Hochzeit eine ähnliche Situation abspielte.

Ein Tisch, zwei Bier, gegenüber ein guter Freund und nebenan tanzt das frisch vermählte Brautpaar den letzten Tanz des Abends. In dieser melancholisch-heiteren Stimmung, die gemeinhin als Bierlaune bezeichnet wird, entstehen oftmals die besten Ideen. So auch in dieser Nacht. Schon auf dem Weg nach Hause war klar: Linus und ich, beide 27 Jahre alt, werden die neuen Trainer einer A-Jugend-Mannschaft.

Eine Entscheidung, die große Verantwortung und weitreichende Konsequenzen mit sich bringen sollte. Eine Entscheidung, und so viel darf vorweggenommen werden, die genau richtig war. Gemeinsam nahmen wir im Juli 2011 das Projekt bei der Spielgemeinschaft TuS Marialinden/SSV Overath/SC Vilkerath im Kreis Rhein Berg in Angriff.

Können wir das überhaupt?

Gut, wir haben selber jahrelang höherklassig Fußball gespielt. Und auch mit unserem Verständnis um modernes ballorientiertes Spiel ist es nicht ganz so schlecht bestellt. Aber reicht das, um eine Horde 18 Jahre alter junger Männer im Zaume zu halten? Zweifel waren natürlich auch bei uns vorhanden. Schließlich hatte keiner von uns Erfahrung mit dem Führen einer ganzen Fußballmannschaft und allem, was damit zusammenhängt: Platzbelegung, Trainingszeiten, Trikot-Waschdienst, Schiedsrichter-Ansetzungen, Spielberichtsbögen und so weiter.

Doch neben einem mulmigen Gefühl verspürten wir noch ein weiteres: nämlich große Vorfreude. Wir hatten Lust, uns dieser Herausforderung gemeinsam zu stellen. Und zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass wir schon bald einige tatkräftige und unverzichtbare Helfer an unserer Seite haben würden.

Zur ersten Trainingseinheit auf dem Kunstrasenplatz des TuS Marialinden kamen 23 Spieler. Und alle schauten sie erwartungsvoll zu den beiden neuen Trainern. Eine Situation, in der uns die Verantwortung, die wir nun trugen, noch einmal vor Augen geführt wurde. Vielen der Jungs standen die Fragen ins Gesicht geschrieben: Wer waren die zwei? Was sind das für Typen? Und was haben die mit uns vor?

Und weil wir allen Spielern ganz besonders auf die letzte Frage eine zufriedenstellende Antwort geben wollten, hatten wir uns in einigen Sitzungen einen Schlachtplan zurechtgelegt. Spaß soll im Vordergrund stehen – das war uns von Anfang an klar. Wir waren uns auch sofort einig, dass ein gewisser Leistungsgedanke immer mitspielen soll. Aber war das auch im Sinne der Jungs, deren Leben gerade so richtig Fahrt aufnahm? Schnell wussten wir: Es war.

Taktik-Schule

Zu beinahe jeder Trainingseinheit kamen über 20 Spieler auf den Platz. Und alle lauschten gebannt unseren Anweisungen und Vorstellungen vom Spiel. Viererkette, Verschieben im mannschaftlichen Verbund, schnelle Gegenzüge nach Balleroberung, Offensiv- und Defensivpressing – das waren die Begriffe, die wir in der kurzen Vorbereitungszeit gemeinsam mit Leben füllten. Linus schwärmt noch heute: "Wir haben von Anfang an taktische Konzepte einstudiert, und es war schon phantastisch zu sehen, wie unsere Jungs die schon nach kurzer Zeit verinnerlicht hatten."

Und schnell stand auch das erste Testspiel an. Ein Spiel, bei dem unsere gesamte Arbeit und gemeinsame Philosophie auf dem Prüfstand stand. So dachten wir. Natürlich ging das Spiel verloren. Mit 0:7 Toren. Und diese Niederlage war auch für uns, das frischgebackende Trainerteam, ein erster wichtiger Entwicklungsschritt.

Wir sahen, dass nicht nur das nackte Resultat den Erfolg unserer Arbeit ausmacht. Alle Spieler bemühten sich, das im Training eingeübte auch im Spiel umzusetzen. Nicht alles funktionierte. Aber man konnte sehen, dass die Spieler uns von Beginn an vertrauten. Ein Gefühl, das länger anhält als der Jubel nach einem erzielten Tor.

Siegesserie und Schockmoment

Mit Beginn der Staffelsaison eilte unser Team von Sieg zu Sieg. Die leider oft nur wenigen Zuschauer konnten dabei viele schöne Spielzüge und tolle Tore bestaunen. Doch das stolzeste Gefühl überkam mich, als einfach gar nichts funktionierte. Im Dezember letzten Jahres, bei einem Heimspiel gegen den SV Frielingsdorf, rannten wir auf das gegnerische Tor an. Es war eine Frage der Zeit bis der gewohnte Führungstreffer fallen sollte. Aber er fiel nicht. Viele Chancen wurden liegengelassen und nach und nach machte sich Nervosität unter den Spielern breit.

Das spürt man auch an der Seitenlinie ganz deutlich. Doch wirklich eingreifen, wie früher als Spieler, kann man in solchen Situationen nur bedingt. Und wer die Gesetze des Fußballs kennt, der weiß, was kommen sollte. Kurz vor Schluss kassierten wir den Gegentreffer, der den gesamten Spielverlauf auf den Kopf stellte. Unsere erste Niederlage im Meisterschaftsrennen.



[bild1]Linus Werner und Tim Rottländer sprangen ins kalte Wasser und wurden Trainer der A-Jugend der Spielgemeinschaft TuS Marialinden/SSV Overath/SC Vilkerath.

Voller Vorfreude, aber auch mit ein paar Zweifeln: Hören die Jungs auf einen? Kann man sie weiterentwickeln? Und was passiert eigentlich mit einem selber? Rottländer blickt für DFB.de auf eine spannende und erkenntnisreiche Saison zurück.
Nur eine Bierlaune?

Es war Samstagabend, zu vorgerückter Stunde: Unsere Spieler lachten, tanzten und feierten ausgelassen den ersten Platz in der A-Junioren-Sonderstaffel. Ein toller Erfolg, hochverdient, aber so nicht zu erwarten. Die Freude war umso größer. Wir Trainer saßen am Tisch, etwas abseits, und schauten mit Stolz dem lustigen Treiben zu. Damit endete unsere erste Saison als A-Jugend-Trainer beinahe genauso, wie sie begonnen hatte. Fast auf den Tag genau ein Jahr war es her, als sich auf einer Hochzeit eine ähnliche Situation abspielte.

Ein Tisch, zwei Bier, gegenüber ein guter Freund und nebenan tanzt das frisch vermählte Brautpaar den letzten Tanz des Abends. In dieser melancholisch-heiteren Stimmung, die gemeinhin als Bierlaune bezeichnet wird, entstehen oftmals die besten Ideen. So auch in dieser Nacht. Schon auf dem Weg nach Hause war klar: Linus und ich, beide 27 Jahre alt, werden die neuen Trainer einer A-Jugend-Mannschaft.

Eine Entscheidung, die große Verantwortung und weitreichende Konsequenzen mit sich bringen sollte. Eine Entscheidung, und so viel darf vorweggenommen werden, die genau richtig war. Gemeinsam nahmen wir im Juli 2011 das Projekt bei der Spielgemeinschaft TuS Marialinden/SSV Overath/SC Vilkerath im Kreis Rhein Berg in Angriff.

Können wir das überhaupt?

Gut, wir haben selber jahrelang höherklassig Fußball gespielt. Und auch mit unserem Verständnis um modernes ballorientiertes Spiel ist es nicht ganz so schlecht bestellt. Aber reicht das, um eine Horde 18 Jahre alter junger Männer im Zaume zu halten? Zweifel waren natürlich auch bei uns vorhanden. Schließlich hatte keiner von uns Erfahrung mit dem Führen einer ganzen Fußballmannschaft und allem, was damit zusammenhängt: Platzbelegung, Trainingszeiten, Trikot-Waschdienst, Schiedsrichter-Ansetzungen, Spielberichtsbögen und so weiter.

Doch neben einem mulmigen Gefühl verspürten wir noch ein weiteres: nämlich große Vorfreude. Wir hatten Lust, uns dieser Herausforderung gemeinsam zu stellen. Und zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass wir schon bald einige tatkräftige und unverzichtbare Helfer an unserer Seite haben würden.

Zur ersten Trainingseinheit auf dem Kunstrasenplatz des TuS Marialinden kamen 23 Spieler. Und alle schauten sie erwartungsvoll zu den beiden neuen Trainern. Eine Situation, in der uns die Verantwortung, die wir nun trugen, noch einmal vor Augen geführt wurde. Vielen der Jungs standen die Fragen ins Gesicht geschrieben: Wer waren die zwei? Was sind das für Typen? Und was haben die mit uns vor?

Und weil wir allen Spielern ganz besonders auf die letzte Frage eine zufriedenstellende Antwort geben wollten, hatten wir uns in einigen Sitzungen einen Schlachtplan zurechtgelegt. Spaß soll im Vordergrund stehen – das war uns von Anfang an klar. Wir waren uns auch sofort einig, dass ein gewisser Leistungsgedanke immer mitspielen soll. Aber war das auch im Sinne der Jungs, deren Leben gerade so richtig Fahrt aufnahm? Schnell wussten wir: Es war.

Taktik-Schule

Zu beinahe jeder Trainingseinheit kamen über 20 Spieler auf den Platz. Und alle lauschten gebannt unseren Anweisungen und Vorstellungen vom Spiel. Viererkette, Verschieben im mannschaftlichen Verbund, schnelle Gegenzüge nach Balleroberung, Offensiv- und Defensivpressing – das waren die Begriffe, die wir in der kurzen Vorbereitungszeit gemeinsam mit Leben füllten. Linus schwärmt noch heute: "Wir haben von Anfang an taktische Konzepte einstudiert, und es war schon phantastisch zu sehen, wie unsere Jungs die schon nach kurzer Zeit verinnerlicht hatten."

Und schnell stand auch das erste Testspiel an. Ein Spiel, bei dem unsere gesamte Arbeit und gemeinsame Philosophie auf dem Prüfstand stand. So dachten wir. Natürlich ging das Spiel verloren. Mit 0:7 Toren. Und diese Niederlage war auch für uns, das frischgebackende Trainerteam, ein erster wichtiger Entwicklungsschritt.

Wir sahen, dass nicht nur das nackte Resultat den Erfolg unserer Arbeit ausmacht. Alle Spieler bemühten sich, das im Training eingeübte auch im Spiel umzusetzen. Nicht alles funktionierte. Aber man konnte sehen, dass die Spieler uns von Beginn an vertrauten. Ein Gefühl, das länger anhält als der Jubel nach einem erzielten Tor.

Siegesserie und Schockmoment

[bild2] Mit Beginn der Staffelsaison eilte unser Team von Sieg zu Sieg. Die leider oft nur wenigen Zuschauer konnten dabei viele schöne Spielzüge und tolle Tore bestaunen. Doch das stolzeste Gefühl überkam mich, als einfach gar nichts funktionierte. Im Dezember letzten Jahres, bei einem Heimspiel gegen den SV Frielingsdorf, rannten wir auf das gegnerische Tor an. Es war eine Frage der Zeit bis der gewohnte Führungstreffer fallen sollte. Aber er fiel nicht. Viele Chancen wurden liegengelassen und nach und nach machte sich Nervosität unter den Spielern breit.

Das spürt man auch an der Seitenlinie ganz deutlich. Doch wirklich eingreifen, wie früher als Spieler, kann man in solchen Situationen nur bedingt. Und wer die Gesetze des Fußballs kennt, der weiß, was kommen sollte. Kurz vor Schluss kassierten wir den Gegentreffer, der den gesamten Spielverlauf auf den Kopf stellte. Unsere erste Niederlage im Meisterschaftsrennen.

Nach einem kurzen Schock begannen einige Spieler, ihre Kollegen wieder aufzumuntern. Und zwar in einer Art und Weise, wie ich es auch wesentlich reiferen Spielern nicht zugetraut hätte. Dass man aus Niederlagen oft mehr lernt als aus Siegen, hat sich an diesem Tag wieder bestätigt.

Spaß – Vertrauen – Teamwork

Der Fußball, die engagiert durchgeführten Trainingseinheiten, die gelegentlichen Mannschaftsabende – das alles machte uns Freude und ließ das gesamte Team enger zusammenwachsen. Witzige Späße beim "4 gegen 2" und ernste, vertrauensvolle Gespräche abseits des Platzes begleiteten unsere Trainingsarbeit. Die Spieler, der Betreuerstab und wir Trainer sind nach und nach zu einer wirklichen Einheit verschmolzen. Und das wirkte sich auch auf die sportlichen Leistungen aus.

Unseren nächsten fußballerischen Entwicklungssprung machten wir kurz nach Beginn der Rückrunde. In einer 15-minütigen Halbzeitpause. Beim Stand von 1:1 gegen Bergisch Gladbach 09 war der Frust in der Kabine mit Händen zu fassen. Der Gegner machte ein gutes Spiel und hatte sich, wie einige Mannschaften zuvor auch, perfekt auf unser Offensivspiel eingestellt.

Gladbach stand defensiv sehr kompakt und setzte unseren ballführenden Spieler erst in der eigenen Hälfte unter Druck. In der Pause erklärten wir dann, dass jeder einzelne mit dem Ball umgehen kann, Fußball aber auch mit dem Kopf gespielt wird. "Niemand zwingt Euch, bei jedem Angriff sofort das gegnerische Tor ins Visier zu nehmen. Spielt geduldig, nutzt den Platz, der Euch in der Defensive geschenkt wird, legt Euch den Gegner zurecht", waren ungefähr die Worte.

Showdown um den Staffelsieg

Die Spieler gingen raus und spielten genau so, wie wir es an der Taktiktafel skizziert hatten. Der Ball zirkulierte durch unsere Viererkette. Von links nach rechts. Immer wieder kamen unsere beiden 6er entgegen und ließen den Ball zurück in die Kette klatschen. Der Gegner wurde ständig in Bewegung gehalten. Und so ergaben sich auch irgendwann Lücken, die man für ein schnelles Angriffsspiel braucht. Wir gewannen nach einer tollen zweiten Halbzeit verdient 3:1. Und das Beste war: Wir spielten Fußball fortan auch mit dem Kopf.

Am letzten Spieltag der Saison kam es dann zum Spitzenspiel um Platz eins. Und es sollte halten, was der Name verspricht. Linus sprach im Anschluss vom "spannendsten und emotionalsten Spiel", das er seit langer Zeit miterleben durfte. Wir mussten als Tabellenführer beim nur einen Punkt dahinterliegenden SSV Marienheide antreten.

Viele Zuschauer waren auf die Anlage gekommen und machten mächtig Stimmung. Es war eine Atmosphäre, die viele unserer Spieler so noch nie erlebt hatten. Doch alle hielten dem Druck stand. Nach einem packenden Spiel zweier gleichwertiger Mannschaften stand es am Ende 2:2. Und so bekamen Linus und ich gleich im ersten Trainerjahr unsere erste Meisterdusche ab – aus Bier und Sekt natürlich.

Fußball: Auch für uns mehr als ein 1:0

Doch egal, wie dieses Spiel ausgegangen wäre, für uns Trainer war diese Saison in jeglicher Hinsicht ein Erfolg. Wir hatten viel Spaß, konnten viel von unseren eigenen Erfahrungen weitergeben und jeder im Team hat fußballerisch einen enormen Sprung gemacht.

Doch wenn man so zurückblickt, ist eines auffällig: Die größten Entwicklungsschritte wurden oftmals dann vollzogen, wenn gerade kein Ball im Spiel war. Fußball ist also nicht alles, bietet aber doch ein Umfeld, das zur wichtigen Persönlichkeitsbildung beitragen kann. Und wir sind stolz, dass wir die Mannschaft auf ihrem Weg begleiten durften.

Aber wenn man sich am Ende einen Spiegel vorhält, erkennt man, dass es nicht nur die Mannschaft ist, die gereift aus dieser Saison hervorgeht. Sondern auch wir. Das neue Trainerteam.