Tuchel: "Bin dankbar, dass ich diesen Beruf ausüben darf"

Am Samstag trennten sich der FSV Mainz 05 und Tabellenführer Borussia Dortmund 1:1, am Donnerstag wurde 05-Trainer Thomas Tuchel in Köln im Rahmen der Abschlussveranstaltung des 57. Fußball-Lehrer-Lehrgangs mit dem Trainerpreis des deutschen Fußballs ausgezeichnet.

Im Interview mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke spricht der 37-Jährige über Werte im Fußball, seinen persönlichen Werdegang, die Definition von Zielen und seine Hochachtung vor der Lebensleistung von Dettmar Cramer.

DFB.de: Herr Tuchel, Sie haben in Ihrer Ansprache nach der Auszeichnung insbesondere das Vertrauen Ihres Vereins und die Zusammenarbeit mit dem Mainzer Nachwuchsleistungszentrum gelobt. Wie groß ist der Anteil der Ausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie daran, dass Sie mit dem Trainerpreis des deutschen Fußballs ausgezeichnet wurden?

Thomas Tuchel: Das wird sich nicht messen lassen. Aber es war natürlich ein wesentlicher Baustein. Diese Ausbildung war ein Meilenstein in meiner Entwicklung. Der Austausch damals, die Erfahrungen, die ich innerhalb der Ausbildung sammeln durfte und das Wissen, das vermittelt wurde, haben mich als Trainer sehr geprägt.

DFB.de: Sie betonen immer wieder Ihren Ehrgeiz und Ihre Wissbegierde. Sie sind damals aus den Abschlussprüfungen als Zweitbester hervorgegangen. Hat es Sie eigentlich gestört, dass ein anderer angehender Fußball-Lehrer noch besser beurteilt wurde?

Tuchel: Nein. Ich hatte für mich den Anspruch, die Ausbildung so gut es mir möglich ist, abzuschließen und dabei möglichst viel zu lernen. Und wie es meist so ist - wenn einem Dingen am Herzen liegen, investiert man sehr gerne seine Energie. Ich habe die Ausbildung mit der Note 1,4 abgeschlossen und war mit diesem Ergebnis sehr glücklich.

DFB.de: In welchen Bereichen haben Sie sich im Rahmen der Ausbildung am meisten weiterentwickelt?

Tuchel: In der Menschenführung, generell in den weichen Faktoren, also in der Sozialkompetenz. Die Ausbildung war in vielen Bereichen wichtig, für mich war es aber auch wichtig, danach nicht aufzuhören zu lernen und nicht zu glauben, ich wüsste jetzt alles. Ich habe mich über Fortbildungen und generell über Erfahrung immer weiterentwickelt. Ich trainiere heute zum Beispiel völlig anders, als vor drei oder zehn Jahren.



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Am Samstag trennten sich der FSV Mainz 05 und Tabellenführer Borussia Dortmund 1:1, am Donnerstag wurde 05-Trainer Thomas Tuchel in Köln im Rahmen der Abschlussveranstaltung des 57. Fußball-Lehrer-Lehrgangs mit dem Trainerpreis des deutschen Fußballs ausgezeichnet.

Im Interview mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke spricht der 37-Jährige über Werte im Fußball, seinen persönlichen Werdegang, die Definition von Zielen und seine Hochachtung vor der Lebensleistung von Dettmar Cramer.

DFB.de: Herr Tuchel, Sie haben in Ihrer Ansprache nach der Auszeichnung insbesondere das Vertrauen Ihres Vereins und die Zusammenarbeit mit dem Mainzer Nachwuchsleistungszentrum gelobt. Wie groß ist der Anteil der Ausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie daran, dass Sie mit dem Trainerpreis des deutschen Fußballs ausgezeichnet wurden?

Thomas Tuchel: Das wird sich nicht messen lassen. Aber es war natürlich ein wesentlicher Baustein. Diese Ausbildung war ein Meilenstein in meiner Entwicklung. Der Austausch damals, die Erfahrungen, die ich innerhalb der Ausbildung sammeln durfte und das Wissen, das vermittelt wurde, haben mich als Trainer sehr geprägt.

DFB.de: Sie betonen immer wieder Ihren Ehrgeiz und Ihre Wissbegierde. Sie sind damals aus den Abschlussprüfungen als Zweitbester hervorgegangen. Hat es Sie eigentlich gestört, dass ein anderer angehender Fußball-Lehrer noch besser beurteilt wurde?

Tuchel: Nein. Ich hatte für mich den Anspruch, die Ausbildung so gut es mir möglich ist, abzuschließen und dabei möglichst viel zu lernen. Und wie es meist so ist - wenn einem Dingen am Herzen liegen, investiert man sehr gerne seine Energie. Ich habe die Ausbildung mit der Note 1,4 abgeschlossen und war mit diesem Ergebnis sehr glücklich.

DFB.de: In welchen Bereichen haben Sie sich im Rahmen der Ausbildung am meisten weiterentwickelt?

Tuchel: In der Menschenführung, generell in den weichen Faktoren, also in der Sozialkompetenz. Die Ausbildung war in vielen Bereichen wichtig, für mich war es aber auch wichtig, danach nicht aufzuhören zu lernen und nicht zu glauben, ich wüsste jetzt alles. Ich habe mich über Fortbildungen und generell über Erfahrung immer weiterentwickelt. Ich trainiere heute zum Beispiel völlig anders, als vor drei oder zehn Jahren.

DFB.de: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Tuchel: Da gibt es ganz viele Beispiele: In der Belastungssteuerung, in der Videoanalyse, in der Ansprache, eigentlich überall. Wir sind immer offen für Anregungen von außerhalb, schauen uns auch gerne Dinge ab und transformieren diese auf Mainz 05. Das Schöne an meinem Beruf ist ja, dass er sich ständig weiterentwickelt.

DFB.de: Warum?

Tuchel: Weil sich das Spiel ständig weiterentwickelt. Deswegen kommt man selber nie in eine Routine. Bei uns gibt es immer wieder neue Trainingsformen, neue Inhalte. Ich lege Wert darauf, dass ich mich selber weiterentwickle und damit die Möglichkeit habe, die Fertigkeiten meiner Spieler besser weiterzuentwickeln. Man muss sich immer bewusst machen, dass es die Aufgabe eines Trainers ist, Menschen zu formen. Deswegen kann man heute nicht sagen, welche Maßnahmen und Trainingsinhalte morgen die besten sind. Das finde ich spannend, das reizt mich jeden Tag aufs Neue.

DFB.de: Wenn man Sie reden hört, wenn man Sie als Trainer erlebt, sieht man, mit welcher Begeisterung Sie bei der Sache sind. Ein anderer Beruf, in dem Sie so aufgehen, ist bei Ihnen schwer vorstellbar. Weswegen haben Sie dann eigentlich BWL studiert?

Tuchel: Das war ein reines Vernunft-Studium. Nachdem ich mehrere Dinge abgebrochen hatte, war ich es mir und meinen Eltern schuldig, etwas Vernünftiges zu lernen. Das war ein sehr konservativer Reflex. BWL fördert zwar keines meiner persönlichen Talente, trotzdem war es für mich wichtig, die gefühlte Sicherheit eines normalen Abschlusses zu haben. Aber natürlich bin ich sehr froh, dass es sich so ergeben hat, dass mein Talent und meine Leidenschaft für den Fußball zu einem Beruf geworden sind. Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich diesen Beruf ausüben darf.

DFB.de: Gibt es gar keine Tage, an denen Sie am liebsten im Bett bleiben würden und keine Lust haben, zur Arbeit zu gehen?

Tuchel: Sehr, sehr selten. Wenn, dann liegt das an unglücklich verlorenen Spielen oder, noch schlimmer, wenn wir unter unseren Möglichkeiten gespielt haben. Das wurmt mich schon extrem und kann mir kurzzeitig den Spaß verleiden.

DFB.de: Sie sind im selben Rahmen wie Dettmar Cramer ausgezeichnet worden. Er hat für sein Lebenswerk das “Ehrenzeichen in Gold mit Brillant“ erhalten. Wissen Sie noch, wann Sie zum ersten Mal den Namen und das Wirken von Dettmar Cramer bewusst wahrgenommen haben?

Tuchel: Leider nicht. Aber wenn ich mir diesen Mann ansehe und seinen Lebenslauf betrachte, dann finde ich es sehr schade, dass mir seine Vita und sein Werk nicht früher bewusst gewesen sind. Es fühlt sich sehr merkwürdig an, in einem Atemzug mit ihm eine Ehrung zu erhalten. Als er nach mir auf die Bühne kam und ich die Laudatio von Uli Hoeneß gehört haben, hatte ich das Empfinden, dass ihm dieser festliche Rahmen viel mehr gebührt als mir.

DFB.de: Dettmar Cramer ist heute 85 Jahre alt, noch bis ins hohe Alter hat er Mannschaften trainiert. Wird man mit zunehmendem Alter fast zwangläufig ein besserer Trainer, weil die Erfahrung wächst und Erfahrung für einen Trainer ein wichtiges Gut ist?

Tuchel: Ganz generell glaube ich, dass die Qualität eines Trainers nicht am Alter abzulesen ist. Ich halte aber Erfahrung für eine wichtige Zutat im Trainer-Beruf. Wie gesagt, es geht um den Umgang mit Menschen, es geht um Vertrauen, um Anerkennung und Respekt. Das setzt nicht zwangsweise Erfahrung voraus, aber Erfahrung hilft. Deswegen bin ich sehr froh, dass ich trotz meiner relativen Jugend bereits im elften Trainerjahr bin.

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DFB.de: Dettmar Cramer hat einmal gesagt, dass in seiner Karriere für ihn nicht die gewonnenen Titel, sondern die geschlossenen Freundschaften wirklich wichtig sind. Hat dieser Satz heute noch Gültigkeit? Oder ist diese Denkweise aus heutiger Sicht naiv?

Tuchel: Ich halte das nicht für naiv. Wenn man diesen Gedanken ein bisschen sacken lässt, halte ich ihn für den einzigen Weg, zu einer Zufriedenheit zu finden. Ich glaube, es ist sehr gefährlich, sich immer ausschließlich über Titel zu definieren. Ich bin der Meinung, dass man Erfolge nur erzielen kann, wenn man sie nicht krampfhaft zu erreichen versucht. Für mich geht es vielmehr darum, sich selber zu verwirklichen. Diesen Antrieb sollte man haben, dann kommt der eine oder andere messbare Erfolg in Form von Titel von ganz alleine. Ich glaube, dass es das ist, was Dettmar Cramer meint.

DFB.de: Mittlerweile sind Sie selber Vorbild für viele Trainer. Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie noch Vorbilder?

Tuchel: Ein Vorbild, ein Mentor für mich war Hermann Badstuber, der Vater von Holger Badstuber. Er ist leider viel zu früh gestorben. Er war im Grunde so etwas wie mein sportlicher Vater, er hat dafür gesorgt, dass aus meiner Leidenschaft ein ernstzunehmender Beruf wurde. Ihm habe ich viel zu verdanken, ich denke sehr oft an ihn und werde ihn nie vergessen. Es bestätigt wieder Dettmar Cramer, dass eine Person, mit der ich eine so schöne und tiefe Freundschaft hatte, für mich ein wesentlich besseres Vorbild ist, als irgendjemand, der zum x-ten Mal die Champions League gewinnt.

DFB.de: Da Sie die Champions League ansprechen: Mainz ist Tabellenfünfter, die Champions-League-Ränge sind in Sichtweite. Mit welcher Platzierung wären Sie am Ende der Saison nach dem überragenden Start zufrieden?

Tuchel: Wir dürfen uns nicht auf den herausragenden Start reduzieren. Aber natürlich war dieser Start die Grundlage für unsere jetzige Platzierung. Deshalb kann es aber im Umkehrschluss nicht plötzlich ein Misserfolg sein, jetzt nur noch Fünfter zu sein. Daher vermeide ich es auch, ausschließlich an Platzierungen zu messen, ob eine Saison erfolgreich war. Hätten wir das vor der Saison getan, hätte sich niemand getraut, die jetzige Platzierung als Zielsetzung auszugeben.

DFB.de: Welche Platzierung hätten Sie denn für realistisch gehalten?

Tuchel: Ich habe nicht drüber nachgedacht. Ich wusste, dass wir eine sehr besondere Mannschaft haben, die über einen sehr guten Zusammenhalt verfügt. Und ich wusste schon damals, dass meine Mannschaft hungrig genug ist, sich in jedem Spiel den höchsten Ansprüchen zu unterwerfen. Die Mannschaft traut sich zu, obwohl wir das Trikot von Mainz 05 anhaben, in jedem Spiel zu gewinnen. Egal wo es stattfindet.

DFB.de: Also auch am Samstag in Dortmund?

Tuchel: Dafür muss viel zusammenkommen. Wir können dort nur bestehen, wenn wir 100 Prozent geben.