Torwartfehler von Neuer? Eine Fußball-Fata Morgana

Hand aufs Herz. Von da oben, von der Pressetribüne des Hampden Parks aus, von ganz weit weg – da sah der Ausgleichstreffer der Schotten zum 1:1 im EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland in Realgeschwindigkeit aus wie ein, nennen wir das Kind beim Namen, wie ein: Patzer von Manuel Neuer. Und damit wie etwas, das im Spiel des Weltmeisters noch seltener ist als Schweigeminuten von Thomas Müller.

Es gibt ja Begriffe, die langsam aussterben in der deutschen Sprache. Löschpapier zum Beispiel. Oder Wählscheibe. Oder Kreiswehrersatzamt. Im Zusammenhang mit dem DFB-Team gehört zum Lexikon der bedrohten Wörter dieses auf Platz eins: Torwartfehler.

Neuer zum 1:1: "Es war eine schwierige Situation"

Doch als der Ball nach dem Freistoß von Shaun Maloney auf einmal im Netz zappelte (28.), da warfen sich die Reporter fragende Blicke zu: "Hast Du auch so gesehen? Den muss er halten, oder?" Schon wurde fieberhaft in verstaubten Erinnerungen gekramt, erfahrene Kollegen mussten von früher erzählen, von ihrem letzten Zusammentreffen mit dieser Gattung, als die Bilder noch schwarz-weiß waren und Nationaltorhüter noch Fehler machten. Doch es war, wie es so oft ist: Die Sichtung war eine Täuschung, eine Fußball-Fata Morgana, in Glasgow war kein Alien gelandet. Der Lärm, den die schottischen Fans fast durchgehend entfachten, hatte neben den Ohren auch die Augen tangiert.

Der Ball war dem Welttorhüter nicht durch die Finger geflutscht, das Tor war eine Verkettung unglücklicher Umstände, und Neuer nur ein Glied. Aber bittschön, der Betroffene möge zur Aufklärung des Hergangs selber sprechen. Manuel Neuer sagte: "Es war eine schwierige Situation. Ich habe damit gerechnet, dass einer der Schotten den Ball touchiert und ihn mit dem Kopf in einer Ecke platziert. Er hat dann nichts gemacht. Ich musste mich kleinmachen, weil der Ball als Aufsetzer vor mir runterkam. Ich habe versucht, ihn wegzubringen. Das Problem war, dass Mats helfen wollte und so nah bei mir gestanden hat. Ich muss versuchen, den Ball besser wegzubringen, aber es war auch nicht so einfach für mich."

In der Selbstjustiz also ein Fehlerchen, nach objektivem Maßstab nicht einmal das - viel blieb nicht von der Außerirdischensichtung. Und doch hat ja schon dies Seltenheitswert: Deutschlands Nummer eins in der fachlichen Analyse eines Gegentores. Ansonsten hat sich Neuer ja weitgehend verabschiedet von der Wahrnehmung als Torhüter. Im Interview mit der Sport Bild hat er einmal mehr darüber gesprochen: "Als Torwart wird man immer wichtiger für eine Mannschaft, weil man immer mehr ins Spiel einbezogen wird. Ein Torhüter ist mittlerweile der erste Aufbauspieler, denn der erste Spielzug wird von ihm eingeleitet."

Neuer: "Als Torwart musst du immer anspielbar sein"

Neuer sieht dieses Entwicklung als noch nicht abgeschlossen an. Er glaubt, dass die Unterschiede zwischen Torhüter und Feldspieler künftig noch mehr verschwimmen. Neuer sagt: "Ich glaube, dass sich das Torhüterspiel in Zukunft nochmal ein Stück weit verändern wird, um die Spielstärke einer Mannschaft noch mehr nach oben zu schrauben." Als Beispiel dieser Entwicklung nennt Neuer die Situation des Angriffspressings durch den Gegner: "Als Torwart musst du dann noch mehr deine fußballerischen Qualitäten zeigen, immer anspielbar sein. Auch außerhalb des Sechzehnmeterraumes. Damit eine Überzahlsituation für die eigene Mannschaft entsteht. Du musst den Gegner auch auf dich ziehen, sodass deine Mitspieler Räume bekommen."

Dunkle Aussichten also für den Begriff "Torwartfehler", erst Recht, wenn Neuers Prognose sich als richtig erweist: "Ein Torwart wird zum zusätzlichen Feldspieler."

[sl]

Hand aufs Herz. Von da oben, von der Pressetribüne des Hampden Parks aus, von ganz weit weg – da sah der Ausgleichstreffer der Schotten zum 1:1 im EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland in Realgeschwindigkeit aus wie ein, nennen wir das Kind beim Namen, wie ein: Patzer von Manuel Neuer. Und damit wie etwas, das im Spiel des Weltmeisters noch seltener ist als Schweigeminuten von Thomas Müller.

Es gibt ja Begriffe, die langsam aussterben in der deutschen Sprache. Löschpapier zum Beispiel. Oder Wählscheibe. Oder Kreiswehrersatzamt. Im Zusammenhang mit dem DFB-Team gehört zum Lexikon der bedrohten Wörter dieses auf Platz eins: Torwartfehler.

Neuer zum 1:1: "Es war eine schwierige Situation"

Doch als der Ball nach dem Freistoß von Shaun Maloney auf einmal im Netz zappelte (28.), da warfen sich die Reporter fragende Blicke zu: "Hast Du auch so gesehen? Den muss er halten, oder?" Schon wurde fieberhaft in verstaubten Erinnerungen gekramt, erfahrene Kollegen mussten von früher erzählen, von ihrem letzten Zusammentreffen mit dieser Gattung, als die Bilder noch schwarz-weiß waren und Nationaltorhüter noch Fehler machten. Doch es war, wie es so oft ist: Die Sichtung war eine Täuschung, eine Fußball-Fata Morgana, in Glasgow war kein Alien gelandet. Der Lärm, den die schottischen Fans fast durchgehend entfachten, hatte neben den Ohren auch die Augen tangiert.

Der Ball war dem Welttorhüter nicht durch die Finger geflutscht, das Tor war eine Verkettung unglücklicher Umstände, und Neuer nur ein Glied. Aber bittschön, der Betroffene möge zur Aufklärung des Hergangs selber sprechen. Manuel Neuer sagte: "Es war eine schwierige Situation. Ich habe damit gerechnet, dass einer der Schotten den Ball touchiert und ihn mit dem Kopf in einer Ecke platziert. Er hat dann nichts gemacht. Ich musste mich kleinmachen, weil der Ball als Aufsetzer vor mir runterkam. Ich habe versucht, ihn wegzubringen. Das Problem war, dass Mats helfen wollte und so nah bei mir gestanden hat. Ich muss versuchen, den Ball besser wegzubringen, aber es war auch nicht so einfach für mich."

In der Selbstjustiz also ein Fehlerchen, nach objektivem Maßstab nicht einmal das - viel blieb nicht von der Außerirdischensichtung. Und doch hat ja schon dies Seltenheitswert: Deutschlands Nummer eins in der fachlichen Analyse eines Gegentores. Ansonsten hat sich Neuer ja weitgehend verabschiedet von der Wahrnehmung als Torhüter. Im Interview mit der Sport Bild hat er einmal mehr darüber gesprochen: "Als Torwart wird man immer wichtiger für eine Mannschaft, weil man immer mehr ins Spiel einbezogen wird. Ein Torhüter ist mittlerweile der erste Aufbauspieler, denn der erste Spielzug wird von ihm eingeleitet."

Neuer: "Als Torwart musst du immer anspielbar sein"

Neuer sieht dieses Entwicklung als noch nicht abgeschlossen an. Er glaubt, dass die Unterschiede zwischen Torhüter und Feldspieler künftig noch mehr verschwimmen. Neuer sagt: "Ich glaube, dass sich das Torhüterspiel in Zukunft nochmal ein Stück weit verändern wird, um die Spielstärke einer Mannschaft noch mehr nach oben zu schrauben." Als Beispiel dieser Entwicklung nennt Neuer die Situation des Angriffspressings durch den Gegner: "Als Torwart musst du dann noch mehr deine fußballerischen Qualitäten zeigen, immer anspielbar sein. Auch außerhalb des Sechzehnmeterraumes. Damit eine Überzahlsituation für die eigene Mannschaft entsteht. Du musst den Gegner auch auf dich ziehen, sodass deine Mitspieler Räume bekommen."

Dunkle Aussichten also für den Begriff "Torwartfehler", erst Recht, wenn Neuers Prognose sich als richtig erweist: "Ein Torwart wird zum zusätzlichen Feldspieler."

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