Stützpunkttraining in Baden-Württemberg: "Ideale Ergänzung zum Verein"

Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen des Fußballs, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

"Kein Talent geht uns mehr verloren." So lautete das Versprechen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), als die aus Sicht des Verbands verheerend verlaufene Europameisterschaft 2000 in Belgien und in den Niederlanden aufgearbeitet war. Die deutsche Nationalmannschaft war beim ersten Kontinentalturnier dieses Jahrtausends mit nur einem mageren Pünktchen auf der Habenseite bereits in der Vorrunde gescheitert, hatte mehr mit Rumpelfußball als mit technischen Kabinettstückchen geglänzt und war auch in weiteren Aspekten weit davon entfernt, für die nächsten Jahre ein ernstzunehmender Konkurrent auf der Fußball-Weltbühne zu sein. Der deutsche Fußball hatte schlicht den Anschluss an die führenden Nationen verpasst.

Die Verantwortlichen beim DFB machten daraufhin aber schnell Nägel mit Köpfen. 2002 wurde ein Talentförderprogramm entwickelt, im Zuge dessen bis heute quer durch die Republik insgesamt 366 DFB-Stützpunkte entstanden sind. Sie bilden ein engmaschiges Netz zum Sichten junger Spielerinnen und Spieler. 33 davon liegen in Baden-Württemberg. Im Württembergischen Fußballverband (wfv) gibt es 22 solcher Stützpunkte, im Bereich des Badischen Fußballverbands (bfv) deren elf. Aktuell genießen hier etwa 1900 Jugendliche das Privileg einer zusätzlichen Trainingseinheit pro Woche.

Individuelle Schwächen direkt angehen

Baden-Württemberg ist hinsichtlich der DFB-Nachwuchsförderung in vier Bereiche aufgeteilt: Württemberg Nord und Süd sowie Baden und Südbaden. Jede dieser vier Regionen wird von einem sogenannten DFB-Stützpunktkoordinator betreut. Einer davon ist Damir Dugandzic. Der 40-Jährige arbeitet seit 2007 als Stützpunktkoordinator für den DFB und ist für die Umsetzung des Talentförderprogramms in Baden zuständig. Derzeit verantwortet Damir Dugandzic, der vor kurzem die Ausbildung zum Fußball-Lehrer an der Hennes-Weisweiler-Akademie begonnen hat, 33 Honorartrainer und etwa 500 jugendliche Talente an den elf badischen Stützpunkten. Zusätzlich unterstützt er den bfv in der Trainerausbildung und in der Arbeit mit den Verbandsauswahlen und ist darüber hinaus Assistenztrainer der U 15-Nationalmannschaft des DFB. Eine Aufgabe, die Damir Dugandzic nicht mehr missen möchte: "Zu Beginn war ich skeptisch, ob das was für mich wäre. Aber ganz schnell habe ich großen Spaß an dieser Tätigkeit gefunden. Da sind zwei Seiten aufeinandergetroffen, die sofort super zusammengepasst haben."

Ähnlich erging es seinen württembergischen Kollegen Oliver Kuhn und Thomas Sinz, die ebenfalls jeweils elf Stützpunkte betreuen. Oliver Kuhn (47) kümmert sich um den Norden, Thomas Sinz (45) um den südlichen Teil Württembergs. "Unsere Hauptaufgabe ist es, die Stützpunkttrainer zu betreuen und sie für die Arbeit mit den Jugendlichen zu begeistern", sagt Oliver Kuhn. "Wir Stützpunktkoordinatoren geben die Richtlinien und Schwerpunkte vor, und die Trainer an den einzelnen Standorten sorgen dafür, dass die Spieler diese mit Spaß umsetzen. Ziel ist es, aktuell und perspektivisch gute Talente zu fördern, indem wir ihre individuellen Schwächen direkt angehen."

Hat eine talentierte Spielerin oder Spieler beispielsweise einen schwächeren linken Fuß, so wird der gezielt trainiert. Da die zum Stützpunkt eingeladenen Kicker verschiedene Stärken und Schwächen haben, wird überwiegend individuell trainiert. "Deswegen betrachten wir das Stützpunkttraining auch als Individualsportart", erklärt Thomas Sinz. "Wir haben einen anderen Ansatz. Mit dem Training an den Stützpunkten geben wir talentierten Akteuren die Möglichkeit, unter Anleitung explizit an ihren Nachteilen zu arbeiten. Das ist eine ideale Ergänzung zu ihrem Vereinstraining." Drei Viertel im Verein, ein Viertel am Stützpunkt – für Oliver Kuhn lässt sich das unter einen Hut bringen: "So können die jugendlichen Spieler in ihrem bekannten Umfeld bleiben, genießen aber einmal in der Woche ein besonderes Zusatztraining, das sie definitiv weiterbringen wird." Der Vorteil: Am Stützpunkt herrscht kein Erfolgsdruck – weder für die Trainer noch für den Nachwuchs.



Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen des Fußballs, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

"Kein Talent geht uns mehr verloren." So lautete das Versprechen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), als die aus Sicht des Verbands verheerend verlaufene Europameisterschaft 2000 in Belgien und in den Niederlanden aufgearbeitet war. Die deutsche Nationalmannschaft war beim ersten Kontinentalturnier dieses Jahrtausends mit nur einem mageren Pünktchen auf der Habenseite bereits in der Vorrunde gescheitert, hatte mehr mit Rumpelfußball als mit technischen Kabinettstückchen geglänzt und war auch in weiteren Aspekten weit davon entfernt, für die nächsten Jahre ein ernstzunehmender Konkurrent auf der Fußball-Weltbühne zu sein. Der deutsche Fußball hatte schlicht den Anschluss an die führenden Nationen verpasst.

Die Verantwortlichen beim DFB machten daraufhin aber schnell Nägel mit Köpfen. 2002 wurde ein Talentförderprogramm entwickelt, im Zuge dessen bis heute quer durch die Republik insgesamt 366 DFB-Stützpunkte entstanden sind. Sie bilden ein engmaschiges Netz zum Sichten junger Spielerinnen und Spieler. 33 davon liegen in Baden-Württemberg. Im Württembergischen Fußballverband (wfv) gibt es 22 solcher Stützpunkte, im Bereich des Badischen Fußballverbands (bfv) deren elf. Aktuell genießen hier etwa 1900 Jugendliche das Privileg einer zusätzlichen Trainingseinheit pro Woche.

Individuelle Schwächen direkt angehen

Baden-Württemberg ist hinsichtlich der DFB-Nachwuchsförderung in vier Bereiche aufgeteilt: Württemberg Nord und Süd sowie Baden und Südbaden. Jede dieser vier Regionen wird von einem sogenannten DFB-Stützpunktkoordinator betreut. Einer davon ist Damir Dugandzic. Der 40-Jährige arbeitet seit 2007 als Stützpunktkoordinator für den DFB und ist für die Umsetzung des Talentförderprogramms in Baden zuständig. Derzeit verantwortet Damir Dugandzic, der vor kurzem die Ausbildung zum Fußball-Lehrer an der Hennes-Weisweiler-Akademie begonnen hat, 33 Honorartrainer und etwa 500 jugendliche Talente an den elf badischen Stützpunkten. Zusätzlich unterstützt er den bfv in der Trainerausbildung und in der Arbeit mit den Verbandsauswahlen und ist darüber hinaus Assistenztrainer der U 15-Nationalmannschaft des DFB. Eine Aufgabe, die Damir Dugandzic nicht mehr missen möchte: "Zu Beginn war ich skeptisch, ob das was für mich wäre. Aber ganz schnell habe ich großen Spaß an dieser Tätigkeit gefunden. Da sind zwei Seiten aufeinandergetroffen, die sofort super zusammengepasst haben."

Ähnlich erging es seinen württembergischen Kollegen Oliver Kuhn und Thomas Sinz, die ebenfalls jeweils elf Stützpunkte betreuen. Oliver Kuhn (47) kümmert sich um den Norden, Thomas Sinz (45) um den südlichen Teil Württembergs. "Unsere Hauptaufgabe ist es, die Stützpunkttrainer zu betreuen und sie für die Arbeit mit den Jugendlichen zu begeistern", sagt Oliver Kuhn. "Wir Stützpunktkoordinatoren geben die Richtlinien und Schwerpunkte vor, und die Trainer an den einzelnen Standorten sorgen dafür, dass die Spieler diese mit Spaß umsetzen. Ziel ist es, aktuell und perspektivisch gute Talente zu fördern, indem wir ihre individuellen Schwächen direkt angehen."

Hat eine talentierte Spielerin oder Spieler beispielsweise einen schwächeren linken Fuß, so wird der gezielt trainiert. Da die zum Stützpunkt eingeladenen Kicker verschiedene Stärken und Schwächen haben, wird überwiegend individuell trainiert. "Deswegen betrachten wir das Stützpunkttraining auch als Individualsportart", erklärt Thomas Sinz. "Wir haben einen anderen Ansatz. Mit dem Training an den Stützpunkten geben wir talentierten Akteuren die Möglichkeit, unter Anleitung explizit an ihren Nachteilen zu arbeiten. Das ist eine ideale Ergänzung zu ihrem Vereinstraining." Drei Viertel im Verein, ein Viertel am Stützpunkt – für Oliver Kuhn lässt sich das unter einen Hut bringen: "So können die jugendlichen Spieler in ihrem bekannten Umfeld bleiben, genießen aber einmal in der Woche ein besonderes Zusatztraining, das sie definitiv weiterbringen wird." Der Vorteil: Am Stützpunkt herrscht kein Erfolgsdruck – weder für die Trainer noch für den Nachwuchs.

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Arbeiten unter Profibedingungen

Damir Dugandzic bezeichnet das Stützpunkttraining gar als "wundervolles Arbeiten. Das ist ein Talentförderprogramm unter Profibedingungen." Für ihn ist es aber nicht nur das Fußballerische, was er den Nachwuchsakteuren mitgeben will. "Der ganzheitliche Ansatz gefällt mir. Am Stützpunkt kann man viele Werte vermitteln, die den Mädels und Jungs auch im Leben abseits des Sports weiterhelfen werden. Das sind simple Tugenden wie Disziplin, Ordnung und Verantwortung. Und die Spielerinnen und Spieler lernen bei uns, dass Leistung zum Erfolg führen kann." Entdeckt er oder einer der anderen Trainer dabei einen talentierten Spieler, wird über die Vereinstrainer und Jugendleiter der jeweiligen Vereine Kontakt aufgenommen und der Jugendliche zum Training im nächstgelegenen Stützpunkt eingeladen. Einmal wöchentlich erhalten die Auserwählten dort dann individuelles Fördertraining, zusätzlich zum Training im Verein. Dazu kommen Leistungsvergleiche in der Verbandsauswahl sowie in den Stützpunkten mit Spielern auf ähnlich hohem Niveau.

Die Aufgaben der Stützpunktkoordinatoren bringen es mit sich, dass sie viel unterwegs sind: nicht nur zu Turnieren, sondern auch zu den regionalen bfv-, wfv- oder DFB-Sichtungstagen, z. B. bei der VRTalentiale-Sichtung. Die fußballerische Ausbildung am Stützpunkt oder im Heimatverein ist aber nur die erste Stufe der Talentförderung. Von dort aus können Jungkicker mit Potential und Willen in Leistungszentren aufrücken, beispielsweise in das des VfB Stuttgart.

"Kimmich war der Parade-Stützpunktspieler"

Mit einigen vielversprechenden Fußballtalenten haben Thomas Sinz und Oliver Kuhn über die Jahre schon zusammengearbeitet. Unter anderen der heutige Leverkusener Ömer Toprak, der Wolfsburger Daniel Caligiuri sowie Besiktas-Profi Mario Gomez waren mit dabei. Die beiden A-Nationalspielerinnen Kim Kulig und Melanie Leupolz durchliefen ebenfalls die Talentschmiede des wfv. Auch Sebastian Rudy (Hoffenheim) und der an der aktuell laufenden Europameisterschaft in Frankreich teilnehmende Senkrechtstarter Joshua Kimmich (Bayern München) waren mit dabei. "Joshua war der Parade-Stützpunktspieler", erinnert sich Thomas Sinz. Bei Damir Dugandzic waren es u.a. Leverkusens Spielmacher Hakan Calhanoglu sowie Hoffenheims Niklas Süle, die nach ganz oben durchgestartet sind. Selbstverständlich schafft nicht jedes Talent den Sprung in die höchste Liga. Dennoch ist sich Damir Dugandzic sicher, dass mit dem Stützpunkttraining keine talentierten Spielerinnen oder Spieler unerkannt durch den Rost fallen. Deshalb bereite ihm seine Aufgabe, "die spannend ist und ständig neue Herausforderungen mit sich bringt", immer noch große Freude.

Da aber auch die Koordinatoren der Stützpunkte nicht alle Aufgaben selbst abdecken können, sind sie immer auf der Suche nach Trainern, die die Aufgaben an den Standorten übernehmen. Bis zu fünf sind es pro Stützpunkt – in den vier Regionen Baden-Württembergs kommt man so auf 176 Trainer. "Das können auch aktive Jugendtrainer sein", so Oliver Kuhn. Das Zusatztraining findet immer montags statt und wird auf Honorarbasis entlohnt. "Regelmäßig an den Wochenenden sind die Honorartrainer auf den Sportplätzen und sichten die Kernjahrgänge U 12 bis U 15. Auf jeden Fall ist das eine interessante Aufgabe, die auch die Trainer weiterbringt." Voraussetzung für ein Engagement ist die B-Lizenz. Danach hat man zwei Jahre Zeit, um eine Elite-Jugend-Lizenz an den Sportschulen in Ruit (wfv) und Schöneck (bfv) zu erwerben. "Ein gewisses Vorwissen erwarten wir", erklärt Thomas Sinz. Deswegen sei es auch nicht immer einfach, qualifizierte Trainer zu finden. Von den Vereinen weglotsen will man die Trainer aber keineswegs. "Sie fungieren als Bindeglied zu den Vereinen aus ihrer Region. Genauso wie wir das Bindeglied zum Verband sind."

aus: im Spiel, Ausgabe 3/2016