Studie: "Nationalteam ist der große gemeinsame Nenner"

Wie erforscht man Begeisterung? Wie misst man Liebe, und sei es für den Fußball? Professor Sascha L. Schmidt und sein Team haben sich genau dieser Frage gestellt. Dafür haben sie 3000 Fans befragt, 52 Expertengespräche geführt und 10.000 Seiten Material ausgewertet. Ein kolossaler Aufwand. Die EBS-Universität hat erforscht, wer sich wie für die Nationalmannschaft interessiert.

In München, wo sich die Nationalmannschaft dieser Tage auf die Länderspiel-Klassiker gegen Italien am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Mailand und England am 19. November (ab 21 Uhr, live in der ARD) in London vorbereitet, wurden heute die Ergebnisse der Studie "Wir sind Nationalmannschaft" präsentiert. DFB.de fragt den Wirtschaftswissenschaftler und EBS-Studienleiter, was ihn im Rahmen der Untersuchung selbst überrascht hat.

DFB.de: Herr Professor Schmidt, Männer oder Frauen - wer sind die größeren Fans der Nationalmannschaft?

Prof. Sascha L. Schmidt: Da haben wir keinen Unterschied entdeckt. Die Nationalmannschaft erreicht quasi jeden Winkel unserer Gesellschaft. Familien wie Kinderlose, Wohlhabende wie Geringverdiener oder eben Männer wie auch Frauen identifizieren sich gleichermaßen mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

DFB.de: Ist der Klubfußball noch mehr Männersache?

Schmidt: Die Fans, die sich mit einem Bundesligaklub identifizieren, sind eher männlich. Wir konnten auch keine Stadt-Land-Schere entdecken. Die Identifikation mit der Nationalmannschaft ist flächendeckend über alle Siedlungsgrößen hinweg annähernd gleich ausgeprägt. Auch verblüffend: Ausländische Umfrageteilnehmer identifizierten sich sehr mit der Fußball-Nationalmannschaft. Gerade für frisch angekommene ausländische Mitbürger erscheint das Team als wichtiger Anknüpfungspunkt. Die Nationalmannschaft ist einfach der große gemeinsame Nenner.

DFB.de: Sie verwenden ein anderes schönes Bild dafür.

Schmidt: Wir sprechen vom letzten gemeinsamen Lagerfeuer. Genauso kann man die Nationalmannschaft verstehen. Sehen Sie, wir leben in einer sehr individualisierten Gesellschaft. Tradierte Institutionen wie die Kirchen, die Gewerkschaften oder die politischen Parteien mussten in den vergangenen Jahren einen teilweise massiven Mitgliederschwund verzeichnen. Dennoch besteht bei den Menschen das Bedürfnis nach Gemeinschaftserlebnissen. Das zeigt sich nicht zuletzt auf den Fanmeilen. Die Nationalmannschaft erfüllt dieses Bedürfnis nach Gemeinschaft. Sie erreicht selbst Leute, die sich sonst gar nicht für Fußball interessieren.



Wie erforscht man Begeisterung? Wie misst man Liebe, und sei es für den Fußball? Professor Sascha L. Schmidt und sein Team haben sich genau dieser Frage gestellt. Dafür haben sie 3000 Fans befragt, 52 Expertengespräche geführt und 10.000 Seiten Material ausgewertet. Ein kolossaler Aufwand. Die EBS-Universität hat erforscht, wer sich wie für die Nationalmannschaft interessiert.

In München, wo sich die Nationalmannschaft dieser Tage auf die Länderspiel-Klassiker gegen Italien am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Mailand und England am 19. November (ab 21 Uhr, live in der ARD) in London vorbereitet, wurden heute die Ergebnisse der Studie "Wir sind Nationalmannschaft" präsentiert. DFB.de fragt den Wirtschaftswissenschaftler und EBS-Studienleiter, was ihn im Rahmen der Untersuchung selbst überrascht hat.

DFB.de: Herr Professor Schmidt, Männer oder Frauen - wer sind die größeren Fans der Nationalmannschaft?

Prof. Sascha L. Schmidt: Da haben wir keinen Unterschied entdeckt. Die Nationalmannschaft erreicht quasi jeden Winkel unserer Gesellschaft. Familien wie Kinderlose, Wohlhabende wie Geringverdiener oder eben Männer wie auch Frauen identifizieren sich gleichermaßen mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

DFB.de: Ist der Klubfußball noch mehr Männersache?

Schmidt: Die Fans, die sich mit einem Bundesligaklub identifizieren, sind eher männlich. Wir konnten auch keine Stadt-Land-Schere entdecken. Die Identifikation mit der Nationalmannschaft ist flächendeckend über alle Siedlungsgrößen hinweg annähernd gleich ausgeprägt. Auch verblüffend: Ausländische Umfrageteilnehmer identifizierten sich sehr mit der Fußball-Nationalmannschaft. Gerade für frisch angekommene ausländische Mitbürger erscheint das Team als wichtiger Anknüpfungspunkt. Die Nationalmannschaft ist einfach der große gemeinsame Nenner.

DFB.de: Sie verwenden ein anderes schönes Bild dafür.

Schmidt: Wir sprechen vom letzten gemeinsamen Lagerfeuer. Genauso kann man die Nationalmannschaft verstehen. Sehen Sie, wir leben in einer sehr individualisierten Gesellschaft. Tradierte Institutionen wie die Kirchen, die Gewerkschaften oder die politischen Parteien mussten in den vergangenen Jahren einen teilweise massiven Mitgliederschwund verzeichnen. Dennoch besteht bei den Menschen das Bedürfnis nach Gemeinschaftserlebnissen. Das zeigt sich nicht zuletzt auf den Fanmeilen. Die Nationalmannschaft erfüllt dieses Bedürfnis nach Gemeinschaft. Sie erreicht selbst Leute, die sich sonst gar nicht für Fußball interessieren.

DFB.de: Anderes Thema: Gibt es den beliebtesten Spieler der Deutschen?

Schmidt: Über den Zeitraum der vergangenen zwölf Jahre betrachtet, liegen Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger und Oliver Kahn auf den ersten drei Plätzen. Aktuell als persönliches Vorbild wird besonders oft Toni Kroos genannt. Und wenn man wieder nach einem gesellschaftlichen Vorbild fragt, belegen Manuel Neuer, Philipp Lahm und Miroslav Klose die vorderen Ränge.

DFB.de: Darüber hinaus haben Sie versucht, die Entwicklung der Nationalmannschaft zu beschreiben. Die Zeit von Erich Ribbeck bis Joachim Löw unterteilen Sie in evolutionäre und revolutionäre Phasen. Was haben wir jetzt gerade - Entwicklung oder Umsturz?

Schmidt: Wir befinden uns in einer evolutionären Phase. Revolutionär wirkte Jürgen Klinsmann. Ähnlich verlaufen Entwicklungen bei Wirtschaftsunternehmen, bei denen man auch Auftauphasen, Phasen eines radikalen Wandels und Stabilisierungsphasen unterscheidet. Meistens ist es doch, dass es einen externen Schock braucht, damit Organisationen das vorherrschende Gleichgewicht verlassen und neuartige Ideen umsetzen. Das EM-Turnier 2004 und der anschließende Rückritt Rudi Völlers waren solche Schockerlebnisse, die den Revolutionär Jürgen Klinsmann erst ermöglichten. Mit der Ära Löw befinden wir uns in einer stabilisierenden Phase.

DFB.de: Wie schneidet Löw im Vergleich zu seinen direkten Vorgängern ab?

Schmidt: Wir haben seine ersten 89 Spiele ausgewertet. Da hatte er einen Schnitt von 2,2 Punkten pro Spiel gegenüber Klinsmann mit 2 Punkten, Völler mit 1,8 Punkten und Ribbeck mit 1,5 Punkten pro Partie im Schnitt. Noch beeindruckender: Löw weist mit 71 Prozent gewonnener Spiele zudem die höchste Siegquote gegen Top-Ten-Mannschaften der verganenen 14 Jahre auf.

DFB.de: Der Erfolg ging einher mit einer stetigen Verjüngung der Mannschaft.

Schmidt: Genau. Für die EM 2008 nominierte Löw fünf Spieler ohne Turniererfahrung und für die WM 2010 sogar elf Feldspieler und drei neue Torhüter ohne vorherige EM- oder WM-Erfahrung. Lag das durchschnittliche Alter des EM-Kaders 2000 noch bei knapp 29 Jahren, schickte Deutschland zehn Jahre später das drittjüngste Team mit durchschnittlich 25 Jahren ins WM-Rennen. 2012 bei der EM stellte Deutschland das jüngste Team des Turniers.

DFB.de: Viele Zahlen - zum Abschluss bitte noch eine. Sie haben die Facebook-Fans gezählt. Was kam dabei heraus?

Schmidt: Kein gutes Ergebnis jedenfalls für die Politik. Die zehn beliebtesten Nationalspieler versammeln auf ihren Facebook-Seiten über 25 Millionen Fans. Die zehn beliebtesten Politiker bringen es dagegen auf lediglich knapp 500.000 Fans. Mit einem Post auf Facebook erreichen die Nationalspieler damit 56-mal mehr Menschen als die Politiker.