Stefan Kretzschmar: „Ich verfüge über dieses gefährliche Halbwissen“

Rund 50.000 Mitglieder hat der Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola. Aber der DFB-Auswahl drücken noch viel mehr Menschen die Daumen. Darunter auch zahlreiche bekannte Größen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Zum zehnjährigen Bestehen des Fan Club Nationalmannschaft sprechen sie in der neuen Rubrik „Prominente Fans“ über ihre Fußball-Leidenschaft.

Stefan Kretzschmar hat in seinem Leben schon vieles an Stereotypen über sich lesen müssen. Handball-Punk ist eines der beliebtesten, aber da wären auch Querkopf, Bad Boy, Kultfigur oder Kämpferherz, um nur einige zu nennen. Laut sei er, heißt es allenthalben über den 40-Jährigen, direkt sei er, ein kritischer Geist, einer, der anecke und polarisiere. Dabei ist der gebürtige Leipziger vor allem eines: Ein verdammt guter Handballer, während seiner aktiven Karriere galt er sogar als einer der besten Linksaußen der Welt. 218 Länderspiele hat er für Deutschland absolviert, gewann mit der Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen die Silbermedaille.

Der SC Magdeburg gewann mit Kretzschmar 2002 als erste deutsche Mannschaft die Champions League, 2007 beendete er nach 421 Bundesligaspielen und 1694 Treffern seine aktive Karriere. Dem Handball ist der zweifache Familienvater, der vor fünf Jahren seine Biographie „Anders als erwartet“ veröffentlichte, seitdem vor allem als TV-Experte verbunden geblieben. Im fanclub.dfb.de-Interview mit DFB-Mitarbeiter Sebastian Gehrmann spricht Kretzschmar über seine Qualitäten als Fußball-Experte, sein Handicap beim Golf und aufmunternde Kurznachrichten, die er Mario Gomez während der Europameisterschaft im vergangenen Jahr schickte.

fanclub.dfb.de: Herr Kretzschmar, was haben Peter Neururer, Mario Basler und Thomas Strunz gemeinsam?

Stefan Kretzschmar: Sie sind alle Fußball-Experten bei Sport1.

fanclub.dfb.de: Aber, so unter uns, besonders viel Ahnung von Fußball haben die drei jetzt nicht, oder?

Stefan Kretzschmar: Zumindest sind sie doch sehr unterhaltsam.

fanclub.dfb.de: Neururer, Strunz und Basler liegen im Manager-Spiel von Sport1 allesamt weit hinter Ihnen. Sie sind aktuell Zweiter. Alle Achtung.



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Rund 50.000 Mitglieder hat der Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola. Aber der DFB-Auswahl drücken noch viel mehr Menschen die Daumen. Darunter auch zahlreiche bekannte Größen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Zum zehnjährigen Bestehen des Fan Club Nationalmannschaft sprechen sie in der neuen Rubrik „Prominente Fans“ über ihre Fußball-Leidenschaft.

Stefan Kretzschmar hat in seinem Leben schon vieles an Stereotypen über sich lesen müssen. Handball-Punk ist eines der beliebtesten, aber da wären auch Querkopf, Bad Boy, Kultfigur oder Kämpferherz, um nur einige zu nennen. Laut sei er, heißt es allenthalben über den 40-Jährigen, direkt sei er, ein kritischer Geist, einer, der anecke und polarisiere. Dabei ist der gebürtige Leipziger vor allem eines: Ein verdammt guter Handballer, während seiner aktiven Karriere galt er sogar als einer der besten Linksaußen der Welt. 218 Länderspiele hat er für Deutschland absolviert, gewann mit der Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen die Silbermedaille.

Der SC Magdeburg gewann mit Kretzschmar 2002 als erste deutsche Mannschaft die Champions League, 2007 beendete er nach 421 Bundesligaspielen und 1694 Treffern seine aktive Karriere. Dem Handball ist der zweifache Familienvater, der vor fünf Jahren seine Biographie „Anders als erwartet“ veröffentlichte, seitdem vor allem als TV-Experte verbunden geblieben. Im fanclub.dfb.de-Interview mit DFB-Mitarbeiter Sebastian Gehrmann spricht Kretzschmar über seine Qualitäten als Fußball-Experte, sein Handicap beim Golf und aufmunternde Kurznachrichten, die er Mario Gomez während der Europameisterschaft im vergangenen Jahr schickte.

fanclub.dfb.de: Herr Kretzschmar, was haben Peter Neururer, Mario Basler und Thomas Strunz gemeinsam?

Stefan Kretzschmar: Sie sind alle Fußball-Experten bei Sport1.

fanclub.dfb.de: Aber, so unter uns, besonders viel Ahnung von Fußball haben die drei jetzt nicht, oder?

Stefan Kretzschmar: Zumindest sind sie doch sehr unterhaltsam.

fanclub.dfb.de: Neururer, Strunz und Basler liegen im Manager-Spiel von Sport1 allesamt weit hinter Ihnen. Sie sind aktuell Zweiter. Alle Achtung.

Stefan Kretzschmar: Aber das heißt doch nicht, dass die drei keine Ahnung haben, sondern spricht viel mehr für mein eigenes Fachwissen. Im Ernst. Ich möchte mir doch nicht anmaßen, einen von denen zu diskreditieren. Sie alle verdienen meinen Respekt. Ich finde die Analysen von Thomas Strunz immer ziemlich treffend. Mario Basler ist eine großartige Persönlichkeit und Peter Neururer sowieso eine Legende.

fanclub.dfb.de: Muss es die drei nicht unglaublich wurmen, hinter Ihnen zu liegen? Wie würden Sie reagieren, würde einer von denen Sie plötzlich bei einem Handball-Manager-Spiel ziemlich alt aussehen lassen?

Stefan Kretzschmar: Das wäre natürlich etwas anderes. Da würde ich mir schon Gedanken machen, wie das sein kann.

fanclub.dfb.de: Wäre es deshalb nicht die logische Konsequenz, zukünftig Sie in die Fußball-Talks und Analyse-Sendungen einzuladen?

Stefan Kretzschmar: Warum nicht. Ich denke, ich bin da flexibel einsetzbar. Und selbstverständlich verfüge auch ich über dieses gefährliche Halbwissen, das vermutlich jeder Deutsche hat. Du kannst dich in diesem Land dem Fußball ja nicht entziehen. Unmöglich.

fanclub.dfb.de: Nach welchen Kriterien stellen Sie ihre Mannschaft beim Manager-Spiel auf? Haben Sie vor der Saison stundenlang Statistiken gewälzt und Formkurven bewertet?

Stefan Kretzschmar: Ich würde sagen, ich treffe die meisten Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Sympathie spielt dabei eine große Rolle und auch, wie gut oder schlecht die Spieler in der Vorsaison waren. Marco Reus zum Beispiel ist bei mir eine sichere Bank. Das ist ein einfach unglaublicher Fußballer. Und bei Kevin Trapp im Tor habe ich einfach den richtigen Riecher gehabt.

fanclub.dfb.de: Der Eindruck täuscht vermutlich nicht, dass Sie ihre „Manager-Karriere“ schon mit einem gewissen Ehrgeiz verfolgen.

Stefan Kretzschmar: Der gehört natürlich dazu. Sehen sie, wenn man nach der Hälfte der Saison irgendwo im Mittelfeld herumdümpelt, lässt man sich vielleicht etwas hängen. Wenn man wie ich lange Tabellenführer ist und das in einer anderen Sportart, unter all den namhaften Experten, die sich da tummeln, dann verfolgt man die Sache schon sehr intensiv.

fanclub.dfb.de: Wie steht es im wahren Leben um ihre Ambitionen, ein Manager-Amt zu bekleiden? Es heißt, sie streben einen Sportfunktionärsposten im deutschen Handball an.

Stefan Kretzschmar: Diesen Plan gibt es aktuell nicht. Man wird natürlich in eine Ecke gedrängt, wenn es heißt: „Der Kretzschmar kritisiert und nörgelt immer so viel, soll er es doch besser machen.“ Und wenn dann so ein Satz fällt, fühlt man sich schon herausgefordert. So etwas will man ungern auf sich sitzen lassen, was zwangsläufig zu Spekulationen führt. Aber, ehrlich gesagt, liebe ich mein Leben gerade viel zu sehr, so wie es ist.

fanclub.dfb.de: Ausschließen würden Sie es aber nicht.

Stefan Kretzschmar: Auf keinen Fall. Sollte sich in Zukunft beim Deutschen Handball-Bund personell etwas ändern, und die Frage aufkommen, ob ich einen Posten übernehme, welcher auch immer das dann sein sollte, dann kann man mit mir bestimmt darüber reden.

fanclub.dfb.de: Zumindest wurde während der Handball-WM in Spanien kolportiert, Sie könnten sich vorstellen, beim DHB ein ähnliches Amt zu übernehmen, wie es Oliver Bierhoff bei der Fußball-Nationalmannschaft bekleidet. Was macht Bierhoff denn in Ihren Augen gut?

Stefan Kretzschmar: Ich möchte jetzt nicht falsch verstanden werden. Der Fußball ist des Deutschen liebstes Kind. Jeder interessiert sich dafür, und deshalb ist es wahrscheinlich kein besonders schwerer Job, Manager der Nationalmannschaft zu sein. Die Firmen stehen Schlange und die mediale Aufmerksamkeit ist enorm. Die eloquente Art und Weise aber, mit der Bierhoff agiert, wie er manchmal Dampf rausnimmt, wenn es droht, Probleme zu geben, oder wie er Wirtschaft und Fußball verknüpft, das imponiert mir schon. Das hat eine hohe Qualität. Und Bierhoff besitzt ein unheimlich weit verstricktes Netzwerk.

fanclub.dfb.de: Hat sich die Wahrnehmung der Nationalmannschaft in Ihren Augen über die vergangenen Jahre verändert?

Stefan Kretzschmar: Es hat ein Umdenken stattgefunden. Im Bereich Social Media wurde zum Beispiel extrem viel gemacht. Die Nationalmannschaft ist in so ziemlich allen Bereichen das Vorzeigeprodukt des deutschen Sports. Da kann sich der Handball noch eine Menge abgucken.

fanclub.dfb.de: Wie reizvoll wäre es dann für Sie, Oliver Bierhoff vielleicht für eine gewisse Zeit über die Schulter zu schauen?

Stefan Kretzschmar: Er hat mir das sogar schon angeboten, dass man sich mal trifft und austauscht. Und dieses Angebot werde ich in naher Zukunft bestimmt annehmen, ganz unabhängig davon, ob ich irgendwann einen Posten beim DHB bekleiden werde oder nicht. Außerdem ist Bierhoff ein sehr angenehmer Typ. Ich wüsste nicht, was dagegen spricht, mit ihm einmal eine Runde Golf zu spielen.

fanclub.dfb.de: Wie ist denn ihr Handicap?

Stefan Kretzschmar: Auf dem Golfplatz? (lacht)

fanclub.dfb.de: Über welches möchten Sie denn sonst gerne sprechen?

Stefan Kretzschmar: Belassen wir es beim Golf. (lacht) Da ist mein Handicap 25.

fanclub.dfb.de: Welche Nationalspieler kennen Sie eigentlich persönlich, also, nicht nur vom Golfplatz?

Stefan Kretzschmar: Aus der aktuellen Generation eigentlich kaum jemanden. Es ist jetzt einfach schon zu lange her, dass ich mehr Kontakt zu Spielern hatte, wie etwa zu Christoph Metzelder, Roman Weidenfeller, Torsten Frings oder Michael Ballack.

fanclub.dfb.de: Und wenn man sich trifft, wie sehr geht man bei den Gesprächen dann ins Detail? Werden da einzelne Spiele intensiv diskutiert, oder bleibt es lediglich bei etwas Smalltalk?

Stefan Kretzschmar: Man trifft sich meistens auf irgendwelchen Veranstaltungen, und da ist wenig Zeit, um wirklich fachzusimpeln. Das ist ja oft eine komische Situation. Man kennt sich zwar aus den Medien, aber dann auch wieder nicht wirklich. Man tauscht vielleicht Telefonnummern aus, aber selbst da bleibt es meist bei der ein oder anderen SMS. Zum Beispiel habe ich Mario Gomez ein paar aufmunternde Nachrichten geschrieben, als während der Europameisterschaft 2012 die Debatte nach der Kritik von Mehmet Scholl losbrach.

fanclub.dfb.de: Als Sportler, als Nationalspieler auch, der ebenfalls im Fokus der öffentlichen Kritik steht, konnten Sie sich vermutlich gut in die Situation hineinversetzen, oder?

Stefan Kretzschmar: Natürlich weiß man, was ein Spieler da aushalten muss. Wobei die Ausmaße im Fußball natürlich um ein vielfaches höher sind, als etwa im Handball. Was die Jungs da bei jeder Kleinigkeit über sich ergehen lassen müssen, das ist schon brutal. Da musst du bei allem, was du sagst und machst, unglaublich aufpassen. Ich weiß nicht, ob ich im Fußball überlebt hätte.

fanclub.dfb.de: Weil Sie einer dieser Typen sind, die im aktuellen Kreis der Nationalspieler angeblich fehlen. Was halten Sie von dieser Diskussion? Und was ist überhaupt ein Typ?

Stefan Kretzschmar: Gute Frage. Diese Debatte kommt in beinahe jeder Mannschaftssportart auf, und dennoch sollte man einfach akzeptieren, dass sie keinen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg hat. Unsere Fußball-Nationalmannschaft wird in meinen Augen in den kommenden Jahren die erfolgreichste der Welt sein. Und dann erübrigt sich auch jede Typendebatte. Was ist denn das Kriterium für gute Leistungen? Dass jemand Abends in der Kneipe unterm Tisch liegt und raucht? Steigt man deshalb in der Hierarchie einer Mannschaft auf? Diese Hierarchiediskussion stört mich auch. Für mich klingt das immer so, als suche man nach Gründen für eine Niederlage.

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fanclub.dfb.de: Sie verfolgen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft schon relativ intensiv, richtig?

Stefan Kretzschmar: Ehrlich gesagt bin ich niemand, der sich Spiele aus der Bundesliga über 90 Minuten am Fernseher ansieht. Wenn aber die Nationalmannschaft spielt, ist das etwas anderes. Das ist ein deutschlandweites Ereignis. Das muss man einfach sehen. Man entwickelt da auch einen gewissen Nationalstolz und leidet und jubelt mit.

fanclub.dfb.de: Jetzt sagen Sie aber nicht, sie haben ein Deutschlandfähnchen am Auto.

Stefan Kretzschmar: Nein, das ist nicht so mein Ding. Aber ein Trikot ziehe ich mir schon an, wenn ich zum Public Viewing gehe.

fanclub.dfb.de: Haben die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, die untrennbar mit dem Begriff „Sommermärchen“ verbunden ist, und die Handball-Weltmeisterschaft 2007, das „Wintermärchen“, die Fankultur in Deutschland nachhaltig verändert?

Stefan Kretzschmar: Es ist natürlich auffallend, dass der Deutsche plötzlich weniger Probleme damit hat, diesen Nationalstolz, von dem ich vorhin schon gesprochen habe, öffentlich zur Schau zu stellt. Man zeigt viel selbstverständlicher als früher seine Verbundenheit mit seiner Nationalmannschaft. Das ist in anderen Ländern doch längst selbstverständlich gewesen. Wenn mittlerweile aber schon das Auto beflaggt wird, weil irgendwo ein deutsches Pferd reitet, ist das aber selbst mir dann ein bisschen zuviel.

fanclub.dfb.de: Sie haben vor der Handball-WM 2007 die Außendarstellung des DHB kritisiert. Ihr Sorge war, dass zu wenige Menschen auf dieses Turnier aufmerksam werden. Wurden Sie von der Begeisterung, die auch diese WM im Land ausgelöst hat, ein wenig überrascht?

Stefan Kretzschmar: Was ich kritisiert habe, war die Art und Weise, wie vor dem Turnier über die deutsche Mannschaft berichtet wurde, beziehungsweise nicht berichtet wurde. Das war mir zu wenig. Auch hätte ich mir gewünscht, dass die Fans über die neuen Medienkanäle mehr eingebunden werden. Da ist seitdem eine Menge passiert. Was die Mannschaft dann auf dem Feld gemacht hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Welche Sympathien sie gewonnen hat, das war natürlich großartig.

fanclub.dfb.de: Weil Sie es gerade angesprochen haben. Mittlerweile gibt es, analog zum Fußball, auch einen Fanklub der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Was halten Sie davon?

Stefan Kretzschmar: Ich finde es prinzipiell super, dass man aktiv wird. Es gibt da im deutschen Handball noch einen erheblichen Nachholbedarf, und wir sind auf jede Unterstützung durch die Fans angewiesen.

fanclub.dfb.de: Da Sie ein ausgewiesener Fußball-Experte sind, noch drei kurze Fragen zum Schluss. Wer wird deutscher Fußball-Meister?

Stefan Kretzschmar: Union Berlin. Quatsch. Bayern München natürlich. Wer soll die denn noch aufhalten?

fanclub.dfb.de: Gut, die Frage war zum Warmwerden. Wer gewinnt dieses Jahr die Champions League?

Stefan Kretzschmar: Real Madrid.

fanclub.dfb.de: Und wer wird 2014 Weltmeister.

Stefan Kretzschmar: Natürlich darf man die Brasilianer als Gastgeber nicht unterschätzen, und auch nicht Argentinien. Aber ohne mich hier einschleimen zu wollen, ich glaube, dass Deutschland nächstes Jahr soweit ist, den Titel zu holen.