Spielen mit Beinprothese: Hannes kann es!

Hannes hat von seinem Papa eine Spielekonsole bekommen, und wenn er spielt, rast er als schnauzbärtiger Super Mario durch bunte Parcours oder schießt spektakuläre Fallrückziehertore. "Ich spiele immer mit Hoffenheim", sagt Hannes. Bekannte der Familie haben Dauerkarten, und fünf- oder sechsmal im Jahr geht sein Papa mit ihm ins Stadion. Wenn er an der Konsole spielt, steht immer Oliver Baumann in Hannes’ Tor. Gibt man zu bedenken, dass Manuel Neuer auch so schlecht nicht sei, verdreht Hannes nur die Augen. "Oliver Baumann", sagt er, "gehört auch zu den Top Fünf der Bundesliga."

Wäre Hannes' Leben ein Disneyfilm oder eines seiner Konsolenspiele, dann verliehe ihm seine Sportprothese magische Kräfte, und Super Hannes würde kreuz und quer durch das riesige Tor fliegen, kein Ball ginge mehr rein und die C-Jugend der TSG Seckenheim würde am Ende des Jahres im Champions-League-Finale die Bayern besiegen. 4:0. So ist es aber nicht. Und keiner weiß das besser als Hannes.

Der 13-jährige Junge verpasst kein Training, keine Übung. Aber jetzt beim Zirkeltraining sollen sie durch am Boden liegende Ringe rennen, und dann zum 30 Meter entfernten Hütchen sprinten. Bei Jakob, dem anderen Torwart im Team, sieht das leichtfüßig aus. Tap, tap, tap – blitzschnelle kleine Schritte in die eng liegenden Kreise. Hannes ist dran, und alles dauert etwas länger. Sein rechtes Knie hat noch etwa zehn Grad Beweglichkeit, doch die Sportprothese versteift das Bein, dadurch hat er zwar mehr Kraft, verliert aber Beweglichkeit. Beim Sprint zum Hütchen muss er sein rechtes Bein hinterherziehen.

"Später will ich Koch werden", sagt Hannes. Zum Geburtstag seiner Mutter hat er gekocht. Hackfleisch mit Pilzen und Nudeln, zum Nachtisch servierte er Pudding. Hannes kocht gerne, Fußball liebt er. "Durch die Sportprothese habe ich deutlich mehr Sprungkraft", sagt er. Die Krankenkasse hätte nur eine Badeprothese bezahlt, den Kauf des teureren Modells, mit dem man rennen und springen kann, aber abgelehnt.

Der Alt-Bundestrainer musste sich drum kümmern. Sepp und Eva Herberger hatten testamentarisch verfügt, dass ihr Vermögen für in Not geratene Fußballer verwendet werden solle. Vor fast zwei Jahren also übernahm die DFB-Stiftung Sepp Herberger komplett die Kosten von 2.000 Euro. "Die haben ohne großen administrativen Aufwand bezahlt. Es war wie Weihnachten", sagte die Seckenheimer Jugendleiterin Britta Stahl, die damals das Angebot der Stiftung entdeckt hatte. Seitdem hält Hannes auch die hohen Bälle. Für ihn ist die Sportprothese ein Segen. Anfang Dezember stand er zum ersten Mal in der Saison für eine Halbzeit bei einem Punktspiel der C-Junioren-Kreisklasse im Tor. Hannes und seine Vorderleute unterlagen gegen Ketsch 1:2. Hannes kassierte ein Tor.

Hannes hat einen Bruder. Hannes und Joscha sind eineiige Zwillinge. In der 18. Woche einer extrem komplizierten Schwangerschaft hörten Jörg Schmidt-Rohr und Claudia Morgenthaler den Befund: Fetofetales Transfusionssyndrom, kurz FFTS. Bei 85 bis 95 Prozent aller Zwillingsschwangerschaften bilden sich Verbindungen zwischen den Arterien, es kommt zu einer wechselseitigen Transfusion von Blut zwischen den Zwillingen. Äußerst selten kommt es vor, dass der Blutaustausch in den Plazenta-Gefäßen unausgewogen abläuft. Der Empfänger- zwilling ist dann deutlich größer als der Spenderzwilling. Herzversagen führt häufig zum vorgeburtlichen Tod. Stirbt ein Zwilling, kommt es in 26 Prozent der Fälle zum Verbluten des überlebenden Zwillings. In 25 Prozent der Fälle kommt es zu einer schweren Gehirnschädigung. Bei einem Drittel aller Fälle stirbt der überlebende Zwilling im ersten Lebensjahr. Man muss das nicht addieren. Die Chancen für Hannes und Joscha standen schlecht.

Von dem Tag an, als sie den FFTS-Befund bekamen, kämpften Jörg und Claudia um das Leben ihrer Jungs. Per Laserbestrahlung sollten die blutführenden Gefäße in der Plazenta verödet werden, um so die Versorgung ins Gleichgewicht zu bringen. Jörg Schmidt-Rohr sagt: "Als auch dieser Versuch gescheitert war, sagten uns die Ärzte in Frankfurt, die Kinder werden sterben."

Er brachte seine Partnerin nach Germersheim, in ein kleines Krankenhaus, man kannte den Chefarzt. In der Uniklinik Heidelberg schließlich kamen Hannes und Joscha am 20. September 2001 als Frühchen zur Welt. Hannes wog 1.100 Gramm, Joscha 800. Beiden musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Hannes wurde alleine in seinem ersten Monat fünfmal notoperiert. Trotzdem konnten die Ärzte eine unkontrollierte Blutung im gesamten Bauchbereich nicht stoppen. Irgendwann sagten die Ärzte, entweder es höre in den nächsten Stunden auf oder Hannes werde sterben. Am nächsten Tag stoppte die Blutung. "Ich bin kein religiöser Mensch, ich konnte also nicht beten, aber so ein paar Sachen in der Art gab es schon in diesen Stunden", sagt sein Vater.



Hannes hat von seinem Papa eine Spielekonsole bekommen, und wenn er spielt, rast er als schnauzbärtiger Super Mario durch bunte Parcours oder schießt spektakuläre Fallrückziehertore. "Ich spiele immer mit Hoffenheim", sagt Hannes. Bekannte der Familie haben Dauerkarten, und fünf- oder sechsmal im Jahr geht sein Papa mit ihm ins Stadion. Wenn er an der Konsole spielt, steht immer Oliver Baumann in Hannes’ Tor. Gibt man zu bedenken, dass Manuel Neuer auch so schlecht nicht sei, verdreht Hannes nur die Augen. "Oliver Baumann", sagt er, "gehört auch zu den Top Fünf der Bundesliga."

Wäre Hannes' Leben ein Disneyfilm oder eines seiner Konsolenspiele, dann verliehe ihm seine Sportprothese magische Kräfte, und Super Hannes würde kreuz und quer durch das riesige Tor fliegen, kein Ball ginge mehr rein und die C-Jugend der TSG Seckenheim würde am Ende des Jahres im Champions-League-Finale die Bayern besiegen. 4:0. So ist es aber nicht. Und keiner weiß das besser als Hannes.

Der 13-jährige Junge verpasst kein Training, keine Übung. Aber jetzt beim Zirkeltraining sollen sie durch am Boden liegende Ringe rennen, und dann zum 30 Meter entfernten Hütchen sprinten. Bei Jakob, dem anderen Torwart im Team, sieht das leichtfüßig aus. Tap, tap, tap – blitzschnelle kleine Schritte in die eng liegenden Kreise. Hannes ist dran, und alles dauert etwas länger. Sein rechtes Knie hat noch etwa zehn Grad Beweglichkeit, doch die Sportprothese versteift das Bein, dadurch hat er zwar mehr Kraft, verliert aber Beweglichkeit. Beim Sprint zum Hütchen muss er sein rechtes Bein hinterherziehen.

"Später will ich Koch werden", sagt Hannes. Zum Geburtstag seiner Mutter hat er gekocht. Hackfleisch mit Pilzen und Nudeln, zum Nachtisch servierte er Pudding. Hannes kocht gerne, Fußball liebt er. "Durch die Sportprothese habe ich deutlich mehr Sprungkraft", sagt er. Die Krankenkasse hätte nur eine Badeprothese bezahlt, den Kauf des teureren Modells, mit dem man rennen und springen kann, aber abgelehnt.

Der Alt-Bundestrainer musste sich drum kümmern. Sepp und Eva Herberger hatten testamentarisch verfügt, dass ihr Vermögen für in Not geratene Fußballer verwendet werden solle. Vor fast zwei Jahren also übernahm die DFB-Stiftung Sepp Herberger komplett die Kosten von 2.000 Euro. "Die haben ohne großen administrativen Aufwand bezahlt. Es war wie Weihnachten", sagte die Seckenheimer Jugendleiterin Britta Stahl, die damals das Angebot der Stiftung entdeckt hatte. Seitdem hält Hannes auch die hohen Bälle. Für ihn ist die Sportprothese ein Segen. Anfang Dezember stand er zum ersten Mal in der Saison für eine Halbzeit bei einem Punktspiel der C-Junioren-Kreisklasse im Tor. Hannes und seine Vorderleute unterlagen gegen Ketsch 1:2. Hannes kassierte ein Tor.

Hannes hat einen Bruder. Hannes und Joscha sind eineiige Zwillinge. In der 18. Woche einer extrem komplizierten Schwangerschaft hörten Jörg Schmidt-Rohr und Claudia Morgenthaler den Befund: Fetofetales Transfusionssyndrom, kurz FFTS. Bei 85 bis 95 Prozent aller Zwillingsschwangerschaften bilden sich Verbindungen zwischen den Arterien, es kommt zu einer wechselseitigen Transfusion von Blut zwischen den Zwillingen. Äußerst selten kommt es vor, dass der Blutaustausch in den Plazenta-Gefäßen unausgewogen abläuft. Der Empfänger- zwilling ist dann deutlich größer als der Spenderzwilling. Herzversagen führt häufig zum vorgeburtlichen Tod. Stirbt ein Zwilling, kommt es in 26 Prozent der Fälle zum Verbluten des überlebenden Zwillings. In 25 Prozent der Fälle kommt es zu einer schweren Gehirnschädigung. Bei einem Drittel aller Fälle stirbt der überlebende Zwilling im ersten Lebensjahr. Man muss das nicht addieren. Die Chancen für Hannes und Joscha standen schlecht.

Von dem Tag an, als sie den FFTS-Befund bekamen, kämpften Jörg und Claudia um das Leben ihrer Jungs. Per Laserbestrahlung sollten die blutführenden Gefäße in der Plazenta verödet werden, um so die Versorgung ins Gleichgewicht zu bringen. Jörg Schmidt-Rohr sagt: "Als auch dieser Versuch gescheitert war, sagten uns die Ärzte in Frankfurt, die Kinder werden sterben."

Er brachte seine Partnerin nach Germersheim, in ein kleines Krankenhaus, man kannte den Chefarzt. In der Uniklinik Heidelberg schließlich kamen Hannes und Joscha am 20. September 2001 als Frühchen zur Welt. Hannes wog 1.100 Gramm, Joscha 800. Beiden musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Hannes wurde alleine in seinem ersten Monat fünfmal notoperiert. Trotzdem konnten die Ärzte eine unkontrollierte Blutung im gesamten Bauchbereich nicht stoppen. Irgendwann sagten die Ärzte, entweder es höre in den nächsten Stunden auf oder Hannes werde sterben. Am nächsten Tag stoppte die Blutung. "Ich bin kein religiöser Mensch, ich konnte also nicht beten, aber so ein paar Sachen in der Art gab es schon in diesen Stunden", sagt sein Vater.

Hannes sagt, er habe keine Angst. Auch nicht, wenn er aus dem Tor rennt und mit seinem rechten Bein den Ball wegschlägt. Hannes sagt: "Macht nur dem Gegner was aus. In der Schule wollen auch alle gegen die Prothese treten, die finden das cool." Die ganze Mannschaft, damals noch die Seckenheimer D-Jugend, begutachtete die Modelle, als Hanne s sich die neue Sportprothese aussuchen durfte. "Nach dem Training tut’s schon weh. Zuhause ziehe ich das Ding gleich aus", sagt Hannes.

Als er im Sommer von der D-Jugend in die C-Jugend wechselte, musste er sich auch in das große Erwach- senentor stellen. Ausgelassenheit und Spaß werden langsam durch Leistung und Erfolg abgelöst. Hannes' Papa sagt: "Die Sache ist endlich." Britta Stahl ärgert es, wenn sie das hört. "Den Hannes musst du zwingen, damit er mal nicht mitmacht. Wenn der Trainer 'Liege- stütze' fertig ausgesprochen hat, ist der Hannes schon am Boden und pumpt", sagt Britta Stahl. „Hannes ist ein sehr lässiger Typ. Das passt schon."

Hannes muss heute eine Prothese ab dem rechten Unterschenkel tragen. Er zeigt die großen Narben an seinem Bauch. Ansonsten gibt es keine Folgeleiden, nichts ist zu befürchten. Die Familie hat das FFTS der beiden Kinder lange und hart bekämpft. Die Familie und die Ärzte haben das FFTS besiegt. Jörg sagt: "Hannes und Joscha sind heute ganz normale Jungs."

Hannes und Jakob, der andere Torwart, sind in einer Gruppe. Die Übung: Ausfallschritte, springen, rechtes Bein vorne, linkes Bein vorne, zwei Minuten lang. Paul kommt deutlich tiefer, Hannes kann mit seinem rechten Bein gar nicht abknicken. Aber er hört nie auf, albert nicht, ist total ernst und konzentriert. Würde Hannes in der 109. Minute einen Cut im Gesicht abbekommen, er würde sich ganz sicher an der Seitenlinie tackern lassen und dann die Mannschaft zum WM-Titel führen.

Er sagt, und da tut er sich nicht leicht: "Ja, es ist blöd, wenn andere Kinder erst mal nur auf meine Pro- these starren. Aber ich kenne es ja nicht anders." Die Alternative hieße, nicht mehr in der C-Junioren-Kreis- klasse Mannheim im Seckenheimer Tor zu stehen. Das ist aber ausgeschlossen. Denn Hannes sagt: "Fußball macht Spaß. Total."