Six, Micoud, Ribéry & Co.: Franzosen in der Bundesliga

Aus dem Nachbarland links des Rheines kamen auffällig viele eigenwillige Spieler. Die besten Franzosen der Liga waren oft auch Exzentriker und Querköpfe. Historiker Udo Muras beleuchtet die amüsante Geschichte der Legionäre aus Frankreich.

Drei Jahre musste die Bundesliga ohne Franzosen auskommen, dann machte der VfB Stuttgart ein Angebot an Racing Straßburg, das die Elsässer nicht ablehnen konnten. Für exakt 243.000 D-Mark wechselte Linksaußen Gilbert Gress 1966 ins Schwäbische. Er war zwar nicht mal Nationalspieler, aber das verdankte er weniger seinen Füßen als vielmehr seinem eigenwilligen Kopf. Auf dem sprießte eine lange blonde Mähne, wie es damals eben gerade in Mode war. Aber Frankreichs Nationaltrainer wollte nur Kurzgeschorene mit zur WM nach England nehmen. Gilbert Gress weigerte sich und musste sein Debüt in der Equipe tricolore deshalb noch ein Jahr aufschieben.

In Stuttgart schickte ihn Trainer Albert Sing später allerdings auch zum Friseur, dennoch nannten sie den Mann mit der getönten Brille schon bald "den ersten Beatle der Bundesliga". Verrückt wie Linksaußen nun mal so sind, sorgte er für Schlagzeilen neben dem Platz. So hatte er angeblich mit dem Vorstand einen "blauen Montag" vereinbart, den er zu Ausflügen in die Heimat zu nutzen pflegte. Sein erster Trainer Rudi Gutendorf drückte ein Auge zu, zumal montags oft ohnehin frei war. Doch als der VfB Anfang 1967 in die Krise rutschte, strich ihm der neue Trainer Sing das Privileg. Gress kam trotzdem nicht zum Training und bestand auf der Zusage, an die sich Präsident Dr. Fritz Walter "leider nicht erinnern" konnte. Nach tagelangem öffentlichen Zoff entschuldigte sich Gress bei Mannschaft und Trainer und ging fortan auch Montag zum Training.

Berdoll, der Sprachlos-Kollege

Die nachfolgenden Franzosen waren keine Glücksgriffe für ihre Klubs. Karlsruhe stieg 1968 mit Nationalspieler Gerard Hausser ab, er schoss nur ein Tor und blieb ebenso nur ein Jahr wie Marc Berdoll, der 1976/77 bei Aufsteiger 1. FC Saarbrücken anheuerte. Dessen Stippvisite stand unter unglücklichen Vorzeichen. Während sich der Verein sogar verschuldete, um die 440.000 DM nach Angers zu überweisen, hielt Trainer Slobodan Cendic gar nichts von dem Stürmer. Als der verpflichtet worden sei, sei er ja im Urlaub gewesen, sagte Cendic unfreundlich. Berdoll sei zu ungefährlich und er habe ja keine Zeit, "ihn langfristig aufzubauen". Dabei war Berdoll bereits Nationalspieler. Im Oktober 1976 berichtete der Kicker von einem "Aufstand in der Kabine des 1. FC Saarbrücken" gegen Berdoll. Der Torlos-Stürmer sei auch ein Sprachlos-Kollege, der sich weigere Deutsch zu lernen. "Kaum ist ein Training beendet, ist Marc als erster verschwunden und hat hinter der fünf Kilometer entfernten Grenze seinen 1. FCS vergessen!", wurde ein Anonymus zitiert. Cendic verbannte den Legionär auf die Bank und sagte, von dort käme er "erst wieder herunter, wenn er sich mit seinen Mannschaftskameraden vernünftig unterhalten kann". Kurzum, mit Berdoll war es nicht so toll.

Vier Jahre vergingen, ehe der nächste Franzose den Weg über den Rhein wagte. Didier Six erinnerte in Aussehen, Spielweise und Charakter an Gilbert Gress und hatte schon deshalb einen Bonus bei den Fans des VfB Stuttgart. Auch Six war einer jener Linksaußen, die das Klischee der Verrücktheit dieser Spezies voll erfüllten. Trainer Jürgen Sundermann sagte bei der Ankunft über den Nationalspieler: "Vom Temperament her super, aber ein schwieriger Mann." Six schlug prächtig ein, schon nach seinen ersten Einsätzen wählten ihn die Kapitäne der Liga zum Spieler des Monats August 1981. Da musste es ja beinahe zwangsläufig bergab gehen, und so kam es auch. Der VfB verfehlte sein Ziel, Meister zu werden, meilenweit und Trainer Sundermann wurde von Helmut Benthaus abgelöst.



Aus dem Nachbarland links des Rheines kamen auffällig viele eigenwillige Spieler. Die besten Franzosen der Liga waren oft auch Exzentriker und Querköpfe. Historiker Udo Muras beleuchtet die amüsante Geschichte der Legionäre aus Frankreich.

Drei Jahre musste die Bundesliga ohne Franzosen auskommen, dann machte der VfB Stuttgart ein Angebot an Racing Straßburg, das die Elsässer nicht ablehnen konnten. Für exakt 243.000 D-Mark wechselte Linksaußen Gilbert Gress 1966 ins Schwäbische. Er war zwar nicht mal Nationalspieler, aber das verdankte er weniger seinen Füßen als vielmehr seinem eigenwilligen Kopf. Auf dem sprießte eine lange blonde Mähne, wie es damals eben gerade in Mode war. Aber Frankreichs Nationaltrainer wollte nur Kurzgeschorene mit zur WM nach England nehmen. Gilbert Gress weigerte sich und musste sein Debüt in der Equipe tricolore deshalb noch ein Jahr aufschieben.

In Stuttgart schickte ihn Trainer Albert Sing später allerdings auch zum Friseur, dennoch nannten sie den Mann mit der getönten Brille schon bald "den ersten Beatle der Bundesliga". Verrückt wie Linksaußen nun mal so sind, sorgte er für Schlagzeilen neben dem Platz. So hatte er angeblich mit dem Vorstand einen "blauen Montag" vereinbart, den er zu Ausflügen in die Heimat zu nutzen pflegte. Sein erster Trainer Rudi Gutendorf drückte ein Auge zu, zumal montags oft ohnehin frei war. Doch als der VfB Anfang 1967 in die Krise rutschte, strich ihm der neue Trainer Sing das Privileg. Gress kam trotzdem nicht zum Training und bestand auf der Zusage, an die sich Präsident Dr. Fritz Walter "leider nicht erinnern" konnte. Nach tagelangem öffentlichen Zoff entschuldigte sich Gress bei Mannschaft und Trainer und ging fortan auch Montag zum Training.

Berdoll, der Sprachlos-Kollege

Die nachfolgenden Franzosen waren keine Glücksgriffe für ihre Klubs. Karlsruhe stieg 1968 mit Nationalspieler Gerard Hausser ab, er schoss nur ein Tor und blieb ebenso nur ein Jahr wie Marc Berdoll, der 1976/77 bei Aufsteiger 1. FC Saarbrücken anheuerte. Dessen Stippvisite stand unter unglücklichen Vorzeichen. Während sich der Verein sogar verschuldete, um die 440.000 DM nach Angers zu überweisen, hielt Trainer Slobodan Cendic gar nichts von dem Stürmer. Als der verpflichtet worden sei, sei er ja im Urlaub gewesen, sagte Cendic unfreundlich. Berdoll sei zu ungefährlich und er habe ja keine Zeit, "ihn langfristig aufzubauen". Dabei war Berdoll bereits Nationalspieler. Im Oktober 1976 berichtete der Kicker von einem "Aufstand in der Kabine des 1. FC Saarbrücken" gegen Berdoll. Der Torlos-Stürmer sei auch ein Sprachlos-Kollege, der sich weigere Deutsch zu lernen. "Kaum ist ein Training beendet, ist Marc als erster verschwunden und hat hinter der fünf Kilometer entfernten Grenze seinen 1. FCS vergessen!", wurde ein Anonymus zitiert. Cendic verbannte den Legionär auf die Bank und sagte, von dort käme er "erst wieder herunter, wenn er sich mit seinen Mannschaftskameraden vernünftig unterhalten kann". Kurzum, mit Berdoll war es nicht so toll.

Vier Jahre vergingen, ehe der nächste Franzose den Weg über den Rhein wagte. Didier Six erinnerte in Aussehen, Spielweise und Charakter an Gilbert Gress und hatte schon deshalb einen Bonus bei den Fans des VfB Stuttgart. Auch Six war einer jener Linksaußen, die das Klischee der Verrücktheit dieser Spezies voll erfüllten. Trainer Jürgen Sundermann sagte bei der Ankunft über den Nationalspieler: "Vom Temperament her super, aber ein schwieriger Mann." Six schlug prächtig ein, schon nach seinen ersten Einsätzen wählten ihn die Kapitäne der Liga zum Spieler des Monats August 1981. Da musste es ja beinahe zwangsläufig bergab gehen, und so kam es auch. Der VfB verfehlte sein Ziel, Meister zu werden, meilenweit und Trainer Sundermann wurde von Helmut Benthaus abgelöst.

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Six und Benthaus – das ging nicht. Nicht nur, weil das schlampige Genie schon mal die Sporttasche oder die Fußballschuhe vergaß. Auch auf dem Platz war Six Benthaus zu undiszipliniert. Immerhin bemühte sich Six um seine Integration. Zwar erhielt er vom Einwohnermeldeamt Bad Cannstatt einen Strafbefehl, weil er vergaß, auch seine Töchter anzumelden, aber immerhin lernte er fleißig Deutsch. Doch 1983 gestand er einem Reporter: "Da lernt man wie besessen und dann, bei irgendwelchen offiziellen Anlässen, habe ich doch kein Wort verstanden, weil die hier so einen ausgeprägten Dialekt haben." Doch es waren vor allem die Kommunikationsprobleme mit Benthaus, die ihn 1983 zurück nach Frankreich trieben. "Ich muss hier weg", zitierte ihn der Kicker nach seinem letzten Spiel.

Papin holte mit Bayern den UEFA-Cup

So ähnlich äußerte sich auch der erste Franzose des FC Bayern. Von Jean-Pierre Papin, 1994 für stolze 5,5 Millionen D-Mark vom AC Mailand verpflichtet, ist in München vor allem sein Motto "Isch will hier weg" in Erinnerung. Die Vereinsärzte mögen sich noch an zahllose Behandlungsstunden erinnern, die die Tore – nur drei in der Bundesliga – um ein vielfaches übertrafen. Mit Trainer Otto Rehhagel kam er nicht klar, immerhin trug er zum Gewinn des UEFA-Pokals 1996 bei. Womit er der erste Franzose war, der in Deutschland einen Titel holte.

Und damit war der Bann gebrochen. Bayern München hatte seitdem die größte Freude an den Franzosen, von denen es bis heute 40 in die Bundesliga geschafft haben. Mit Bixente Lizarazu (ab 1997) und Willy Sagnol (1999) gönnten sie sich für fünf glorreiche Jahre eine französische Abwehrzange: "Liza" spielte links, Willy rechts. Das taten sie auch in der Nationalmannschaft, die in jenen Jahren Welt- und Europameister wurde. Mit ihren französischen Weltstars gelangten die Bayern 2001 selbst auf den Gipfel: zum Meister-Hattrick kam der Triumph in der Champions-League. "Liza" und Willy fühlten sich wohl bei Bayern, lernten Schafkopfen und wurden Publikumslieblinge. Sie blieben länger als alle anderen: Lizarazu kam Ende 2005 sogar für ein halbes Jahr zurück vor lauter Sehnsucht nach München. Als Sagnol im Februar 2009 aufhörte, ging er als Rekord-Franzose der Liga, mit einem Einsatz mehr als Lizarazu. Später wurde er vom Stuttgarter und Hoffenheimer Abwehrchef Mathieu Delpierre (185 Spiele) 2013 überholt.

Bayern Münchens Dribbelkönig und Publikums-Liebling Franck Ribery aber stellte alle in den Schatten. Obwohl er seit März wieder mal verletzt ist und in der Bundesliga eine Fehlquote von über 30% seit seinem Auftauchen 2007 hat, ist er Rekord-Franzose der Liga (193 Einsätze) – nach nur schwer messbaren Sympathiewerten sowieso. Auch wer kein Bayern-Fan ist, hat seinen Spaß an den Kabinettstückchen Riberys, der einst bei der Siegerehrung mit dem DFB-Pokal davon rannte. Auch auf Johan Micoud, der Werder Bremen 2004 zum Double führte, sangen sie Loblieder an der Weser: "Durch seine Arbeit auf dem Platz hat Johan dokumentiert, was er erreichen will und hat die anderen mitgerissen. Darüber hinaus hat er die Leichtigkeit des Spiels gezeigt, in einer Art, wie es nur wenige können", sagte Trainer Thomas Schaaf.

Wer einen echten Franzosen verpflichtet, bekommt eben immer einen Mann mit Charakter. Und sei er noch so eigentümlich. Als Ribery 2007 nach München kam, versprach er: "Ich bin nicht nach Deutschland gekommen, um einer unter vielen zu sein. Ich will den Fans was bieten." Das ist ihm fraglos gelungen.