Sieg in Schweden: Seeler öffnet das Tor zur WM 1966

Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: Mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt Uwe Seeler zurück auf den 26. September 1965 in Stockholm und die für ihn und den deutschen Fußball wegweisende Entscheidung zur WM 1966.

Keine Frage, es war das "Spiel des Jahres" für die deutsche Nationalmannschaft. Das entscheidende Qualifikationsspiel zur WM 1966 gegen Schweden am 26. September 1965 in Stockholm. Ein Schicksalsspiel für den deutschen Fußball. Als das drohende erstmalige Aus in einer WM-Qualifikation abgewendet war, sagte Dettmar Cramer nach dem Happy-End beim 2:1 im Rasunda-Stadion: "Ich freue mich für unsere Mannschaft und für Helmut Schön. Ich freue mich ganz besonders aber für den deutschen Fußball. Denn eine Niederlage in Stockholm hätte sicherlich sehr negative Auswirkungen bis in die untersten Klassen gehabt."

Ganz besonders freute sich der damalige Assistent des Bundestrainer und mit ihm die gesamte Mannschaft zudem über das Comeback ihres Kapitäns. Uwe Seeler war, sieben Monate nach seinem Achillessehnenriss, den er sich im Februar 1965 im Bundesligaspiel bei Eintracht Frankfurt zugezogen hatte, bei seiner Rückkehr ins Nationalteam der "Mann des Tages" in Stockholm. "Er war verletzt. Doch sein fighting spirit", schrieb Schwedens führende Fußballfachzeitung "Idrottsbladet", "und seine Führungsqualitäten rissen die Schwarz-Weißen mit. Instinkt, ein sechster Sinn trieben ihn vorwärts."

Rekonvaleszent mit Torriecher

Vorwärts zur Kopfballvorlage vor dem Ausgleichstor durch "Eia" Krämer Sekunden vor dem Halbzeitpfiff. Vorwärts zu seinem Siegtor in der 54. Minute, mit dem er den Weg zur WM-Endrunde in England freigemacht hat.

Zwei Themen beherrschten in jenem Sommer 1965 die Debatten in den Medien und die Gespräche an den Stammtischen. Die Bundestagswahl am 19. September und, in der Tat, jenes "Spiel des Jahres" in Stockholm einen Sonntag später. Reduziert auf drei Personalien. Wie heißt der nächste Bundeskanzler: Ludwig Erhard oder Willy Brandt? Und noch leidenschaftlicher und hitziger unter den Fans diskutiert: Kann (und soll) Uwe Seeler spielen - oder kann (und soll) er noch nicht?

"Alle wussten, dass uns nach dem 1:1 im Hinspiel in Berlin gegen Schweden nur ein Sieg zum Ticket nach England helfen könnte", verweist Uwe Seeler im rückblickenden Gespräch mit DFB.de auf die Tatsache, dass die deutsche Mannschaft bis zu diesem Zeitpunkt seit 1911 bei neun Niederlagen und zwei Unentschieden in Schweden nicht mehr hatte gewinnen können. "Es wurden unheimlich emotionale Kontroversen geführt, auch weil die statistischen Voraussetzungen für dieses Spiel denkbar schlecht waren."

Schnellinger schaltet Hamrin aus



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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am 11. Oktober (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: Mit Redakteur Wolfgang Tobien blickt Uwe Seeler zurück auf den 26. September 1965 in Stockholm und die für ihn und den deutschen Fußball wegweisende Entscheidung zur WM 1966.

Keine Frage, es war das "Spiel des Jahres" für die deutsche Nationalmannschaft. Das entscheidende Qualifikationsspiel zur WM 1966 gegen Schweden am 26. September 1965 in Stockholm. Ein Schicksalsspiel für den deutschen Fußball. Als das drohende erstmalige Aus in einer WM-Qualifikation abgewendet war, sagte Dettmar Cramer nach dem Happy-End beim 2:1 im Rasunda-Stadion: "Ich freue mich für unsere Mannschaft und für Helmut Schön. Ich freue mich ganz besonders aber für den deutschen Fußball. Denn eine Niederlage in Stockholm hätte sicherlich sehr negative Auswirkungen bis in die untersten Klassen gehabt."

Ganz besonders freute sich der damalige Assistent des Bundestrainer und mit ihm die gesamte Mannschaft zudem über das Comeback ihres Kapitäns. Uwe Seeler war, sieben Monate nach seinem Achillessehnenriss, den er sich im Februar 1965 im Bundesligaspiel bei Eintracht Frankfurt zugezogen hatte, bei seiner Rückkehr ins Nationalteam der "Mann des Tages" in Stockholm. "Er war verletzt. Doch sein fighting spirit", schrieb Schwedens führende Fußballfachzeitung "Idrottsbladet", "und seine Führungsqualitäten rissen die Schwarz-Weißen mit. Instinkt, ein sechster Sinn trieben ihn vorwärts."

Rekonvaleszent mit Torriecher

Vorwärts zur Kopfballvorlage vor dem Ausgleichstor durch "Eia" Krämer Sekunden vor dem Halbzeitpfiff. Vorwärts zu seinem Siegtor in der 54. Minute, mit dem er den Weg zur WM-Endrunde in England freigemacht hat.

Zwei Themen beherrschten in jenem Sommer 1965 die Debatten in den Medien und die Gespräche an den Stammtischen. Die Bundestagswahl am 19. September und, in der Tat, jenes "Spiel des Jahres" in Stockholm einen Sonntag später. Reduziert auf drei Personalien. Wie heißt der nächste Bundeskanzler: Ludwig Erhard oder Willy Brandt? Und noch leidenschaftlicher und hitziger unter den Fans diskutiert: Kann (und soll) Uwe Seeler spielen - oder kann (und soll) er noch nicht?

"Alle wussten, dass uns nach dem 1:1 im Hinspiel in Berlin gegen Schweden nur ein Sieg zum Ticket nach England helfen könnte", verweist Uwe Seeler im rückblickenden Gespräch mit DFB.de auf die Tatsache, dass die deutsche Mannschaft bis zu diesem Zeitpunkt seit 1911 bei neun Niederlagen und zwei Unentschieden in Schweden nicht mehr hatte gewinnen können. "Es wurden unheimlich emotionale Kontroversen geführt, auch weil die statistischen Voraussetzungen für dieses Spiel denkbar schlecht waren."

Schnellinger schaltet Hamrin aus

Zudem setzten die Schweden, entgegen der mündlichen Vereinbarung mit dem DFB, mit Kurt Hamrin (FC Florenz), der beim Hinspiel in Berlin vier Minuten vor Schluss das 1:1 und 1958 im WM-Halbfinale beim schwedischen 3:1 den dritten Treffer erzielt hatte, sowie Jonsson (AC Mantua) zwei Italien-Legionäre ein. Helmut Schön beschränkte sich dagegen verabredungsgemäß nur auf Karl-Heinz Schnellinger vom AC Mailand - der dann aber den "Deutschen-Schreck" Hamrin als "seinen direkten Rivalen völlig ausschaltete", so Italiens Gazzetta dello Sport.

Vor allem drehte sich jedoch der öffentliche Meinungsstreit um den damals 28 Jahre alten Hamburger und um seinen Einsatz in Stockholm. Ende August noch hatte HSV-Arzt Dr. Fischer konstatiert: "Im Moment ist an Uwes Einsatz in Schweden nicht zu denken. Die Beanspruchung für den verletzten Fuß wäre zu groß." Zwei Wochen vor dem Anpfiff befand der Kicker in einem Formcheck: "Es fehlt ihm noch an Schnelligkeit und Sprungkraft."

Seeler selbst aber fühlte sich zu diesem Zeitpunkt schon recht gut. "Natürlich war ich noch nicht ganz wieder im Vollbesitz meiner Kräfte. Doch ich war froh, dass ich als Fußballer überhaupt wieder auf die Beine gekommen war. Alle Kollegen vor mir haben ja wegen einer solchen Verletzung ihre Karriere beenden müssen. Im August hatte ich nun bereits die ersten Punktspiele für den HSV bestritten und auch wieder Tore erzielt. Als Helmut Schön wegen der Nominierung bei mir anrief, konnte ich ihm guten Gewissens Grünes Licht geben. Der Bundestrainer gab mir dann während der Tage der Vorbereitung in Malente deutlich zu verstehen, dass er von mir überzeugt sei und fest mit mir rechne. Er wusste, dass ich ein Kämpfer und Beißer bin."

Schön baut auf Rückkehrer Seeler und Debütant Beckenbauer

Helmut Schön baute in dieser entscheidenden Situation jedoch nicht nur auf Uwe Seeler, sondern ohne Wenn und Aber auch auf einen gerade erst 20 Jahre alt gewordenen Debütanten namens Franz Beckenbauer. Wofür Seeler den damaligen Bundestrainer noch heute bewundert. "Du und der Franz, ihr spielt in Stockholm", legte sich Schön, der 1964 Sepp Herberger abgelöst hatte und für den diese WM-Qualifikation die erste große Bewährungsprobe war, dem Kapitän gegenüber schon etliche Tage vorher am Telefon fest.

"Diese klare Ansage im Vorfeld des Spiels war unheimlich mutig von ihm, denn Schön galt ja als eher sensibel und behutsam. Ich hätte nicht in seiner Haut stecken wollen, wenn das in Schweden schief gegangen wäre - mit dem angeblich noch nicht wieder richtig fitten Uwe und dem blutjungen Franz", sagt Seeler heute und erinnert sich, dass Schön sich nach dem Abpfiff in der Umkleidekabine neben ihn gesetzt und gesagt habe: "Damit Sie Bescheid wissen, Uwe, heute Abend trinken wir zusammen einen Whisky." Seeler: "Auf meine Antwort, dass ich grundsätzlich keinen Schnaps trinke, duldete er keine Widerrede. Er war, wie wir alle, total happy."

Zunächst aber musste gezittert werden im Rasunda-Stadion. Die Negativstimmung gegen das deutsche Team, die sieben Jahre vorher noch beim WM-Halbfinale gegen Schweden in Göteborg geherrscht hatte, war zwar im mit 53.000 Zuschauern ausverkauften Rasunda-Stadion verflogen. "Es herrschte eine tolle Stimmung ohne Gehässigkeit", so Seeler. "Doch als die Schweden in der 44. Minute durch Jonsson in Führung gingen, war auf den Rängen natürlich der Teufel los. Glücklicherweise gelang uns Sekunden vor dem Pausenpfiff der Ausgleich, der für Beruhigung sorgte."

Aufwärmprogramm vor der Kabine statt auf dem Rasen

Um keine negativen Äußerungen vor dem Anpfiff unter den rund 4000 deutschen Fans zu erzeugen und damit die Mannschaft zu belasten, hatte sich Uwe Seeler nicht mit den Kollegen auf dem Spielfeld, sondern allein innerhalb der Tribüne aufgewärmt. Denn: "Nicht alle Fans waren ja mit meiner Aufstellung einverstanden und hielten meinen Einsatz für verfrüht. Die wollte ich nicht unnötig provozieren und habe mich deshalb in dem langen Gang vor unserer Kabine auf den Spielbeginn vorbereitet." Mit einem von adidas für den verletzten rechten Fuß gefertigten Spezialschuh, der an der Ferse abgepolstert, dort auch geschnürt wurde und mit dem er zwei Jahre lang spielte.

Dann kam die 54. Minute. Rudi Brunnenmeier zog von halbrechts ab, der Ball schien am Tor vorbei ins Aus zu rauschen, als Uwe Seeler wie aus dem Nichts auftauchte, blitzschnell in den Ball hineinrutschte und mit dem linken Bein zum Siegtor verwandelte. "Mit dem gesunden Fuß, der war noch auf Tor programmiert", erinnert er sich lachend. Und ist heute noch total erleichtert, dass es damals mit seiner Karriere auf höchstem internationalem Niveau weitergehen konnte.

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Seeler: "Eines der wichtigsten Tore meiner Karriere"

Dieses Tor, "eines der wichtigsten meiner Karriere", dieses Spiel und dieses 2:1 - sie sollten zum Wendepunkt und einem ganz bedeutsamen Meilenstein in der deutschen Länderspielgeschichte werden. "Der Abwärtstrend, der sich mit der gescheiterten WM-Titelverteidigung 1958 in Schweden und mit der nicht gerade überzeugenden WM-Teilnahme 1962 in Chile eingeschlichen hatte, konnte Gott sei Dank gestoppt werden", bilanziert Uwe Seeler.

Besser noch: Mit Seelers historischem Tor und diesem Sieg im Rasunda-Stadion begann für die Nationalmannschaft eine Ära großer Erfolge, die erst 1978 bei der WM in Argentinien unterbrochen wurde: Vizeweltmeister 1966, hoch gelobter WM-Dritter 1970, Europameister 1972, Weltmeister 1974 und Vizeeuropameister 1976.

"Wer weiß, wohin sich unser Fußball entwickelt hätte, wenn wir uns damals in Schweden nicht für die WM 1966 qualifiziert hätten. So aber konnte unser tolles WM-Turnier in England zusammen mit der Dynamik der noch jungen Bundesliga zum Ausgangspunkt für fantastische Jahre des deutschen Fußballs werden", verweist der Ehrenspielführer des Deutschen Fußball-Bundes auf die mittel- und langfristigen Folgen des "Schicksalsspiels" am 26. September 1965 in Stockholm.