Serie "Fans im Fokus": Pfannenstiel erzählt, wie Fans international ticken

Im Stadion, vor dem Fernseher, vor dem Radio. Auswärts, zu Hause. Mit und ohne Fanschal. In der Bundesliga, in der Kreisliga, bei der Nationalmannschaft. Wo Fußball gespielt wird, finden sich Fans. Das Fan-Sein hat viele Facetten und Gesichter, DFB.de zeigt sie im Rahmen seiner Fan-Serie aus den unterschiedlichsten Perspektiven.

Heute: Weltenbummler Lutz Pfannenstiel über die internationalen Fankulturen und ihre besonderen Eigenarten. Pfannenstiel (39) ist der einzige Fußballprofi weltweit, der in allen sechs Kontinentalverbänden Profi war.

DFB.de: Herr Pfannenstiel, Sie haben alle Kontinente erlebt. Wie wird der Fußball in den verschiedenen Erdteilen von den Fans gelebt?

Lutz Pfannenstiel: Da gibt es sehr große Unterschiede. Etwas ganz Besonderes ist weiterhin die englische Fankultur. Die Liebe und Identifikation mit dem Verein sind dort europaweit am stärksten. Die Atmosphäre ist für einen Fußballer zum Teil nicht zu toppen, die eigene Mannschaft wird 90 Minuten bedingungslos unterstützt. In Skandinavien sind die Leute natürlich ein bisschen kühler. Fußball ist dort nicht ganz so wichtig. Überspitzt gesagt: In Finnland muss man einige Zuschauer nach dem Spiel wecken, um ihnen zu sagen, dass sie jetzt nach Hause gehen können.

Fans im Fokus

DFB.de: Wie ist es in Afrika und Asien?

Pfannenstiel:Afrika hat – auf den Fußball bezogen – eine sehr friedliche Fankultur. In Südafrika können Fans der beiden größten Klubs, Orlando Pirates und Kaiser Chiefs, problemlos nebeneinander auf der Tribüne sitzen. Länderspiele sind eher mal problematisch. Aber Gewalt tritt in Afrika rund um den Fußball im Grunde nur bei Massenpaniken auf oder wenn politische Motive dahinterstecken – wie bei der Stadionkatastrophe in Ägypten vor einem Jahr. Zu Asien: Der Asiate ist keiner, der groß aus sich herausgeht. Viele gehen dort ins Stadion, weil sie gewettet haben. Hinzu kommt ein Mangel an Identifikation. Die Nummer eins für einen asiatischen Fan ist ein Verein aus England, dann kommt seine Nationalmannschaft und danach erst der Verein aus der heimischen Liga. Recht wenig los ist in Ozeanien, auch wenn die australische Liga einen kleinen Boom erlebt. In Neuseeland war es im Stadion sehr ruhig, teilweise fast idyllisch.

DFB.de: Das dürften Sie von Südamerika kaum behaupten.

Pfannenstiel: Nein. Dort ist es ganz anders. Die Fans sind extrem begeisterungsfähig. Ich habe in Brasilien gespielt, da steht Fußball wirklich fast auf einer Stufe mit Religion. Allerdings gibt es auch ein hohes Gewaltpotenzial, innerhalb und außerhalb der Stadien. Rivalitäten sind dort zum Teil unappetitlich, beispielsweise werden Fäkalien in Tüten gepackt und von den Fans in den gegnerischen Block geworfen.

DFB.de: Nordamerika…

Pfannenstiel: … ist im Vergleich dazu ein krasser Kontrast. Fußball hat dort weiterhin das Problem, in der öffentlichen Wahrnehmung nur Randsportart zu sein. Die Amerikaner spielen zwar gerne Fußball, aber mit der Unterstützung im Stadion sieht es anders aus. Da sind sie nicht mit Herzblut dabei. Während meiner Zeit in Vancouver herrschte die beste Stimmung, wenn 10.000 bis 15.000 Leute da waren. Die waren dann alle wegen Fußball im Stadion. Gegen große Gegner wie die L.A. Galaxy war die Kulisse größer, dafür hatten viele keine Ahnung von der Sportart, das waren alles Eventfans. Der Starkult ist in Nordamerika sehr ausgeprägt. Als ich gegen Los Angeles einen Freistoß aus dem Winkel gekratzt habe, haben 2.000 Zuschauer applaudiert. Als David Beckham einen Einwurf ausgeführt hat, haben 40.000 applaudiert.

DFB.de: Wo war es für Sie am extremsten?

Pfannenstiel: Im Iran. Dort herrschte im Stadion eine komische, bedrohliche Stimmung. Du hattest als gegnerischer Spieler das Gefühl, dass Dir der Kopf runtergeschraubt wird, solltest Du hier gewinnen. Das wurde noch dadurch verstärkt, dass nur Männer im Stadion waren. Frauen durften keine Spiele besuchen.

DFB.de: Was halten Sie von der deutschen Fankultur?

Pfannenstiel: Wir haben tolle Fans in Deutschland und gute Stimmung in den Stadien. Ich glaube trotz aller öffentlichen Diskussionen auch, dass wir noch kein Fanproblem haben. Die Stadien sind nach wie vor relativ sicher. Trotzdem ist es absolut richtig und nötig, gegen den jüngsten Trend vorzugehen. Fußball ist ein Familiensport, und jeder hat das Recht darauf, dort sicher zu sein. Wichtig ist aber bei allen Maßnahmen, nicht die Fankultur zu zerstören.

DFB.de: Wie war Ihr Verhältnis zu den Fans auf all Ihren Stationen?

Pfannenstiel: Immer sehr gut. Ich habe gerne mit ihnen gespielt, Show gemacht und stets versucht, auch das Positive an den gegnerischen Fans zu sehen. Vorwürfe, ein Söldner zu sein, habe ich mir trotz meiner vielen Wechsel wenig bis gar nicht anhören müssen. Die Fans haben schon verstanden, dass ich meine Klubs nicht grundlos oder alleine wegen des Geldes verlassen habe.

DFB.de: Von wem waren oder sind Sie Fan?

Pfannenstiel: Ich bin relativ neutral. Ich schaue einfach sehr gerne guten Fußball – FC Barcelona, Manchester United, Borussia Dortmund. Ich sehe mich also eher als Fußball-Kulinariker. Früher war ich großer Fan von Klaus Fischer, weil er wie ich aus Zwiesel stammt. Und wenn Klaus Fischer für Bochum gespielt hat, war ich eben Fan des VfL Bochum.

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Im Stadion, vor dem Fernseher, vor dem Radio. Auswärts, zu Hause. Mit und ohne Fanschal. In der Bundesliga, in der Kreisliga, bei der Nationalmannschaft. Wo Fußball gespielt wird, finden sich Fans. Das Fan-Sein hat viele Facetten und Gesichter, DFB.de zeigt sie im Rahmen seiner Fan-Serie aus den unterschiedlichsten Perspektiven.

Heute: Weltenbummler Lutz Pfannenstiel über die internationalen Fankulturen und ihre besonderen Eigenarten. Pfannenstiel (39) ist der einzige Fußballprofi weltweit, der in allen sechs Kontinentalverbänden Profi war.

DFB.de: Herr Pfannenstiel, Sie haben alle Kontinente erlebt. Wie wird der Fußball in den verschiedenen Erdteilen von den Fans gelebt?

Lutz Pfannenstiel: Da gibt es sehr große Unterschiede. Etwas ganz Besonderes ist weiterhin die englische Fankultur. Die Liebe und Identifikation mit dem Verein sind dort europaweit am stärksten. Die Atmosphäre ist für einen Fußballer zum Teil nicht zu toppen, die eigene Mannschaft wird 90 Minuten bedingungslos unterstützt. In Skandinavien sind die Leute natürlich ein bisschen kühler. Fußball ist dort nicht ganz so wichtig. Überspitzt gesagt: In Finnland muss man einige Zuschauer nach dem Spiel wecken, um ihnen zu sagen, dass sie jetzt nach Hause gehen können.

Fans im Fokus

DFB.de: Wie ist es in Afrika und Asien?

Pfannenstiel:Afrika hat – auf den Fußball bezogen – eine sehr friedliche Fankultur. In Südafrika können Fans der beiden größten Klubs, Orlando Pirates und Kaiser Chiefs, problemlos nebeneinander auf der Tribüne sitzen. Länderspiele sind eher mal problematisch. Aber Gewalt tritt in Afrika rund um den Fußball im Grunde nur bei Massenpaniken auf oder wenn politische Motive dahinterstecken – wie bei der Stadionkatastrophe in Ägypten vor einem Jahr. Zu Asien: Der Asiate ist keiner, der groß aus sich herausgeht. Viele gehen dort ins Stadion, weil sie gewettet haben. Hinzu kommt ein Mangel an Identifikation. Die Nummer eins für einen asiatischen Fan ist ein Verein aus England, dann kommt seine Nationalmannschaft und danach erst der Verein aus der heimischen Liga. Recht wenig los ist in Ozeanien, auch wenn die australische Liga einen kleinen Boom erlebt. In Neuseeland war es im Stadion sehr ruhig, teilweise fast idyllisch.

DFB.de: Das dürften Sie von Südamerika kaum behaupten.

Pfannenstiel: Nein. Dort ist es ganz anders. Die Fans sind extrem begeisterungsfähig. Ich habe in Brasilien gespielt, da steht Fußball wirklich fast auf einer Stufe mit Religion. Allerdings gibt es auch ein hohes Gewaltpotenzial, innerhalb und außerhalb der Stadien. Rivalitäten sind dort zum Teil unappetitlich, beispielsweise werden Fäkalien in Tüten gepackt und von den Fans in den gegnerischen Block geworfen.

DFB.de: Nordamerika…

Pfannenstiel: … ist im Vergleich dazu ein krasser Kontrast. Fußball hat dort weiterhin das Problem, in der öffentlichen Wahrnehmung nur Randsportart zu sein. Die Amerikaner spielen zwar gerne Fußball, aber mit der Unterstützung im Stadion sieht es anders aus. Da sind sie nicht mit Herzblut dabei. Während meiner Zeit in Vancouver herrschte die beste Stimmung, wenn 10.000 bis 15.000 Leute da waren. Die waren dann alle wegen Fußball im Stadion. Gegen große Gegner wie die L.A. Galaxy war die Kulisse größer, dafür hatten viele keine Ahnung von der Sportart, das waren alles Eventfans. Der Starkult ist in Nordamerika sehr ausgeprägt. Als ich gegen Los Angeles einen Freistoß aus dem Winkel gekratzt habe, haben 2.000 Zuschauer applaudiert. Als David Beckham einen Einwurf ausgeführt hat, haben 40.000 applaudiert.

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DFB.de: Wo war es für Sie am extremsten?

Pfannenstiel: Im Iran. Dort herrschte im Stadion eine komische, bedrohliche Stimmung. Du hattest als gegnerischer Spieler das Gefühl, dass Dir der Kopf runtergeschraubt wird, solltest Du hier gewinnen. Das wurde noch dadurch verstärkt, dass nur Männer im Stadion waren. Frauen durften keine Spiele besuchen.

DFB.de: Was halten Sie von der deutschen Fankultur?

Pfannenstiel: Wir haben tolle Fans in Deutschland und gute Stimmung in den Stadien. Ich glaube trotz aller öffentlichen Diskussionen auch, dass wir noch kein Fanproblem haben. Die Stadien sind nach wie vor relativ sicher. Trotzdem ist es absolut richtig und nötig, gegen den jüngsten Trend vorzugehen. Fußball ist ein Familiensport, und jeder hat das Recht darauf, dort sicher zu sein. Wichtig ist aber bei allen Maßnahmen, nicht die Fankultur zu zerstören.

DFB.de: Wie war Ihr Verhältnis zu den Fans auf all Ihren Stationen?

Pfannenstiel: Immer sehr gut. Ich habe gerne mit ihnen gespielt, Show gemacht und stets versucht, auch das Positive an den gegnerischen Fans zu sehen. Vorwürfe, ein Söldner zu sein, habe ich mir trotz meiner vielen Wechsel wenig bis gar nicht anhören müssen. Die Fans haben schon verstanden, dass ich meine Klubs nicht grundlos oder alleine wegen des Geldes verlassen habe.

DFB.de: Von wem waren oder sind Sie Fan?

Pfannenstiel: Ich bin relativ neutral. Ich schaue einfach sehr gerne guten Fußball – FC Barcelona, Manchester United, Borussia Dortmund. Ich sehe mich also eher als Fußball-Kulinariker. Früher war ich großer Fan von Klaus Fischer, weil er wie ich aus Zwiesel stammt. Und wenn Klaus Fischer für Bochum gespielt hat, war ich eben Fan des VfL Bochum.