Seeler: "Schön ist der erfolgreichste DFB-Trainer aller Zeiten"

Ein guter Fußballer, ein hervorragender Trainer, ein herzlicher Mensch. Am kommenden Dienstag wäre Helmut Schön 100 Jahre alt geworden. DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler erlebte ihn zehn Jahre als Assistent von Sepp Herberger und sieben Jahre als Bundestrainer. Im Interview mit DFB.de erinnert sich der 79-Jährige an witzige Sprüche, mutige Aufstellungen und Einladungen zum Whisky.

DFB: Herr Seeler, Sie haben viele Jahre mit Helmut Schön zusammengearbeitet, wie haben Sie den ehemaligen Bundestrainer in Erinnerung?

Uwe Seeler: Als einen großartigen, gradlinigen Menschen. Ich habe ihn zehn Jahre lang als Herberger-Assistenten erleben dürfen, und dann noch sieben Jahre als Chef. Wir hatten den besten Draht zueinander, das war mit uns eine äußerst vertrauensvolle Zusammenarbeit, die ich als perfekt bezeichnen würde.

DFB: Oftmals hieß es in der Öffentlichkeit, Helmut Schön sei ein Zauderer, ein eher dünnhäutiger und introvertierter Mensch gewesen, wie erlebten Sie ihn?

Seeler: Ganz anders auf jeden Fall, ganz anders. Ich kann diese öffentliche Meinung überhaupt nicht teilen. Helmut Schön war nicht nur ein guter Fußballer und ein hervorragender Trainer, er war auch ein Mensch, der viel gelacht und mit uns Spielern viel gescherzt hat. Er hatte immer einen witzigen Satz auf Lager, war in meinen Augen auch im Umgang mit uns ein lockerer Typ – trotz aller Disziplin, die er natürlich auch von uns einforderte.

DFB: Konnte Helmut Schön auch mal richtig böse werden?

Seeler: Das konnte er, aber wenn, dann hatte er sich immer in der Gewalt. Er wurde schon mal lauter, wenn er das Gefühl hatte, dass einige Spieler die Aufgabe zu leicht genommen hatten. Gebrüllt hat er zwar nie, aber geflucht schon einige Male, und zwar recht ordentlich.

DFB: Wie ging Helmut Schön mit jenen Spieler-Typen um, die man als Spaßvögel bezeichnen konnte?

Seeler: Er lachte und flachste mit ihnen, er machte alles mit, er konnte jeden Spaß vertragen – und das hieß damals schon was, denn wir hatten Helmut Haller und Max Lorenz an Bord, die allerhand dummes Zeug anstellten. Helmut Schön aber hat es stets mit einem Augenzwinkern und mit Nachsicht ertragen.

DFB: Und wie war der Trainer Helmut Schön, wie würden Sie ihn da einordnen?

Seeler: Er ist der erfolgreichste DFB-Trainer aller Zeiten, das spricht für sich. Helmut Schön war ein Taktik-Fuchs, er ließ sich, im Zusammenspiel mit Dettmar Cramer und Udo Lattek, immer etwas einfallen, er hatte viel Ahnung vom Fußball. Und er war ganz gewiss kein Zauderer, er wusste immer, was er wollte. Und man beachte: Damals durfte ja nicht ausgewechselt werden. Nein, nein, er war in meinen Augen sogar sehr, sehr mutig, wenn es um die Aufstellungen ging.

DFB: Das galt sicher auch in Ihrem Fall, denn nach Ihrem Achillessehnenriss im Frühjahr 1965 holte er Sie nach wenigen Spielen sofort wieder in die Nationalmannschaft, und zwar zum wichtigen WM-Qualifikationsspiel in Schweden. Deutschland musste gewinnen.

Seeler: Ich hatte in der Tat erst drei, vier Spiele gemacht, dabei aber einige Tore erzielt. Helmut Schön rief mich an und fragte, ob ich mich fit fühlen und mir das Schweden-Spiel zutrauen würde – ich bat um Bedenkzeit. Schön sagte dann bei meiner Zusage, das fand ich enorm, weil es nicht ohne Risiko war: "Uwe, wenn Sie fit sind, dann spielen Sie auch von Anfang an." Ich spielte dann auch und konnte das Tor zum 2:1-Sieg erzielen.

DFB: Sie siezten sich?

Seeler: Ja, der Bundestrainer sprach uns mit Vornamen an und sagte Sie.



Ein guter Fußballer, ein hervorragender Trainer, ein herzlicher Mensch. Am kommenden Dienstag wäre Helmut Schön 100 Jahre alt geworden. DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler erlebte ihn zehn Jahre als Assistent von Sepp Herberger und sieben Jahre als Bundestrainer. Im Interview mit DFB.de erinnert sich der 79-Jährige an witzige Sprüche, mutige Aufstellungen und Einladungen zum Whisky.

DFB: Herr Seeler, Sie haben viele Jahre mit Helmut Schön zusammengearbeitet, wie haben Sie den ehemaligen Bundestrainer in Erinnerung?

Uwe Seeler: Als einen großartigen, gradlinigen Menschen. Ich habe ihn zehn Jahre lang als Herberger-Assistenten erleben dürfen, und dann noch sieben Jahre als Chef. Wir hatten den besten Draht zueinander, das war mit uns eine äußerst vertrauensvolle Zusammenarbeit, die ich als perfekt bezeichnen würde.

DFB: Oftmals hieß es in der Öffentlichkeit, Helmut Schön sei ein Zauderer, ein eher dünnhäutiger und introvertierter Mensch gewesen, wie erlebten Sie ihn?

Seeler: Ganz anders auf jeden Fall, ganz anders. Ich kann diese öffentliche Meinung überhaupt nicht teilen. Helmut Schön war nicht nur ein guter Fußballer und ein hervorragender Trainer, er war auch ein Mensch, der viel gelacht und mit uns Spielern viel gescherzt hat. Er hatte immer einen witzigen Satz auf Lager, war in meinen Augen auch im Umgang mit uns ein lockerer Typ – trotz aller Disziplin, die er natürlich auch von uns einforderte.

DFB: Konnte Helmut Schön auch mal richtig böse werden?

Seeler: Das konnte er, aber wenn, dann hatte er sich immer in der Gewalt. Er wurde schon mal lauter, wenn er das Gefühl hatte, dass einige Spieler die Aufgabe zu leicht genommen hatten. Gebrüllt hat er zwar nie, aber geflucht schon einige Male, und zwar recht ordentlich.

DFB: Wie ging Helmut Schön mit jenen Spieler-Typen um, die man als Spaßvögel bezeichnen konnte?

Seeler: Er lachte und flachste mit ihnen, er machte alles mit, er konnte jeden Spaß vertragen – und das hieß damals schon was, denn wir hatten Helmut Haller und Max Lorenz an Bord, die allerhand dummes Zeug anstellten. Helmut Schön aber hat es stets mit einem Augenzwinkern und mit Nachsicht ertragen.

DFB: Und wie war der Trainer Helmut Schön, wie würden Sie ihn da einordnen?

Seeler: Er ist der erfolgreichste DFB-Trainer aller Zeiten, das spricht für sich. Helmut Schön war ein Taktik-Fuchs, er ließ sich, im Zusammenspiel mit Dettmar Cramer und Udo Lattek, immer etwas einfallen, er hatte viel Ahnung vom Fußball. Und er war ganz gewiss kein Zauderer, er wusste immer, was er wollte. Und man beachte: Damals durfte ja nicht ausgewechselt werden. Nein, nein, er war in meinen Augen sogar sehr, sehr mutig, wenn es um die Aufstellungen ging.

DFB: Das galt sicher auch in Ihrem Fall, denn nach Ihrem Achillessehnenriss im Frühjahr 1965 holte er Sie nach wenigen Spielen sofort wieder in die Nationalmannschaft, und zwar zum wichtigen WM-Qualifikationsspiel in Schweden. Deutschland musste gewinnen.

Seeler: Ich hatte in der Tat erst drei, vier Spiele gemacht, dabei aber einige Tore erzielt. Helmut Schön rief mich an und fragte, ob ich mich fit fühlen und mir das Schweden-Spiel zutrauen würde – ich bat um Bedenkzeit. Schön sagte dann bei meiner Zusage, das fand ich enorm, weil es nicht ohne Risiko war: "Uwe, wenn Sie fit sind, dann spielen Sie auch von Anfang an." Ich spielte dann auch und konnte das Tor zum 2:1-Sieg erzielen.

DFB: Sie siezten sich?

Seeler: Ja, der Bundestrainer sprach uns mit Vornamen an und sagte Sie.

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DFB: Deutschland fuhr dank des Sieges in Stockholm zur WM 1966, Sie hatten ein großartiges Comeback – was war danach in der Kabine los?

Seeler: Auch das ist ein tolles Beispiel, wie Helmut Schön wirklich war. Er kam in der Kabine zu mir, umarmte mich und sagte: 'Uwe, auf diesen schönen Tag trinken wir heute Abend zusammen einen Whiskey.' Ich sagte aber: 'Herr Schön, ich trinke keinen Whisky.' Schön ließ aber nicht locker und sagte - gespielt etwa energischer: 'Uwe, wir trinken einen Whisky, da lasse ich gar nicht mit mir reden...' Ja, so war, der Bundestrainer.

DFB: Das Schweden-Spiel war die Premiere von Franz Beckenbauer als Nationalspieler...

Seeler: Ja, Tage vorher rief mich Helmut Schön an und bat um meine Meinung, ob es nicht zu früh sei mit dem Franz? Ich riet dem Trainer aber dazu, ihn zu bringen, denn der Franz, damals 20 Jahre alt, war ein Ausnahmetalent – und das zeigte er dann ja auch in jedem Spiel.

DFB: Hat Schön Sie oft gefragt, wenn es um die Aufstellung ging?

Seeler: Er sprach schon oft mit mir, aber die letzte Entscheidung, die hat natürlich immer nur er getroffen.

DFB: Sie waren Kapitän der Mannschaft, wie funktionierte diese Zusammenarbeit?

Seeler: Harmonisch und sehr vertrauensvoll. Er kam beispielsweise zu mir, wenn er das Gefühl hatte, dass auch ich mal mit dem einen oder anderen Mitspieler unter vier Augen reden sollte, um ihn wieder in die Spur zu bringen – da hat Helmut Schön immer das genau richtige Fingerspitzengefühl gezeigt.

DFB: Sie hatten dann Ihre Nationalmannschafts-Karriere schon beendet, als Helmut Schön Sie noch einmal reaktivierte – wie kam das?

Seeler: Er hatte die Idee, dass ich bei der WM 1970 hinter Gerd Müller als zweite Spitze spielen sollte. Ich bat wieder um Bedenkzeit, denn ich hatte einen Job bei Adidas, fuhr im Jahr über 70 000 Kilometer. Adi Dassler, der Chef, gab mir dann aber frei und deshalb ließ ich mich von Helmut Schön überreden, noch einmal anzutreten. Und es hat ja auch bestens funktioniert.

DFB: Nach Ihrem internationalen Karriere-Ende im September 1970 bot Ihnen Helmut Schön dann das Du an...

Seeler: Das ging ganz unspektakulär. Er kam zu mir und sagte: 'Uwe, das mit dem Sie, diesen Quatsch lassen wir jetzt mal...' Ich werde ihn stets in bester Erinnerung behalten, wir hatten einen richtig guten Draht zueinander, er war ein äußerst intelligenter und souveräner Mensch, zu dem man aufschauen musste.