Schweinsteiger: Mit Herz und Leidenschaft

Das Finale von Rio war Bastian Schweinsteigers ganz besondere Heldengeschichte. Er lief mehr als 15 Kilometer, wurde gefoult, unter dem rechten Auge hatte er einen Cut. Schweinsteiger gab, was er hatte, vielleicht sogar mehr. Und er gewann. Bundestrainer Joachim Löw hat seinen erfahrenen Strategen nach der WM zum neuen Kapitän ernannt. Für den zurzeit verletzten Bayern ist das eine Ehre – und ein Ansporn, ein weiteres Mal ganz oben auf dem Podest zu stehen.

Von Bastian Schweinsteiger (30) ist bekannt, dass er ein Universaltalent ist. Auf dem Fußballplatz schafft er es, vermeintlich widersprüchliche Begabungen zu vereinen. Zum Beispiel kann er, wenn es sein muss, grätschen und sich reinhauen wie ein altdeutscher Vorstopper, aber genauso kann er feine und präzise Pässe spielen wie ein Regisseur. Inzwischen kann er sogar köpfen, immer wieder kam er in der vergangenen Saison mit Anlauf in den Strafraum gesaust, auf richtigen Mittelstürmer-Laufwegen.

Universaltalent über den Fußball hinaus

Was Schweinsteiger aber wirklich einzigartig macht unter Deutschlands Spitzenspielern, das ist sein Universaltalent über den Fußball hinaus. Er ist zwar kein Zehnkämpfer wie einst der Nationalspieler Hans-Peter Briegel, aber ein paar Sportarten bringt er schon zusammen. In Kinder- und Jugendtagen war er ein herausragender Skifahrer, gerne erzählt er, dass er früher mal schneller war als der nicht sehr langsame Felix Neureuther. Auch seine Leidenschaft für Basketball ist bekannt, aber neu ist, dass Bastian Schweinsteiger jetzt auch schon in Volleyballhallen vorkommt.

"Das ist unser Schweinsteiger!", rief vor kurzem Thomas Krohne, der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, er hat dabei Richtung Ausgang gezeigt. Dort humpelte ein Mann aus der Halle, schwer ramponiert und mit Tränen in den Augen. Es war Georg Grozer, Deutschlands berühmtester Volleyballer, der die deutsche Auswahl gerade zu einer Bronzemedaille bei der WM in Polen geführt hatte – obwohl er mit Oberschenkelproblemen in dieses Spiel gegangen war, obwohl ihn im Spiel ein knallharter Angriffsball der Franzosen erwischt hatte, obwohl er im zweiten Satz noch böse umgeknickt war.

Viel mehr muss man gar nicht wissen über Bastian Schweinsteigers Platz in der deutschen Sportlandschaft. Er ist inzwischen mehr als ein Spieler, er ist auch mehr als ein großer Spieler. Spätestens seit dem WM-Finale von Rio de Janeiro ist er ein Symbol. Für Kampf, für Leidenschaft. Und eben: für Leidensbereitschaft.

Der Schmerzensmann des deutschen Sports

Bastian Schweinsteiger ist der Schmerzensmann des deutschen Sports. Momentan ist er im Aufbautraining, wie schon so oft. Aber er lässt sich nicht unterkriegen. Bei der WM in Brasilien hat Schweinsteiger seine Version der deutschen Tugenden präsentiert. Er hat sich in dieses Turnier hineingekämpft, gegen alle Widerstände seines Körpers und der öffentlichen Meinung; und für alle, die das während des Turniers noch nicht gemerkt hatten, hat er ein Finale angehängt, das eine Versuchung für jeden anständigen Kinoregisseur sein müsste. Vielleicht würde das Heldenepos am Ende ein bisschen zu kitschig geraten, mit einem blutenden, weinenden Helden, der sich dem Gegner entgegenwirft und mit jeder Bewegung dasselbe ausstrahlt: Auch wenn's mir wehtut, an mir kommt keiner vorbei!

Wer dieses Spiel gesehen hat, der kann nicht zweifeln an der Entscheidung, die Bundestrainer Joachim Löw nach der WM getroffen hat. Wer sollte denn sonst Kapitän der deutschen Nationalmannschaft sein, wenn nicht dieser Schweinsteiger? Natürlich hat Löw noch eine Menge anderer kapitänstauglicher Kandidaten in seinem Kader, Manuel Neuer oder Sami Khedira oder Mats Hummels oder Thomas Müller, und womöglich werden sie in den kommenden Spielen häufiger im Kader stehen als der schwer geplagte Schweinsteiger.

Wobei: Heißt es nicht, dass Kapitän nur einer sein kann, der auch immer oder zumindest fast immer mitspielt? Ja, so heißt es, und im Grunde hat dieser alte Spruch auch seine Berechtigung. Aber wer so ein Ausnahmespiel abliefert wie Schweinsteiger im Maracanã, wer so lange so viel für dieses Team getan hat, für den muss auch eine Ausnahmeregelung gelten dürfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass auf den zurückgetretenen Philipp Lahm nur Bastian Schweinsteiger folgen kann. Er selbst sieht seine Rolle gar nicht so exponiert. "Am erfolgreichsten sind meine Mannschaften immer dann gewesen, wenn wir elf bis 14 Kapitäne auf dem Platz waren und sich jeder dementsprechend verhalten hat", sagt er: "Beim WM-Titel 2014 und der Triplesaison 2012/2013 mit dem FC Bayern hatten wir in den Kadern nur Kapitäne. So muss es sein."

Frank Lampard adelt: "A bit of a man"



Das Finale von Rio war Bastian Schweinsteigers ganz besondere Heldengeschichte. Er lief mehr als 15 Kilometer, wurde gefoult, unter dem rechten Auge hatte er einen Cut. Schweinsteiger gab, was er hatte, vielleicht sogar mehr. Und er gewann. Bundestrainer Joachim Löw hat seinen erfahrenen Strategen nach der WM zum neuen Kapitän ernannt. Für den zurzeit verletzten Bayern ist das eine Ehre – und ein Ansporn, ein weiteres Mal ganz oben auf dem Podest zu stehen.

Von Bastian Schweinsteiger (30) ist bekannt, dass er ein Universaltalent ist. Auf dem Fußballplatz schafft er es, vermeintlich widersprüchliche Begabungen zu vereinen. Zum Beispiel kann er, wenn es sein muss, grätschen und sich reinhauen wie ein altdeutscher Vorstopper, aber genauso kann er feine und präzise Pässe spielen wie ein Regisseur. Inzwischen kann er sogar köpfen, immer wieder kam er in der vergangenen Saison mit Anlauf in den Strafraum gesaust, auf richtigen Mittelstürmer-Laufwegen.

Universaltalent über den Fußball hinaus

Was Schweinsteiger aber wirklich einzigartig macht unter Deutschlands Spitzenspielern, das ist sein Universaltalent über den Fußball hinaus. Er ist zwar kein Zehnkämpfer wie einst der Nationalspieler Hans-Peter Briegel, aber ein paar Sportarten bringt er schon zusammen. In Kinder- und Jugendtagen war er ein herausragender Skifahrer, gerne erzählt er, dass er früher mal schneller war als der nicht sehr langsame Felix Neureuther. Auch seine Leidenschaft für Basketball ist bekannt, aber neu ist, dass Bastian Schweinsteiger jetzt auch schon in Volleyballhallen vorkommt.

"Das ist unser Schweinsteiger!", rief vor kurzem Thomas Krohne, der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, er hat dabei Richtung Ausgang gezeigt. Dort humpelte ein Mann aus der Halle, schwer ramponiert und mit Tränen in den Augen. Es war Georg Grozer, Deutschlands berühmtester Volleyballer, der die deutsche Auswahl gerade zu einer Bronzemedaille bei der WM in Polen geführt hatte – obwohl er mit Oberschenkelproblemen in dieses Spiel gegangen war, obwohl ihn im Spiel ein knallharter Angriffsball der Franzosen erwischt hatte, obwohl er im zweiten Satz noch böse umgeknickt war.

Viel mehr muss man gar nicht wissen über Bastian Schweinsteigers Platz in der deutschen Sportlandschaft. Er ist inzwischen mehr als ein Spieler, er ist auch mehr als ein großer Spieler. Spätestens seit dem WM-Finale von Rio de Janeiro ist er ein Symbol. Für Kampf, für Leidenschaft. Und eben: für Leidensbereitschaft.

Der Schmerzensmann des deutschen Sports

Bastian Schweinsteiger ist der Schmerzensmann des deutschen Sports. Momentan ist er im Aufbautraining, wie schon so oft. Aber er lässt sich nicht unterkriegen. Bei der WM in Brasilien hat Schweinsteiger seine Version der deutschen Tugenden präsentiert. Er hat sich in dieses Turnier hineingekämpft, gegen alle Widerstände seines Körpers und der öffentlichen Meinung; und für alle, die das während des Turniers noch nicht gemerkt hatten, hat er ein Finale angehängt, das eine Versuchung für jeden anständigen Kinoregisseur sein müsste. Vielleicht würde das Heldenepos am Ende ein bisschen zu kitschig geraten, mit einem blutenden, weinenden Helden, der sich dem Gegner entgegenwirft und mit jeder Bewegung dasselbe ausstrahlt: Auch wenn's mir wehtut, an mir kommt keiner vorbei!

Wer dieses Spiel gesehen hat, der kann nicht zweifeln an der Entscheidung, die Bundestrainer Joachim Löw nach der WM getroffen hat. Wer sollte denn sonst Kapitän der deutschen Nationalmannschaft sein, wenn nicht dieser Schweinsteiger? Natürlich hat Löw noch eine Menge anderer kapitänstauglicher Kandidaten in seinem Kader, Manuel Neuer oder Sami Khedira oder Mats Hummels oder Thomas Müller, und womöglich werden sie in den kommenden Spielen häufiger im Kader stehen als der schwer geplagte Schweinsteiger.

Wobei: Heißt es nicht, dass Kapitän nur einer sein kann, der auch immer oder zumindest fast immer mitspielt? Ja, so heißt es, und im Grunde hat dieser alte Spruch auch seine Berechtigung. Aber wer so ein Ausnahmespiel abliefert wie Schweinsteiger im Maracanã, wer so lange so viel für dieses Team getan hat, für den muss auch eine Ausnahmeregelung gelten dürfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass auf den zurückgetretenen Philipp Lahm nur Bastian Schweinsteiger folgen kann. Er selbst sieht seine Rolle gar nicht so exponiert. "Am erfolgreichsten sind meine Mannschaften immer dann gewesen, wenn wir elf bis 14 Kapitäne auf dem Platz waren und sich jeder dementsprechend verhalten hat", sagt er: "Beim WM-Titel 2014 und der Triplesaison 2012/2013 mit dem FC Bayern hatten wir in den Kadern nur Kapitäne. So muss es sein."

Frank Lampard adelt: "A bit of a man"

Auch deshalb wird Schweinsteiger ein anderer Kapitän sein als Lahm, und trotzdem wird er gut in die Ahnengalerie deutscher Kapitäne passen. Anders als Lahm ist er kein Spieler, der öffentlich analysiert, er stellt sich auch nicht so gern in der Kabine vor die Kollegen und hält eine kleine Ansprache. Schweinsteiger wird ein unpolitischer Kapitän sein, wohl für einen eher leiseren Führungsstil stehen. Schweinsteiger bezieht seine Autorität weniger aus mutigen Interviews, er bezieht seine Autorität aus persönlichen Gesprächen mit den Kollegen. Und Spielen wie jenem in Rio de Janeiro. "Führen durch Vormachen", nennt er das.

So ein Chef ist Schweinsteiger: Er haut sich rein, er gibt mehr als alles, genau wie Lahm, aber bei ihm und auf seiner Position sieht das immer irgendwie heldenhafter aus. Mit seiner Art hat er sich auf den Fußballfeldern der Welt ein Renommee erarbeitet, das eines Kapitäns würdig ist.

"A bit of a man" sei dieser Schweinsteiger, hat der Engländer Frank Lampard nach dem Champions-League-Finale 2012 gesagt. Es war das Spiel, in dem Schweinsteiger den entscheidenden Elfmeter am Pfosten deponierte, man hätte theoretisch sagen können: Er hat seinen Bayern das Spiel verloren! Auf diesen verrückten Gedanken kam aber niemand. A bit of a man, das heißt frei übersetzt so viel wie "ein echter Kerl" – stattdessen gab's hinterher solche Respektsbekundungen von der Konkurrenz. Spieler merken selbst am besten, was andere Spieler ausstrahlen – und der Weltstar Lampard war einfach nur beeindruckt von diesem Weltstar auf der anderen Seite.

Es gibt unglaublich viele gute Fußballer in Deutschland, vielleicht mehr als je zuvor, und trotzdem besitzt dieser Schweinsteiger ein Alleinstellungsmerkmal, wie die modernen Marketingstrategen sagen würden. Schweinsteiger ist ein Brückenfußballer, er verbindet die alte mit der neuen Zeit. Er stammt noch aus der Zeit, in der die jungen Spieler sich noch mühsamer als heute hochdienen und um Anerkennung kämpfen mussten, Schweinsteiger noch mehr als Philipp Lahm, weil er nicht diese selbstverständliche, fast schwerelose Begabung ausstrahlt wie sein Kapitänsvorgänger beim DFB.

Schweinsteiger umgibt spezielle Aura

Das ist Schweinsteigers spezielle Aura: Er wirkt wie eine Figur aus den guten, alten deutschen Tugendtagen, und gleichzeitig ist er dank seiner Passsicherheit und Klasse imstande, auch den modernen, akademischen Fußball zu prägen. Bastian Schweinsteiger vereint das Beste aus beiden Welten.

Im Moment zahlt der Münchner den Preis für diesen historischen Spagat, er hat sich aufgerieben und ein wenig wundgelaufen auf den Spielfeldern der Welt. Sein Körper zwingt ihn immer wieder zu Pausen. Aber Schweinsteiger ist ein Stehauffußballer, das weiß Joachim Löw, und das weiß Pep Guardiola, sein Vereinstrainer.

Und Joachim Löw weiß, dass er hier einen Spieler im Kader hat, der sich 2016 bei der EM in Frankreich wieder lustvoll ins Gefecht werfen wird, egal, ob er bis dahin ein, zwei oder auch mehr Qualifikationsspiele verpasst haben wird. "Der Bundestrainer und wir als Mannschaft wollen unsere Geschichte weiterschreiben", sagt er. Er wird weitermachen, so weit ihn seine Füße tragen. Immer im Dienst der Mannschaft. Auch wenn's manchmal wehtut.