Schuster exklusiv am 18. Juni: "Ich bin bereit für Real Madrid"

Mit 20 Jahren führte Bernd Schuster, der zwischen 1978 und 1980 sowie von 1993 bis 1996 insgesamt 120 Bundesligaspiele für den 1. FC Köln und Bayer Leverkusen absolvierte, als Mittelfeldregisseur die deutsche Nationalmannschaft zum EM-Titel 1980 in Italien. Im selben Jahr wechselte er nach Spanien, wo er bis 1993 als genialer Spielmacher mit dem FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid dreimal spanischer Meister und sechsmal Pokalsieger wurde.

Die Trainer-Karriere des einstigen Weltstars verläuft seit 1997 in niedrigeren Regionen: in der 2. Bundesliga bei Fortuna und dem 1. FC Köln, bei Schachtjor Donezk in der Ukraine oder bei kleineren spanischen Erstligisten wie Deportivo Xerex, UD Levante und seit 2005 beim FC Getafe. Dort steht er nach Aufsehen erregenden Erfolgen in dieser Saison, darunter dem 4:0 im Pokalhalbfinale gegen den FC Barcelona, vor dem ersten Titelgewinn als Trainer. Im spanischen Pokalfinale ist Schuster mit Getafe am kommenden Samstag im Madrider Stadion „Santiago Bernabeu“ gegen UEFA-Pokalsieger FC Sevilla allerdings nur Außenseiter.

Im "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien beschreibt der gebürtige Augsburger die Chancen seines Teams aus einem Madrider Vorort gegen den Favoriten aus Sevilla. Außerdem äußert sich der 47-Jährige zu seinen Perspektiven als Trainer, wobei er sich auch nach Real Madrids Titelgewinn bereit hält, den Trainerjob bei den „Königlichen“ zu übernehmen. Zudem nennt Schuster seine persönlichen Wunschspieler für Real, beurteilt die mögliche Zukunft von Christoph Metzelders in Madrid und die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft auf dem Weg zur EM 2008 in Österreich und der Schweiz.

Frage: Herr Schuster, erstmals in Ihrer Trainerkarriere stehen Sie in einem Finale. Welchen Stellenwert hat das spanische Pokalendspiel gegen den FC Sevilla für Sie und den FC Getafe?

Bernd Schuster: Der ganze Verein ist natürlich total fixiert auf dieses Finale, denn er wurde ja bisher mit solchen Ereignissen nicht verwöhnt. Dieses Endspiel ist die Krönung einer tollen Saison, in der der Klassenerhalt als Ziel ausgegeben worden war, vor allem weil wir vor einem Jahr wichtige Spieler verloren hatten. Tatsächlich aber befanden wir uns immer unter den ersten Zehn, standen in der Vorrunde sogar ein paar Mal auf einem Champions-League-Platz. Das Erreichen des Pokalfinales muss zudem umso höher bewertet werden, weil diesmal erstmals wieder seit vielen Jahren die einzelnen Pokalrunden bis einschließlich Halbfinale in Hin- und Rückspiel ausgetragen wurden. Dabei kommen Überraschungen natürlich seltener zu Stande.

Frage: Das Finale findet im legendären Bernabeu-Stadion von Madrid statt. Strahlt es in Spanien eine ähnliche Faszination aus wie das DFB-Pokalfinale seit vielen Jahren im Berliner Olympiastadion?

Bernd Schuster: Auf jeden Fall. Ich hatte ja das Glück, dass ich während meiner 13 Jahre als Spieler in Spanien zehnmal im Pokalfinale stand und dabei jedes Mal unheimlich beeindruckt war von der großen  Bedeutung, die dieses Ereignis hat. Es gibt große Fußballnationen, da spielt der Pokal eine untergeordnete Rolle. Doch hier in Spanien ist das Pokalfinale ein ähnlich herausragendes Highlight wie in Deutschland oder England. Der König und die Königin kommen zum Spiel. Es gibt eine faszinierende Zeremonie, die das alles extrem wertvoll macht. Es ist ein ganz besonderer Abend, das hat mir gerade vor ein paar Tagen auch Reals früherer Kapitän Fernando Hierro bestätigt.

Frage: Der in einem Madrider Vorort beheimatete FC Getafe ist krasser Außenseiter gegen Sevilla. Was noch - außer diesem "Heimvorteil" - spricht für Ihre Mannschaft?

Bernd Schuster: Die Erfahrung, die ich selbst machen musste als Spieler, dass in einem Endspiel auch der Favorit verlieren kann. Das war zuletzt in Berlin mit Nürnberg als Sieger über den favorisierten Meister VfB Stuttgart genauso. Auch deshalb glaube ich an unsere Chance gegen Sevilla.

"Der Pokalgewinn wäre für mich sensationell"

Frage: Als Spieler haben Sie beim FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid alle Klubtitel in Spanien gewonnen. Welche Bedeutung hätte der erste Titelgewinn als Trainer für Sie persönlich?

Bernd Schuster: Er wäre ein unauslöschliches Ereignis in meiner Fußball-Karriere. Das erste Mal vergisst man nie. So ist es auch mit meinem ersten Titelgewinn als Spieler, als ich 1980 mit der deutschen Nationalmannschaft in Italien Europameister wurde. Der erste Titel, der ist etwas absolut Besonderes. Vor allem für mich jetzt in meiner Situation als Trainer wäre es sensationell. Als Spieler mit Real oder Barcelona Titel zu gewinnen, war einfacher. Nunmehr mit Getafe, einem so kleinen Verein - das wäre schon eine tolle Geschichte, die man nie vergisst.

Frage: In der spanischen Liga ist der FC Getafe die Mannschaft mit den wenigsten Gegentoren. Ist der einstige Kreativkünstler und Offensivspieler Bernd Schuster als Trainer ein Verfechter der Defensive geworden?

Schuster: Überhaupt nicht! Die spanische Liga zeichnet sich, mehr als alle anderen Topligen in Europa, durch eine enorme taktische Vielfalt aus. Das gefällt mir an ihr ganz besonders. Es ist richtig, dass wir extrem wenige Gegentore kassiert haben. Doch das war nicht so geplant, ist vor allem ein Ergebnis der personellen Situation, auf die ich reagieren musste. Wir haben vor der Saison drei Offensivspieler verloren, die zusammen mehr als 20 Tore erzielt hatten. Stattdessen kamen Abwehrspieler, allen voran der argentinische Nationaltorwart Abbondanzieri, der für uns viele Punkte gewonnen hat. Meine Devise ist und bleibt, mit dem Spiel nach vorne auch ein gewisses Risiko einzugehen. Wie zum Beispiel im Rückspiel des Pokalhalbfinales gegen den FC  Barcelona. Dieses 4:0 war mein bisher schönster Erfolg als Trainer.

Frage: Monatelang wurden Sie in dieser Saison als neuer Trainer von Real Madrid gehandelt. Rechnen Sie sich jetzt am Saisonende noch eine Chance aus?

Bernd Schuster: Die sportliche Situation hat sich bei Real mit dem Gewinn der Meisterschaft am letzten Spieltag sehr zum Positiven verändert. Ich mache mich nicht verrückt und sage lediglich, ich bin bereit, nächste Saison Real Madrid zu trainieren. Ich habe mich schon seit längerer Zeit darauf vorbereitet, und Real ist schon ein bisschen in meinem Konzept mit drin. Sollte es jetzt wegen des Titelgewinns nicht passieren - okay, dann passiert es eben nicht. Ich bin gespannt, was in dieser und in der nächsten Woche geschehen wird.

Frage: Zumal es nicht ungewöhnlich ist, dass Real auch im Erfolgsfall - siehe Jupp Heynckes als Champions-League-Sieger 1998 oder Vincente del Bosque als spanischer Meister 2003 - seinen Trainer entlässt.

Bernd Schuster: Auch deswegen sage ich ja, ich stehe bereit.

Frage: Gilt dies auch für den FC Barcelona, wo Frank Rijkaard nach dem verpassten Meistertitel jetzt in der Kritik steht?

Bernd Schuster: Es gibt Vereine, wenn die auf einen zukommen, muss man Gewehr bei Fuß stehen. Barcelona gehört natürlich dazu. Da kann man in meinem Fall nicht lange überlegen.

Frage: Eine bessere Visitenkarte als mit dem 4:0 im Pokalhalbfinale gegen Barca hätten sie bei den Katalanen nicht abgeben können. Warum sind Sie bei Ihrem früheren Klub momentan dennoch nicht besonders gut gelitten?

Bernd Schuster: Unser 4:0 hat denen natürlich schon wehgetan. Und zwei Wochen später haben wir sie in der Liga in Barcelona hart bekämpft, ihnen das Leben schwer gemacht und standen kurz vor einer weiteren Überraschung. Ronaldinho wurde auch noch vom Platz gestellt und fehlte danach beim Liga-Endspurt. Das alles hat Barcelona nicht gefallen, doch damit habe ich nichts zu tun. Generell aber belasten solchen Eintagsereignisse mein gutes Verhältnis mit dem FC Barcelona nicht.

Frage: Wo also werden Sie nächste Saison, realistisch gesehen, als Trainer arbeiten?

Bernd Schuster: Der Stand von heute am 18. Juni 2007 ist: Ich bin Trainer beim FC Getafe und habe noch einen Vertrag für ein Jahr. Als Pokalfinalist sind wir auf jeden Fall für den UEFA-Cup qualifiziert, was eine sehr reizvolle Aufgabe ist, die ich selbst mitaufgebaut habe. Getafe, das ist eine sichere Sache. Alles andere sind Spekulationen.

"Ein Typ wie Bernd Schneider wäre einer für Real"

Frage: Ein Deutscher wird, obwohl es noch nicht offiziell bestätigt ist, in der nächsten Saison wohl bei Real Madrid spielen. Wie beurteilen Sie die Verpflichtung von Nationalspieler Christoph Metzelder, die wahrscheinlich in dieser Woche bekannt gegeben wird?

Bernd Schuster: Zum einen war er ablösefrei. Zum anderen braucht Real Madrid noch einen zentralen Abwehrspieler. Metzelder wird zwar dort sehr kämpfen müssen, aber dies wird für ihn ganz bestimmt ein Anreiz sein, noch eine Schippe draufzulegen, um einen Stammplatz zu gewinnen. Das traue ich ihm auf jeden Fall zu.

Frage: Welchen anderen deutschen Nationalspieler würden Sie zu Real oder Barcelona holen?

Bernd Schuster: Ich hätte vor der vergangenen Saison nach dem Rücktritt von Zidane alles versucht, um Michael Ballack zu Real zu holen. Von seiner Spielweise würde er, das ist meine Meinung, besser zu Real als zu Chelsea passen.

Frage: Ballack ist nicht mehr zu haben. Wer würde stattdessen passen?

Bernd Schuster: Bei Real wird mit Kalibern wie Kaka und Cristiano Ronaldo spekuliert. Da ist es nicht einfach, außer Ballack ein Äquivalent zu finden. Am ehesten käme ein Typ wie Bernd Schneider in Frage, den ich als Trainer schon damals von Jena zum 1. FC Köln holen wollte. Leider hatte ihn mir Eintracht Frankfurt vor der Nase weggeschnappt. Er hat seitdem eine traumhafte Entwicklung gemacht, wenn ich nur an das WM-Finale 2002 gegen Brasilien denke. Er wäre einer für Real, so ein Typ fehlt im Moment in Madrid, der spielerisch eine große Qualität hat, den tödlichen Pass spielen und ein Spiel lesen kann.

Frage: Wo sehen Sie mittelfristig Ihre Zukunft – in Spanien oder auch in Deutschland?

Bernd Schuster: Ich kann mir gut vorstellen, in absehbare Zeit wieder in Deutschland zu arbeiten. In den vergangenen drei Wochen hatte ich zwei Angebote aus der Bundesliga. Die beiden Vereine will ich nicht nennen.

Frage: Wird der FC Bayern mit Neuverpflichtungen wie Luca Toni oder Franck Ribéry demnächst wieder auf Augenhöhe mit den europäischen Topklubs aus Spanien, Italien und England sein?

Bernd Schuster: Die Bayern müssen jetzt erst einmal in eine für sie bittere Saison ohne Champions League, die in den vergangenen zehn Jahren für sie Standard gewesen war. Doch vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, mit der neuen Mannschaft erst einmal mit etwas weniger Druck im UEFA-Cup zu spielen. Die Ausgangssituation ist für die neue Saison klar: Sie wollen und müssen Meister werden und sind Mitfavorit im UEFA-Pokal. Nach einem Jahr des Zusammenfindens wären sie dann wieder bereit für die Champions League und mit weiteren Verstärkungen gerüstet zum Angriff auf die ganz großen Klubs in Europa. Das muss auch so sein. Zuletzt waren sie einfach zu weit weg von diesem Anspruch.

Frage: Wie schätzen sie nach Abschluss der Saison 2006/2007 generell das Niveau der Bundesliga ein?

Bernd Schuster: Diese Schwächeperiode der Bayern hat einerseits der Liga ganz gut getan, weil dadurch eine junge Mannschaft wie Stuttgart Meister werden konnte und auch Schalke und Bremen im Blickpunkt standen. Insgesamt aber bedeutete der Abfall der Bayern einen Qualitätsverlust für die Bundesliga.

"Der EM-Titel ist ein realistisches Ziel der Nationalmannschaft"

Frage: Wo steht Ihrer Meinung nach die deutsche Nationalmannschaft ein Jahr nach ihren begeisternden WM-Auftritten?

Bernd Schuster: Sie hat praktisch das bestätigt, womit sie während der WM 2006 so stark beeindruckt hat. Sie führt ihre Gruppe in der EM-Qualifikation souverän an und spielt einen Fußball, den man sich mit viel Freude ansehen kann. Die WM war für dieses Team ein Riesengewinn bei der Entwicklung einer attraktiven Spielweise und dementsprechend auch für das Selbstvertrauen. Man spürt, dass die Gegner wieder viel mehr Respekt haben vor der deutschen Mannschaft. Das war in den Jahren vor der WM 2006 nicht unbedingt der Fall.

Frage: Ist der EM-Titel 2008, die Zielvorgabe von Bundestrainer Joachim Löw, demnach realistisch?

Bernd Schuster: Ich denke schon. Die Mannschaft blieb seit der WM 2006 fast komplett zusammen und wird bis zur EM 2008 noch stärker zusammenwachsen. Es ist ganz sicher ein Gewinn, dass Christoph Metzelder jetzt wohl für Real Madrid spielt. Was er dort an internationaler Klasse hinzugewinnt, wird auch der Nationalmannschaft gut tun. Das Gleiche gilt für Michael Ballack, der sich bei Chelsea durchbeißen muss. Mit Jens Lehmann bei Arsenal und Timo Hildebrand demnächst wohl beim FC Valencia sind auch die Torhüterpositionen international besetzt. Ich habe kein Problem, Deutschland zu den EM-Favoriten zu zählen. Und wer zum Favoritenkreis gehört, der kann zu Recht den Titelgewinn als Zielvorgabe ausgeben. Das ist ja eine der sogenannten deutschen Tugenden: Wir fühlen uns zum Turniergewinn in der Lage - und das zeigen wir auch.

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Mit 20 Jahren führte Bernd Schuster, der zwischen 1978 und 1980 sowie von 1993 bis 1996 insgesamt 120 Bundesligaspiele für den 1. FC Köln und Bayer Leverkusen absolvierte, als Mittelfeldregisseur die deutsche Nationalmannschaft zum EM-Titel 1980 in Italien. Im selben Jahr wechselte er nach Spanien, wo er bis 1993 als genialer Spielmacher mit dem FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid dreimal spanischer Meister und sechsmal Pokalsieger wurde.

Die Trainer-Karriere des einstigen Weltstars verläuft seit 1997 in niedrigeren Regionen: in der 2. Bundesliga bei Fortuna und dem 1. FC Köln, bei Schachtjor Donezk in der Ukraine oder bei kleineren spanischen Erstligisten wie Deportivo Xerex, UD Levante und seit 2005 beim FC Getafe. Dort steht er nach Aufsehen erregenden Erfolgen in dieser Saison, darunter dem 4:0 im Pokalhalbfinale gegen den FC Barcelona, vor dem ersten Titelgewinn als Trainer. Im spanischen Pokalfinale ist Schuster mit Getafe am kommenden Samstag im Madrider Stadion „Santiago Bernabeu“ gegen UEFA-Pokalsieger FC Sevilla allerdings nur Außenseiter.

Im "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien beschreibt der gebürtige Augsburger die Chancen seines Teams aus einem Madrider Vorort gegen den Favoriten aus Sevilla. Außerdem äußert sich der 47-Jährige zu seinen Perspektiven als Trainer, wobei er sich auch nach Real Madrids Titelgewinn bereit hält, den Trainerjob bei den „Königlichen“ zu übernehmen. Zudem nennt Schuster seine persönlichen Wunschspieler für Real, beurteilt die mögliche Zukunft von Christoph Metzelders in Madrid und die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft auf dem Weg zur EM 2008 in Österreich und der Schweiz.

Frage: Herr Schuster, erstmals in Ihrer Trainerkarriere stehen Sie in einem Finale. Welchen Stellenwert hat das spanische Pokalendspiel gegen den FC Sevilla für Sie und den FC Getafe?

Bernd Schuster: Der ganze Verein ist natürlich total fixiert auf dieses Finale, denn er wurde ja bisher mit solchen Ereignissen nicht verwöhnt. Dieses Endspiel ist die Krönung einer tollen Saison, in der der Klassenerhalt als Ziel ausgegeben worden war, vor allem weil wir vor einem Jahr wichtige Spieler verloren hatten. Tatsächlich aber befanden wir uns immer unter den ersten Zehn, standen in der Vorrunde sogar ein paar Mal auf einem Champions-League-Platz. Das Erreichen des Pokalfinales muss zudem umso höher bewertet werden, weil diesmal erstmals wieder seit vielen Jahren die einzelnen Pokalrunden bis einschließlich Halbfinale in Hin- und Rückspiel ausgetragen wurden. Dabei kommen Überraschungen natürlich seltener zu Stande.

Frage: Das Finale findet im legendären Bernabeu-Stadion von Madrid statt. Strahlt es in Spanien eine ähnliche Faszination aus wie das DFB-Pokalfinale seit vielen Jahren im Berliner Olympiastadion?

Bernd Schuster: Auf jeden Fall. Ich hatte ja das Glück, dass ich während meiner 13 Jahre als Spieler in Spanien zehnmal im Pokalfinale stand und dabei jedes Mal unheimlich beeindruckt war von der großen  Bedeutung, die dieses Ereignis hat. Es gibt große Fußballnationen, da spielt der Pokal eine untergeordnete Rolle. Doch hier in Spanien ist das Pokalfinale ein ähnlich herausragendes Highlight wie in Deutschland oder England. Der König und die Königin kommen zum Spiel. Es gibt eine faszinierende Zeremonie, die das alles extrem wertvoll macht. Es ist ein ganz besonderer Abend, das hat mir gerade vor ein paar Tagen auch Reals früherer Kapitän Fernando Hierro bestätigt.

Frage: Der in einem Madrider Vorort beheimatete FC Getafe ist krasser Außenseiter gegen Sevilla. Was noch - außer diesem "Heimvorteil" - spricht für Ihre Mannschaft?

Bernd Schuster: Die Erfahrung, die ich selbst machen musste als Spieler, dass in einem Endspiel auch der Favorit verlieren kann. Das war zuletzt in Berlin mit Nürnberg als Sieger über den favorisierten Meister VfB Stuttgart genauso. Auch deshalb glaube ich an unsere Chance gegen Sevilla.

"Der Pokalgewinn wäre für mich sensationell"

Frage: Als Spieler haben Sie beim FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid alle Klubtitel in Spanien gewonnen. Welche Bedeutung hätte der erste Titelgewinn als Trainer für Sie persönlich?

Bernd Schuster: Er wäre ein unauslöschliches Ereignis in meiner Fußball-Karriere. Das erste Mal vergisst man nie. So ist es auch mit meinem ersten Titelgewinn als Spieler, als ich 1980 mit der deutschen Nationalmannschaft in Italien Europameister wurde. Der erste Titel, der ist etwas absolut Besonderes. Vor allem für mich jetzt in meiner Situation als Trainer wäre es sensationell. Als Spieler mit Real oder Barcelona Titel zu gewinnen, war einfacher. Nunmehr mit Getafe, einem so kleinen Verein - das wäre schon eine tolle Geschichte, die man nie vergisst.

Frage: In der spanischen Liga ist der FC Getafe die Mannschaft mit den wenigsten Gegentoren. Ist der einstige Kreativkünstler und Offensivspieler Bernd Schuster als Trainer ein Verfechter der Defensive geworden?

Schuster: Überhaupt nicht! Die spanische Liga zeichnet sich, mehr als alle anderen Topligen in Europa, durch eine enorme taktische Vielfalt aus. Das gefällt mir an ihr ganz besonders. Es ist richtig, dass wir extrem wenige Gegentore kassiert haben. Doch das war nicht so geplant, ist vor allem ein Ergebnis der personellen Situation, auf die ich reagieren musste. Wir haben vor der Saison drei Offensivspieler verloren, die zusammen mehr als 20 Tore erzielt hatten. Stattdessen kamen Abwehrspieler, allen voran der argentinische Nationaltorwart Abbondanzieri, der für uns viele Punkte gewonnen hat. Meine Devise ist und bleibt, mit dem Spiel nach vorne auch ein gewisses Risiko einzugehen. Wie zum Beispiel im Rückspiel des Pokalhalbfinales gegen den FC  Barcelona. Dieses 4:0 war mein bisher schönster Erfolg als Trainer.

Frage: Monatelang wurden Sie in dieser Saison als neuer Trainer von Real Madrid gehandelt. Rechnen Sie sich jetzt am Saisonende noch eine Chance aus?

Bernd Schuster: Die sportliche Situation hat sich bei Real mit dem Gewinn der Meisterschaft am letzten Spieltag sehr zum Positiven verändert. Ich mache mich nicht verrückt und sage lediglich, ich bin bereit, nächste Saison Real Madrid zu trainieren. Ich habe mich schon seit längerer Zeit darauf vorbereitet, und Real ist schon ein bisschen in meinem Konzept mit drin. Sollte es jetzt wegen des Titelgewinns nicht passieren - okay, dann passiert es eben nicht. Ich bin gespannt, was in dieser und in der nächsten Woche geschehen wird.

Frage: Zumal es nicht ungewöhnlich ist, dass Real auch im Erfolgsfall - siehe Jupp Heynckes als Champions-League-Sieger 1998 oder Vincente del Bosque als spanischer Meister 2003 - seinen Trainer entlässt.

Bernd Schuster: Auch deswegen sage ich ja, ich stehe bereit.

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Frage: Gilt dies auch für den FC Barcelona, wo Frank Rijkaard nach dem verpassten Meistertitel jetzt in der Kritik steht?

Bernd Schuster: Es gibt Vereine, wenn die auf einen zukommen, muss man Gewehr bei Fuß stehen. Barcelona gehört natürlich dazu. Da kann man in meinem Fall nicht lange überlegen.

Frage: Eine bessere Visitenkarte als mit dem 4:0 im Pokalhalbfinale gegen Barca hätten sie bei den Katalanen nicht abgeben können. Warum sind Sie bei Ihrem früheren Klub momentan dennoch nicht besonders gut gelitten?

Bernd Schuster: Unser 4:0 hat denen natürlich schon wehgetan. Und zwei Wochen später haben wir sie in der Liga in Barcelona hart bekämpft, ihnen das Leben schwer gemacht und standen kurz vor einer weiteren Überraschung. Ronaldinho wurde auch noch vom Platz gestellt und fehlte danach beim Liga-Endspurt. Das alles hat Barcelona nicht gefallen, doch damit habe ich nichts zu tun. Generell aber belasten solchen Eintagsereignisse mein gutes Verhältnis mit dem FC Barcelona nicht.

Frage: Wo also werden Sie nächste Saison, realistisch gesehen, als Trainer arbeiten?

Bernd Schuster: Der Stand von heute am 18. Juni 2007 ist: Ich bin Trainer beim FC Getafe und habe noch einen Vertrag für ein Jahr. Als Pokalfinalist sind wir auf jeden Fall für den UEFA-Cup qualifiziert, was eine sehr reizvolle Aufgabe ist, die ich selbst mitaufgebaut habe. Getafe, das ist eine sichere Sache. Alles andere sind Spekulationen.

"Ein Typ wie Bernd Schneider wäre einer für Real"

Frage: Ein Deutscher wird, obwohl es noch nicht offiziell bestätigt ist, in der nächsten Saison wohl bei Real Madrid spielen. Wie beurteilen Sie die Verpflichtung von Nationalspieler Christoph Metzelder, die wahrscheinlich in dieser Woche bekannt gegeben wird?

Bernd Schuster: Zum einen war er ablösefrei. Zum anderen braucht Real Madrid noch einen zentralen Abwehrspieler. Metzelder wird zwar dort sehr kämpfen müssen, aber dies wird für ihn ganz bestimmt ein Anreiz sein, noch eine Schippe draufzulegen, um einen Stammplatz zu gewinnen. Das traue ich ihm auf jeden Fall zu.

Frage: Welchen anderen deutschen Nationalspieler würden Sie zu Real oder Barcelona holen?

Bernd Schuster: Ich hätte vor der vergangenen Saison nach dem Rücktritt von Zidane alles versucht, um Michael Ballack zu Real zu holen. Von seiner Spielweise würde er, das ist meine Meinung, besser zu Real als zu Chelsea passen.

Frage: Ballack ist nicht mehr zu haben. Wer würde stattdessen passen?

Bernd Schuster: Bei Real wird mit Kalibern wie Kaka und Cristiano Ronaldo spekuliert. Da ist es nicht einfach, außer Ballack ein Äquivalent zu finden. Am ehesten käme ein Typ wie Bernd Schneider in Frage, den ich als Trainer schon damals von Jena zum 1. FC Köln holen wollte. Leider hatte ihn mir Eintracht Frankfurt vor der Nase weggeschnappt. Er hat seitdem eine traumhafte Entwicklung gemacht, wenn ich nur an das WM-Finale 2002 gegen Brasilien denke. Er wäre einer für Real, so ein Typ fehlt im Moment in Madrid, der spielerisch eine große Qualität hat, den tödlichen Pass spielen und ein Spiel lesen kann.

Frage: Wo sehen Sie mittelfristig Ihre Zukunft – in Spanien oder auch in Deutschland?

Bernd Schuster: Ich kann mir gut vorstellen, in absehbare Zeit wieder in Deutschland zu arbeiten. In den vergangenen drei Wochen hatte ich zwei Angebote aus der Bundesliga. Die beiden Vereine will ich nicht nennen.

Frage: Wird der FC Bayern mit Neuverpflichtungen wie Luca Toni oder Franck Ribéry demnächst wieder auf Augenhöhe mit den europäischen Topklubs aus Spanien, Italien und England sein?

Bernd Schuster: Die Bayern müssen jetzt erst einmal in eine für sie bittere Saison ohne Champions League, die in den vergangenen zehn Jahren für sie Standard gewesen war. Doch vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, mit der neuen Mannschaft erst einmal mit etwas weniger Druck im UEFA-Cup zu spielen. Die Ausgangssituation ist für die neue Saison klar: Sie wollen und müssen Meister werden und sind Mitfavorit im UEFA-Pokal. Nach einem Jahr des Zusammenfindens wären sie dann wieder bereit für die Champions League und mit weiteren Verstärkungen gerüstet zum Angriff auf die ganz großen Klubs in Europa. Das muss auch so sein. Zuletzt waren sie einfach zu weit weg von diesem Anspruch.

Frage: Wie schätzen sie nach Abschluss der Saison 2006/2007 generell das Niveau der Bundesliga ein?

Bernd Schuster: Diese Schwächeperiode der Bayern hat einerseits der Liga ganz gut getan, weil dadurch eine junge Mannschaft wie Stuttgart Meister werden konnte und auch Schalke und Bremen im Blickpunkt standen. Insgesamt aber bedeutete der Abfall der Bayern einen Qualitätsverlust für die Bundesliga.

"Der EM-Titel ist ein realistisches Ziel der Nationalmannschaft"

Frage: Wo steht Ihrer Meinung nach die deutsche Nationalmannschaft ein Jahr nach ihren begeisternden WM-Auftritten?

Bernd Schuster: Sie hat praktisch das bestätigt, womit sie während der WM 2006 so stark beeindruckt hat. Sie führt ihre Gruppe in der EM-Qualifikation souverän an und spielt einen Fußball, den man sich mit viel Freude ansehen kann. Die WM war für dieses Team ein Riesengewinn bei der Entwicklung einer attraktiven Spielweise und dementsprechend auch für das Selbstvertrauen. Man spürt, dass die Gegner wieder viel mehr Respekt haben vor der deutschen Mannschaft. Das war in den Jahren vor der WM 2006 nicht unbedingt der Fall.

Frage: Ist der EM-Titel 2008, die Zielvorgabe von Bundestrainer Joachim Löw, demnach realistisch?

Bernd Schuster: Ich denke schon. Die Mannschaft blieb seit der WM 2006 fast komplett zusammen und wird bis zur EM 2008 noch stärker zusammenwachsen. Es ist ganz sicher ein Gewinn, dass Christoph Metzelder jetzt wohl für Real Madrid spielt. Was er dort an internationaler Klasse hinzugewinnt, wird auch der Nationalmannschaft gut tun. Das Gleiche gilt für Michael Ballack, der sich bei Chelsea durchbeißen muss. Mit Jens Lehmann bei Arsenal und Timo Hildebrand demnächst wohl beim FC Valencia sind auch die Torhüterpositionen international besetzt. Ich habe kein Problem, Deutschland zu den EM-Favoriten zu zählen. Und wer zum Favoritenkreis gehört, der kann zu Recht den Titelgewinn als Zielvorgabe ausgeben. Das ist ja eine der sogenannten deutschen Tugenden: Wir fühlen uns zum Turniergewinn in der Lage - und das zeigen wir auch.