Schottland-Historie: Immer harte Kämpfe gegen stolze Bravehearts

Das Torverhältnis aus 15 Duellen beträgt 21:20. Das sagt alles über die deutsch-schottische Fußballgeschichte. Immer war es knapp, die Gegner schenkten sich nichts. Der Autor und Historiker Udo Muras blickt für DFB.de zurück auf 85 Jahre, auf Jubiläums- und Schicksalsspiele, einen großen Abschied - und einen Flutlichtausfall.

Drei Minuten waren noch zu spielen, und Torwart Heiner Stuhlfauth wollte dazu beitragen, sie möglichst unbeschadet zu überstehen. Deutschland führte an diesem 1. Juni 1929 im Berliner Grunewald-Stadion mit 1:0 gegen die schottischen Profis. Der Sieg wäre eine Sensation gewesen, von den Briten erzählte man sich wahre Wunderdinge. 45.000 waren schon im Rausch, da passierte es. Stuhlfauth hielt den Ball für den Geschmack des Schiedsrichters etwas zu lange, bevor er ihn abschlug und so gab es noch einen Freistoß. Der Schotte Imrie verwandelte ihn gekonnt und so wurde es nichts mit dem ersten Sieg gleich im ersten Spiel.

Den sollte es erst 40 Jahre später geben. "Der größte deutsche Erfolg dieses Jahres war kein Sieg, sondern das Unentschieden gegen Schottland. Spalten- und seitenlang berichteten die großen Zeitungen über dieses Spiel, noch tagelang war es das einzige Thema der Fußballkreise und die Schotten reden noch heute von der deutschen Amateurelf", stand in einer Länderspiel-Chronik aus dem Jahre 1937. Da hatte die DFB-Auswahl auch ihre erste Schottland-Reise (1936) schon absolviert und eine ehrenvolle 0:2-Niederlage kassiert. "Die schottischen Zeitungen erkannten einhellig das große Spiel der Deutschen an", hieß es in der Chronik. Vor dem Krieg ging eine deutsche Mannschaft gegen Briten stets als Außenseiter ins Rennen.

1957: Tankstelle statt Schottland

Es dauerte länger, bis sich das änderte. Auch 1957 noch trafen in Stuttgart Amateure beziehungsweise "Vertragsspieler" auf Profis. Aber nun war Deutschland amtierender Weltmeister, wenn auch nicht viel von den Berner Helden übrig geblieben war. Nur Helmut Rahn, als Kapitän, stand noch auf dem Feld, eine Absagenflut hatte die DFB-Auswahl dezimiert. Hans Schäfer etwa konnte seine Tankstelle nicht im Stich lassen, seine ihn sonst vertretende Frau war erkrankt.

Und so stand eine unerfahrene Elf auf verlorenem Posten, am meisten Willi Gerdau vom Dorf-Klub Heider SV. Gegenspieler Tommy Ring, ein Mann von Weltklasseformat, "umkurvte Gerdau wie ein Sportwagen eine Verkehrsampel bei Gelb", schrieb die Bild-Zeitung. Die Schotten dominierten klar, und erst beim Stand von 0:3 war dem Karlsruher Gerhard Siedl das Ehrentor zum 1:3-Endstand vergönnt.

1959: Niederlage vor 103.000 Fans im Hampden-Park

Zwei Jahre später verkaufte sich Deutschland im Hampden-Park vor 103.000 Zuschauern weit besser, aber am Ende lachten wieder die Schotten. Alle Tore beim 3:2 fielen schon vor der Pause, nach sieben Minuten (0:2) drohte ein Debakel. Torwart Günter Sawitzki vom VfB Stuttgart erlebte einen schwarzen Tag und sah nicht gut aus bei den Treffern. Uwe Seeler und Erich Juskowiak (Elfmeter) trafen, Hans Schäfer vergab nach der Pause die Ausgleichschance. "Selten erhielten wir eine solche Chance, den ersten deutschen Triumph auf britischem Boden herauszuholen", kommentierte das Sport Magazin.



Das Torverhältnis aus 15 Duellen beträgt 21:20. Das sagt alles über die deutsch-schottische Fußballgeschichte. Immer war es knapp, die Gegner schenkten sich nichts. Der Autor und Historiker Udo Muras blickt für DFB.de zurück auf 85 Jahre, auf Jubiläums- und Schicksalsspiele, einen großen Abschied - und einen Flutlichtausfall.

Drei Minuten waren noch zu spielen, und Torwart Heiner Stuhlfauth wollte dazu beitragen, sie möglichst unbeschadet zu überstehen. Deutschland führte an diesem 1. Juni 1929 im Berliner Grunewald-Stadion mit 1:0 gegen die schottischen Profis. Der Sieg wäre eine Sensation gewesen, von den Briten erzählte man sich wahre Wunderdinge. 45.000 waren schon im Rausch, da passierte es. Stuhlfauth hielt den Ball für den Geschmack des Schiedsrichters etwas zu lange, bevor er ihn abschlug und so gab es noch einen Freistoß. Der Schotte Imrie verwandelte ihn gekonnt und so wurde es nichts mit dem ersten Sieg gleich im ersten Spiel.

Den sollte es erst 40 Jahre später geben. "Der größte deutsche Erfolg dieses Jahres war kein Sieg, sondern das Unentschieden gegen Schottland. Spalten- und seitenlang berichteten die großen Zeitungen über dieses Spiel, noch tagelang war es das einzige Thema der Fußballkreise und die Schotten reden noch heute von der deutschen Amateurelf", stand in einer Länderspiel-Chronik aus dem Jahre 1937. Da hatte die DFB-Auswahl auch ihre erste Schottland-Reise (1936) schon absolviert und eine ehrenvolle 0:2-Niederlage kassiert. "Die schottischen Zeitungen erkannten einhellig das große Spiel der Deutschen an", hieß es in der Chronik. Vor dem Krieg ging eine deutsche Mannschaft gegen Briten stets als Außenseiter ins Rennen.

1957: Tankstelle statt Schottland

Es dauerte länger, bis sich das änderte. Auch 1957 noch trafen in Stuttgart Amateure beziehungsweise "Vertragsspieler" auf Profis. Aber nun war Deutschland amtierender Weltmeister, wenn auch nicht viel von den Berner Helden übrig geblieben war. Nur Helmut Rahn, als Kapitän, stand noch auf dem Feld, eine Absagenflut hatte die DFB-Auswahl dezimiert. Hans Schäfer etwa konnte seine Tankstelle nicht im Stich lassen, seine ihn sonst vertretende Frau war erkrankt.

Und so stand eine unerfahrene Elf auf verlorenem Posten, am meisten Willi Gerdau vom Dorf-Klub Heider SV. Gegenspieler Tommy Ring, ein Mann von Weltklasseformat, "umkurvte Gerdau wie ein Sportwagen eine Verkehrsampel bei Gelb", schrieb die Bild-Zeitung. Die Schotten dominierten klar, und erst beim Stand von 0:3 war dem Karlsruher Gerhard Siedl das Ehrentor zum 1:3-Endstand vergönnt.

1959: Niederlage vor 103.000 Fans im Hampden-Park

Zwei Jahre später verkaufte sich Deutschland im Hampden-Park vor 103.000 Zuschauern weit besser, aber am Ende lachten wieder die Schotten. Alle Tore beim 3:2 fielen schon vor der Pause, nach sieben Minuten (0:2) drohte ein Debakel. Torwart Günter Sawitzki vom VfB Stuttgart erlebte einen schwarzen Tag und sah nicht gut aus bei den Treffern. Uwe Seeler und Erich Juskowiak (Elfmeter) trafen, Hans Schäfer vergab nach der Pause die Ausgleichschance. "Selten erhielten wir eine solche Chance, den ersten deutschen Triumph auf britischem Boden herauszuholen", kommentierte das Sport Magazin.

Aber in der Ära Herberger blieb ein Sieg gegen die Schotten nur eine Illusion. Selbst als er im Mai 1964 in Hannover vom DFB offiziell verabschiedet wurde, waren die Schotten nicht in Geberlaune. Die von Uwe Seeler herausgeschossene 2:0-Führung hielt nicht, Auch die Schotten hatten einen Torjäger: Gilzean traf nach der Pause ebenfalls doppelt. Herberger nahm trotzdem etwas mit an diesem Tag: eine Replik des WM-Pokals, den er 1954 gewonnen hatte.

1969: Der erste Sieg - in der WM-Qualifikation

Dann endlich, im siebten Versuch und als es am nötigsten war, klappte es mit dem ersten deutschen Sieg. Das entscheidende Länderspiel in der Qualifikation zur WM 1970 in Mexiko fand am 22. Oktober 1969 in Hamburg statt – eben gegen die bis dahin unbesiegbaren Schotten, von denen man sich in Glasgower Hinspiel 1:1 (Tor: Gerd Müller) getrennt hatte. Rund 500.000 Kartenwünsche gingen beim DFB ein, doch kein Stadion der Welt ist groß genug dafür. Am 10. September 1969 gingen die Tickets in den Vorverkauf – und noch am selben Tag waren sie auch schon weg. Alle 71.925. Der billigste Stehplatz für sechs Mark, der teuerste Tribünensitz für 30. Das ZDF übertrug live. Doch was würde es zu sehen geben? 18 Tage schon war Hamburg eine einzige Nebelsuppe, und auch am Spieltag war der Blick getrübt.

Ebenso wie der auf die schiefe Tabelle. Es gab allerlei theoretische Konstellationen, aber nur einen optimalen Lösungsweg: einen Sieg. Schotten-Trainer Bobby Brown posaunte: "Wir haben noch nie gegen die Deutschen verloren. Weshalb eigentlich zum ersten Mal in Hamburg?" In sein Büro hatte er sich Porträts von den deutschen Spielern an die Wand gehängt und immer wenn einer seiner Schützlinge hinein kam, deutete er auf eines und sagte: "Schau hin, das ist dein Mann für Hamburg." Kollege Helmut Schön bereitete seinen Kader in Malente sechs Tage auf das Schicksalsspiel vor.

Vor den Bildschirmen saßen 32 Millionen Deutsche und zitterten um die WM-Fahrkarte. Schon nach drei Minuten gingen die Schotten durch Johnstone in Führung, und Schöns Team brauchte eine halbe Stunde, um das zu verdauen. Sepp Maier verhinderte mehrmals das 0:2, dann traf der Schalker Klaus Fichtel zum einzigen Mal im Nationaldress. Nach einer Ecke zog er aus 16 Metern ab und sorgte für den 1:1-Pausenstand (38.). Dann kam nach einer Stunde das obligatorische Müller-Tor, nach Vorarbeit von Uwe Seeler. Aber im Gegenzug schaffte Gilzean von Tottenham, einer von vier England-Profis, per Kopf den Ausgleich. Nun kam Hektik ins Spiel, Abwehrchef Willi Schulz erinnerte sich so an seine Zweikämpfe mit 1,90-Meter-Hüne Gilzean: "Der Ball war ganz woanders, da gab es einen Faustschlag auf die Leber, dass mir die Luft wegblieb. An diesem Tag habe ich gelernt: nie näher als einen Meter an den Mann ran gehen." Im Spiegel las sich das so: "Fußball-Germanen und Kicker-Kelten bekämpften sich wie in frühgeschichtlicher Zeit vorwiegend Mann gegen Mann mit Fäusten und Füßen."

Libuda öffnet Tor nach Mexiko

Zum Glück wusste Stan Libuda auch in dieser Phase mit den Füßen noch etwas Besseres anzufangen. In der 78. Minute zog er nach einem Haller-Pass von der Mittellinie los, schüttelte seinen Gegenspieler ab und erzielte mit links ein ebenso herrliches wie wichtiges Tor. Es war das Tor nach Mexiko. Libuda sagte über seinen größten Moment im DFB-Trikot: "Als ich mit dem linken Fuß losknallte, wusste ich genau: Das Ding sitzt."

Dem Höhepunkt des Abends folgte ein trauriger Tiefpunkt: Gemmel stieß Haller brutal um und wurde vom Platz gestellt. Dann kam der Abpfiff. Die kollektive Erleichterung sprang am nächsten Morgen aus der Schlagzeile von Bild: "Mexiko, wir kooommen!" Das Hamburger Abendblatt bilanzierte sachlicher: "Schön war es nicht, gut war es auch nicht. Aber dramatisch, faszinierend. Eine Sache für harte Männer.

1986 und 1992: Knappe Siege bei Turnieren

" Wie so oft und noch so manches Mal. Bei der WM 1986 gewann Deutschland in Mexiko nach Rückstand mit 2:1, Rudi Völler und Klaus Allofs trafen bei der Turnier-Premiere dieses Duells. "In allen meinen Kalkulationen hatte ich einen Sieg gegen Schottland eingeplant", sagte Teamchef Franz Beckenbauer. Die Kräfte hatten sich nun verschoben, die Nation gewöhnte sich an Siege gegen die Schotten und erwartete sie auch.

Wie sechs Jahre später bei der EM in Schweden. In Norrköpping siegte die DFB-Elf 2:0, Karl-Heinz Riedle und Stefan Effenberg mit einer abgefälschten Flanke schossen die Tore, aber auch die Schotten landeten "Treffer". In Erinnerung bleibt vor allem der Dauereinsatz der medizinischen Abteilung, die für Stefan Reuter und Guido Buchwald Turbane wickeln musste. Karl-Heinz Riedle schied mit Nasenbeinbruch aus, sein Nachfolger Reuter sechs Minuten später mit blutender Platzwunde ebenfalls. Es war ein wahrlich hart erkämpfter Sieg, die tapferen Schotten wehrten sich mit allen Mitteln gegen das vorzeitige EM-Aus.

2003: Das letzte Duell, der letzte Sieg

Der Wahl-Römer Riedle nahm 1993 seine ganz persönliche Revanche, als er Deutschland zum ersten Sieg (1:0) in Glasgow, wo alle Gastspiele stattfanden, schoss. Vor dem Spiel löste eine Journalisten-Zigarette beim deutschen Training Feueralarm aus, alle 100 Reporter mussten den Ibrox-Park verlassen. Sechs Jahre später fiel in Bremen vor Beginn der zweiten Halbzeit für 15 Minuten das Flutlicht aus, und auch die 0:1-Niederlage sorgte für düstere Gedanken. "Rückschlag für Ribbeck", titelte der Kicker.

Die bisher letzten Spiele fanden 2003 statt. Auf dem Weg zur EM in Portugal stellten sich die von Berti Vogts trainierten Schotten der Auswahl von Rudi Völler in den Weg. Sie nahm die Hürde, erkämpfte in Glasgow ein 1:1 (Tor: Fredi Bobic) und war im Dortmunder Rückspiel siegreich. Erneut Bobic und Michael Ballack per Strafstoß sorgten mit ihren Toren mitten in der Krise des deutschen Fußballs für einen Stimmungsumschwung. Im Kicker hieß es: "Deutsche Elf zeigt endlich Fußball mit Herz." Das klingt nach 2014.