Schmidt: "Die deutsche Ausbildung ist top"

Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

Was ist das Geheimnis des Erfolgs der deutschen Nationalmannschaft? Fußballlehrer Stephan Schmidt, seit Saisonbeginn U 16-Trainer beim FC Schalke 04, und Mitautor Tim Stegmann wollen in ihrem Buch "Im Glanz des vierten Sterns" unter anderem Antworten auf diese Frage liefern.

Schmidts Erstlingswerk dreht sich um die positive Entwicklung der deutschen Talentförderung in den vergangenen 15 Jahren und die tägliche Arbeit in einem Leistungszentrum (LZ). Wie werden die Talente dort auf den Profifußball vorbereitet? Wie schwierig ist der Spagat nach der Beendigung der Jugend? "Im Glanz des vierten Sterns" blickt hinter die Kulissen, lässt Fußballer, Trainer sowie weitere Experten zu Wort kommen und zeigt die unterschiedlichen Wege heutiger Profis auf.

Stephan Schmidt hatte zuletzt eine eineinhalbjährige Pause als Trainer eingelegt, nachdem er für die U 19-Mannschaften von Hertha BSC und des VfL Wolfsburg sowie in der 2. Bundesliga als Cheftrainer beim SC Paderborn 07 und FC Energie Cottbus tätig war. Diese Zeit nutzte der 39-jährige Berliner, um gemeinsam mit Stegmann, einem seiner ehemaligen Co-Trainer bei den Wölfen, die bereits lange existierende Buchidee zu verwirklichen und den sensationellen Fortschritt der nationalen Nachwuchsarbeit in die Öffentlichkeit zu tragen.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Stephan Schmidt mit dem Journalisten Christian Knoth über seine Auszeit als Trainer, die Gründe für die immer bessere Nachwuchsarbeit im deutschen Fußball, die internationale Konkurrenz und die Entwicklung von Stars wie Marco Reus oder Leroy Sané.

DFB.de: Wie ist aus Ihrer Sicht die hervorragende Entwicklung der Nachwuchsförderung in Deutschland in den zurückliegenden Jahren, die nicht zuletzt auch zum Weltmeistertitel 2014 geführt hat, zu erklären, Herr Schmidt?

Stephan Schmidt: Im letzten Jahrzehnt gab es eine enorme Qualitätssteigerung in praktisch allen Bereichen. Es gibt in allen Teilen Deutschlands Stützpunkte, in den Junioren-Bundesligen ist das Niveau konstant gestiegen und viele Nachwuchsleistungszentren sind sehr gut aufgestellt. Es wurde viel in die Infrastruktur investiert, die Manpower ist deutlich angehoben worden und die konzeptionellen Inhalte haben das Leitungsniveau immer weiter steigen lassen. Darüber hinaus bilden zahlreiche Vereine ihre Talente für das eigene Profiteam aus, weil sie die Mehrwerte erkannt haben. Besonders für wirtschaftlich schwächere Klubs ist es eine Möglichkeit, um konkurrenzfähig zu bleiben. Außerdem erhöht es die Identifikation der Fans, wenn Spieler aus der eigenen Jugend nach oben kommen. Dass die Arbeit in den Nachwuchsleistungszentren Deutschlands Früchte trägt, erkennt man auch an der Zusammenstellung des WM-Kaders. Bis auf Miroslav Klose wurden alle Spieler in deutschen Nachwuchsleistungszentren ausgebildet. Die Ergebnisse der erfolgreichen Talentförderung haben damit einen Höhepunkt erreicht. Die Basis dafür wurde aber bereits lange Zeit vorher gelegt. Das ist es, was die deutsche Nachwuchsarbeit ausmacht.



Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

Was ist das Geheimnis des Erfolgs der deutschen Nationalmannschaft? Fußballlehrer Stephan Schmidt, seit Saisonbeginn U 16-Trainer beim FC Schalke 04, und Mitautor Tim Stegmann wollen in ihrem Buch "Im Glanz des vierten Sterns" unter anderem Antworten auf diese Frage liefern.

Schmidts Erstlingswerk dreht sich um die positive Entwicklung der deutschen Talentförderung in den vergangenen 15 Jahren und die tägliche Arbeit in einem Leistungszentrum (LZ). Wie werden die Talente dort auf den Profifußball vorbereitet? Wie schwierig ist der Spagat nach der Beendigung der Jugend? "Im Glanz des vierten Sterns" blickt hinter die Kulissen, lässt Fußballer, Trainer sowie weitere Experten zu Wort kommen und zeigt die unterschiedlichen Wege heutiger Profis auf.

Stephan Schmidt hatte zuletzt eine eineinhalbjährige Pause als Trainer eingelegt, nachdem er für die U 19-Mannschaften von Hertha BSC und des VfL Wolfsburg sowie in der 2. Bundesliga als Cheftrainer beim SC Paderborn 07 und FC Energie Cottbus tätig war. Diese Zeit nutzte der 39-jährige Berliner, um gemeinsam mit Stegmann, einem seiner ehemaligen Co-Trainer bei den Wölfen, die bereits lange existierende Buchidee zu verwirklichen und den sensationellen Fortschritt der nationalen Nachwuchsarbeit in die Öffentlichkeit zu tragen.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Stephan Schmidt mit dem Journalisten Christian Knoth über seine Auszeit als Trainer, die Gründe für die immer bessere Nachwuchsarbeit im deutschen Fußball, die internationale Konkurrenz und die Entwicklung von Stars wie Marco Reus oder Leroy Sané.

DFB.de: Wie ist aus Ihrer Sicht die hervorragende Entwicklung der Nachwuchsförderung in Deutschland in den zurückliegenden Jahren, die nicht zuletzt auch zum Weltmeistertitel 2014 geführt hat, zu erklären, Herr Schmidt?

Stephan Schmidt: Im letzten Jahrzehnt gab es eine enorme Qualitätssteigerung in praktisch allen Bereichen. Es gibt in allen Teilen Deutschlands Stützpunkte, in den Junioren-Bundesligen ist das Niveau konstant gestiegen und viele Nachwuchsleistungszentren sind sehr gut aufgestellt. Es wurde viel in die Infrastruktur investiert, die Manpower ist deutlich angehoben worden und die konzeptionellen Inhalte haben das Leitungsniveau immer weiter steigen lassen. Darüber hinaus bilden zahlreiche Vereine ihre Talente für das eigene Profiteam aus, weil sie die Mehrwerte erkannt haben. Besonders für wirtschaftlich schwächere Klubs ist es eine Möglichkeit, um konkurrenzfähig zu bleiben. Außerdem erhöht es die Identifikation der Fans, wenn Spieler aus der eigenen Jugend nach oben kommen. Dass die Arbeit in den Nachwuchsleistungszentren Deutschlands Früchte trägt, erkennt man auch an der Zusammenstellung des WM-Kaders. Bis auf Miroslav Klose wurden alle Spieler in deutschen Nachwuchsleistungszentren ausgebildet. Die Ergebnisse der erfolgreichen Talentförderung haben damit einen Höhepunkt erreicht. Die Basis dafür wurde aber bereits lange Zeit vorher gelegt. Das ist es, was die deutsche Nachwuchsarbeit ausmacht.

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DFB.de: Wie kamen Sie und Ihr Mitautor Tim Stegmann auf die Idee, ein Buch darüber zu schreiben?

Schmidt: Die Idee gab es schon länger. Allerdings fehlte die Zeit. Das Projekt war so vielfältig und zeitaufwändig, dass ich es als aktiv arbeitender Trainer niemals hätte realisieren können. Tim und ich hatten beide in den zurückliegenden Jahren viel Kontakt zu fußballinteressierten Menschen, die uns gefragt haben, wie ein NLZ aufgebaut ist, wie dort gearbeitet wird und vor allem, wie die sensationelle Entwicklung im vergangenen Jahrzehnt zu erklären ist. Wir haben uns mit den Fragen auseinandergesetzt und versucht, Antworten darauf zu finden. Unter anderem konnten wir mit den Verantwortlichen und Mitarbeitern der Nachwuchsleistungszentren von fünf ausgewählten Bundesligisten spannende und lehrreiche Gespräche führen. Dabei haben wir einzelne Schwerpunkte beleuchtet, um ein stimmiges Gesamtbild entstehen zu lassen.

DFB.de: Das Projekt konnten Sie jetzt realisieren, nachdem Sie sich für eine Auszeit als Trainer entschieden hatten. Was war der Grund dafür?

Schmidt: Ich habe die Auszeit bewusst genommen, um meine Arbeit der zurückliegenden Jahre zu reflektieren, aber auch um etwas Neues kennenzulernen und mich persönlich weiterzuentwickeln. Dafür habe ich einige Angebote abgelehnt und die Möglichkeit ausgeschlagen, frühzeitig wieder im Profifußball als Trainer tätig zu sein.

DFB.de: Was haben Sie Neues kennengelernt?

Schmidt: Neben dem Buchprojekt habe ich unter anderem im Ausland hospitiert und interessante Einblicke in andere Sportarten bekommen. Dabei ging es vor allem darum, welche Inhalte wir auch im Fußball sinnvoll nutzen können. Über einen Kontakt habe ich zum Beispiel Zugang zu einem Basketballteam bekommen. Es gibt zwar wesentliche Unterschiede zum Fußball, die Inhalte betreffend oder auch in der Regelauslegung. Aber das intensive, situative Coaching hat mich beeindruckt. Auch in Sachen Teambuilding und Trainingsgestaltung konnte ich mir Positives für meine Arbeit mitnehmen.

DFB.de: Was haben Sie aus der Zeit im Ausland noch mitgenommen? Haben Sie dadurch auch Ihre Trainer-Philosophie verändert?

Schmidt: Die Basis einer Spielidee verändert sich dadurch nicht, aber durch die regelmäßige Überprüfung wichtiger Details zwingt man sich zum Nachdenken. Die Schlussfolgerungen bringen einen voran. Außerdem wird man mit jeder Station im Leben reifer. Die Zeit im Ausland war sehr wertvoll für mich. Ich habe zum Beispiel einen Trainer aus dem südamerikanischen Raum erlebt, der eine ganz andere Philosophie mit nach Europa bringt, eine andere Methodik verfolgt, seine Spieler zu packen. Er hat eine deutlich emotionalere Art. Ein Trainer sollte sich zwar nicht die Philosophie eines Kollegen aneignen. Es ist aber durchaus legitim und auch sinnvoll, die neuen Erfahrungen in seine eigene Arbeit einfließen zu lassen.

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DFB.de: Sie haben in Paderborn und Cottbus bereits Zweitligavereine trainiert. Warum haben Sie sich jetzt dazu entschieden, wieder zu Ihren Anfängen zurückzukehren und eine Jugendmannschaft zu leiten?

Schmidt: Schalke 04 verfügt über ein hervorragendes Nachwuchsleistungszentrum, in dem viele Spieler den Sprung zu den Profis schaffen. Allein das ist Ansporn und Verpflichtung zugleich. Darüber hinaus hat mir der Verein ein großartiges Konzept und eine klare Perspektive aufgezeigt. Dass ich zunächst die U 16 betreue und in der kommenden Saison den Großteil meiner Mannschaft mit in die U 17 begleiten werde, ist sehr sinnvoll.

DFB.de: Mit der U 19 des VfL Wolfsburg wurden Sie 2011 Deutscher Meister. Was ist der größte Unterschied zwischen Jugend- und Profifußball?

Schmidt: Während im Seniorenfußball das positive Ergebnis am nächsten Wochenende und der kurzfristige sportliche Erfolg des Vereins Priorität besitzt, geht es im Nachwuchs um langfristige Entwicklung und eine konzeptionelle Umsetzung der Inhalte. Trotzdem möchten Spieler und Trainer auch hier möglichst jedes Spiel gewinnen. Im Vordergrund steht aber die Ausbildung und Verbesserung der einzelnen Talente.

DFB.de: Zurück zu Ihrem Buch: Sie sprechen über die Erfolge der deutschen Talentförderung. Worauf kommt es dabei an?

Schmidt: Wichtig ist vor allem im Grundlagen- und Aufbaubereich, dass die Vereine altersgerechtes Training anbieten. Erst im fortgeschrittenen Alter kommt es besonders darauf an, die Entwicklung in den einzelnen Leistungsfaktoren wie Technik, Taktik, Koordination aber auch Physis und schlussendlich Mentalität so weit voranzubringen, dass die Spieler optimal auf den Seniorenbereich vorbereitet werden. Das ist nicht nur für die Spieler, sondern auch oder vor allem für Trainer und das gesamte Team hinter dem Team ein komplexer Prozess, der nur gemeinsam erfolgreich gestaltet werden kann.

DFB.de: Wie wichtig ist die Mischung aus Talent und Charakter?

Schmidt: Das Talent ist die Basis. Was mit Hilfe eines positiven Charakters daraus gemacht wird, ist aber viel entscheidender. Man benötigt Widerstandsfähigkeit, ein gesundes Maß an Eigenkritik und Selbstwahrnehmung sowie den täglichen Willen, sich zu verbessern. Dann besteht für die Spieler die Chance, ihnen den Weg in den Profifußball zu ebnen.

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DFB.de: Sie stellen auch den Spagat zwischen Jugend- und Profifußball dar. Wie groß ist dieser Spagat aktuell überhaupt noch?

Schmidt: Der Schritt in den Lizenzspielerkader ist immer noch sehr groß. Der Jugendfußball unterscheidet sich in allen Bereichen sehr deutlich von dem, der in der Bundesliga gespielt wird - besonders in den Bereichen Tempo, Zweikampfintensität und auch in der Kaltschnäuzigkeit der älteren Spieler. Die Anforderungen sind aber nicht nur auf dem Platz deutlich höher. Die Spieler im Profibereich stehen auch medial viel mehr im Rampenlicht und unter Druck. Insgesamt steigt die Erwartungshaltung innerhalb des Vereins, Erfolge einfahren zu müssen. Ein weiterer Unterschied ist, dass sich im Nachwuchsbereich vieles eher auf regionaler Ebene abspielt. In der Bundesliga kommen die Spieler aus der ganzen Welt, die Konkurrenz nimmt zu. Sich hier durchzusetzen, ist die Königsdisziplin.

DFB.de: Teilweise kommen junge Spieler aber schon mit 16 oder 17 Jahren bei den Profis zum Einsatz. Was halten Sie davon?

Schmidt: Die Spieler, die in den Profibereich aufrücken, werden - statistisch gesehen - immer jünger. Mit 16 oder 17 Jahren einen Einsatz in der Lizenzspielermannschaft zu bekommen, bleibt dennoch die Ausnahme. Insgesamt erfolgt die Annährung wegen der höheren Ausbildungsqualität heutzutage jedoch schneller. Schwieriger wird es - wie schon angesprochen - auf der mentalen Ebene. Wenn in so jungen Jahren schon der Schritt zum Profikader erfolgt, ist es umso wichtiger, auf dem Boden zu bleiben und sich stetig weiterzuentwickeln. Wer einmal bei den Profis mittrainiert hat, kann sich nicht gleich Bundesligaspieler nennen. In Wolfsburg hatten wir damals mit den beiden heutigen Profis Maximilian Arnold und Robin Knoche eine vergleichbare Situation. Eine Botschaft, die sie mit auf den Weg bekommen haben, lautete: Bundesligaspieler bist du erst, wenn du dich in der Mannschaft etabliert hast - nicht schon nach einem Einsatz.

DFB.de: Bodenständigkeit ist in dem Alter also das A und O?

Schmidt: Diejenigen, die im Kopf stabil bleiben, immer wieder an ihren Schwächen sowie ihren Stärken arbeiten und die vielen anderen Dinge, die auf einen einprasseln, ausblenden können, werden es letztendlich schaffen. Auch im Buch zeigen wir unterschiedliche, beachtliche Wege heutiger Profifußballer auf. Marco Reus wurde beispielsweise im NLZ von Borussia Dortmund aussortiert, hat aber nie aufgesteckt, immer an sich geglaubt und vor allem hart an sich gearbeitet. Heute gehört er zu den besten Spielern Deutschlands. Aber auch Sebastian Rode ist ein bemerkenswertes Beispiel. Er hat noch nicht einmal in der hessischen Verbandsauswahl gespielt - heute läuft er für den deutschen Rekordmeister FC Bayern München auf. Das zeigt auf, wie wichtig die Charakterstärke eines Spielers ist. In den meisten Fällen übertrumpft sie sogar das Talent.

DFB.de: Ein aktuelles positives Beispiel beim FC Schalke 04 ist U 21-Nationalspieler Leroy Sané, der kontinuierlich starke Leistungen bringt und sich von seiner plötzlichen medialen Präsenz scheinbar unbeeindruckt zeigt. Macht sich hier das duale Ausbildungssystem auf sportlicher sowie auch auf menschlicher Ebene bemerkbar?

Schmidt: Ja, definitiv. Leroy Sané ist zu 100 Prozent geprägt von der Schalker Knappenschmiede - und alle Mitarbeiter hatten daran ihren Anteil. Ebenso sein Vater, der den Jungen auf dem Boden hält. Außerdem hatte Leroy das Privileg, von Norbert Elgert trainiert zu werden, der für mich der beste Fußball-Ausbilder Deutschlands ist. Bei Leroy ist es demnach schwer vorstellbar, dass er abhebt.

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DFB.de: Ebenfalls ein Buchthema ist der Vorsprung der deutschen Jugendarbeit gegenüber anderen Ländern wie England und Spanien. Wie kann dieser Vorsprung auch in den nächsten Jahren gehalten werden?

Schmidt: Das geht nur über harte Arbeit. Ausbildung bedeutet Zukunft. Wir dürfen nicht nur auf die Gegenwart und aktuell sinnvolle Konzepte schauen, sondern müssen darüber hinaus darauf achten, was in den kommenden Jahren wichtig sein wird. Beispielsweise gibt es einen zunehmenden Gegner-, Raum- und Zeitdruck im taktischen Bereich und eine immer bedeutender werdende Handlungsschnelligkeit. Was aber betont werden muss: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit in anderen Ländern. Bevor vor rund 15 Jahren der positive Wandel unserer Jugendarbeit eingeläutet wurde, war Frankreich Vorreiter, gewann 1998 die Weltmeisterschaft. Auch Spanien hatte damals bereits einen leistungsstarken Nachwuchs. Der deutsche Fußball hat sich davon inspirieren lassen.

DFB.de: Es wird immer von den Spielern gesprochen, die aus den NLZ zur großen Karriere ansetzen. Aber auch renommierte Trainer wie Christian Streich vom SC Freiburg, Markus Gisdol von der TSG 1899 Hoffenheim oder Thomas Tuchel von Borussia Dortmund begannen im Nachwuchsbereich ihre erfolgreiche Laufbahn. Steht dem deutschen Fußball nicht nur bei den Spielern, sondern auch bei den Trainern eine "goldene Zukunft" bevor?

Schmidt: Das ist schwierig zu beurteilen, weil die Arbeit und der Erfolg jedes Trainers individuell ist und so etwas nicht verallgemeinert werden kann. Allerdings sind die genannten Trainer positive Beispiele für die ganzheitliche Entwicklung der Nachwuchsleistungszentren. Es sind längst nicht nur die Spieler, die von dem Fortschritt profitieren.

DFB.de: Sind langjährige Nachwuchstrainer später die besseren Profitrainer?

Schmidt: Auch auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Beispielsweise gibt es genug Trainer, die erfolgreich sind, obwohl sie früher nie Profi waren. Bei den Aktiven ist es doch genauso: Wer nicht in den Junioren-Nationalmannschaften gespielt hat, kann später trotzdem noch Nationalspieler werden. Jeder Trainer hat seine eigene Art, mit der er den maximalen Erfolg anstrebt. Die vorherige Laufbahn ist dafür nicht entscheidend.

DFB.de: Sie sehen also keinen Vorteil darin, als Trainer früher professionell Fußball gespielt zu haben?

Schmidt: Die Trainer-Tätigkeit ist in verschiedene Bereiche gegliedert. Inhaltlich bist du Fußballlehrer, der den Spielern etwas beibringen möchte und sie weiterentwickeln will. Abseits des Fußballplatzes bist du aber gleichzeitig auch Pädagoge und Psychologe. Es ist eine komplexe Aufgabenvielfalt, die nicht nur dadurch bewältigt werden kann, dass du früher selbst auf dem Fußballplatz am Ball warst. Jeder kann seine eigenen Stärken, seine Persönlichkeit und die erlernten Inhalte mit einbringen. Dabei ist es für mich zumindest nicht ausschlaggebend, ob jemand Profi war oder nicht.

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DFB.de: Trotz der positiven Entwicklung: Wo gibt es noch Optimierungspotenzial im deutschen Nachwuchsbereich?

Schmidt: Wir müssen uns stetig in allen Bereichen verbessern. Aktuell gelten wir - auch wegen des Weltmeister-Titels - als Vorbild für andere Nationen. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. England hat zum Beispiel andere wirtschaftliche Möglichkeiten, die in den nächsten Jahren auch verstärkt in die Nachwuchsarbeit investiert werden.

DFB.de: Könnten beispielsweise Vereine aus England noch stärker deutsche Talente schon im Nachwuchsbereich ins Ausland lotsen?

Schmidt: Bei bodenständigen Spielern wird auch in Zukunft die persönliche Entwicklung im Vordergrund stehen - und nicht der Geldbeutel. Ich kann nur jedem Jugendspieler ans Herz legen, in einem so jungen Alter nicht darauf zu achten, den einen oder anderen Taler mehr zu verdienen. Die Jungs sollten sich Gedanken machen, unter welchem Trainer sie am meisten lernen können und in welchem Verein hervorragende Jugendarbeit geleistet wird. Meiner Meinung ist es ein Fehler, wenn Nachwuchsspieler schon mit 13 oder 14 Jahren überlegen, in eine ausländische Jugendabteilung zu wechseln. Die deutsche Ausbildung ist top. Wir müssen uns vor keiner Nation auf der Welt verstecken.