Schiedsrichter mit Pfiff: Deutschlands ältester Referee

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch – Schiedsrichter mit Pfiff!

Manchmal wollen die Beine nicht mehr so. Die Augen haben auch nachgelassen. Ist ja auch kein Wunder - mit 84 Jahren. Der Körper also baut ab, der Wille ist dafür umso stärker. Ans Aufhören denkt Otto Kaschubowski deshalb noch lange nicht, beinahe Woche für Woche steht er in und um Hamburg auf dem Fußballplatz und leitet Spiele – als Deutschlands ältester Schiedsrichter.

In allen Funktionen dem Fußball gedient

Nach wie vor hat er Vergnügen daran, Entscheidungen zu treffen, nach wie vor, bereitet es ihm Freude, die Regeln zu überwachen - und nach wie vor ist er gerne Teil des Spiels, das er so sehr liebt: Fußball. Heute genauso wie vor 61 Jahren. Mit Leib und Seele und Haut und Haaren hat sich Kaschubowski dem runden Leder verschrieben, in allen Funktionen hat er dem Fußball gedient.

Seine Laufbahn ist lang und bewegt, so wie sein Leben. Bei „Komet Hammerbrook“, einem Verein im Bezirk Hamburg-Mitte, begann er 1931 seine Karriere als Spieler. Nach dem Krieg erwarb er 1949, nach der Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft, die Schiedsrichterlizenz und war fortan für den FC St. Pauli - heute wie damals sein Lieblingsverein - aktiv.

Bei der Hamburger Turnerschaft von 1816 schnürte er später erneut die Stiefel, dort betreute er parallel auch Jugendmannschaften und fungierte als Schiedsrichter-Obmann. 1988 schließlich wechselte er zu Eintracht Elbe, dort engagierte er sich als Kassenwart, als Spieler und, natürlich, als Schiedsrichter.

Viele Funktionen, viel Aufwand, viel Herz

Viele Funktionen, viel Aufwand, viel Herz. „Wenn man das Spiel nicht liebt, dann geht das nicht“, nennt Kaschubowski eines der Rezepte für sein langes Fußballer-Leben. Glück hatte er zudem, dass seine große Liebe seine Liebe zum Spiel geteilt hat.

Seine Frau Ingeborg hat ihn unterstützt, wo immer sie konnte, hat mitunter sogar seine Mannschaften an seiner Statt als Trainerin betreut, wenn er diese wegen eines Einsatzes als Schiedsrichter im Stich lassen musste. „Sie hat das toll gemacht“, erinnert sich Kaschubowski, „sie hatte nie Schwierigkeiten, akzeptiert zu werden.“

Das Ende seiner Laufbahn als Multifunktionär in Sachen Fußball kam 1990, als er, inzwischen angekommen bei den „Supersenioren“, seine Fußballschuhe an den Nagel hängte und sich fortan auf seine Tätigkeit als Schiedsrichter beschränkte.

Tatort: Sportplatz Öjendorfer Weg

Immer mit Begeisterung, immer mit vollen Engagement, immer 100 Prozent. Nur einmal war er kurz davor, seine Karriere zu beenden. Ein Verbrechen an Kaschubowski hätte beinahe zu einem Verbrechen am Fußball geführt.

Tatort war der Sportplatz Öjendorfer Weg des SC Vorwärts Wacker 04. Zehn Minuten nach Spielende wurde Kaschubowski in der Umkleidekabine niedergestreckt. Ihm wurde ein Ellbogen in den Bauch gerammt, an viel mehr kann sich der Schiedsrichter auch 17 Monate nach dem Zwischenfall nicht erinnern.

Kaschubowski erlitt einen Bauchdeckenbruch, mehr als ein Jahr lang litt er an empfindlichen Schmerzen im Bauchbereich. „Da habe ich mich schon gefragt, ob es das wert ist“, sagt er, „mir hat dieser Zwischenfall einige Illusionen genommen.“

"Damals gab es weniger versteckte Fouls"

Sein Blick zurück ist deswegen ein wenig verklärt. Kaschubowksi behauptet nicht, dass früher alles besser gewesen ist. Vieles indes schon. „Die Spieler hatten mehr Respekt“, sagt er. Eine Attacke auf den Schiedsrichter -undenkbar. Heute, sagt Kaschubowski, gehe es den meisten um den Sieg um jeden Preis, auch um den der Fairness.

Unabhängig von der Liga und dem Alter der Akteure. Die Spieler „sind damals nicht so theatralisch gefallen“, auch gab es „weniger versteckte Fouls“ und „weniger Gemecker“. Aufgefallen ist Kaschubowski dies allerdings erst nach dem verhängnisvollen Tag im September 2009.

Mehr als sechs Jahrzehnte Schiedsrichter

Die Attacke hat also Spuren hinterlassen, dauerhaft weniger körperlicher als vielmehr seelischer Natur. Doch gerade deshalb macht Kaschubowski weiter. Mehr als sechs Jahrzehnte Schiedsrichter, das Ende seine Karriere wollte er sich nicht von einem Fehlgeleiteten bestimmen lassen.

Also machte er es, wie so häufig in seinem Leben: Er machte das Beste aus der Situation. Vor dem Amtsgericht St. Georg einigte er sich mit dem mutmaßlichen Täter auf einen Vergleich, im Zuge dessen wurde die Anklage wegen Körperverletzung fallen gelassen, Kaschubowski aber ein Schmerzensgeld in Höhe von 600 Euro zugesprochen.

Schmerzensgeld für Kinderhospiz gestiftet

Durchaus hätte er selber Verwendung für das Geld gehabt. Etwa indem er mit seinen Sohn und seinem Enkel mal ein Spiel des FC St. Pauli besucht. „Ich versuche immer zu sparen, wenn ich genug zusammen habe, dann lade ich die beiden ein“, sagt er.

Das Schmerzensgeld hat er dennoch für andere Zwecke verwendet. „Ich wollte das Geld nicht“, erklärt Kaschubowski, nicht für sich persönlich zumindest. „Ich habe selbst viel durchgemacht“, sagt er, deshalb war es ihm ein Anliegen, mit einer Spende dort zu helfen, wo es am nötigsten ist: bei den Kindern.

Also bedachte er das Kinderhospiz Sternbrücke in Rissen mit dem Geld, dort sieht er seine Spende gut aufgehoben. „Das Geld hilft dort mehr, als es mir helfen könnte, es war für mich deswegen selbstverständlich, dass ich die Summe nicht für mich behalte.“

"Ich weiß, wo ich stehen muss"

Für die Kinder in Rissen ein Segen, für Kaschubowski eine Möglichkeit, seinen Frieden mit der Tat und dem Fußball zu machen. Heute ist er wieder weitgehend beschwerdefrei und wie eh und je mit vollem Einsatz für den Fußball da. Seine Erfahrung von mehr als sechs Jahrzehnten als Schiedsrichter hilft ihm, die körperlichen Nachteile auszugleichen.

„Ich weiß, wo ich stehen muss, um alle Situationen zu erkennen“, sagt er. „Dafür muss ich nicht mehr wie ein junger Hüpfer übers Feld springen.“ Zumal Kaschubowski ausschließlich Spiele der Senioren-Liga leitet, Spiele also, deren Akteure zumeist selbst nicht viel schneller sind als der rüstige Rentner aus Hamburg.

Ein Ende der Schiedsrichter-Karriere von Otto Kaschubowski ist daher nicht in Sicht. Deutschlands ältestem Schiedsrichter geht noch lange nicht die Puste aus. „So lange meine Arzt mir Grünes Licht gibt“, sagt er, „solange werde ich weiter pfeifen.“

Das meinten DFB.de-User

Hallo zusammen ! Mein Respekt für diese Leistung Otto, ich wäre froh, wenn ich mit 84 Jahren noch so auf der Höhe wäre. MfG (Jens Granat)

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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch – Schiedsrichter mit Pfiff!

Manchmal wollen die Beine nicht mehr so. Die Augen haben auch nachgelassen. Ist ja auch kein Wunder - mit 84 Jahren. Der Körper also baut ab, der Wille ist dafür umso stärker. Ans Aufhören denkt Otto Kaschubowski deshalb noch lange nicht, beinahe Woche für Woche steht er in und um Hamburg auf dem Fußballplatz und leitet Spiele – als Deutschlands ältester Schiedsrichter.

In allen Funktionen dem Fußball gedient

Nach wie vor hat er Vergnügen daran, Entscheidungen zu treffen, nach wie vor, bereitet es ihm Freude, die Regeln zu überwachen - und nach wie vor ist er gerne Teil des Spiels, das er so sehr liebt: Fußball. Heute genauso wie vor 61 Jahren. Mit Leib und Seele und Haut und Haaren hat sich Kaschubowski dem runden Leder verschrieben, in allen Funktionen hat er dem Fußball gedient.

Seine Laufbahn ist lang und bewegt, so wie sein Leben. Bei „Komet Hammerbrook“, einem Verein im Bezirk Hamburg-Mitte, begann er 1931 seine Karriere als Spieler. Nach dem Krieg erwarb er 1949, nach der Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft, die Schiedsrichterlizenz und war fortan für den FC St. Pauli - heute wie damals sein Lieblingsverein - aktiv.

Bei der Hamburger Turnerschaft von 1816 schnürte er später erneut die Stiefel, dort betreute er parallel auch Jugendmannschaften und fungierte als Schiedsrichter-Obmann. 1988 schließlich wechselte er zu Eintracht Elbe, dort engagierte er sich als Kassenwart, als Spieler und, natürlich, als Schiedsrichter.

Viele Funktionen, viel Aufwand, viel Herz

Viele Funktionen, viel Aufwand, viel Herz. „Wenn man das Spiel nicht liebt, dann geht das nicht“, nennt Kaschubowski eines der Rezepte für sein langes Fußballer-Leben. Glück hatte er zudem, dass seine große Liebe seine Liebe zum Spiel geteilt hat.

Seine Frau Ingeborg hat ihn unterstützt, wo immer sie konnte, hat mitunter sogar seine Mannschaften an seiner Statt als Trainerin betreut, wenn er diese wegen eines Einsatzes als Schiedsrichter im Stich lassen musste. „Sie hat das toll gemacht“, erinnert sich Kaschubowski, „sie hatte nie Schwierigkeiten, akzeptiert zu werden.“

Das Ende seiner Laufbahn als Multifunktionär in Sachen Fußball kam 1990, als er, inzwischen angekommen bei den „Supersenioren“, seine Fußballschuhe an den Nagel hängte und sich fortan auf seine Tätigkeit als Schiedsrichter beschränkte.

Tatort: Sportplatz Öjendorfer Weg

Immer mit Begeisterung, immer mit vollen Engagement, immer 100 Prozent. Nur einmal war er kurz davor, seine Karriere zu beenden. Ein Verbrechen an Kaschubowski hätte beinahe zu einem Verbrechen am Fußball geführt.

Tatort war der Sportplatz Öjendorfer Weg des SC Vorwärts Wacker 04. Zehn Minuten nach Spielende wurde Kaschubowski in der Umkleidekabine niedergestreckt. Ihm wurde ein Ellbogen in den Bauch gerammt, an viel mehr kann sich der Schiedsrichter auch 17 Monate nach dem Zwischenfall nicht erinnern.

Kaschubowski erlitt einen Bauchdeckenbruch, mehr als ein Jahr lang litt er an empfindlichen Schmerzen im Bauchbereich. „Da habe ich mich schon gefragt, ob es das wert ist“, sagt er, „mir hat dieser Zwischenfall einige Illusionen genommen.“

"Damals gab es weniger versteckte Fouls"

Sein Blick zurück ist deswegen ein wenig verklärt. Kaschubowksi behauptet nicht, dass früher alles besser gewesen ist. Vieles indes schon. „Die Spieler hatten mehr Respekt“, sagt er. Eine Attacke auf den Schiedsrichter -undenkbar. Heute, sagt Kaschubowski, gehe es den meisten um den Sieg um jeden Preis, auch um den der Fairness.

Unabhängig von der Liga und dem Alter der Akteure. Die Spieler „sind damals nicht so theatralisch gefallen“, auch gab es „weniger versteckte Fouls“ und „weniger Gemecker“. Aufgefallen ist Kaschubowski dies allerdings erst nach dem verhängnisvollen Tag im September 2009.

Mehr als sechs Jahrzehnte Schiedsrichter

Die Attacke hat also Spuren hinterlassen, dauerhaft weniger körperlicher als vielmehr seelischer Natur. Doch gerade deshalb macht Kaschubowski weiter. Mehr als sechs Jahrzehnte Schiedsrichter, das Ende seine Karriere wollte er sich nicht von einem Fehlgeleiteten bestimmen lassen.

Also machte er es, wie so häufig in seinem Leben: Er machte das Beste aus der Situation. Vor dem Amtsgericht St. Georg einigte er sich mit dem mutmaßlichen Täter auf einen Vergleich, im Zuge dessen wurde die Anklage wegen Körperverletzung fallen gelassen, Kaschubowski aber ein Schmerzensgeld in Höhe von 600 Euro zugesprochen.

Schmerzensgeld für Kinderhospiz gestiftet

Durchaus hätte er selber Verwendung für das Geld gehabt. Etwa indem er mit seinen Sohn und seinem Enkel mal ein Spiel des FC St. Pauli besucht. „Ich versuche immer zu sparen, wenn ich genug zusammen habe, dann lade ich die beiden ein“, sagt er.

Das Schmerzensgeld hat er dennoch für andere Zwecke verwendet. „Ich wollte das Geld nicht“, erklärt Kaschubowski, nicht für sich persönlich zumindest. „Ich habe selbst viel durchgemacht“, sagt er, deshalb war es ihm ein Anliegen, mit einer Spende dort zu helfen, wo es am nötigsten ist: bei den Kindern.

Also bedachte er das Kinderhospiz Sternbrücke in Rissen mit dem Geld, dort sieht er seine Spende gut aufgehoben. „Das Geld hilft dort mehr, als es mir helfen könnte, es war für mich deswegen selbstverständlich, dass ich die Summe nicht für mich behalte.“

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"Ich weiß, wo ich stehen muss"

Für die Kinder in Rissen ein Segen, für Kaschubowski eine Möglichkeit, seinen Frieden mit der Tat und dem Fußball zu machen. Heute ist er wieder weitgehend beschwerdefrei und wie eh und je mit vollem Einsatz für den Fußball da. Seine Erfahrung von mehr als sechs Jahrzehnten als Schiedsrichter hilft ihm, die körperlichen Nachteile auszugleichen.

„Ich weiß, wo ich stehen muss, um alle Situationen zu erkennen“, sagt er. „Dafür muss ich nicht mehr wie ein junger Hüpfer übers Feld springen.“ Zumal Kaschubowski ausschließlich Spiele der Senioren-Liga leitet, Spiele also, deren Akteure zumeist selbst nicht viel schneller sind als der rüstige Rentner aus Hamburg.

Ein Ende der Schiedsrichter-Karriere von Otto Kaschubowski ist daher nicht in Sicht. Deutschlands ältestem Schiedsrichter geht noch lange nicht die Puste aus. „So lange meine Arzt mir Grünes Licht gibt“, sagt er, „solange werde ich weiter pfeifen.“

Das meinten DFB.de-User

Hallo zusammen ! Mein Respekt für diese Leistung Otto, ich wäre froh, wenn ich mit 84 Jahren noch so auf der Höhe wäre. MfG (Jens Granat)